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Nr. 157.

Dienstag, den 9. Juli 1889.

6. Jahrg.

Berliner Volksblatt

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

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erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin   frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer Expedition Zimmerstraße 44 1 Mark pro Monat. Postabonnement 4 Mark pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1889 unter Nr. 866.) Für das Ausland: Täglich unter Kreuzband durch unsere Expedition 3 Mark pro Monat.

Redaktion: Beuthstraße 2.

Kolonialpolitik.

Verflüchtigt haben sich alle die hochfliegenden Träume von einem Zeitalter goldenen Gewinns und überströmenden Reichthums, die in den Köpfen phantastischer Kolonial­politiker spukten und eine 3eit lang fast das gesammte deutsche   Volk in Erregung brachten. Nur ein kümmerlicher Rebelstreif ist übrig geblieben, das keineswegs erfreuliche Bewußtsein, daß zu den Opfern, die für die Kolonien schon gebracht sind, noch weitere kommen werden, von denen eben­fowenig Ersprießliches für die 3ufunft zu erwarteu ift.

Die Wendung auf Samoa   wollen wir nicht beklagen; wir wollen nur aufrichtig wünschen, daß sie den Frieden und die Selbstständigkeit jener unglückseligen Inselgruppe gewährleiste, die uns schon so verhängnißvoll geworden ist. Wir beklagen die Menschenleben, die zu Grunde gehen mußten als deutsche Kriegsschiffe vom Taifun

an

die felsigen Küsten der Samoa- Inseln   geworfen wurden; nicht weniger aber hätten wir es beklagen müssen, wenn diese unbedeutenden Eilande der Anlaß ge worden wären zu einem Konflikte mit den Amerikanern, einer Nation, deren Freundschaft wir nicht entbehren können, wenn unsere wirthschaftlichen und handelspolitischen Ver­hältnisse nicht noch trübfeliger werden sollen. Es ist über­haupt ein nicht angenehmes Kriterium der deutschen aus­wärtigen Politik, daß man so wenig Bedenken trägt, beim geringsten Anlasse alte bewährte Freundschaften von sich zu stoßen, als hätten dieselben niemals auch nur den geringsten Werth gehabt. Die Affären mit Nord­ amerika   und mit der Schweiz   beweisen dies. Und doch hat man in dieser Zeit am allerwenigsten Grund, auf alte Freundschaften so geringschäßig zu verzichten.

Die Kolonialpolitik mit ihren unvermeidlichen Eifer füchteleien hat die Situation insofern verschlimmert, als sie bie unliebsamen 3wischenfälle vermehrte und einen Sporn für die kostspielige Neugründung einer Schlacht­flotte abgab.

Wir bedauern nicht im geringsten, daß der deutsche Ginfluß auf Samoa   nicht mehr so dominirt, wie früher. Denn zu erwarten haben wir von dort gar keinen Gewinn, es sei denn, die deutschen Verhältnisse müßten sich einmal so sonderbar gestalten, daß auf dem deutschen Markte Palm­wein und Kokosnüsse die dominirenden Artikel wären. Wir sind nun wohl auch der keineswegs erfreulichen Aussicht ledig, samoanische Könige" als Pensionäre erhalten zu müssen, und wir wollen recht froh sein, wenn diese Poten­taten ihre Ansprüche" behalten und sehen, wie sie dieselben verwerthen. Wir gönnen den Herren Malietoa und wie sie sonst heißen mögen, eine lange und glorreiche" Regierung in jeder Beziehung, wenn sie uns nur Nichts loftet.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Ein Goldmensch.

Roman von Maurus 36kai.

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Dort aber sah der Abendhimmel aus, als wogten Lawinenmassen durcheinander, in allen Nuancirungen von Feuer- und Blutroth; zerriß an einer Stelle der glühende Wolfenschleier, so sah man durch den Riß den Himmel nicht blau, sondern smaragdgrün. Únten leuchteten Berg   und Thal, Wald und Weiler im Reflex der Abendrothe, in einem Glanze, der dem Auge wehe that, welches nirgends einen Schattigen Ruhepunkt fand; dazwischen die Donau   wie ein feuriger Phlegeton, und inmitten derselben eine Insel mit Thürmen und großen massiven Gebäuden, die alle glühten, als bildeten sie zusammen einen einzigen Schmelzofen, durch den jedes menschliche Wesen, das aus dem verseuchten Orient tommend, die Grenze des pestfreien Occidents betritt, hin­burch muß, wie durch ein Purgatorium.

Was aber in diesem Wind verkündenden Feuerschein die Nerven am meisten affizirte, war ein schwarzgelb an­gestrichener Kahn, der von der Sztela auf das Schiff zu­gerudert kam

Die Szkela ist das doppelte Gitter, durch welches die von den beiden Donauufern sich besuchenden Bewohner der Nachbarländer mit einander sprechen, feilschen und Geschäfte machen dürfen.

Die Heilige Barbara  " hatte vor der Insel Anker ge­worfen und erwartete den herankommenden Kahn, auf dem drei bewaffnete Männer sich befanden, zwei davon mit Flinten und Bajonnet; außerdem zwei Ruderer und der Steuer­

mann.

Euthym ging auf dem kleinen Platz vor der Kajüte unruhig auf und ab. Timar näherte sich ihm und sagte leife: Der Visitator kommt."

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Insertionsgebühr

beträgt für die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs­Anzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin   SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen- Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 10 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Nr. 4106.

Expedition: Bimmerffraße 44.

Bevölkerung von Sansibar hat doch schon gezeigt, wie wenig sie von solcher Kultur" und Bivilisation" er­baut ist.

Alles in Allem können die Resultate der Kolonialpolitik für die, so sie unternommen, nur durchaus unbefriedigend sein. Wer dennoch ihre Resultate glücklich findet, der gleicht jenem Manne, der seiner 3iege eine grüne Brille auf­setzte, damit sie Hobelspähne für Grünfutter ansehen sollte.

bauert einfach fort, und die berüchtigten Sklaven- Politische Uebersicht.

andere

Während man von den westafrikanischen Kolonien wenig oder gar nichts mehr vernimmt die Malaria scheint dort die Hoffnungen der Kolonialschwärmer unbarm­herzig zu Schanden gemacht zu haben geht es um so lebhafter nunmehr in Ostafrika   her. Noch ist kein Jahr verstrichen und die Welt war noch erfüllt von dem großen historischen" Gedanken, den Sklavenhandel in Ostafrika   zu unterdrücken. Die christliche" Welt war entzückt und Herr Windthorst sah im Geiste schon ganz Afrika   zur ,, christlichen Gesittung" gewonnen. Die Blockade für den Verkehr mit Sklavenschiffen wurde thatsächlich ein­geführt, aber was ist nun geworden? Der Sklavenhandel dauert einfach fort, und haben farawanen Richtungen genommen. Während seinerzeit Fürst Bismarck   im Weißbuch noch aussprach, in Ostafrika   sei nichts zu gewinnen, sobald man sich aus dem Bereich der Schiffsgeschüße entferne, sehen wir nunmehr einen heimlichen Feldzug, befehligt von dem be­rühmten Helden und Hauptmann Wißmann, der mit dem Sklavenhandel resp. dessen Unterdrückung offenbar nichts zu schaffen hat. Der Held hat auch eine Schlacht ge­wonnen, wobei unter den Negern ein fürchterliches Gemeßel angerichtet worden ist kurz, die Dekoration für das neue Stück ist ganz im herkömmlichen Stil gehalten. Aber was ist der 3weck von dem ganzen Spektakel? Doch keineswegs die Abschaffung der Sklaverei und die Zivilisirung Oft­afrika, s, sondern es gilt, dem europamüden" Kapital ein neues Ausbeutungs Feld зи erschließen. Billige Arbeitskräfte werden beschafft und nebenbei werden die Schwarzen auch für so das Christenthum bearbeitet. Herr Wißmann ist ein Pio­nier der Industrie, welche an Produktionskosten sparen will, der die europäischen   Arbeitskräfte immer noch zu theuer sind.

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Daneben strebt die ostafrikanische Gesell= fchaft immer mehr nach Selbstständigkeit und Unabhän­gigkeit. Diesen Kaufherren und Kapitalisten, die unter dem Schein uneigennüßiger Bestrebungen für die Menschheit nur darnach trachten, ihr Kapital möglichst vortheilhaft ,, wer= bend" anzulegen, träumen von einer Zukunft, die ihnen großartig erscheint. Sie haben fich offenbar die o st i n= bische Kompagnie zum Vorbild genommen. Nun, die ostindische Kompagnie hat nichts versäumt, die Einge­borenen durchaus unnöthig zu erbittern. Aber sie brauchte eine lange Zeit, Indier immerhin Empörung zu bringen, während die oſtafrikanische Gesell­schaft in erstaunlich kurzer Frist die Schwarzen in Sansibar zum Aufstande getrieben hat. Diese Gesellschaft erscheint uns absolut nicht berufen, in Ostafrika   sich als Vertreterin der Kultur und der Zivilisation aufzuspielen. Wenn sie es doch thut, so kann man das freilich nicht ändern; allein die

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die

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Euthym zog aus seiner ledernen Geldkage eine seidene Börse und nahm zwei Gollen heraus, welche er Timar in die Hand drückte.

In jeder Rolle waren hundert Dukaten.

Nicht lange, so legte der Kahn an und die drei be­waffneten Männer stiegen auf das Verdeck des Schiffes. Der eine ist der 3ollaufseher, der Inspizient, dessen Amt es ist, die Schiffsladung zu visitiren, ob nicht Kontrebande oder eine verbotene Waffensendung darunter ist. Die zwei anderen sind Finanzwächter, welche bewaffnete Assistenz leisten und zugleich zur Kontrolirung des Inspizienten dienen, ob er die Visitation richtig vorgenommen hat.

Der Purifikator ist der offizielle Spion, welcher auf paßt, ob die beiden Finanzwächter den Inspizienten gehörig kontrolirt haben. Die ersten drei bilden wiederum das amtliche Tribunal, welches den Purifikator ins Verhör nimmt, ob er die Schiffspassagiere bei irgend einer post­gefährlichen Berührung betreten hat. Das Alles ist sehr systematisch eingerichtet; ein amtliches Organ kon­trolirt das andere, und sie alle kontroliren sich wechsel­feitig.

Als vorschriftsmäßige Gebühr für diese Funktionen hat der Inspizient hundert Scheinkreuzer zu erhalten, jeder von den Finanzwächtern 50 und der Purifikator auch 50 was gewiß eine mäßige Tage ist.

So wie der Inspizient das Verdeck betritt, kommt ihm der Purifikator entgegen. Der Inspizient krazt sich das Ohr, der Purifikator die Nase. Eine weitere Berührung findet nicht statt.

Der Inspizient wendet sich dann zum Schiffskommissär, die beiden Finanzwächter pflanzen die Bajonette auf. Jetzt noch drei Schritt vom Leib! Man kann nicht wissen, ob der Mensch nicht von der Pest angesteckt ist.

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Das Examen beginnt. Woher?" Aus Galat." Wie heißt der Schiffseigenthümer?" Athanas Brazofics." " Der Eigenthümer der Schiffsladung?"" Euthym Trifaliß." Euthym Trikaliß." ,, Wo find die Schiffspapiere?"

Bei der Uebergabe der letzteren wird schon behutsamer

Bum internationalen Arbeiterkongrek. Die deutschen Delegirten welche nicht für sich andere Anordnungen ge­troffen haben werden im Hotel St.( Saint) Charles Rue Pigalle 45( sprich aus: otell säng scharl, rüh pigall) logiren. Der Hotelbefizer ist ein Deutscher.

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Zu den Noten des Reichskanzlers. In den Noten des Reichskanzlers in Sachen des Konflikts mit der Schweiz  find eine Reihe von Aeußerungen enthalten, die etwas näher beobachtet zu werden verdienen. Der Reichskanzler scheint in verschiedener Beziehung nicht genau unterrichtet zu sein, sonst könnten gewisse Angaben in seinen Noten unmöglich vor­fommen. So hehauptet er z. B. die Zentralleitung der deut­schen Sozialdemokratie habe ihren Siz in der Schweiz  ; das ist durchaus unrichtig. Die Leiterin der Partei ist die Reichs­tagsfraktion, und wo diese zu findes ist, weiß auch der Reichs­tanzler. Die Gerichte haben auch in einer ganzen Reihe von Prozessen in diesem Sinne entscheiden müssen, weil die offen­fundigsten Thatsachen dafür sprachen. Dagegen nahmen die Gerichte an, so lange der Sozialdemokrat" in der Schweiz  erschien und die in Zürich   Ausgewiesenen noch dort saßen, daß diese die Leitung für den Vertrieb sozialistengefeßlich verbotener Schriften in der Hand hätten. Unrichtig ist, daß Reinsdorf  , Neve und andere ihre politische Ausbildung in der Schweiz  erhielten. Reinsdorf   war früher Sozialdemokrat, befand sich aber schon vor 1878 im anarchistischen Fahrwaffer, was er in zahlreichen Versammlungen in Leipzig   bekundete. Auch scheint der Reichskanzler nicht zu wissen, daß Reinsdorf   vor dem Nieder­waldattentat Jahre lang in Deutschland   unter falschem Namen an verschiedenen Orten arbeitete und nicht in der Schweiz  , sondern mitten in Deutschland   das Niederwalddenkmal vor­bereitete, ohne daß die deutsche   Polizei das Geringste merkte.

Es ist auch nicht richtig, daß die Schweiz   preußische Polizeibeamte, die dort an Ort und Stelle Erkundigungen" hätten einziehen wollen, nicht im Lande geduldet habe. Das

werden die Herren Krüger, v. Hacke, John in Straßburg   und eine große Anzahl anderer deutscher Bolizeibeamter bestätigen können. Was die Schweiz   nicht duldete, waren die Lockspizel. Es wäre nothwendig, daß man in Bern   endlich einmal den Mund aufthut und der Welt verkündet, was man auf dem Gebiete der Lockspizel in den letzten 10 Jahren dort

vorgegangen. Eine Kohlenpfanne wird gebracht und mit Wachholderbeeren und Wermuth bestreut; die vorge­wiesenen Papiere werden darüber gehalten und eingeräuchert und dann vom Inspizienten mit einer eisernen 3ange in Empfang genommen, aus möglichst weiter Entfernung gelesen und hierauf wieder zurückgestellt. Ueber die Schiffspapiere wird vorläufig nichts bemerkt.

Die Pfanne wird fortgetragen und an ihrer Stelle ein Wasserkrug gebracht. Es ist ein weitbauchiger irdener Krug mit einer Deffnung, durch welche auch die größte Faust hin­durch kann. Er dient dazu, die Uebergabe der Gebühr zu vermitteln. Da die orientalische Pest sich durch nichts so leicht fortpflanz, als durch Metallgeld, so muß der aus der Levante   kommende Schiffer daffelbe zuerst in einen mit Wasser gefüllten Krug werfen, aus dem es der occidentale Sanitäts­wächter schon gereinigt hervorholt, gerade so, wie an der Sztela Jedermann das Geld, das er zu empfangen hat, aus einem Wasserbecken herausfischen muß.

Timar steckt die geballte Faust in den Wasserkrug und zieht sie geöffnet wieder heraus.

Dann fährt der Inspizient mit der Hand ins Wasser, zieht sie als zusammengeballte Faust hervor und steckt sie in die Tasche. O, er hat nicht nöthig, beim Schein der Abend­röthe erst nachzusehen, was für Geld das ist. Er fühlt es am Griff, am Gewicht. Auch der Blinde erkennt den Dufaten. Er verzieht keine Miene.

Nach ihm kommen die Finanzwächter. Auch diese fischen mit ernster Amtsmiene ihrer Gebühr vom Boden des Kruges heraus.

Jetzt rückt der Purifikator heran. Sein Gesicht ist streng und drohen. Von einem einzigen Wort aus seinem Munde hägt es ab, ob das Schiff zehn oder zwanzig Tage in Quarantaine liegen muß, mitsammt seinen Passagieren.

Es sind dies lauter kaltblütige Menschen, die nur ihre Dienstpflicht im Auge haben.

Der Inspizient verlangt in mürrisch gebieterischem Tone daß ihm der Eingang in die inneren Schiffsräume geöffnet