Nr. 154.

Freitag, den 5. Juli 1889.

6. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

"

erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin   frei in's Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer Expedition Zimmerstraße 44 1 Mart pro Monat. Poftabonnement 4 Mark pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1889 unter Nr. 866.) Für das Ausland: Täglich uuter Kreuzband durch unsere Expedition 3 Mark pro Monat.

Redaktion: Beuthffraße 2.

+ Wilh. Halenclever.

Wilhelm Hasenclever   weilt nicht mehr unter den Fraktionen Lebenden.

Ein sanfter Tod hat am Mittwoch Abend um Uhr bem physischen Leben dieses braven Mannes ein Ende be­reitet, nachdem sein geistiges Leben schon seit länger als 1 Jahren erloschen war.

Mit Hasenclever   wird einer der Veteranen der deutschen  Arbeiterbewegung in die Gruft gelegt.

Nach Liebknecht   der älteste unter den bekannteren, in Deutschland   lebenden Führern der deutschen   Sozialdemokratie, schloß er sich schon kurz nach Beginn der Lassalle'schen Agitation dem Algemeinen deutschen   Arbeiterverein an, zu dessen Sekretär er unter dem Präsidium Tölke bereits am 29. März 1866 ernannt wurde. Kassirer des Vereins war er von 1868-1870, um welche Beit er vorübergehend wieder Sekretär wurde, um dann, als er vom Feldzug heim­gefehrt war, am 1. Juli 1871 an Stelle des Herrn von Schweizer   das Präsidium des Vereins zu übernehmen. Diese Stelle bekleidete er dann bis zu der in der letzten Maiwoche bes Jahres 1875 stattfindenden Verschmelzung der beiden fozialistischen Gruppen, der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins  .

Hasenclever, der Sohn wohlhabender Eltern, ist am 19. April 1837 zu Arnsberg   in Westfalen   geboren. Nach­dem er das dortige Gymnasium besucht, trat er bei seinem Vater als Lohgerber in die Lehre, um dann später als fröh­licher Handwerksbursche sein Ränzel durch ganz Deutschland  , den größeren Theil Desterreichs und Norditaliens   zu tragen. Ein geschickter und fleißiger Arbeiter mit einem Maß von Bildung ausgerüstet wie sie einem Arbeiter nur selten zu Theil wird, von Haus die Manieren eines gut erzogenen Bürgersohnes mitbringend und nicht ohne die nöthigen Muttergroschen, um den hie und da etwas schmalen Lohn zu ergänzen, wie konnte es da anders sein, als daß der junge, ferngesunde, voller Ideale steckende Lohgerbergeselle ein überall willkommener Gast war!

Als schneidiger Turner hat Hasenclever in jungen Jahren frisch und frei, wenn auch nicht fromm manche Turnerfahrt und Turnerfest mitgemacht, und bei diesen Ge­legenheiten endeckte er zuerst den Redner in sich.

Mit Beginn der sechziger Jahre wandte sich H. der Journalistik und damit dem politischen Leben ausschließlich zu, gleich von Anfang an seinen Platz auf der äußersten Linken" in den Reihen der rheinisch- westfälischen Demokratie und nach Gründung des Allgemeinen deutschen Arbeiterver­ eins  , in diesem nehmend.

1869 schickte der Wahlkreis Duisburg H. als seinen Vertreter in den Nordd. Reichstag  , wo der Allg. deutsche  Arbeiterverein außerdem noch durch v. Schweizer   und Fritzsche und die Eisenacher   Richtung durch Bebel, Liebknecht und

Feuilleton.

Machbruck verboten.]

Ein Goldmensch.

Roman von Maurus Jókai.  

3weites Kapitel.

[ 4

Die weiße Kaze. Die fünf Ruderknechte berathschlagten im Rahn was zu thun sei. Der Eine rieth, mit dem Beil eine Wand der Mühle unter dem Wasserspiegel einzuschlagen, damit sie untersinke. Das wäre keine Rettung. Die rasche Strömung würde bemungeachtet die versenkte Mühle an das Lastschiff treiben.

Ein Zweiter meinte, man solle mit Haken die Mühle

entern und ihr dann vom Kahn aus mit dem Steuer eine solche Richtung geben, daß sie in den Wirbel hineingeräth. Auch dieser Rathschlag ist zu verwerfen, denn der Wirbel würde dann auch den Kahn mit sich fortreißen.

Timar gab dem steuernden Ruderknecht den Befehl, sich in der Richtung gegen die Spiße der Perigrada- Insel zu halten, auf der sich der Felsen der Liebenden" erhebt.

Da

Als sie in die Nähe des Katarakts gelangten, hob er den zentnerschweren; Anker auf und schleuderte ihn ins Waffer, ohne daß der Kahn eine Erschütterung erlitt. zeigte es sich, welche Muskelkraft diesem zartgebauten Körper inne wohnte. Der Anker zog ein großes Taugewinde nach; so tief ist dort das Wasser. Dann befahl Timar dem Dann befahl Timar dem Steuermann, so schnell als möglich der Mühle entgegen zu fahren. Jetzt erriethen fie seine Absicht. Er will mit dem Anker die Mühle zum Stehen bringen. Ein schlechter Ein­fall, sagten die Schiffer; die Mühle wird sich dann quer über das Fahrwaffer des Kanals legen und dem Schiff

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Insertionsgebühr

beträgt für die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs­Anzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin   SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen- Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 10 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Nr. 4106.

Expedition: Bimmerfraße 44.

Schraps vertreten waren. Auch Fritz Mende   war damals als Sozialist im Reichstag. Der Gegensatz der beiden Fraktionen tam 1870 gelegentlich der ersten Kriegs­anleihe schroff zum Ausdruck. Während Hasenclever  und Fritsche unter Führung von Schweizer   für die Anleihe votirten, gab Bebel für sich und seine Freunde die Erklärung ab, daß sie sich der Abstimmung enthalten würden, da sie den Krieg als nur im monarchischen Interesse liegend betrachten müssen, sie aber andererseits durch ein ab­lehnendes Votum auch nicht den Verdacht aufkommen lassen wollten, als verurtheilten sie die napoleonische Kriegserklärung nicht gleichfalls auf das Entschiedenste.

Diese Erklärung rief im Reichstag einen Sturm hervor, wie er vor und nachher in dieser Körperschaft wohl nicht mehr erlebt worden ist. Gegen die zweite Anleihe zur Fort­fetzung des Krieges nach der Schlacht von Sedan und gegen die neugegründete französische Republik stimmten indeß auch Hasenclever  , Schweizer   und Fritsche. Das geschah Ende November. Wenige Tage später, am 19. Dezember, mußte der Reichstagsabgeordnete Hasenclever seiner Pflicht als Landwehrmann nachkommen. Was er als Soldat erlebt und besonders auch seine Erfahrungen in Frankreich  , wo er am aktiven Krieg indeß nirgends theilnahm, hat er in einer Reihe interessant und lebendig geschriebener Skizzen: Aus meinem Soldatenleben. Neue Welt. Jahrgang 1877" er­zählt.

gestiegen, die Gesammteinnahmen beliefen sich auf 24 334 Thlr. und das Organ zählte über 11 000 Abonnenten. 11 Redner gingen von der Generalversammlung, welche in Frankfurt am Main   tagte, in die verschiedensten Gaue Deutschlands  , um dort für den Verein Propaganda zu machen.

Gewiß hat das allgemeine politische Aufleben, welches nach dem Kriege 1870-71 in ganz Deutschland   stattfand, den Hauptanlaß zu der großartigen Entwickelung des Ver­eins gegeben. Aber Hasenclevers Organisationstalent ver stand es, die Massen zu verbinden und zusammen zu halten und so zur politischen Aktion fähig zu machen. Zu einer solchen entscheidenden Aktion wurden denn auch die deut­ schen   Wähler am 10. Januar 1874 berufen, an welchem die Tage eigentlich zum ersten Male seit dem Kriege Wahlen des Jahres 1871 fanden thatsächlich noch unter dem Eindrucke des Krieges statt wieder Reichstagswahlen stattfanden.

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Hasenclever wurde mit bedeutender Majorität in Altona  gewählt und kam im 6. Berliner   Wahlkreis mit Schulze­Delitzsch zur Stichwahl. Der arme Schulze, der seinen Ruhm allzu lange überleben mußte, war von diesem Aus­gang so betroffen, daß er das ihm schließlich zufallende Ber­ liner   Mandat niederlegte und in Berlin   später nicht wieder kandidirte. Der Ausfall der 1874er Wahlen hatte gezeigt, daß die beiden sozialistischen   Parteigruppen fast gleich start waren, und die Mitglieder wie die Führer der Partei konn ten sich der Erkenntniß nicht mehr länger verschließen, daß der alte Hader begraben werden müsse. Im Herbst 1874 regte Tölke, der alte Freund Hasenclevers, die Vereinigung an, und unter dem 10. Januar 1875 veröffentlichte Hasenclever  von Bremen   aus, da in Preußen mittlerweile der Allge­ meine Deutsche Arbeiterverein   verboten worden war, eine Erklärung, worin er sich für die Vereinigung aussprach und konstatirte, daß mit geringen Ausnahmen alle Lassalleaner so dächten, wie er. Wenige Monate später tagte in Gotha  Als Hasenclever   die Leitung der Lassalle'schen Organi  - der Vereinigungskongreß, wo Hasenclever   neben Geib prä­fation übernahm, zählte der Verein auf der Berliner   General- fidirte, und die Vereinigung endgiltig und für alle Zeiten versammlung 5300 Mitglieder, war ohne Organ und ohne beschlossen wurde. jeden Einfluß. Die Machinationen Schweizer's hatten das Vertrauen der Mitglieder tief erschüttert, und es bedurfte eines Mannes von Energie, Geschick und lauterstem Cha­rakter, um die zersprengten Bataillone wieder zu sammeln. Wilhelm Hasenclever   war dieser Mann!

Kurz nach seiner Rückkehr aus dem Feldzug wurde Hasenclever   durch das Vertrauen seiner Parteigenossen zum Präsidenten des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins  gewählt. Am 1. Juli 1871 übernahm er die Leitung des Vereins und zugleich gründete er, einen Generalversamm­lungsbeschluß ausführend, an diesem Tage den ,, Neuen Sozialdemokrat", nachdem aus Mangel an Mitteln am 1. Mai vorher die leßte Nummer des ,, Sozialdemokrat" er­schienen war.

Mündlich und schriftlich unermüdlich agitatorisch thätig, verstand er es zugleich auch, dem Verein junge Kräfte zu gewinnen, die sich mit Begeisterung der Agitation und Pro­paganda für die Lehren Lassalle's   widmeten. Diese zu ver­breiten und zu verwirklichen, war aber der ausschließliche 3weck des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins  .

Auf der Generalversammlung 1872 zählte der Verein bereits über 8000 Mitglieder, das Vereinsorgan war ge­sichert, die Kassenverhältnisse vollständig geordnet. 1873 hatte sich die Mitgliederzahl mehr als verdoppelt, sie war über 19 000

den Weg versperren; das Tau aber ist so lang und dünn, daß das schwere Fahrzeug es mit Leichtigkeit zer­reißen wird.

Als Euthym Trikaliß vom Schiff aus diese Absicht Timars bemerkte, schleuderte er seinen Tschibuk bestürzt aus der Hand, lief das Verdeck entlang und schrie dem Steuer­mann zu, er möge das Tau des Schiffes abhauen und das Schiff den Strom hinablassen.

Der Steuermann verstand nicht griechich; doch errieth er aus den Gesten des Alten, was dieser von ihm ver­langte.

Mit großer Ruhe antwortete er, an die Ruderstange gelehnt:" Da ist nichts zu murren; Limar weiß, was er zu thun hat.

schar aus seinem Gürtel, um selber das Seil durchzuhauen; Mit der Wuth des Schreckens zog Trikaliß den Hand­schar aus seinem Gürtel, um selber das Seil durchzuhauen; allein der Steuermann zeigte nach rückwärts und was

Euthym Trikaliß dort sah, änderte sein Vorhaben.

Von der untern Donau   kam mitten im Strom ein Fahrzeug heraufgefahren. Auf Meilenweite kann ein ge­übtes Auge es entdecken. Es hat einen Mast, dessen Segel jetzt eingerefft sind, ein hohes Hintertheil und vierundzwanzig

Ruberer.

Das Fahrzeug ist eine türkische Brigantine.

Sowie er derselben ansichtig wurde, steckte Euthym Trikaliß seine Handschar wieder in den Gürtel. Wenn beim Anblick dessen, was sich vor dem Schiffsschnabel gezeigt, sein Geficht sich roth gefärbt hatte, wurde es jetzt fahl. Er eilte zu Timea hin. Diese betrachtete sich durch das Fernrohr die Felsenspitze Perigrada.

Wer die Stellung, die der Präsident im Allgemeinen deutschen   Arbeiter- Verein einnahm, kennt, der wird das persönliche Opfer zu würdigen wissen, das Hasenclever der Arbeiterbewegung brachte, als er freudig und ohne Rück­halt sich der Vereinigung anschloß und sich in die Neu­organisation einrangirte.

Bunächst ging er nach Hamburg  , wo er im Parteivor­stand und später am dortigen ,, Voltsblatt" thätig war. Ein Jahr später übernahm er mit Liebknecht die Redaktion des ,, Vorwärts" in Leipzig  . Nach dem Verbot dieses Blattes 1878 begann auch für den Verstorbenen eine lange Zeit banger Sorgen und Kämpfe, und seine 1881 erfolgende Ausweisung aus Leipzig   hat dieselben noch reichlich ver mehrt.

Trotz aller Widerwärtigkeiten und Kämpfe aber verlor

,, Auf dem Felsen dort wohnen kleine Murmelthiere, die spielen mit einander wie Aeffchen."

Euthym richtete das Fernrohr auf das von unten fom­mende Fahrzeug und seine Augenbrauen zogen sich noch fester zusammen; sein Gesicht wurde leichenblaß.

Timea nahm ihm das Fernrohr aus der Hand und suchte wieder die auf dem Felsen hausenden Murmelthiere auf. Euthym hielt mit seiner Rechten ihren Leib um­schlungen.

" 1

Nein! wie sie springen and tanzen! eins überholt das andere. Wie herzig!" Und Timea war nahe daran, von dem Arm, der sie umschlungen hielt, in die Höhe gehoben und über die Schiffsbrüstung hinabgeschleudert zu werden in die unten schäumende Fluth.

Was jedoch Euthym jeßt auf der andern Seite erblickte, gab seinem Antlitz wieder die Lebensfarbe zurück, die davon geschwunden war.

Als sich Timar der Mühle bis auf Wurfweite genähert hatte, nahm er ein großes Gewinde des Ankerseils in die rechte Hand. Am Tau- Ende war ein Haken befestigt. Die steuerlose Mühle kam rasch näher und näher, wie ein auf den Wogen einhertreibendes vorfündfluthliches Seeungethüm. Der blinde Zufall regierte sie. Ihr Schaufelrad drehte sich rasch im Wogenschwall und unter dem leeren Aufschütte­kasten arbeitete der Mühlstein über dem Mehlbeutel, als hätte er vollauf zu thun.

In dem dem sichern Untergang geweihten Bau befand sich kein lebendes Wesen außer einer weißen Raße, die auf dem roth angestrichenen Schindeldach saß und kläglich miaute.

Als er die Mühle erreicht hatte, schwang Timar plötz­das Seilende mit dem Enterhaken über seinem Haupte und schleuderte es gegen das Schaufelrad.

,, Gieb das Fernrohr her," rief Euthym mit vor Schrecklich heiferer Stimme.

,, Ach, wie das lieb ist!" sagte Timea, indem sie das Fernrohr hinreichte. Was denn?"

Sowie der Hafen sich in eines der Schaufelräder ver­biffen hatte, fing das vom Wasser getriebene Rad das Anker­tau hübsch aufzuwickeln an, und gab dadurch der Mühle