war, erkannte er, daß der Mann garnicht betrunken und er brachte ihn statt auf das Revier nach der Sanitätswache_am Görlizer Bahnhof, wo der Arzt auch konstatirte, daß der Eingelieferte irrfinnig sei. Aus Schriftstücken, welche er bei sich trug, ging Name und Wohnung des Unglücklichen hervor und dorthin eilte der Polizist, um die Seinigen zu benachrichtigen. In der dürftig ausgestatteten Wohnung tritt ihm ein etwa achtzehnjähriger Mensch, der Sohn des Eingelieferten entgegen, dessen Blick Sprache dem Schußmann sogleich verräth, daß er es hier gleichfalls mit einem Irrsinnigen zu thun habe. Er fragt nach der Mutter und die Haushälterin führt ihm eine Frau von einer so hochgradigen Nervosität zu, daß der Polizist jede weitere Unterredung mit der Frau abbricht und sich nach der Wache und seinem Revier aufmacht, Bericht zu erstatten. Daraufhin sind noch an demselben Tage Vater und Sohn nach einem Krankenhause gebracht worden, während man hofft, die von ihrer irrfinnigen Umgebung befreite Frau in der Behausung wieder herzustellen. In welchem Zustande auch diese Unglückliche sich befindet, geht am besten daraus hervor, daß sie an einem Tage zweimal den Versuch ge= macht hat, sich in ihrer vier Treppen hoch belegenen Wohnung aus dem Fenster zu stürzen, ein Versuch, dessen Ausführung jedesmal nur mit größter Mühe verhindert werden konnte. Die Ursache dieser geistigen Umnachtung einer ganzen Familie sind Schicksalsschläge, welche binnen kurzer Zeit die einst vermögenden Leute an den Bettelstab gebracht haben. Der Mann war in Berlin ein Maurermeister, dem aber verfehlte Bauspekulationen Alles raubten und welcher den Niedergang seiner Verhältnisse sich so zu Herzen nahm, daß er und die Seinigen darob den Verstand verloren.
Ein entschlicher Bootsunfall, welchem zwei blühende Menschenleben zum Opfer gefallen sind, wird von TreptowStralau berichtet. Eine hiesige Kaufmannsfamilie machte am Sonntag Nachmittag einen Ausflug nach Treptow , an welchen sich auch die drei Söhne derselben im Alter von 22, 24 und 25 Jahren betheiligten. Während die Eltern im Sperl verweilten, mietheten gegen 4 Uhr Nachmittags die drei jungen Leute bei einem Kahnverleiher ein Boot, mit welchem sie die Spree stromabwärts befuhren. In der Nähe der Verbindungsbahn- Brücke beabsichtigten die beiden älteren Brüder die Plage zu wechseln, und beim Erheben von den Sizen gerieth das Boot ins Schwanken, schlug um, und die Insassen desselben stürzten ins Wasser. Ein Entsegensschrei erhob sich seitens der vielen Hunderte von Zuschauern, und eine Anzahl von Ruderund Segelbooten, welche sich in der Nähe befanden, eilten rasch nach der Unglücksstelle, um sich an dem Rettungswerk zu betheiligen. Leider gelang dieses nur unvollständig, denn nur der älteste von den mit den Wellen kämpfenden Brüdern wurde von einem Segelboot aufgenommen, während die beiden jüngeren nicht wieder zum Vorschein kamen. Der Schmerz und die Verzweiflung der Eltern, welchen der gerettete Sohn die Trauerbotschaft persönlich brachte, war unbeschreiblich. Erst gestern Nachmittag gelang es, die Leichen der beiden jungen Leute aufzufinden, welche in der Nähe des Ruderklubgebäudes„ Hellas" von den Wellen ans Land getrieben wurden.
Infolge eines Anfalles von Delirium tremens verließ Sonntag in ganz früher Morgenstunde ein Reſtaurateur seine unweit des botanischen Gartens belegene Wohnung und eilte, nur mit einem Nachthemde bekleidet, die Potsdamer Straße in der Richtung des Potsdamer Plages entlang. Ein Schuhmann und der Reviernachtwächter machten sich sofort an seine Verfolgung und wurde derselbe auch binnen kurzem ergriffen und nach seiner Wohnung gebracht, daselbst wurde er angekleidet und der nächst gelegenen Sanitätswache übergeben, von wo aus seine Ueberführung nach einem Krankenhaus muthmaßlich Charitee erfolgte.
Einem schweren sonderbaren Unfall ist am gestrigen Tage die in der Reichenbergerstraße wohnende Frau des Töpfers J. zum Opfer gefallen. Die Eheleute befizen zwei Kinder im Alter von 5 und 3 Jahren, welchen zum Spielgenoffen ein großer Bernhardiner Hund dient. Auch gestern Auch gestern Nachmittag spielten die Kleinen in der Wohnstube mit dem willigen Thiere und jagten dasselbe umber, bis dasselbe schließlich gegen die nach der Küche führende Thür rannte und zwar in demselben Augenblick, als Frau J. diefelbe öffnete. Der Hund prallte gegen die Frau, welche ein schweres Gefäß trug, an und dieselbe schlug so unglücklich zu Boden, daß sie mit einer klaffenden Kopfwunde liegen blieb. Während die unverständigen Kinder, glaubend, daß die Mutter nur scherze, ruhig weiter spielten, bellte der Hund so laut und anhaltend, daß Hausbewohner hierdurch oufmerksam gemacht, hinzueilten und der Blutüberströmten die erste Hilfe leisteten. Auf Anordnung der herbeigerufenen Arztes wurde die Unglückliche, welche außer der schweren Kopfwunde auch noch eine Gehirnerschütterung erlitten, nach einem Krankenhause gebracht.
Ein Konzert im Irrenhause. In der Nervenheilanstalt und Anstalt für Geistestranke von Stadtrath Dr. Edel zu Charlottenburg fand dieser Tage wieder eine Musikaufführung statt, an der die der Anstalt anvertrauten Patienten, soweit sie noch im Stande sind, irgend welche Eindrücke aufzufaffen, das Publikum bildeten. Die Herren Rothmühl, Heinrich Grünfeld und Liebling hatten sich der Anstaltsverwaltung zur Verfügung gestellt, die in ihrer Fürsorge für ihre Pflegebefohlenen feine Gelegenheit vorübergehen läßt, herbeizuschaffen, was irgend vom Reiz des Daseins die Hilflosen noch trösten, die Hoffenden noch aufrichten, die Genesenden noch stärken, die Verlorenen noch mit einem legten Schimmer des verlorenen Glücks umgeben fann. Nicht ohne ein gewisses Bangen, von einer ängstlichen Scheu nicht ganz verschont, traten die Künstler an ihre Aufgabe um so freier und gehobener fonnten sie sich ihr später widmen, als sie erst merkten, wie be= glückend und begeisternd die Gaben, die Kunst auf die armen Opfer unserer Zeit wirkten. Die Verunglückten und Invaliden der Geistesarbeit zeigten für die schönen Gaben der Musik noch offenen Sinn. Der Veranstaltung, die ihnen eine seltene und erwünschte Abwechslung im Dunkel ihres Daseins, die ihnen eine schöne Erinnerung an vergangene Zeiten brachte, jubelten sie dopppelt freudig zu und waren doppelt dankbar für jede einzelne Gabe. Den Liedern von Rothmühl folgten begeisterte Beifalls- Ausbrüche, Grünfeld's Vorträge fanden andächtiges Gehör und stürmischen Beifall, nach den Vorträgen von Liebling brachte einer der Patienten dem Liebling der Welt" gar ein Hoch aus. Nach beendetem Konzert verweilten die Künstler noch eine Weile harmlos plaudernd inmitten der zutraulich gewordenen, mittheilsamen Patienten. Da verrieth es der Eine, daß er eigentlich der Verfasser der„ Wilddiebe" sei, ein Anderer bekannte sich zu einem Vermögen von etlichen Milliarden, ein Dritter wieder stellte sich als eine Art Mischung von wie ist das Engel und Elephanten vor in so eigenartigem Sinne der Humor, der unter Thränen lächelt. Wie viel reiche Bildung geht hier unter im mächtigen Kopfe des Mannes, der in nur schwunghaften Alliterationen spricht, und der im raschen Dahintraben der flüffigen Stabreime oft auch manches geistreiche Wort hervor stößt. Wie tief ergreift uns das Geschick jener Dame, die sich immer noch die Braut von Nachtigal und mit ihm auf Reisen wähnt. Welch' selige Illusion leuchtet hier aus den Augen eines Geistesfranken, der in seinem Wehe sich glücklich dünkt, welch ein erschütterndes Geschick mag hier eine so unendliche Melancholie über die stumme, schlanke junge Dame gegossen haben! Aber es sind nur die den Weltgewohnheiten noch nicht ganz entfremdeten, ruhigen Kranken, die der Konzertfaal vereint, diejenigen nur, die den Eindrücken der Kunst eben noch zugängig sind. Wenn wir uns zum Beispiel nach der unglücklichen Heroine des Schauspielhauses, Johanna Schwarz, erfundigen, hören wir, daß sie noch immer in Tobsuchtsanfällen lebt, noch immer ihre Kleider zerreißt, noch immer vom Bewußtsein ihrer selbst und ihrer Lage weit entfernt ist. Aber
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gerade, was so verzweifelt klingt, birgt einen Schimmer von Hoffnung. Die Tobjüchtigen haben auf Heilung verhältnißmäßig größere Aussicht. Dem Konzert folgte ein kleines Souper, an welchem einige derjenigen Kranken, deren Nerven mehr oder minder zerrüttet sind, ohne daß die Geisteskräfte irgendwie an= gegriffen wären, einige Opfer des Morphiums, theilnahmen. Einer von ihnen brachte sogar einen Toast aus. Spät und tief ergriffen verließen die Künstler das Haus, überzeugt, ihr diesmaliges Konzert habe tiefer gewirkt, würde den Hörern länger im Gedächtniß bleiben, als sonst irgend eine musikalische Veranstaltung.
Polizeibericht. Am 1. d. M., Mittags, fiel der Arbeiter Dobroczewski, als er vor dem Hause Kronprinzen- Ufer 28 einen Sack mit Getreide vom Kahn nach dem Ufer trug, infolge eines Fehltritts ins Wasser und erlitt dabei eine nicht unbedeutende Verlegung des rechten Fußes, so daß er nach der königl. Klinik gebracht werden mußte. Nachmittags fiel der Arbeiter Hoppe hinter dem Grundstück Triftstraße 45 von seinem in der Fahrt befindlichen, mit Schutt beladenen Wagen und wurde über den Kopf gefahren, so daß er bald darauf verstarb. Zu derselben Zeit wurde ein Tapezirer in seiner Wohnung in der Leipzigerstraße erhängt vorgefunden. Im Chriftlichen Hospiz, MohrenStraße 27/28, wurde zu derselben Zeit eine unbekannte, etwa 40 Jahre alte Frauensperson in ihrem Zimmer auf dem Bette liegend bewußtlos vorgefunden. Dieselbe hatte vermuthlich infolge einer Geistesstörung Gift genommen und wurde nach erfolgreichen Wiederbelebungs- Versuchen nach der Charitee gebracht.
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nicht weniger als 18 Paletots zu stehlen und besuchte er mit Vorliebe die feinsten Restaurants und Cafés. Seine Stellung hatte der Angeklagte verloren, weil er seinen Prinzipal in der unverschämtesten Weise bestohlen hatte. Das Gericht egte ihm wegen sämmtlicher Strafthaten eine Ge= fängnißstrafe von vier Jahreu auf.
Soziale Uebersicht.
Von Seiten der Streikenden Maurer wird folgender Aufruf veröffentlicht: Arbeiter Berlins ! Mit Stolz und Zufriedenheit können wir auf die diesjährige Maurerbewegung zurückblicken. Die Haltung, welche unsere Kollegen während bes Streits beobachtet hatten, war bewundernswerth, sie verdient die vollste Anerkennung. Noch hoffen wir Alle mit froher Zuversicht, daß wir unsere Forderungen voll und ganz durchsetzen; mehr als je erfüllt uns gerade jetzt begeisterter Muth: wir werden dem Unternehmerthum zeigen, daß wir Männer sind, die ihre Pflichten kennen, die wissen, was sie der Gesammtheit schuldig sind. Arbeiter Deutschlands , die Ihr so oft in edler Hochherzigkeit Euren fämpfenden Brüdern beigesprungen seid nur noch eine furze Spanne Zeit, und der Sieg ist unser. Mag uns die Bourgeois- Presse verhöhnen, mag sie in giftiger Weise unsere Bestrebungen verdächtigen
uns Als die 15jährige Anna Groth Abends im Erdgeschoß des Hauses Neue Friedrichstr. 77 die Gasflamme anzündete, explodirte das aus der geöffneten Leitung ausgeströmte Gas und erlitt die 2c. Groth dadurch schwere Brandwunden. Sie wurde nach der Charitee gebracht.
Gerichts- Beitung.
Ein eigenartiger Schwindel beschäftigte gestern die sechste Straffammer Berliner Landgerichts I in der Berufungsinstanz. Der wegen Eigenthumsvergehen mehrfach vorbestrafte Buchdruckereibesizer Joske gab im vorigen Jahr ein Preßorgan unter dem hochtönenden Titel„ Deutsches DamenJournal" heraus. Nach einer vom Polizeipräsidium eingeholten Auskunft sind seit dem Oktober v. J. Pflichteremplare von diesem Blatte nicht mehr eingereicht worden. Im Februar d. J. hatte eine Frau Kube sich in einem täglich erscheinenden Blatte als Wahrsagerin empfohlen, und dieser stellte sich Joske mit dem Anerbieten vor, das Wahrsagerinneninserat doch seinem in Damenkreisen viel gelesenen Organ zuzuwenden. Da er für 9malige Aufnahme der Annonze nur 3 M. forderte, ertheilte ihm Frau Kube den Auftrag zur Insertion und bezahlte auch den vereinbarten Betrag dafür. Die gewünschten Belagsblätter wurden nun aber begreiflicherweise der Frau Kube nicht vorgelegt. Dieselbe erstattete Anzeige, und wurde Joske daraufhin vor dem Schöffengericht angeklagt und wegen Betruges zu 20 M. eventuell 4 Tagen Gefängniß verurtheilt. Hiergegen legte der Angeklagte Berufung ein in der Hoffnung, der Straffammer ein für ein U machen zu fönnen, um seine Freisprechung zu erschwindeln. Er überreichte nämlich dem Gerichtshof die Nummern 7, 8 und 9 des„ Deutschen Damen- Journals" vom Februar und März d. I., in welchen das Kube'sche Inserat abgedruckt war. Der Vorsitzende stellte aber fest, daß alle drei Nummern den gleichen Inhalt hatten und offenbar nachträglich hergestellt worden sind. Es blieb daher bei dem ersten Urtheil.
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Um zehn Pfennige. Am 1. Mai hielt der BilletKontroleur auf dem Stadtbahnhofe Bellevue zwei Personen, einen Herrn und eine Dame, an, weil der Erstere ihm zwei Billets einhändigte, welche nach der Durchlochung schon einmal benußt sein mußten. Um den Beamten die Ueberwachung leicht zu machen, ist nämlich von der Verwaltung die Einführung getroffen worden, daß jeden Tag mit der Durchlochung gewechselt wird, wurde gestern beispielsweise ein dreieckiges Loch hineingepreßt, so folgt heute entweder ein rundes oder viereckiges. Bei Beginn des Tagesdienstes wird den betr. Beamten angezeigt, welche Art der Koupirzangen für den laufenden Tag zur Verwendung gelangt. Das angehaltene Paar wurde in eine sofort zu erlegende Ordnungsstrafe von 12 Mark genom die der Herr, auch ein Kaufmann Lindemann, anstandslos bezahlte. Er wurde aber außerdem zur Anzeige gebracht und hatte sich daraufhin gestern wegen Betruges vor dem Schöffengerichte zu verantworten. Der Angeklagte bestritt jede betrügerische Absicht. Er pflege sich häufig mit einer Dame auf dem Bahnhofe Börse" zu treffen und mit derselben die Stadtbahn bis zur Station Bellevue zu benußen. Er pflege sich daher gleich ein halbes Dugend Fahrkarten für diese Strecke zu kaufen. Am Tage zuvor, am 30. April, habe er versehentlich zwei noch unkoupirte Billets abgegeben und dies erst bemerft, als er festgehalten wurde, weil er am folgenden Tage dafür zwei bereits zu einer Fahrt benußte Billets abgab. Um fich mit der erwähnten Dame auf dem Bahnhofe Börse" zu treffen, mußten sie beide, von verschiedenen Richtungen kommend, die Stadtbahn benugend, und da er sich stets Billets vorräthig zu halten pflege, fo erübrige es, erst die Kontrole zu passiren, wie es diejenigen müssen, welche von draußen kommen. Der Staatsanwalt hielt diese Geschichte für schlau erfunden und den Angeklagten des versuchten Betruges für schuldig. Derselbe sei Tags zuvor wahrscheinlich beim Verlassen des Bahnhofes Bellevue im Gedränge mit durchgeschlüpft, ohne die brnußten Billets abzugeben, er habe die Maßregel von der täglich sich ändernden Durchlochung nicht gekannt und deshalb geglaubt, dieselben Billets noch einmal benutzen zu können. Er beantragte gegen den eine Angeklagten Geld= strafe von 30 Mart. Der Gerichtshof schenkte da= gegen dem bisher unbescholtenen Angeklagten Glauben und erkannte auf Freisprechung.
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Ein Mensch von großer Gemeingefährlichkeit, der Photograph Eduard Otto Bauer wurde gestern durch Urtheil der zweiten Straffammer des Landgerichts I für längere Zeit unschädlich gemacht. Der Angeklagte, der schon vielfach vorbe straft ist, gehört zu den verwegenſten und gewandtesten Schlafstellendieben. Es sind 28 Fälle zur Kenntniß der Behörde gelangt und alle giebt der Angeklagte zu. Die erste sich ihm in der neugemietheten Stube darbietende Gelegenheit be nußte er, um mit den Werthsachen der Vermiether, soweit er fie unbemerkt fortschaffen konnte, schwinden. In einem Falle nahm er sogar das Bett und in einem anderen die Gardinen mit. In vier Fällen wußte er sich von seinen Wirthsleuten fleinere Summen zu erschwindeln unter dem Vorwande, daß er seinen auf dem Bahnhofe liegenden Koffer einlösen müsse. Der Staatsanwalt beantragte gegen den Angeklagten eine Zuchthausstrafe von 3 Jahren, Der Gerichtshof ging aber über diesen Antrag hinaus, indem er auf 4 Jahre Zuchthaus und die üblichen Nebenstrafen erkannte.
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Das höchste Strafmaß wegen Sachbeschädigung- zwei Jahre Gefängniß- beantragte gestern der Staatsanwalt gegen den Handschuhmacher Friedrich Rathfe, welcher, lediglich um ein Unterkommen zu finden, in der Klosterstraße ein Schaufenster zum Werthe von 400 M. zertrümmert hatte. Die vierte Straffammer des Landgerichts I belegte den Angeklagten mit 1 Jahr 6 Monaten Gefängniß.
Der Handlungskommis Siegfried Levy, welcher gesteru vor der zweiten Straffammer des Landgerichts I stand, Paletot hat sich mit Erfolg auf dem Gebiete der marderei versucht. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm,
soll das gleichgiltig sein; wir marschiren stramm vorwärts; wir sehen sehen nicht nach rechts und links; wir wissen, daß die zielbewußten Arbeiter hinter uns stehen noch ein einziger fräftiger Angriff und das wankende Unternehmerthum ist besiegt. Freunde und Arbeitsgenossen! Trok der schweren Noth und trotz aller Entbehrungen hat man uns nicht zu beugen vermocht, zeigt Ihr jetzt noch einmal, daß wir alle Brüder sind, daß unser Kampf Euer Kampf, daß schließlich unser Sieg Euer Sieg sein wird. Jezt heißt es wirklich: Doppelt giebt, wer schnell giebt!" Geldsendungen richte man an Wilhelm Kersten, Berlin , Dresdenerstr. 116 bei Wendt. Alle Arbeiterblätter ersuchen wir um Abdruck. J. A.: Julius Wernau, Zionsfirchplatz 2, 3 Tr.
Allen Riftenmachern zur Nachricht, daß in der Kistenfabrik von W. Gauert, Blumenstr. 32, sämmtliche Arbeiter die Arbeit infolge der Uebelstände, die dort herrschen, eingestellt haben. Die Arbeiter fühlen sich nicht veranlaßt, unentgeltlich Arbeiten zu verrichten, welche in der Stückarbeit nicht einbe griffen sind. So wird z. B. den Arbeitern zugemuthet, das Holz vom Hof vier Treppen hoch umsonst emporzutragen. Da eine gütliche Vereinbarung von der Kommission mit dem Fabrifanten nicht zu erzielen war, haben alle Arbeiter die Arbeit im Vertrauen auf das Solidaritätsgefühl sämmtlicher Ristenmacher Berlins niedergelegt. Zuzug ist fernzuhalten.
Die Pulsometer- Injektor- und Wassermesserbauer der Firma Neuhaus u. Co. in Luckenwalde haben die Arbeit wegen Lohndifferenzen niedergelegt. Vor Zuzug wird gewarnt. Die schwarze Lifte im Töpfergewerk. In der Nr. 26 der Thonwaren- Industrie", des in Bunzlau erscheinenden Fabrikantenorgans, lesen wir:
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Die Lohnbewegung im Töpfereigewerbe. Dresden . Nachstehendes Rundschreiben wird hiermit veröffentlicht: Dresden , den 18. Juni 1889. Beigehend senden wir Ihnen ein Verzeichniß uns bekannter streifender Ofenseßer unter gleichzeitiger Angabe derjenigen, welche zwar zur Zeit noch arbeiten, deren Arbeitseinstellung jedoch ebenfalls bevorsteht( Sehr gut! Red.), beziehentlich derer, welche laut Vereinsbeschluß jest innerhalb des Vereinsbezirkes anderweit nicht eingestellt werden dürfen. Wir bitten um gegenseitigen Schuß durch Nichteinstellung der betreffenden Seger und empfehlen noch recht genaue Durchsicht der Legitimationspapiere vor Einstellung von Sehern, da ſelbige jezt mehrfach unter falschen Namen reisen.(??? Red.) Hochachtungsvoll Der Verein von Arbeitgebern des Töpfereigewerbes in der Kreishauptmannschaft Dresden. Emil Knieling, Schriftführer. Fr. Eisenach , Vorsigender.
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Hieran schließt sich ein Verzeichniß zur Zeit nicht einzustellender Ofenseger", das nicht weniger als 586 Arbeiter namhaft macht. Das Ganze stellt sich somit als eine Verrufserklärung schlimmster Art dar. Wenn es nach dem Willen der Meister ginge, würde von allen genannten Arbeitern nicht einer mehr Arbeit in Deutschland finden. Zum Glück aber ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Gerade die in Verruf erklärten Arbeiter sind durchschnittlich die besten und zuverlässigsten Arbeiter ihres Gemerfes. In Zeiten guten Geschäftsganges reißen sich die Meister nach solchen Kräften und fragen viel darnach, ob der Name des Arbeiters auf der Liste gestanden hat, oder nicht. In diesen Zeiten werden aber auch die Arbeiter gedenken, was ihnen die Meister gethan haben und die Hauptschreier unter denselben mit ihrer Kunst hübsch allein lassen. Ueberdies ist es noch eine offene Frage, ob die schwarze Liste" nicht eine nach der Gewerbeordnung strafbare Verrufserklärung darstellt, und unter den 586 Boykottirten nerden sich gewiß viele finden, die im Wege des Einzelprozesses festzustellen suchen werden, ob das Gesetz nur gegen die Arbeiter und niemals für die Arbeiter vorhanden ist. Jedenfalls sind die 586 verrufenen" Töpfer der thatfräftigsten Sympathie ihrer Kameraden sicher, und das Brandmal", das ihnen die Meister aufzudrücken gedenken, wird in den Augen ihrer Kollegen das schönste Ehrenzeichen sein.
Daß gerade die Töpfermeister in der letzten Zeit gegen die Gesellen äußerst dreift vorgehen, beweist nicht nur die oben mitgetheilte fchwarze Liste", die allerdings bei weitem das stärkste Stück ist. Noch über einen anderen Fall, der auch in Sachsen spielt, berichtet das Freiberger Tageblatt". Es liegt ihm folgendes Zeugniß vor, welches ein Freiberger Töpfermeister am 23. Juni einem der bei ihm beschäftigten Gehilfen ausgestellt hat:„ Der Töpfer J. K. hat vom 16. August 1888 bis 23. Juni 1889 gearbeitet und dann die Arbeit freiwillig niedergelegt, weil er deu Vertrag des Vereines von Arbeitgebern der kgl. Kreishauptmannschaft Dresden unterschreiben sollte."-Am Sonnabend wurde dem betreffenden Gehilfen der Vertrag, wonach er nach dem alten Lohntarif weiter arbeiten sollte, zur Unterschrift vorgelegt. Derselbe ging jedoch auf dies Anfinnen nicht ein und wurde deshalb entlassen. Durch den Wortlaut des Zengnisses ist es ihm selbstverständlich unmöglich gemacht, anderwärts Arbeit zu finden. Abgesehen davon, daß der von dem Verein auf die Meister ausgeübte Zwang uns auch hier gegen § 153 der Gewerbeordnung zu verstoßen scheint, entspricht auch bas Zeugniß feineswegs den Ansprüchen, welche der Arbeiter nach Recht und Gesetz an ein solches zu stellen befugt ist. Der Saz, hat die Arbeit freiwillig niedergelegt, weil er den Vertrag u. f. w. unterschreiben sollte" enthält zudem in sich bereits den Widerspruch. Von einer freiwilligen Arbeitsniederlegung kann doch nicht die Rede sein, wenn der Arbeitgeber bei Strafe der Entlassung aus dem Arbeitsverhältniß cine bestimmte Unterschrift fordert. Eins hat das Tageblatt" nur vergessen zu erwähnen, daß nämlich der Arbeiter das Recht hat, solches Zeugniß dem Aussteller zerrissen vor die Füße zu werfen und ein anderes zu verlangen, welches dem§ 113 der GewerbeOrdnung entspricht, welcher lautet: Beim Abgange fönnen die Arbeiter ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Be schäftigung fordern. Dieses Zeugniß ist auf Verk langen der Arbeiter auch auf ihre Führung auszudehnen." Also nur auf ausdrückliches Verlangen darf sich der Arbeitsherr erlauben, etwas auf die Führung bezügliches in das Zeugniß zu schreiben. Dies ist wohl zu beachten.