Nr. 152.
Mittwoch, den 3. Juli 1889.
6. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für für die die Interessen der Arbeiter.
Das Berliner Volksblatt"
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erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem„ Sonntags- Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer Expedition Zimmerstraße 44 1 Mark pro Monat. Postabonnement 4 Mark pro Quartal. 1 ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1889 unter Nr. 866.) Für das Ausland: Täglich unter Kreuzband durch unsere Expedition 3 Mart pro Monat.
Redaktion: Beuthstraße 2.
Offiziöses Material.
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II.
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Als Nachtrag zu unserem gestrigen Artikel und um das dort aufgerollte Bild zu vervollständigen, sei noch daran erinnert, daß der Leiter der Expedition des Sozialdemokrat", jener rothe Postmeister", dem es nach Puttkamerimmer und immer gelungen ist, und augenblicklich sogar noch zu gelingen scheint die vom Pesthauch der Revolution getränkten Brandschriften in Deutschland einzuschmuggeln, fein anderer ist, als jener Julius Motteler , der als Reichstagsabgeordneter 1874 zum ersten Male die Erklärung abgab, daß er und seine Partei die Thatsache der Gründung des Reiches ohne Rückhalt anerkenne und daß er deshalb den Vorwurf der Reichsfeindschaft auf das Entschiedenste zurückweisen müsse.
Für die Art und Weise, wie Reichsfeinde" gezogen werden, ist es ja gewiß nicht ohne Bedeutung, daß der Gründer des Sozialdemokrat" und der Leiter der Expedition beffelben Höchberg und Motteler heißen.
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Doch nun wieder zur Nordd." und ihren Angaben. Was dort bezüglich des Inhaltes der in der Schweiz hergestellten Druckschriften und speziell des„ Sozialdemokrat" gefagt ist, können wir übergehen unter Hinweis auf das, was wir bereits in unserem gestrigen Artikel über die Folgen schrieben, welche es hat und notabene zu allen Zeiten gehabt hat wenn man eine starke Partei im eigenen Lande mundtodt macht. Ist es weiter wirklich wahr, daß die gefährlichen Schriften bis heute noch in tausenden und abertausenden von Exemplaren über die Grenze geschmuggelt werden, wofür als Beweis angeführt wird, daß im Jahre 1882 13 000 Exemplare des I. Quartals des Sozialdemo frat" polizeilich befchlagnahmt wurden, was beweist dies anders, als daß bei den heutigen Verkehrsmitteln es einfach eine Unmöglichkeit ist, die Grenzen so abzuschließen, daß bie Masseneinschmuggelung verbotener Druckschriften nicht mehr möglich ist? Ist es doch vom„ Sozialdemokrat" selbst wie auch von sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag oft genug betont worden, daß die Reich s post der beste und verläßlichste Verbreiter der verbotenen Waare sei. Eine Thatsache, die Angesichts der Millionen von Packeten, Briefen und sonstigen Sendungen, welche die Post täglich und wöchentlich zu besorgen hat, übrigens gar nichts Ueberraschendes bietet. Wir haben zwar das Wort des Reichspostmeisters von der Bibelsicherheit bei der Post nie allzu wörtlich genommen, aber daß bei dem kolossalen Umfang des Postverkehrs die Möglichkeit, die Sendungen auf ihren Inhalt zu prüfen, einfach ausgeschlossen ist, dieser Versiche rung des Herrn von Stephan haben wir vollen Glauben geschenkt. Und in dieser Unmöglichkeit der Kontrole, selbst wenn sie versucht würde was wir nicht behaupten liegt eben die relative Sicherheit für die Verbreitung der vers botenen Drucksachen.
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Feuilleton.
Rachbruck verboten.]
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Auf jedem Schiffe sitt ein amtliches Organ, der Rei niger". Eine schreckliche Person, deren Pflicht es ist, auf Jedermann ein wachsames Auge zu haben, was er angreift, womit er in Berührung kommt; und wenn ein Passagier am türkischserbischen Ufer ein fremdes Individuum oder einen aus Haar, Wolle oder Hanf verfertigten Gegenstand( denn jene Stoffe pflanzen die Pest fort), wäre es auch nur mit dem Eaum feines Mantels gestreift hat, muß er ihn auf der Stelle für pestverdächtig erklären und ihn, sobald Orsova erreicht ist, aus den Armen seiner Familie reißen und der Quarantaine übergeben. Deshalb nennt man ihn den„ Reiniger".
Und wehe ihm, wenn er einen solchen Fall verheimlicht. Auf die geringste Versäumniß sind fünfzehn Jahre FestungsStrafe gesetzt.
Den Schmugglern aber, scheint es, kann die Pest nichts anhaben, denn sie führen keinen Reiniger mit sich, und wenn hundertmal in Brussa die Pest ausbricht, verkehren sie bei Tag und Nacht zwischen den beiden Ufern. Wir wollen nicht unbemerkt laffen, daß der heilige Prokop ihr Schutzpatron ist. Nur die Bora pflegt ihr Detailgeschäft zu stören; benn die rasche Strömung zwischen dem Eisernen Thore wirft die blos mit Rudern gelenkten Schiffe ans südliche Ufer. Allerdings kann auch auf Bugschiffen Schmuggel getrieben werden, allein das gehört zum Engros- Geschäft, foftet zudem mehr, als gut kameradschaftliches Einvernehmen und ist daer nichts für arme Leute. Dann ist's auch nicht mehr Salz, jondern Tabak und Kaffee, was gefchmuggelt wird.
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Insertionsgebühr
190
beträgt für die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und VersammlungsAnzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen- Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 10 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Nr. 4106.
Expedition: Bimmerfrakže 44.
Das infernalische" Geschick, von dem Herr von Putt kamer sprach, das bei der Einschmuggelung der verbotenen Schriften angeblich in Anwendung kommen soll, braucht deshalb wirklich gar nicht so groß zu sein. Schmuggler, die den Teufel in eigener Person über die Grenze tragen, wenn es nur gut bezahlt wird, hat es zu allen Zeiten und überall gegeben. Ist aber die verbotene Waare erst im Lande, nun das übrige wird wohl die Post besorgen.
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Doch die ,, Nordd." konstatirt nicht nur den massenhaften Schmuggel verbotener Schriften und zwar aus der Schweiz Schweiz fie spricht auch die ,, Vermuthung" aus, daß der , Druck des ,, Sozialdemokrat" auch jetzt noch in der Schweiz besorgt wird!"
Diese Vermuthung" des offiziösen Blattes veranlaßt uns zu der Frage: Für was werden denn aus den Steuergroschen der deutschen Bürger alljährlich unkontrolirte Hunderttausende von Mark für die politische Polizei und deren offizielle und nichtoffizielle Agenten im In- wie Auslande ausgegeben, wenn dieses, in des Wortes wört lichster Bedeutung so fost bare Institut nicht einmal im Stande ist, festzustellen, ob eine 3eitung, die wöchentlich in einer Auflage von vielen Tausenden erscheint, wirklich an dem Orte gedruckt wird, den sie angiebt, oder ob diese Angabe eine Lüge ist? Wir machen uns anheischig, jede Wette einzugehen, daß jeder Sezerjunge, den die Nordd." aus ihrer Druckerei auswählen und nach Lon don senden will, innerhalb 14 Tagen feststellen wird, ob der Sozialdemokrat" dort gedruckt wird oder nicht. Und der so trefflich organisirten, politischen Polizei Deutschlands sollte diese Festellung noch nicht gelungen sein, obwohl der Sozialdemokrat" nun schon seit Monaten unter Angabe seines Drudlotales und genau so öffentlich wie früher in der Schweiz , in London erscheint?-
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Nun etwas besser denken wir von dem durch die Herren Krüger und von Haacke geleiteten Institute doch.
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Wenn es aber wahr ist, daß der Sozialdemokrat" auch jetzt noch in der Schweiz gedruckt wird, warum dann nur Vermuthung"? Ist es aber nicht wahr wie nennt man denn eine Kampfesart, die mit unbewiesenen Verdächtigungen operirt?
Und wie stimmt eine solche Kampfesart zu der Aufgabe, in deren Dienst ja sicherlich die Artikel der Nordd." nur geschrieben sind, Moral, Sitte und staatliche Ordnung vor den kulturfeindlichen Bestrebungen der sozialrevolutionären Umsturzpartei zu beschützen?
Stehen der Nordd." zur Vertheidigung ihrer Ideale keine anderen Waffen zur Verfügung, als wie die Lüge? Wenn aber ja, warum lügt sie dann in ihrer Nr. 295, daß ,, in dem hinsichtlich der Beziehungen zu Deutschland wichtigen Kanton Zürich sich die Leitung der Polizei in den Händen eines ausgesprochenen Sozialdemokraten, des Polizeihauptmanns Fischer," befindet?
Daß diese Angabe nicht wahr ist, das mußte man in
Die Bora hat die Donau ordentlich rein gefegt von Schiffen und hat dadurch die öffentliche Moral und den Gehorsam gegen die Staatsgesetze seit drei oder vier Tagen so gehoben, daß kein Anlaß geboten ist zur Sündenvergebung. Die Schiffe haben sich beeilt, einen sicheren Port zu gewinnen oder in der Mitte der Donau Anker geworfen, und die Grenzwächter können ruhig schlafen, solange dieser Wind das Gefüge ihrer Holzbaracken knarren macht. Jetzt fährt kein Schiff.
Dem Korporal der Ogradinaer Grenzstation will es dennoch bedünken, als ließen sich seit Tagesanbruch mitten durch das Saufen des Windes und das Rauschen der Wogen wiederholt jene eigenthümlichen Signaltöne vernehmen, die das Schifferhorn auf zwei Meilen weit sendet und die selbst von der Stimme des Donners nicht überschrieen werden, jenes unheimliche, wehklagende Getute aus einem langen hölzernen Rohr.
Kommt ein Schiff und zeigt es deshalb feine Annäherung an, damit nicht ein anderes Schiff bei solchem Wetter im Kanal des Eisernen Thores ihm entgegenfahre? Oder schwebt es in Gefahr und ruft um Hilfe?
Dies Schiff ,, kommt".
Es ist ein zehn- bis zwölftausend Mezzen fassendes Schiff aus Eichenholz; voll beladen, wie es scheint, denn die Wellen schlagen auf beiden Seiten über die Ränder seiner Schiffswände.
zu bei
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der Redaktion der Nordd." wissen; denn Fischer's politische Stellung ist gelegentlich der Affäre Haupt- Schröder so viel erörtert worden, daß Niemand, der diese Dinge nur halbwegs verfolgt hat, über die Parteizugehörigkeit des Züricher Polizeihauptmannes im 3weifel sein kann. Herr Fischer ist nie Sozialdemokrat gewesen, er war auch keiner, als er aus Interesse, welches die Sache für die schweizerischen Behörden in Bezug auf das provokatorische Treiben der unter Anklage stehenden Personen hat, den Abgeordneten Bebel und Singer auf deren Wunsch die Be= stätigung über das ruchlose Gebahren der Polizeispitzel Schröder und Haupt zustellte, und er ist auch heute feiner. Fischer zählt, was schon 100 Mal konstatirt, hier zum 101. Male wiederholt sein mag, zur bürgerlichen Demokratie und von dieser ist er auch auf seinen Posten gewählt.
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Wahr dagegen ist die Angabe der Nordd.", daß der Züricher Adjunkt Lang Sozialdemokrat ift. Irren wir nicht, so gehört dieser ebenso talentvolle wie begeisterte Anhänger der Sozialdemokratie zum Landesausschuß der schweizerischen sozialdemokratischen Partei. Mit den polizeilichen Angelegenheiten des Kantons 3ürich aber hat wie es nach der gewiß nicht unabsichtlichen Busammenstellung der Nordd." wohl scheinen möchte- Lang unseres Wissens gar nichts zu thun.
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Nun begreifen wir zwar das Grauen der Nordd." davor, daß ein angestellter Beamter sich öffentlich als Sozialdemokrat bekennen darf, sehr wohl. Aber das kommt eben davon, daß die Schweizer es als selbstverständlich be trachten, daß Grundsäße, die in der Staatsverfassung aufgestellt sind, auch durchgeführt und praktisch geübt werden. Nun aber lautet Art. 4 der Schweizer Bundesverfassung vom
29. Mai 1874:
,, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es giebt in der Schweiz keine Unterthanen Verhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Fa milien oder Personen."
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Auf Grund dieses Artikels nun können in der Schweiz auch Sozialdemokraten staatliche Beamtenstellen einnehmen, vorausgesetzt, wie dies eben bei Adjunkt Lang der Fall ist, daß sie von ihren Mitbürgern zu den Posten gewählt werden.
Eine fatale Geschichte das, wollen's gerne zugeben. Aber ohne Annexion wird sich dagegen wohl schwerlich etwas machen lassen.
Also auf, Herr Pindter! Vielleicht ist an dem langen Spieße, mit dem ja weiland die sieben Schwaben schon gegen das„ Ungeheuer am Bodensee " ausgezogen sind, noch ein Pläßchen frei!
Sollte aber der Herr Kommissionsrath an seinen friegerischen Lorbeeren aus der Zeit des polnischen Aufstandes genug haben und nicht nach neuen geizen, so soll uns das auch recht sein.
Wand der Kabine zeigt zwei kleine Fenster mit grün ange strichenen Jalousien, und in dem Raume zwischen den beiden Fenstern ist auf Goldrand die jungfräuliche Gestalt der den Märtyrertod gestorbenen heiligen Barbara abgemalt, in rosafarbenem Gewand, in einem hellblauen Mantel, rothem Kopftuch, eine weiße Lilie in der Hand.
Auf dem kleinen Raume zwischen der Kabine und den auf dem Schiffsschnabel befindlichen dicken Seilgewinden steht eine zwei Fuß breite und fünf Fuß lange grün an gestrichene Brettertruhe voll schwarzer Erde, in welcher die schönsten gefüllten Nelken und Levkojen gepflanzt sind. Den fleinen Garten umschließt ein drei Fuß hohes Eisengitter, dessen Stäbe dicht behängt sind mit Kränzen aus Feldblumen; in der Mitte aber brennt in einer rothen Glasfugel eine Lampe, daneben steckt ein Büschel von Rosmarin und geweihten Weidenkäßchen.
Auf dem Vordertheile des Schiffes ist der Mastbaum aufgerichtet, an dessen Mittelhaken das 3ugfeil gespannt ist, ein drei Boll dickes Schiffstan, an welchem auf dem Ufer zweiunddreißig Pferde das schwere Fahrzeug stromaufwärts zu ziehen bemüht sind. 3u einer anderen Zeit hätten hier auch sechszehn Pferde genügt und auf der oberen Donau wären selbst zwölf Pferde genügend gewesen; hier aber und gegen den Wind ist es nöthig, auch die zweiunddreißig scharf anzutreiben.
Jene Hornsignale gelten dem Führer der Pferdetreiber.
Das massive Fahrzeug ist schwarz angestrichen, nur der Vordertheil ist silberfarbig und endet in einem hoch hinaufreichenden, oben schneckenartig gewundenen Schiffsschnabel, der mit glänzendem Blech beschlagen ist. Das Verdeck hat die Form eines Hausdaches, mit den Seiten hinanlaufenden schmalen Treppen und einem flachen Steg oben, der von einem Ruder zum andern führt. Der oberhalb des Schiffsschnabels gelegene Theil des Verdecks endigt in eine Doppeltabine, welche aus zwei Kammern besteht, mit Thüren rechts und links. Die dritte wann sie still zu stehen haben.
Die menschliche Stimme hätte hier vergebliche Anstrengungen gemacht. Wenn auch der Ruf vom Schiff bis zum Ufer gedrungen wäre, so hätte ihn in dem Wirrwarr von Echos fein Mensch verstanden.
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Die Sprache des Hornes versteht dagegen selbst das Pferd; aus seinem bald gedehnten, bald abgerissenen, warnenden oder ermuthigenden Tönen erkennen Mensch und Vieh, wann sie ihren Gang zu beschleunigen oder zu mäßigen, oder