Kr. 161. Konnabeni», de«(3. Juli 1889. 6. Jahrg. «1 ,fc(» erlincrlolblilalt. Drgan für die Interessen der Ardeiter. DasBerliner Volksblatt" erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnen,entspreis für Berlin frei in s Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Rummer 5 Pf. Sonntags- Rümmer mit demSonntags-Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer Expedition Zimmcrstraße 44 1 Mark pro Monat. Postabonnemeni 4 Mark pro Quartal. (Eingetragen in der Postzeitungsoreisliste für 1889 unter Rr. 866.) ffi* das Ausland: Täglich uuter Kreuzband durch unsere Expedition 3 Mark pro Monat. I n s e r t i o n s g e b ii h r beträgt für die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pf. Inserate weroen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstrabe 44, sowie von allen Annoncen-Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 37 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 10 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt vi. Ur. 4106, Vedscktton: Veukhptrsltze S. Expedition: MmmevZtroHe 44. Mt? Die Muii Einfnlxv. Die Herren Rheder zu Hamburg , die auf ihren Dam- pfern statt deutscher Arbeiter und Matrosen nunmehr Reger und Chinesen eingestellt haben, erfreuen sich sonst zwar einer sehr dicken Haut gegenüber den Angriffen der Preffe. Dies- mal haben sie sich indeffen doch veranlaßt gesehen, sich zu vertheidigen, weil sie sehen, daß die Aufregung über die Ein- fuhr überseeischer billiger Arbeitskräfte eine große und all- gemeine ist, und weil sie bei aller Protzenhaftigkeit denn doch auch fühlten, daß sie sich hier im Unrecht befinden, wenn sie es auch öffentlich nicht eingestehen. Denn die Herren Rheder wiffen recht wohl, daß sie sich zu allen Zeiten im In- und Auslande mit ganz besonderer Vorliebe alsPatrioten" auf- ge'pielt haben, und sie wiffen auch sehr gut, wie schlecht der Kuli- Import zu dem Begriff des Patriotismus stimmt. Der Patriotismus ist keine Sache, die von einzelnen patrio- tischen Kliquen in Erbpacht genommen werden kann, wenn auch zur Zeit hinterpommersche, wendische, masurische und kaffubische Junker sich als diebesten Patrioten" in Deutsch - land ausspielen. Ein Patriot im wahren Sinne des Wortes ist Jedermann, welcher die Jntereffen seines Gesammtvater- landes wahrt, und daher können die Vertreter der Kasten- interessen eigentlich auf diesen Namen gar keinen Anspruch machen. Ebensowenig aber die Unternehmer, die schnöden Gewinnes halber sich fremde und billige Arbeitskräfte ver- schaffen, während sie dadurch ihre deutschen Volksgenossen aufs Pflaster werfen und darben laffen. Der schreiende Gegensatz, in dem sich das Benehmen der Rheder zu allen patriotischen Interessen befindet, hat sie zu einer Erklärung getrieben. Nicht daß die Herren etwa leugnen wollten, daß sie Chinesen und Neger im Schiffsdienst verwenden, nein, sie bieten dem Gesammt- interesse Deutschlands noch die Stirn und gestehen ein, daß sie Asrikaner und Asiaten auf ihren Schiffen eingestellt haben. Aber das Organ der Rheder, in dem sich dieRecht- fertigung" befindet, weiß auch gleich einen Sündenbock zu finden, und zu diesem werden natürlich die deutschen Schiffs- arbeiter und Mattosen selbst erkoren. Es heißt, die Ein- stellung der Chinesen und Neger sei nothwendig geworden, weil man in Deutschland zu wenig Arbeitskräfte habe be- kommen können, und weil infolge deffen die Lohne uner- träglich hoch geworden seien. Auch eigneten sich die Neger bester zum Dienst als Heizer, wie die Deutschen . Man sieht ohne Mühe, welch faule Ausrede diese Rechtfertigung" ist. Denn wenn Mangel an deutschen Arbeitskräften war, so hätte man nicht nothwendig ge- habt, die deutschen Matrosen und Arbeiter, die sich auf den Schiffen befanden, zu entlassen. Auch die Ausrede, daß die Neger bester als Heizer verwendbar seien, ist keineswegs stich- haltig, denn es giebt eben unter den Negern auch Leute von verschiedener Arbeitskraft und Abhärtung, wie bei dem Europäer . Nein, der einzige Grund ist, daß durch die Nach- Femlletcm. lRachdruck onbotcn.]_ [ii Golvmenfzh. Roman von Mauru» Zükai. Es war eine Mädchenstimme, aus der etwas wie Vor- wurf herausklang, aber auch viel Liebe nnd mädchenhafte Schüchternheit. Es war eine sympathische Stimme. Timar schaute umher; zuerst wollte er wiffen, woher der Ruf kam, und dann, wen er anging? Wer der Gerusene war, konnte er bald erfahren, denn auf den Ruf war das weiße Kätzchen plötzlicy seitwärts gesprungen, und, den Schwanz ringelnd, schnurstracks auf einen ästigen Birnbaum hinauf geklettert, durch dessen dichtes Laub Timar etwas wie ein weißes Frauen- gewand blinken sah; zu weiteren Untersuchungen jedoch blieb rhm keine Zeit, denn Almira ließ einige tiefe Kehllaute hören, welche in der Vierfüßlersprache so viel bedeuten mochten, als:Was brauchst Du hier herum zu spähen!" und so war er genöthigt, seinem Führer zu folgen, wenn er mcht Gefahr laufen wollte, daß ein Stück seines Mantels Zwischen dessen Zähnen blieb. Almira führte Timar auf einem schönen Rasenpfad das Ufer entlang, bis zu der Stelle, wo fem Kahn angebunden 9; In diesem Augenblicke zogen zwei Sumpfschnepfen mit geltendem Pfiff durch die Lüfte der Insel zu. Timar's erster Gedanke war, welch' leckeren Braten sie für den Abcndtisch Trmea s abgeben würden. Im Nu hatte er seine Jagdflinte ®er Schulter genommen und mit zwei wohlgezielten Schüssen die beiden Schnepfen erlegt. Im nächsten Augenblick stand er aber selber nicht mehr auf den Beinen. Sowie er nämlich die Flinte abgefeuert, hatte, war er.von Almira am Kragen gepackt und wie von einem Blitzstrahl zu Boden geschleudert worden. Er wollte frage nach Heizern und Matrosen die Löhne gestiegen waren. Um an Stelle der Nachfrage ein bedeutendes Angebot zu setzen und dadurch die Löhne hinabzudrücken, das ist der wahre und alleinige Grund, weshalb man Chinesen und Neger auf deutsche Schiffe gebracht hat. Der rücksichtslose Egoismus der Herren Rheder erscheint in um so bedenklicherer Beleuchtung, als man annehmen muß, daß sie als Hamburger Kaufherren sich vollständig bewußt gewesen sind, welch' folgenschweren Schritt sie gethan haben. Nachdem den Chinesen einmal die Bahn gezeigt ist, steht nun der massenhafte Kuli-Jmport, dies furchtbare Schreckgespenst für alle europäischen Arbeiter, dicht vor der Thür . Bald werden sich zahlreiche Chinesen als Heizer und dergleichen auf den Schiffen einstellen lasten, um dafür nach Deutschland befördert zu werden, so daß die Rheder auch dadurch noch Gratis-Arbeiter bekommen. Arbeiter und Handwerker aller Art werden erscheinen. Haben sie sich erst einmal festgesetzt, so beginnt der Masten-Import, denn die Chinesen überschwemmen bald alle Plätze, wo sie einmal festen Fuß gefaßt haben. Dann werden sie die deutschen Arbeiter aus einer Reihe von Branchen ver- drängen, denn sie arbeiten ja so billig und so willig. Die Unternehmer sind aber als solche keine Patrioten, sondern sehen nur auf den niedrigsten Lohn. Dann werden Tausende von deutschen Arbeitern arbeitslos umherliegen müffen und derVagabondage" anheimfallen, auch die Ar- beiterkolonien frequentiren, während die Geschäftsleute, die bisher für ihre Waaren Absatz bei den Arbeitern gefunden, nichts mehr verdienen werden. Denn die Chinesen leben nicht nur so, daß an ihnen kaum etwas zu verdienen ist, sondern sie bringen auch ihre eigenen Geschäftsleute mit, die sich nach chinesischer Art einrichten und ihnen Waaren und Lebensmittel aus Asien liefern. Während so der Kuli-Sklavenhandel im größten Handels-Empirium Deutschlands uns mit einer neuen Krisis bedroht, haben wir ein Geschwader in den ostafrikanischen Gewässern, um dem Treiben der arabischen Sklavenhändler zu steuern. Nicht die Arbeiter allein sind durch die Chinesen-Jnva- sion bedroht, auch die Geschäftswelt müßte unsäglich darunter leiden. Sogar der Staat müßte eines beträchtlichen Ausfalls an Steuereinnahmen gewärtig sein. Wir wollen die Pflicht nicht versäumen, bei Zeiten auf die Kalamität hinzuweisen, die über Hamburg auf Deutschland hereinzubrechen droht. Mögen Andere dies auch thun! Nur dann, wenn die öffentliche Meinung bei Zeiten sich gegen die neue Kalamität wendet, kann man hoffen, den unheilvollen Wirkungen vorzubeugen, die aus dem Unfug einiger gewinnsüchttger Rheder zu entstehen im Begriffe sind. aufspringen, fühlte aber bald, daß er es mit einem über- mächtigen Feinde zu thun hatte, mit dem nicht zu spaßen war. Nicht als ob Almira ihm etwas zu Leide gethan hätte, allein sie hielt ihn fest am Kragen und ließ ihn nicht aufstehen. Timar versuchte auf jede erdenkliche Weise sie milder zu stimmen, nannte sie Fräulein Almira, seine liebe Freundin, und hielt ihr eine Vorlesung über Jagd und Jagdgebrauch; wo zum Teufel sehe man einen Hund, der apportirt? Er möge doch lieber die Schnepfen aus dem Gebüsch holen; aber er predigte tauben Ohren. Aus dieser gefährlichen Situatio befreite ihn endlich die Jnselfrau, welche auf den Knall des Gewehres herbeigelaufen kam, und von weitem schon Almira beim Ramm rief, woraus dieser seltsame Geselle den Kragen los ließ. Z Du mein Gott," jammerte sie, über Stock und Stein dem Orte der Gefahr zueilend.Ich vergaß Ihnen zu sagen, daß Sie nich schießen sollen, weil sonst Almira sie packt. Ueber einen Schuß gerähth sie in großen Zorn. Nein, wie ich so dumm sein konnte, Ihnen das nicht zu sagen." Machen Sie sich darüber keine Sorgen, gute Frau," . sagte Timar lachend.Almira würde in der That einen | prächtigen Waldhüter abgeben. Aber sehen Sie, ich habe ein ; paar Schnepfen geschossen; ich dachte mir, das wird eine gute ' Beisteuer sein für das Nachtesten, das Sie Ihren Gästen vor- setzen wollen." Ich werde sie mir schon holen; steigen Sie nur in Ihren Kahn, und wenn sie zurückkommen, lasten Sie die Flinte hübsch daheim, denn glauben Sie mir, wenn der Hund Sie mit der Flinte am Arm erblickt, nimmt er sie Ihnen auf der Stelle weg. Mit dem ist nicht zu spaßen."._ Das Hab' ich an mir erfahren. Ein gewaltiger, treff- licher Hund das! Ehe ich noch daran denken konnte, mich zu wehren, lag ich schon auf dem Boden; ich kann ßommt er. oder komm! er nlcht. nämlich der russische Zar zum Besuche seinesVetters und lieben Verwandten" des deutschen Kaisers nach Berlin ? Diese Frage beschäftigt augenblicklich unsere politischen Kannegießer auf das lebhafteste und man kann kaum eines der großenton- angebenden" Blätter in die Hand nehmen, in dem man nicht mindestens zwei oder drei Depeschen und außerdem noch ein paar redaktionelle Notizen, wenn nicht gar einen besonderen Leitartikel, findet, die sich alle mit der Frage beschäftigen, ob Väterchen wohl dieses Jahr Deutschland und dessen Kaiser noch mit seinem Besuche beehren wird oder nicht. Lägen nun nicht besondere Umstände vor, so könnte ja für ein Blatt wie das unsere es sehr gleichgiltig sein, wie viel von ihren Spalten diemaßgebende" Presse darauf verwenden will, ihren Lesern Nachrichten von den Absichten und Reiseplänen des russischen Zar zu geben. Auch diese Reisen Väterchens selbst sind uns und gewiß unseren Lesern nicht minder im höchsten Grade gleichgiltig. Wenn wir trotzdem von den darauf bezüglichen sich jetzt täglich wiederholenden und immer widerspruchsvoller werdenden Nachrichten Notiz nehmen, so geschieht es, weil die- selben ein ungemein bedeutsames Symptom für die politische Situation sind, in der sich Europa befindet. Und zwar ein bedeutsames Symptom nach zweierlei Richtungen. Die sich ewig widersprechenden Nachrichten über die Zarenreise werden einmal erklärt mit der bekanntenVorsicht", mit der der Be- Herrscher aller Neuffen zu reisen gewohnt ist. Andererseits aber will man in der endlichen Entscheidung der Frage obEr kommt oder nicht kommt?" einen bestimmten Fingerzeig dafür haben, ob dergroße Weltkrieg", dem Europa za unvermeidlich entgegen gehen soll, schon demnächst ausbrechen wird, oder, ob dieses Jahr" der Frieden noch erhalten bleibt. Ist es nun nicht eine Erscheinung bedeutsamster Art, wenn der Monarch Europas , der mit unumschränkter Machtvollkom- menheit über hundert Millionen Menschen dies- und jenseits des Urals gebietet, dem das zahlreichste Heer zu Gebote steht und der von seinenUnterthanen" als letzter Quell aller staatlichen Autorität verehrt und anerkannt werben muß, sich nicht einmal getraut, oder wenigstens glaubt, sich dieses nicht getrauen zu dürfen, eine beabsichtigte Reise ein paar Wochen vorher ankündigen zu lassen? Und womit wird diese Vorsicht gerechtfertigt? Bekanntlich damit, daß unter den Unter- thanen des Väterchens die Zahl jener, Anarchisten und Nihi- listen genannten Fanatiker, welche entschlossen sind, selbst mit Gefahr des eigenen Lebens, Alexander>11. einer vorzeitigen Himmelfahrt zu verhelfen, so groß sein soll, daß deren Vor- haben nur unter Anwendung der außergewöhnlichsten Vorsichts- maßregeln hintertrieben werden kann. Ob das zutrifft, wissen wir nicht. Thatsache ist aber, daß die Nachrichten über geplante und vereitelte Attentate gegen den Kaiser aus Rußland gar nicht abbrechen; wobei freilich nicht außer Acht gelassen werden darf, daß eben gerade auch dort die Zahl Jener, welche von der Entdeckung von Attentats- anschlügen und deren Vereitelung leben und zwar nicht schlecht außergewöhnlich groß ist. Mag dem aber sein, wie ihm will, die Tbatsachc steht fest, daß Alexander III. stets unter dem Eindrucke der Attentats­gefahr steht, daß die Rücksicht auf diese Gefahr ihn bei allen seinen Handlungen beeinflußt. Und von den Entschlüssen dieses noch Gott danken, daß er mir nicht den Hals entzwei ge- bissen hat." Oh er beißt keinen Menschen; wenn sich aber Jemand zur Wehr setzen will, packt er seinen Arm so zwischen die Zähne, als wäre er in Fesseln gelegt. Und dann hält er ihn fest, bis wir kommen, ihn wegzuholen. Nun, mein Herr, auf Wiedersehen! Es war noch keine Stunde verstrichen, als der größere Nachen mit seinen Gästen am Jnselufer anlegte. Vom Schiff bis zum Ufer erzählte Tinrar Timea beständig von Almira und Narzista, um das arme Kind sein Unwohlsein und seine Furcht vor den Wellen vergessen zu machen. Sowie sie den Fuß au das Ufer gesetzt hatte, war übrigens das Unwohl- sein verschwunden. Timar ging als Wegweiser voran, Timea, in Euthym's Arm eingehängt, folgte, zwei Schiffsknechte und der Steuer- mann trugen hinter ihnen auf einem Schrägen in Säcken das Aequivalent für die Tauschwaare. Schon von weitem hörte man das Gebell Almira's. Es waren dies jene Bewill- kommnungslaute, mit denen der Hund die Annäherung auter Bekannter zu signalisiren pflegte. In einem solchen Falle lief er den Ankommenden entgegen. Almira erreichte die Gelandeter: auf halbem Wege; zuerst umbellte er die ganze Gesellschaft, dann wechselte er der Reihe nach Zwiegespräche mit dem Steuennann, mit den Schiffsknechten und mit Timar, Hieraus zu Timea trollend, wußte er es so anzustellen, daß er ihr die Hand küßte; sowie er aber zu Euthym ge- kommen war, verstummte er, begann von der Fußsohle auf- wärts ihn zu beschnüffeln, und wich dann nicht von seiner Ferse; er schnupperte beständig und schüttelte inzwischen ge- waltig sein Haupt und schlug die Ohren zusammen, daß eS nur so knallte. Er hatte bei diesem Punkte seine besonderen Benrerkungen. Die Frau der Jnselwohnung erwartete im Flur die Ankömmlinge und rief, als diese zwischen den Bäumen auf- tauchten, mit lauter Stimme:No�mi!" 1