Die Bäckergesellen haben ihre Forderungen theil- achtstündigen Marimalarbeitstages, die Aufhebung der Kinderweise durchgesetzt und arbeiten wieder.
Die Session des norwegischen Storthing ist plöglich am 3. ds. geschlossen worden. Einen Beitrag zur Erklärung dieser Maßregel liefert folgende Korrespondenz, die der Voss. 3tg." aus Christiania vom 2. d. M. zugeht: Das Storthing trat heute in großer Erregung zusammen, weil alle Abgeordneten wußten, daß in einer gestern abgehaltenen Staatsrathssigung das Verhalten der Regierung entschieden worden sei. Als der Mißtrauensantrag der Konservativen zur Verhandlung kommen sollte, verlangte Staatsminister Sverdrup das Wort zu einer Mittheilung im Namen der Regierung. Er erklärte dann, daß sämmtliche hiesige Mitglieder des Staatsraths ihre Abschiedsgesuche eingereicht hätten und daß diese am Nachmittage dem Staatsrath vorgelegt werden würden. Die Staatsrathsabtheilung in Stockholm habe telegraphisch gemeldet, daß die Abschiedsgesuche ihrer Mitglieder heute nach Chriftiania abgesandt seien. Der Abg. Stang hielt die Si tuation durch diese Mittheilung in dem Grade für verändert, daß der Mißtrauensantrag sich nicht mehr zur Verhandlung eigne; er schlug deshalb nunmehr einfach den Uebergang zur Tagesordnung vor, was auch einstimmig angenommen wurde. Die Lage ist höchst verwirrt; die angesehensten Mitglieder der Konservativen erklären offen, daß ihre Partei die Regierung jekt unter feinen Umständen übernehmen werde, da sie auf eine Majorität im Thinge doch nicht rechnen könne. Andererseits ist zwischen den Ministeriellen und der reinen Linken eine Einigkeit durchaus noch nicht hergestellt; erstere verlangen, daß Johann Sverdrup die Neubildung des Ministeriums übernehmen foll, während die Linke in erster Linie seinen Rücktritt fordert." Wenn auch die Regierung das Storthing nicht auflösen darf, so hat sie doch das Recht seine Berathungen zu schließen, sobald die Session über drei Monate gedauert hat. Daß Sverdrup von diesem Rechte Gebrauch gemacht hat, ist eine Bestätigung der Mittheilungen des Korrespondenten. Weder ist es ihm gelungen, zwischen der Mittelpartei und der Linken ein Einvernehmen herzustellen, noch den Widerspruch dagegen zu beschwichtigen, daß er an der Spiße der Regierung bleibt. Nun find zwei Fälle möglich: Wenn Sverdrup die Zustimmung des Königs gewinnt, behalten die Minister, nachdem ihre Entlassungsgesuche abgelehnt sind, ihre Portefeuilles, bis das Storthing aus eigener Machtvollkommenheit am ersten Wochentage des Februar 1890 zusammentritt, um dann desto schmählicher zu fallen, oder der König entläßt Sverdrup und ernennt ein Beamtenministerium, dem bis zu den nächsten Storthingwahlen kein Hinderniß in den Weg gelegt werden würde.
Der Schafetretär Smith beantragt, die königlichen Botschaften, betreffend die Apanagen des Prinzen Albert Victor und der Prinzessin Louise von Wales einem Sonderansschuß zur Berichterstattung zu überweisen über die allgemeinen Grundfäße, welche in Zukunft betreffs solcher Dotationen zu befolgen find. Bradlaugh beantragt ein Amendement, die Untersuchungen des Ausschusses auf die königliche Zivilliste auszudehnen. Das, Amendement wurde mit 313 gegen 125 St. verworfen und der Antrag Smith's ohne Abstimmung angenommen.
Kairo , 4. Juli. Laut eingegangenen Depeschen von Oberst Woodhouse sind die Derwische noch in den Bergen, wo fie gestern angegriffen wurden und große Verluste erlitten. Mehr als hundert derselben, welche den Fluß zu erreichen verfuchten, um Wasser zn holen, wurden getödtet. Im englischen Lager angekommene Deserteure bekunden, daß die Derwische an großem Wassermangel leiden, da egyptische Infanterie und Kavallerie fie verhindert, Wasser zu holen.
Versammlungen.
Behufs Stellungnahme zum internationalen Arbeiterfongreß zu Paris fand am Sonnabend, den 29. d. M., eine öffentliche Steindrucker- und Lithographen- Versammlung statt. Der Referent, Herr Lithograph Preuß, unterzog in einem längeren, erschöpfenden Vortrage unsere Arbeiterschußgefeße einer Scharfen Kritik, besprach die Internationalität des Kapitals, des Handels und des Verkehrs u. s. m. und auf die Gemeinsamkeit der Interessen der gesammten Arbeiterklasse aller Länder hinweisend, regte er zur eifrigen Organisation an. Auf den Kongreß selbst eingehend bespricht Redner die Tagesordnung des jelben, die Regelung der Arbeitszeit, der Frauen- und Kinderarbeit und ist der Hoffnung, daß die Beschlüsse des Arbeiterfongresses auf den von Seiten der Schweiz einberufenen Staatenfongreß nicht ohne Einfluß sein dürften. Er räth zum Schluß, wohl zu erwägen, ob man für oder die Beschickung des Kongresses stimmen gegen wolle, jedoch nicht, ohne auf die hohe Bedeutung und Wichtigkeit deffelben hingewiesen zu haben. In der hierauf folgenden Diskussion sprachen sich die Redner für und auch gegen Beschickung des Kongresses aus. Die letzteren führten der Versammlung vor Augen, welch großer Indifferentismus namentlich noch unter den Steindruckern und Lithographen herrsche. Erst solle man darauf hin arbeiten, daß die Einigkeit in unserem Fache und die Theilnahme für derartige Bestrebungen eine größere werde. Ein Antrag, eine zweite Versammlung mit derselben Tagesordnung einzuberufen, wurde abgelehnt aus dem Grunde, daß jeder, der Interesse an der Sache nehme, schon in der heutigen Versammlung hätte erscheinen müffen. Die Diskussion breitete sich noch weiter aus und auch der Kostenpunkt wurde in Betracht gejegt dafür Sorge Wir hätten jest zogen. zu tragen, daß die Nürnberger Kollegen recht fleißig und thatkräftig unterstüßt werden, damit dieselben nicht wankelmüthig und muthlos werden. Hierauf wurde folgende Resolution angenommen: Die heutige in Jordan's Salon tagende öffentliche Versamm lung der Steindrucker und Lithographen Berlins erklärte fich mit den Einberufern des internationalen Arbeiterkongresses solidarisch und spricht die Hoffnung aus, daß die Berathungen und Beschlüsse dieses Kongresses der gesammten Arbeiterschaft zum Segen gereichen mögen und daß der Kongreß ein Schritt zur wirthschaftlichen und politischen Befreiung aller Arbeiter fein möge. Dieselbe sieht aber von einer Beschickung desselben ab, da der Indifferentismus unter den Steindruckern und Lithographen ein zu großer ift. Da weiter nichts vorlag, Da weiter nichts vorlag, wurde die Versammlung geschloffen.
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Drechsler und Berufsgenossen! Freiwillige Beiträge zur Aufbringung des Reisegeldes für unsern Delegirten zum internationalen Arbeiterkongreß in Paris werden von den Kommissionsmitgliedern am Sonnabend, Sonntag und Montag an folgenden Stellen entgegengenommen: Im Norden: Lothringerstr. 67 bei Brückner; im Osten: Rüdersdorferstr. 8 bei Bohl; im Süden: Dresdenerstr. 116 bei Gründel, und im Süd Westen: Bossenerstr. 35 bei Talfe.( Sonnabend und Montag von 7-10 Uhr Abends, Sonntag von 9-4 Uhr.) Die Holzarbeiter Berlins ( Tischler, Bildhauer, Böttcher, Stellmacher 2c. veranstalteten am Mittwoch Abend in der Tonhalle eine von etwa 600 Personeu besuchte öffentliche Versammlung, um über die Beschickung des internationalen Arbeiter fongreffes zu Paris Beschluß zu fassen. Die Versammlung beSchloß nach längerer Debatte einen eigenen Vertreter der Branche in der Person des Tischlers Theodor Glocke zu entsenden. Be tont soll von diesem werden die internatianale Einführung des
arbeit und Regelung nicht Beschränkung, wie von einer Seite vorgeschlagen war der Frauenarbeit.
Im Anschluß hieran geht uns folgender Aufruf zu: An die Tischler und gesammten Holzar= beiter, wie Bildhauer, Böttcher, Stellmacher, Glaser u. s. w. Kollegen! Am 14. Juli tagt in Paris ein internationaler Arbeiterkongreß; der Wichtigkeit der Tagesordnung wegen ist von den Vertretern der deutschen Arbeiterschaft im Reichstage an die deutschen Arbeiter die Aufforderung ergangen, von allen Gewerken Deutschlands Delegirte zu diesem Kongreß zu entsenden.
Dieser Aufforderung sind wir nachgekommen und haben in der Versammlung am 3. Juli in der Tonhalle einen Delegirten gewählt. Es gilt nun, die Mittel zur Bestreitung der Kosten der Kongreßbeschickung aufzubringen.
die Unzufriedenheit der Arbeiter darin bestände, Lohnerhöhung zu erlangen, so wäre dies ihr natürliches Recht. Redner friti firte noch den Haus- und Bodenschwindel, der gegenwärtig in Berlin herrsche, wodurch die Miethen künstlich in die Höhe ge trieben würden, eine Erscheinung, die man fälschlich den streifenden Maurern in die Schuhe zu schieben suche. Es sprachen noch die Herren Nadler und Richter, sowie Herr Pirch zum Schluß. Unter Verschiedenem wurde eine Fußpartie nach Jo hannisthal am Sonntag, den 7. Juli, Morgens 7 Uhr( Treff punkt: Caf Braun in Treptow am Bahnübergang) beschlossen. Hierauf wurde die Versammlung mit einem stürmischen Hoch auf die Arbeiterbewegung geschlossen.
Der Verein zur Wahrung der Interessen der Schuhmacher und verwandter Berufsgenossen tagte am Montag, den 1. Juli, im Königstädtischen Kasino". Auf der Tagesordnung stand: 1. Vortrag des Herrn Dr. Bruno Wille über Kapitalgewinn und Arbeitslohn. 2. Verschiedenes und Fragekasten. Der Referent legte flar, daß der Arbeitslohn nicht analog dem Kapitalgewinn, wie von den Vertretern des Kapitals häufig behauptet wird, steige, sondern, daß wenn der Kapitalgewinn steigt, der Arbeitslohn vielfach sinkt. Redner macht dies durch einige Beispiele flar und analisirt dann die von kapita
Holzarbeiter! Ihr wißt alle, daß wie in den meisten anderen Gewerken auch in der Holzarbeiterbranche die Ausnußung der Arbeitskräfte in den letzten Jahren bis aufs Höchste gestiegen ist. Da durch das fortschreitende Maschinenwesen immer mehr Arbeiter arbeitslos werden, ist es den Unternehmern leicht, zu den niedrigsten Löhnen arbeiten zu lassen. Uebermäßige Arbeitszeit, Nacht- und Sonntagsarbeit wird unter den augenblicklichen Verhält- listischer Seite aufgestellte These: Bei einer Verkürzung niffen allen Arbeitern zugemuthet. Durch die größtmöglichste Ausnuzung der Arbeitskräfte der jugendlichen Arbeiter und in einigen Branchen auch durch die schlechtbezahlte Frauenarbeit, ist es uns für die Dauer nicht mehr möglich, unsere Familien zu erhalten, eine menschenwürdige Eristenz zu führen und unsere Pflichten als Staatsbürger zu erfüllen. Ferner gefährden die unzureichenden sanitären Einrichtungen in den Werkstätten und Fabriken unsere Gesundheit, die unvollkommenen Schutzvor richtungen im Maschinenbetrieb machen jährlich Hunderte von Arbeitern erwerbsunfähig. Es ist deshalb nothwendig, daß Arbeiterschutzgesetze, und zwar auf internationalem Wege, eingeführt werden müssen. Es ist ferner nothwendig, daß in diesen Schußgefeßen die Festsegung einer Normal- Arbeitszeit vorgesehen wird, daß alle oben angeführten Punkte berücksichtigt werden. Da nun der Kongreß in Paris sich mit allen diesen Fragen beschäftigt, und ferner die auf dem Kongreß von den Arbeitern der ganzen Welt gefaßten Beschlüsse auf die von der schweizerischen Regierung einberufene Konferenz, welche ebenfalls der Frage der internationalen Regelung der Arbeiterschuß geseggebung näher treten will, einen Druck ausübt, so werden die Holzarbeiter Berlins , die hier so zahlreich vertreten sind, und immer mit in den vordersten Reihen der Bewegung gestanden haben, den Werth der Vertretung sämmtlicher Holzarbeiter Berlins auf dem Kongreß einsehen. Gleichzeitig soll der Kongreß ein Verbrüderungsfest der Arbeiter der ganzen Welt sein. willige Beiträge zur Deckung der Unkosten zur Beschickung des Kongresses nimmt die unterzeichnete in der oben angeführten Versammlung gewählte Kommission entgegen und giebt Quittungslisten aus.
A. Apel( Tischler), Stegligerstr. 91 H. II. Geelhaar( Stellmacher), Zionsfirchstr. 22.
Frei
W. Oberschmidt( Böttcher), Bellealliancestr. 60 IV. S. Klose( Bildhauer), Dennewigstr. 25 H. I. Karge( Tischler), Teltowerstr. 30 H. part.
Der Verein gewerblicher Hilfsarbeiter für Berlin und Umgegend hielt am 2. Juli im Lokale des Herrn Uebel ( Renz Salon, Naunynstr. 27) eine Versammlung ab. Nach Verlesung des Protokolls und des monatlichen Kassenberichts, erhielt Herr Birch das Wort zu einem Vortrag über Großbetrieb und Großvertrieb." Herr Birch führte ungefähr folgendes aus Großbetrieb und Großvertrieb feien die beiden Faftoren, die dem heutigen wirthschaftlichen Leben den Stempel aufdrückten; darüber müsse sich jeder denkende Arbeiter klar werden. Während früher die Zunftmeister die Produktion in Händen hatten und dieselbe regelten und dadurch auch den Vertrieb der Waaren und Fabrikate nach Belieben fördern oder hemmen konnten, habe sich im Anfang dieses Jahrhunderts durch Einführung der Maschinen der Großbetrieb herausgebildet, und mit ihm nothwendiger Weise der Kapitalismus mit allen seinen Auswüchsen, die je länger er bestände, um so stärkere Blüthen trieben. Redner schildert die verderb lichen Einflüsse der kapitalistischen Ringe auf das wirthschaftliche Leben. Als Beispiel führte er den Streit der Bergwerkarbeiter in Pennsylvanien an, wo die Arbeiter sozusagen um tägliche Brot gestritten hätten. Als man gesehen habe, daß die Arbeiter nicht nachgeben wollten, habe man ihnen die Wohnungen gekündigt, welche insgesammt der Bergwerksverwaltung gehörten. Natürlich unterlagen die Aermſten und sahen sich dem größten Elende preisgegeben. Ein anderes Beispiel führte Redner in dem großen Streit der Arbeiter des Eisenbahnkönigs Gould an. Als die Bürger des Städtchens, wo die Arbeiter wohnten, sich mit denselben solidarisch erklärten, sprach der Geldproge das große Wort gelassen aus: Ich werde die Stadt dem Erdboden gleich machen. Und so geschah es. Er verlegte seine Bahnwerkstätte nach einer anderen Gegend, die Erwerbsquelle der Einwohner versiegte und die Stadt verödete. die kleinen Kapitalisten würden von den großen erdrückt und ins Proletariat hinabgestoßen. Redner gab zu, daß es auch Unternehmerverbände gebe, die sich ihrer Kulturaufgabe mehr bewußt seien. Er führte den Stickerverband in der Schweiz an, der auch die Preise festseze, aber auch die Löhne, sowie die Arbeitszeit seiner Arbeiter in normalem Zustande halte. Redner schilderte nunmehr die riesigen Fortschritte auf dem Gebiete der Technik. Es sei nur eine Frage der Zeit, dieselben zum Nugen der Allgemeinheit und zum Segen der ganzen Menschheit zu verwerthen. Das könne allein geschehen, durch den Uebergang der Produktionsmittel in die Hände der Gesammtheit. Großer Beifall lohnte den Redner für den schönen Vortrag. In der Diskussion fnüpfte Kollege Schmidt an den Vortrag seines Vorredners an. Die Freiheit der Amerikaner sei bis jetzt nur dem Scheine nach da, so lange sie nicht die ökonomische Freiheit befäßen. Als ein Beispiel dafür, was ein Kapitalist sich herausnehmen könne, führte Redner den Vorfall in der Möbelfabrik des Kommerzienraths Paff an, wo die Hausdiener, zehn an der Zahl, auf ihre bescheiden vorgebrachte Bitte, man möge ihren Lohn von 16,50 M. auf 18 M. erhöhen, ohne weiteres entlassen worden sind. Herr Paff bemerkte dem einen, der ihn zur Rede stellte, ihr geschlossenes Vorgehen beweist, daß sie unzufrieden wären und unzufriedene Leute könne er nicht ge= brauchen. Diese Mittheilung rief große Entrüstung in der Bersammlung hervor. Kollege Schmidt meinte weiter, daß der Eindruck, den dieser Vorfall in allen Kreisen hervorgerufen habe, feinesfalls durch die große Landpartie verwischt werde. Er appellire an das Solidaritätsgefühl der Kollegen; es müsse dieses Beispiel ihnen ein Anfporn sein, sich nunmehr fest zusammenzuschaaren, damit endlich einmal die Zeit komme, wo man den Unternehmern die Macht der Arbeiter zeigen könne. Der nächste Redner, Kollege Günther, wies darauf hin, wie der sogenannte gelernte Arbeiter immer mehr durch die Maschinentechnik überflüssig gemacht würde. Weiter führte Redner an, daß pielfach über schlechte Behandlung der Arbeitsleute seitens ihrer sogenannten gelernten" Arbeitskollegen geklagt würde. Das sei das unnatürlichste Verhältniß, was man sich denken könne. Kein Arbeiter sei mehr wie der andere. Redner schob aber die Hauptschuld den Arbeitsleuten selbst zu, weil sie bis jezt noch nicht in der Arbeiterbewegung mit marschirt wären. Deshalb müßten sie sich manches gefallen laffen. Herr Günther tam noch auf den Vorfall in der Pfaff'schen Möbelfabrik zurück und geißelte in scharfen Worten das unerhörte Auftreten jener Herren. Hierauf sprach Herr Klüner. Er führte zu den Beispielen des Referenten noch den Nickel- und Kupferring an. Auch Herr Zubeil geißelte nochmals die Pfaff'sche Angelegenheit. Er verlangte, daß jämmtliche Arbeiter der Pfaff'schen Fabrik gegen diese Beleidigung ihrer Kameraden protestirten. Wenn
der Arbeitszeit geht der Unternehmergewinn vollständig verloren." Die Erfahrung aber lehre, daß öfter nach einer Verkürzung der Arbeitszeit mehr produzirt worden sei als vor derselben. Der von sozialdemokratischer Seite häufig aufgestellte Saz: die Verkürzung der Arbeitszeit bewirke eine Steigerung des Lohnes, entspreche ebenfalls nicht der Wirklich feit, da der größere Bedarf von Arbeitskraft meistens aus den Reihen der Frauen und Kinder gezogen und außerdem durch Verbesserungen der Maschinen sogar häufig bald übermäßig ge deckt sei, mithin wäre die Vorausseßung, daß durch Verkürzung der Arbeitszeit nothwendig eine gesteigerte Nachfrage nach Arbeitern stattfinde, falsch und infolge dessen auch die Folgerung, daß bei Verkürzung der Arbeitszeit infolge der größeren Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft eine Lohnerhöhung eintreten müsse, falsch. Die Arbeiter müßten aber im Interesse ihrer Gesundheit, sowie um sich geistig ausbilden zu können, ununterbrochen auf Verkürzung der Arbeitszeit hinarbeiten. Diesen lezteren Ausführungen schlossen sich einige Kollegen ergänzend an. Zu Verschiedenes" wurde auf das am 15. d. M. in„ Weimanns Volksgarten" geplante Sommerfest des Vereins aufmerksam gemacht, wozu Billets bei allen Vorstandsmitgliedern zu haben sind und außerdem auf die am 22. d. Mts. in demselben Lokal stattfin dende Generalversammlung des Vereins hingewiesen.
Sprechlaal.
Die Redaktion stellt die Benußung des Sprechsaals, soweit Raum dafür abzu geben ist, dem Publikum zur Besprechung von Angelegenheiten allgemeinen Interesses zur Verfügung: fie verwahrt sich aber gleichzeitig dagegen, mit dem Inhalt desselben identifizirt zu werden.
Wie vielen Lesern dieses Blattes bekannt, befindet sich der Unterzeichnete seit etwa einem Jahre in einer Differenz mit der Zentralfrankenkasse der Bäcker 2c. Deutschlands ( E. H. Dresden ). Da die Sache jeßt einen formellen Abschluß erreicht hat, so sehe ich mich veranlaßt, auf diesem Wege den Verlauf dieser für weitere Kreiſe wichtigen Angelegenheit öffentlich bekannt zu geben. Seit etwa 5 Jahren bin ich als Vertrauensarzt der ge nannten Kasse thätig gewesen; seit dem Juli 1888 hat der Vorsitzende der örtlichen Verwaltungsstelle Berlin , Herr Richard Hoppe, Mulacstr. 17, mich nicht formell, das gestatten die Statuten der Kaffe nicht aus meiner sehr bedeutenden Thätigkeit für diese Kaffe zu verdrängen gewußt, und zwar deshalb, weil er sich an mir rächen wollte. Er hatte nämlich das Ansinnen an mich gestellt, ihm von dem aus der Kaffe mir gezahlten Honorar Prozente abzugeben und diesem Wunsche hatte ich nicht nachfommen wollen.
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Ich suchte diese Sache in jeder möglichen Weise zur öffent lichen Kenntniß zu bringen, wandte mich zuerst an den Vorstand der örtlichen Verwaltungsstelle Berlin , derselbe gab mir gar feine Antwort, sodann an den Zentralvorstand in Dresden , der unter Vorschüßung formeller Gründe es ablehnte, auf die Sache einzugehen, in Wirklichkeit aber, wie ich aus einer mündlichen Unterhaltung entnehmen konnte, nicht den Muth hatte, dem ge fürchteten Herrn Hoppe energisch entgegen zu treten. Sodann wurde auf meine Veranlassung vom 18. September 1888 im Königstadt- Rasino eine öffentliche Versammlung von Raffenmitgliedern abgehalten, in der ich die Sache vortrug. Der Vorstand der örtlichen Verwaltungsstelle nahm hier ganz offen Partei für Herrn Hoppe und fand gar nichts Anstößiges in feiner Handlungsweise. Ein von der Versammlung beantragtes Mißtrauensvotum brachte Herr Hoppe, der selbst den Vorsik führte, nicht zur Abstimmung.( Bericht darüber in Nr. 220 d. BL 1880.) Endlich habe ich die am 24.- 26. Juni d. J. hier tagende Generalversammlung der Kasse ersucht, die Sache einer öffentlichen Besprechung zu unterziehen. Mir wurde die merkwürdige Antwort zu Theil:„ Nach dem Statut stehe den Mitgliedern die Wahl des Arztes frei, es könne also eine Beeinträchtigung irgend eines Arztes nicht stattfinden." Indem ich diese Thatsachen hier nochmals der Deffentlichkeit übergebe, überlaffe ich das Urtheil darüber dem Gerechtigkeitsgefühle der Lefer dieses Blattes. Die freien Hilfskaffen behaupten doch durch die freieren, zwangloseren Prinzipien ihrer Verwaltung, durch ihren Sinn für Gerechtigkeit und Verhütung bureaukratischer Beeinflussung ein moralisches Uebergewicht über andere Institute ihrer Art, zum Beispiel die Ortstassen, beanspruchen zu fönnen. Die erwähnten Thatsachen zeigen, daß dieser Anspruch, wenigstens für die in Frage stehende Bäckerfaffe, durchaus unbegründet ist. Wenn der Vorstand einer freien Hilfskaffe aus Furcht davor, daß einer ihrer Beamten sie schädigen könnte, die Untersuchung einer so wichtigen Ange legenheit unter Vorschiebung formeller Gründe ablehnt, so zeigt er dadurch, daß ihm der materielle Vortheil wichtiger ist als die Aufrechterhaltung sowohl seiner eigenen, als auch der allgemein giltigen, einfachsten Anstands- und Gerechtigkeitsprinzipien, und beweist damit, daß diese freie Hilfskasse nicht diejenige Reife in ihrer Organisation erlangt hat, die sie zu besigen behauptet, und die fie eigentlich haben müßte, daß sie daher gar feinen Grund hat, mit leberhebung auf andere, ähnliche Institute herabzu sehen. Daß etwas derartiges unbeanstandet vor sich gehen fann, ist vielmehr ein bedeutsames Zeichen für die herrschende Korruption, die alle Kreise unseres öffentlichen und privaten Lebens durchdringt, und auch diejenigen nicht verschont, welche durch ihre allgemeinen resp. sozialpolitischen Anschauungen davor ge schüßt sein sollten und könnten. Der neuerdings verhandelte Prozeß gegen die beiden Armeelieferanten hat gezeigt, wohin ein solches Korruptionssystem führt, man sieht, daß diese Kreise nicht die einzigen sind, wo solche Zustände herrschen. Zum Schluffe erkläre ich noch, daß ich meiner ganzen Gesinnung nach den freien Hilfskassen durchaus sympathisch gegenüberstehe und darum bedauere ich doppelt, daß etwas derartiges gerade in einer solchen vorkommen konnte; aber gerade eine freie Hilfskaffe wäre in diesem Falle verpflichtet gewesen, vor allem andern das zu befolgen, was für alle frei und edel denkenden Menschen das oberste Prinzip sein muß: Wahrheit und Ge rechtigkeit!" Dr. med. Paul Christeller, praft. Arzt, Aleranderstraße 1.
Verantwortlicher Redakteur: R. Cronheim in Berlin . Druck und Verlag von Max Bading in Berlin SW.. Beuthstraße 2.
Hierzu eine Beilage.