Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 224.

Bericht über den Pfälzischen Arbeitertag am

Sonntag, 15. September 1889.

Neustadt   a. H., 19. September.

Wer glaubte, die pfälzischen Sozialdemokraten wären von der Bildfläche verschwunden, oder, wie die nationalliberale Neuft. 3g." fich auszudrüden beliebte, die Pfalz   sei kein Boden für die Sozialdemokratie, der sab sich bitter getäuscht. Ohne daß auch na: im Geringften die Netlametrommel gerührt wurde, denn Toir haben fein Organ in der Pfalz  , das uns diesen Liebesdienst er­weilen würde, haben sich am legten Sonntag aus allen Theilen ber Pfalz   über 150 Delegirte pfälzischer Arbeiter hier zu Jammengefunden, um gemeinsam zu berathen, wie man sich für alle Zukunft den anderen Parteien gegenüber verhalten fo, bet Reichstags- und Landtags-, sowie bei Gemeinderaths­wohlen. Der Arbeitertag entledigte sich seiner Aufgabe in folgender Weise:

Nachdem der Vorstand des Neustadter Arbeiterwahl­Dereins, J. Stein, gegen 11 Uhr Vormittags den Partei­tag eröffnete und ben so zahlreich von auswärts einge­roffenen Freunden ein herzliches Willkommen" entgegen­brachte, schritt man zur Wahl des Bureaus, morin Ehrhart­Ludwigshafen den Vorfiz erhielt. Derselbe spricht zuvörderft femen Dank aus, daß man so zahlreich dem Rufe des Neu­Haster Wahloereins gefolgt. In einfach schlichter Weise fei man heute zusammengefommen, um zu berathen. Es soll die butige Versammlung keine Demonstration sein. Ich erfuche", fagte Redner, die anwesenden Vertreter der Presse, Tornn fie über unsere Versammlung berichten wollen, berichten wollen, baffelbe in objektiver und anständiger Weise zu thun und Helle es dem Ehrgefühl der betreffen den Herren anheim, pie fie es nun halten wollen; besonders meine ich hier die Neustadter 3tg.", die sich gestern nicht scheute, in einem Ar­titel im Voraus den Stab über uns zu brechen. Nun, viel­leiht bietet sich heute Nachmittag Gelegenheit, ein fleines Tänzchen mit dieser Zeitung zu veranstalten. Sie fonnte es nicht durchseßen, daß man heute nicht nach dem ge­ohnten Verbotsparagraphen gegriffen hat und uns tagen lag. Redner giebt vor Eintritt in die Tagesordnung noch bekannt, daß Herr Dr. Stern- Stuttgart von der Neu­fabier Zeitung, der ursprünglich als Referent für die heute Nachmittag ftattfindende Volks- Verfammlung angemeldet bar, als Schwäbischer Demokrat", Semit"," Manchestermann" 1. 1. m. titulirt wurde. Troßdem Dr. Stern der Redaktion Diefer Zeitung eine Berichngung zuschickte, worin stand, daß man ihn jedenfalls mit einem anderen Dr. Stern verwechsle, and betont war, daß er( Dr. Stern- Stuttgart  ) ein überzeugter Sozialdemokrat fei, hielt man es von Seiten der Redaktion der Reustadter Zeitung" für überflü sig, diese Berichtigung aufzu­( Scheint ein edles Kartellbrüderpapier zu fein.

mehmen. Redation.)

Mit großem Beifall wurde dieser Gruß aufgenommen und es erh elt nun das Wort Josef Huber Ludwigshafen, um über den ersten Punkt der Tagesordnung: Unsere Stellung zur Reichstagswahl" zu referiren. Wenn auch die Wahl zum nähen Reichstag noch nicht bestimmt ist, so müssen wir uns doch rüsten. Wer bei uns thätig ist, von dem ist ja allge­men befannt, daß er nicht auf Rosen gebettet ist; besonders Spielt dabei bie Unabhängigkeit eine große Rolle. Die Reichstagswahl ist eine Periode, zu zeigen, daß der Ein Rückblick Arbeiter eine felbstständige Gesinnung hat. auf die legte Reichstagswahl belehrt uns, daß wir unsere Schuldigkeit nicht gethan haben. Die Stimmenzahl in der Wrbeiterpartei( in der Pfalz  . Red.) ift zurückgegangen. Man benugte auf gegnerischer Seite die letzte Stunde dazu, dem Wolfe Schwindel und verheßendes Zeug vorzumachen. Wir mollen uns nun an die Zukunft halten. Es ist röthig, baß wir uns heute einige praktische Vorschläge machen, daß wir bente ein Zentral- Wahlfomitee wählen, das die Wahl­angelegenheit für die ganze Pfalz   übernimmt. Ein bestehen­bes Arbeiterblatt ist die wirksamite Agitation; ein Jeder von Es ist verflichtet, ein solches so viel als möglich zu ver­breiten, und mit seinen Arbeitsfollegen in allen Berufen Fühlung zu fuchen. Ein Kandidat muß in jedem Wahl­freise aufgestellt werden, auch wenn er nur 100 Stimmen be­Tommen fann. Wir müssen zeigen, daß wir uns nicht An­Deren an die Röckschöße hängen. Die Pfalz   muß einmal wieder das werden, was sie vor 50 Jahren war, wenn auch nicht ganz in demselben Sinne. Zwischen der national­liberalen und konservativen Partei ist heute kein Unterschied mehr, es richten sich alle beide nur nach dem Willen des Bund scaths und nicht nach dem des Volkes. Schluß seines Referats stellt Huber folgende Resolution zur Abstimmung: Der am 15. September im Burchardt'schen Eaale zu Neustadt   tagende pfälzische Arbeitertag, welcher von ca. 200 Personen aus der ganzen Bfalz besucht ist, beschließt: 1) Die Agitation für die nächsten Reichstagswahlen rechtzeitig und einheitlich organisirt zu beginnen und zu diesem Z3mede rin Zentral- Wahllomitee der Pfalz   zu ernennen, welches mus Vertretern verschiedener pfälzischer Orte zusammen­als geirkt aft. 2) 8um 3wede der Agitation und gertiges Bindemittel unter den Parteigenossen ein Arbeiter­blatt für die Pfalz   einzuführen und dasselbe überall zu ver­beiten. 3) Zu den sechs pfälzischen Wahlkreisen Kandidaten Der Arbeiterpartei aufzustellen und thätig für deren Wahl ein­zutreten."

Bum

Der zweite Punkt der Resolution, Arbeiterblatt betreffend, Tuft eine lebhafte Debatte hervor; von verschiedenen Leuten merden die Arbeiter- Chronit", die Fränkische Tagespost", So vie das Südwestdeutsche Voltsblatt" als Parteiorgan Ein anderer Antrag ging fac die Pfalz   vorgeschlagen. Dahin, die Pfalz   möge fich ein eigenes Drgan gründen und nicht in's Badische oder jenseitige Bayern   sich wenden. Dieser, als der weitgehendste Antrag zuerst zur Abstimmung fommend, murde mit allen gegen acht Stimmen abgelehnt und hierauf Der Antrag Ludwigshafen  , das Südwestdeutsche Volksblatt" as Baiteioraan zu bestimmen, einstimmig angenommen. Auch der andere Theil der von Huber vorgeschlagenen Resolution fand einstimmige Annahme.

Bum dritten Punkte der Tagesordnung: Aufstellung der Kandidaten, wurde beschlossen, den Parteigenossen folgende Ranbidaturen vorzuschlagen: Für Speyer   Ludwigshafen  : Franz Whihart Ludwigshafen  ; für Neustadt   Landed: Joseph Buber Ludwigshafen; für Pirmasens  - Zweidrücken: Mayer­Bumalens.

Ale Vorort, refp. Sit des Zentralwahlkomitees wurde Labwigshafen bestimmt, nachdem der Antrag Ehrhart, Pirmasens  wählen, da wir dort den liberalften(?) Bezirkshauptmann bärten, fallen gelaffen wurde.

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Der dritte Buntt betraf: Unser Verhalten bei eventuellen Stichwahlen. Stubenreich Dggersheim sprach hierüber Fol­sendes: Bis heute hat man an den Usus sest ehalten, bem­jengen bei der Etichwahl seine Summe zu geben, der der

Mittwoch. den 25. September 1889.

Oppofition am nächsten steht. Das muß iegt auf| hören. Wenn auch z. B. ein deutsch  - freifinniger Kandidat verspricht, gegen das Ausnahmegefeß au stimmen, so stimmt er aber doch anderseits wieder für Gesetze, die bem Arbeiter nachtheilig find, und an dem Zustandekommen solcher für ihn nachtheiligen Gefeße ist dann der Arbeiter indirekt selbst schuld, indem er solche Leute wählt! Die Deutschfreisinnigen figen zum größten Theil nur mit Hilfe der Sozialdemokraten im Reichstage. Der erste Wahlgang ist eine Revue, eine Uebersicht über die Stärke der Partei; es ist die heiligste Pflicht eines Jeden, dafür einzutreten. Wir tragen Ideen in uns, die uns die Wissenschaft und die subjektive Wahrnehmung aufdrückt, und wir wollen zeigen, daß die Ueberzeugung nicht todt zu machen ist. Nur für uns und für Niemand anders stimmen wir.

Ehrhardt schließt sich diesen Ausführungen an, indem er die Ultramontanen, Liberalen und Konservativen als einen Drei­bund bezeichnete, dazu geschaffen, die Arbeiterpartei zu unter­drücken. Auch er empfiehlt, bei Stichwahlen für keine andere Partei einzutreten. Huber bezeichnet alle anderen Parteien uns gegenüber als eine reaktionäre Maffe; besonders auch die Deutschfreifinnigen, die uns gegenüber ihr Wort ge­brochen haben in Betreff des Sozialistengesetzes. Wir haben nicht eine Partei, die regierungsfähig ist, sondern drei, dazu gehöre auch das Zentrum, das den Laib Brot des Volkes ver­theuerte und jeßt die Dürftigen auf das Gebetbuch verweife. Auch er( Huber) empfiehlt, niemand anders zu wählen, als Leute unserer Richtung.

an

Von Kirchheimbolanden   aus wurde dem entgegengehalten, daß doch von früher ein Beschluß bestehe, den man nicht so leicht umstoßen sollte, nämlich bei Stichwahlen für einen Dimo­fraten zu stimmen. Stubenreich besteht darauf, daß die Sozial­demokraten ihrem Prinzip festhalten und teine Kurpfuscherei treiben sollen. Ehrhart führt beispiels­weife an, daß seiner Zeit in Mannheim   die Demokraten nur mit Hilfe der Sozialdemokraten gegen die National­liberalen fiegten. Als aber später unser Freund Dreesbach in die Stichwahl mit den Nationalliberalen tam, halfen die Demofraten uns nicht!

Der Antrag Stubenreich wurde hierauf einstimmig ange­

nommen.

Der vierte und legte Punkt der Tagesordnung betraf: Unsere Stellungnahme zu den Gemeinderathswahlen. Hier­über referirte Genosse Ehrhart- Ludwigshafen. Derselbe betonte, man müsse lauten Protest gegen die heutige Manipulation des Wählens bei unfern Gemeinderathswahlen einlegen. Redner fönnte eine Gemeinde der Vorderpfalz nennen, worin man am Wahltage die Straßen abgesperrt habe mit wurstbehangenen Schnüren. Mit Würsten und Sauf­gelage betreibe man heute Gemeinderathswahlen. Natürlich, Der Razenjammer fomme hintennach. Redner empfiehlt den Anwesenden, wenn es nicht anders thunlich ist, so wäre aber doch jedenfalls ein Mann in jeder Gemeinde zu finden, der zu unserer Partei zählt, den solle man auf­stellen, und alle Arbeiterstimmen sollen sich.vereinigen, wenigstens diefen einen Mann in den Gemeinderath zu bringen. Bum Schluß seines Referats empfiehlt Redner folgende Resolution zur Annahme; Wo fich Gelegenheit bietet, Parteigenoffen in den Gemeinderath zu wählen, verpflichte man sich, energisch für solche einzutreten und zwar zu dem Zwecke, daß diefelben die gemeindlichen Mißverhältnisse fritifiren und Befferung derselben anfireben. Diese Refolution wurde ebenfalls einstimmig angenommen.

Hiermit war die Tagesordnung erledigt und der Vorsitzende schloß den ersten pfälzischen Parteitag mit einem von der Ver­fammlung stürmisch aufgenommenen Hoch auf die pfälzische Sozialdemokratie.

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Tokales.

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Bum Geburtstag einer Zwanzigjährigen. Es ist ein recht unscheinbares, doch aber von weitumfaffender Bedeu tung geworbenes Ding, das einfache Blättchen Papier  , das da unter dem Namen Poftfarte" ursprünglich Korrespondenz­farte heute am 25. September auf eine 20jährige Eristenz zurückblickt. Der Wunsch nach Vereinfachung des Briefwefens war es, der ursprünglich den Gedanken der Postkarte" in Gestalt einer Einrichtung wachrief, deren Schöpfung der da­malige Geheime Poftrath Stephan im Jahre 1865 auf der fünfien deutschen Postkonferenz zu Karlsruhe   mit dem Antrag der Gründung eines Postblattes bewirken suchte. Unter diesem Postblatt" verstand der Antragsteller eine Abart des Briefes in Gestalt eines einfachen Blattes, welches alle die zeitraubenden Manipulationen des Briefschreibens, ein Kniffen des Papieres, Einstecken des­felben in das Kouvert, Schließen, Siegeln desselben u. f. w., unnöthig machte und bei seinem genau firirten Gewicht gegen­über dem Briefe eine Ermäßigung des Portos möglich machte. Die damalige deutsche   Postkonferenz vermochte sich mit diesem Gedanken nicht zu befreunden und ging deshalb über den Antrag Stephan Postblatt" einfach zur Tagesordnung über, ohne daß von diesem Gedanken auch nur ein Wort in die Deffentlichkeit gedrungen war. Nach vier Jahren, in melchen der Plan nirgendwo auch nur mit einer Silbe er­wähnt worben, erschien plöglich in der Neuen Freien Preffe" em Artikel von Dr. E. Hermann, welcher mit einem Plane von nahezu übereinstimmender Form hervortrat und mit einem Hinweis auf die enorme Ersparniß schloß, die die von ihm vorgeschlagene Einrichtung der Korrefpon­Korrefpon­benzkarten" für Staat und Publikum an Zeit, Briefpapier, Mühe und Porto bedingen würde. Der damalige Post- und Telegraphen direktor Freiherr von Moly war bald für diesen Gedanken gewonnen, dessen praktischen Werth er sofort er­fannte, und so erschien am 25. September 1869 im Gesezblatt der österreichisch- ungarischen Monarchie jene Verordnung des Handelsministeriums, welche als der Taufschein der heutigen Postkarte zu betrachten ist, besagend, daß vom 1. Oftober a. c. ab mittelst der Rorrefpondensfarten, wie der erste amtliche Titel lautete, furze schriftliche Mittheilungen nach allen Orten der Länder Desterreichs und Ungarns   gleichgiltig in welcher Ent­fernung, für die ständige Gebühr von 2 Kreuzern befördert werden würden." Die Neueinrichtung erregte gewaltiges Aufsehen, wofür als Maßstab der Umstand betrachtet werden kann, daß im ersten Monat ihres Bestehens nicht weniger als 1400 000 Stüd der Karten in Umlauf gefeßt wurden. Ihre damalige Form war die eines Ottavblattes, welches gefnifft wurde. Man änderte diese Form jedoch bald, als fich herausstellte, daß durch die nicht forrette noch genügend scharf ausgeführte Form des Kniffens Unzuträglich leiten entstanden, und so erschien bie Korrespondenzkarte" dann in ihrer zweiten Gestalt, als ein­einfaches, glattes Blatt, deffen Vorderseite die Adresse und

6. Zahra.

Rückseite die briefliche Mittheilung trug, um bald ihren Weg durch die ganze Welt anzutreten. Denn nun vermochte man sich auch in anderen Staaten der Erkennung des praktischen Werthes jener Einrichtung nicht zu verschließen. Im König­reich Preußen und im Gebiete des Norddeutschen Bundes ere  blickte am 1. Juli 1870 die erste Korrespondenzkarte das Licht des Brieffaftens, England, die Schweiz   und Luremburg folgten bald darauf mit der gleichen Einrichtung, und im Jahre 1873 gab Nordamerika   seine ersten Karten aus, worauf 1874 Italien   folgte und damit für alle übrigen europäischen   Staaten das Beispiel gab, der neuen, praktischen Einrichtung zu folgen, die sich bis zum Jahre 1878 in der ganzen zivilisirten Welt eingebür­gert hatte. Acht Jahre später, d. h. im Jahre 1886, betrug nach den statistischen Ermittelungen des Weltpostvereins bie Bahl der bis dahin zur Verwendung gelangten Poftforten nicht meniger als 1225 000 000 Stück, in Worten Milliarde! Manche Aenderungen hat das einfache Blatt inzwischen erlitten; aus dem Stempel des Norddeutschen Bundes  ", den die Korrespondenstarte" ursprünglich trug, ist der Fünfpfennig­ftempel" der Deutschen Reichspoftfarte" geworden, auch das Papier hat sich in den 20 Jahren ihrer deutschen refp. preußi fchen Eristens sowohl in Farbe, wie in Art manches Mal ges ändert, ihre Bedeutung als einfachstes, billigstes und deshalb bestes Korrespondenzmittel aber ist immer bestehen geblieben und die Zahl von 931 516 000 Stück, welche bis zum Jahre 1887 allein an deutschen Sechserfarten" verbraucht worden ist, illuftrirt am besten die Bedeutung, welche das unscheinbare Blättchen Papier   im Laufe der Zeit erlangt hat.

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Den Vororten im Norden unlerer Stadt bezw. an der Berlin  - Stettiner Bahn bringt der Winterfahrplan mit dem 1. f. Mts. bedeutende Verbesserungen, indem den 12 Lokal­zügen, welche zur Zeit bereits dem Verkehre nach und von den Vororten zwischen Berlin   und Bernau   dienen, mit dem bea zeichneten Tage noch 8 Züge nach und 8 Züge von Blanken­burg, im Ganzen also 16 Züge hinzutreten, welche sämmtlich auch in Pankom halten. Außer den 12 zuerst erwähnten Lokal zügen dienen dem Verkehre nach und von Bernau auch fämmtliche Fernzüge der Stettiner Bahn mit Ausnahme der Schnellzüge Nr. 401 und 402. Wie bedeutend der Stettiner Bahnhof in Anspruch angenommen ist, ergiebt fich daraus, daß abgesehen von den Güterzügen, in denselben nach dem Winterfahrplane täglich 38 Bersonenzüge ein- und 38 Personenzüge ausfahren, insgesammt also 76 derartige Züge ab­zufertigen sind. Während des Sommers vermehrt sich diese Bahl noch beträchtlich, namentlich an den Sonn- und Festtagen, an welchen viele Sonderzüge eingelegt werden. Für solchen Zugverkehr wollen die Bahnanlagen aber faum mehr ausreichen, so daß auch aus diesem Grunde der baldige Umbau des Bahn­hoss bezw. die Erweiterung der Halle und eine Vermehrung der Geleise zur Abfertigung der Personenzüge nothwendig ist. Wenn sich z. B. zu Pfingsten, zu Beginn der Schulferien, oder zu den Sonderzügen nach Stettin   und Freienwalde   oft Taufende von Fahrgäften gleichzeitig auf die Bahnsteige ergießen, ist auf legteren faum durchzukommen, und es verdient alle Anerken nung, daß dieser Verkehr bisher noch stets ohne Unfall bewältigt worden ist.

In der Eisenbahn- Abtheilung für Unfallverhütung hängt an der einen Längsmand em grün gestrichener eiserner Raften von etwa Meter Höhe und Meter Breite mit zwei freisrunden Deffuungen, hinter welchen sich je eine rothe bezw. eine weiße Scheibe befindet. Viele Befucher der Ausstellung werden jedenfalls an diesem unscheinbaren Gegenstande, wel­cher aber dennoch für die Sicherheit der Reisenden auf der Eisenbahn von großer Wichtigkeit ist, achtlos vorüber gehen. Im Eisenbahnbetriebe bezeichnet man denfelben als Block apparat". Derartige Apparate sind von Station zu Station in der Regel im Telegraphenzimmer aufgestellt und unter­einander durch eine elektrische Drahtleitung verbunden. Sie haben den Zweck, zu verhüten, daß ein Zug auf einen voraufgehenden, der durch irgend einen Umstand unter­wegs aufgehalten werden könnte, auffährt. Sobald nämlich ein Zug von einer Station abgeht, wird durch eine entsprechende Anzahl Umdrehungen der an dem Blockapparat befindlichen Kurbel die bis dahin sichtbare weiße Scheibe hinter der runden Deffnung( für jede der beiden Fahrtrichtungen dient eine der beiden Oeffnungen) verschoben und tritt an die Stelle derselben eine rothe Scheibe. Die Beseitigung der letteren ist von Seiten der betr. Abgangsstation unmöglich. Erst wenn der Zug die nächste Blocitation paffirt hat, wird, während diese sich blockirt d. h. auf derselben mittelst der Kurbel am Blockapparat die rothe Scheibe fichtbar gemacht wird­die rückliegende Station deblockirt, indem am Block apparat der leßteren in Folge der Nebertragung jener Kurbeldrehungen auf elektrischem Wege statt der rothen Scheibe wieder die weiße Scheibe erscheint. So lange die rothe Scheibe sichtbar ist, darf die betreffende Station feinen Zug ablaffen. Es ist also auf diese Weise Fürforge getroffen, daß sich von einer Blockstation zur anderen stets nur ein Zug unterwegs befindet. Um jedoch in möglichst furzen Zeiträumen von einer Station Züge ablaffen zu können, befindet sich nicht allein auf denjenigen Stationen, auf welchen Züge halten, ein Block apparat, sondern man hat auch noch unterwegs Blockstationen geschaffen, indem in einzelnen Wärterbuden der Apparat auf­geftellt ist. Es wird z. B. dadurch, daß auf hiesiger Stadt­bahn zwischen den am entferntesten von einander liegenden Stationen Charlottenburg   und Zoologischer Garten noch eine Blockstation hergerichtet ist, ermöglicht, daß im Stadtbahnverkehr eine Zugfolge in wenigen Minuten stattfinden kann.

Eine Berufsstatistik des Berliner   Adels wird in der legten Nummer des Deutschen Adelsblattes" mitgetheilt. In sozialer Hinsicht hat diese Statistik zwar nicht das von dem Deutschen Adelsblatt" vorgegebene praktische, aber immerhin einiges geschichtliche Interesse, welches einzelne Angaben daraus erwähnenswerth macht. Die Statistik giebt den Prozentsaz der Adligen in allen Ständen und Berufen an, von den Inhabern der höchsten Hofämter bis herab zum Künstler und Kellner( um im Stile eines hochgeborenen schlesischen Grafen zu sprechen). Da die Quelle das Adreßbuch ist, welches die Arbeiter nicht vollständig enthält, fo die Statistik auf Genauigkeit nicht Anspruch machen, wenigstens soweit es sich um die Adligen in arbeitenden Berufen handelt. Es soll danach je 5 Maler und Schloffer von Adel in Berlin  geben, dagegen nur je 1 Tapizierer, Gürtler, Möbelpolierer, Maurer, Zimmerer, Mechaniker, Uhrmacher, Klempner, Schuh­macher, Friseur, Leibjäger und Kellner. Der Leser nun, der etwa einen adligen Gürtler oder Schuhmacher persönlich kennt, muß also, wenn's stimmen soll, annehmen, daß sein Bekannter gerade der adlige Schuhmacher 2c. der Statistik des Adels­blattes ist; es stimmt aber nicht immer, Schreiber dieses konnt z. B. einen adligen Maurer persönlich und einen zweiten aus Versammlungsberichten, er fennt sogar einen von dem Statistiker unentdeckt gebliebenen gräflichen Rohrleger. Es ist daher kaum richtig, daß diese Ziffern eeinen tieferen Einblick gewähren". Noch verfehrter ist selbstverständlich die Schluß­