Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 228.

Lokales.

Die nationalliberale Verlogenheit ist eine der wider wärtigften Erscheinungen auf dem Gebiete der Politik; ganz ausnahmsweise abstoßend aber wird dies Gebahren, wenn man ficht, wie ganz bestimmte politische 3wede mit solchen fyftematisch angelegten und ausgesponnenen Lügengeweben verfolgt werden. Der regierungsfähige" Nationalliberalismus ist wegen des zu­fünftigen Sozialistengefeges in einiger Sorge. Man weiß noch nicht, welche Wünsche vom politischen Olymp herab geäußert werden möchten. Inzwischen aber empfiehlt es sich, hübsch Patenbudelnd vor dem Gewaltigen zu steben, bis das preußische Finanzportefeuille vergeben sein wird. Eine Hand wäscht die andere und gegen das Finansportefeuille find die national­liberalen Gemüthsmenschen vielleicht für ein der Regierung ge­nehmes Sozialistengesetz zu haben. Wie das aussehen wird, weiß man zwar noch nicht, aber der verfloffene Herr Buttkamer hat einmal von den gewerbsmäßigen Streit­agitatoren gesprochen und es wäre doch möglich, daß man kt auf die famose Idee zurückfäme, für Streifagitatoren be­ondere Strafbestimmungen zu schaffen. Das Absurde diefer Idee von den gewerbsmäßigen Streifagitatoren ist zwar schon wieder­bolt fargelegt; aber seit wann wäre denn ein nationalliberales Gehirn für Vernunftsgründe zugänglich! Gierig greift man nach jedem Biffen, der sich für die Verwerthung im national liberalen Barteiintereffe zu eignen scheint. So schreibt die Berl. Börsen- 3tg.":

Bekanntlich brüsten sich die Sozialdemokraten damit, daß die Führer in der sozialdemokratischen Parteibewe gung ohne allen eigenen Nugen ihr schweres und so vielfach angefeindetes Amt ausfüllt und darin nur ihrer eigenen Herzensmeinung folgten. Auch bei den dies­Jährigen Berliner Streifbewegungen hat man nie zu geben wollen, daß an der Sache eigentlich unbetheiligte Persönlichkeiten nur des äußeren Vortheils willen die Streits in Szene gefekt oder boch wenigftens an der Spize der Bewegung gestanden haben. Auf eine nähere Untersuchung der Einzelheiten in allen Fällen kann man fich natürlich nicht einlaffen, es ist doch aber wohl intereffant und lehrreich zugleich, einen einzelnen Fall aus der gesammten Bewegung hervorzuheben. Bekanntlich wurde von Seiten der Bäckergesellen im Laufe dieses Sommers ein großer Ausstand in Szene gefeßt, der allerdings kläglich scheiterte, aber doch in den betheiligten Kreisen den Vorfaz befestigte, den Ausstand unter günftigen Verhältnissen zu wiederholen. An der Spike nun der Streilkomitees der Bäckergesellen stand nicht etwa ein Mitglied dieses Gewerbes, sondern ein Herr K., welcher als Befizer eines kleinen Viktualien­handels ficherlich über wenig Fachkenntnisse in Sachen des Bäckerhandwerks verfügte. Der betreffende Vor­Figende des Streiffomitees bat gewißlich auch sein Amt nicht aus übergroßem Mitgefühl für die armen, geplagten Bädergefellen übernommen, sondern weil ihm eine recht beträchtliche Remuneration von etwa 100 M. gezahlt wurde. Angesichts solcher Thatsachen ist man doch wohl zu der Frage berechtigt, ob nicht gefeßliche Maß­regeln getroffen werden könnten, welche ein folches geschäftsmäßiges Ausbeuten der Streitbewegung durch an dem Streit felbst eigentlich unintereffirte Persön lichkeiten verhinderten."

Nun, wir fönnen die gewiß gern gehegten Besorgnisse der örf.- 3tg." über die Zugehörigkeit des Herrn Kühn- der bech wohl der gemeinte Herr K. ift zum Bädergewerbe be fertigen. Kühn ist 15 Jahre lang als Bäckergeselle thätig gewesen. Im hiesigen Verbande der Bäcker war S. seit dem Bestehen des Verbandes Mitglied, Jahre lang im Vorstand und anch stellvertretender Vo: fizender. Seit taum einem Jahre hat nun R. ein Grüntram Geschäft,

ist aber froßdem in der Berliner Bäckerbewegung stets thätig gewesen. Die Mitglieder der Streit- Kommission erhielten pro Tag 3 M., wovon sie Fahr- und Behrgelder zu decken hatten. Der erste Streit dauerte 13 Tage, der zweite 9 Tage, macht 22 Tage a 3 M.= 66 M. Das ist der an Rühn entrichtete Betrag, der ebenso, wie andere Mitglieder der Kommission die getabten Unfoften aus dieser Summe nicht vollständig hat

Sonntagsplauderet.

R. C. Der preußische Finanzminister hat schlimme Augen, soviel ist amtlich fonstatirt, und sobald dies der Fall ist, hat der beschränkte Unterthanenverstand zu schweigen. Wenn in Preußen eine amtliche Ermittelung stattgefunden hat, so heißt es: Alles schweige, Jeder neige ernsten Tönen nur fein Ohr" das heißt, wer den Mund nicht hält und zu zweifeln wagt, oder gar diesen 3weifeln in der Deffent­lichkeit Ausbruck giebt, der fann bösartige Erfahrungen machen, von denen die geringfügigsten sind, daß er draußen in Moabit Stunden lang auf einen Schöffen warten muß, für den der Tag erst gegen zwölf Uhr Mittags beginnt. Die Augenleiden, die sich übrigens verhältnismäßig häufig bei Leuten einstellen, die sich in höheren Staatsstellungen be­finden, find häufig furiofer Natur. Die Augen desjenigen höheren Staatsbeamten, der veranlaßt werden soll, daß er die Thür von Mußen zumacht, mögen öfter noch ziemlich hellblickend und scharf sein, sein Abgang wird in der Regel dadurch motivirt, daß ihn ein Höherer, Mächtigerer nicht befehen" fann,- cin Augenübel, welches, so weit wir unterrichtet sind, ein Augenarzt bisher noch nicht zu heilen in der Lage war. Es brauchen allerdings auch nicht immer biejenigen Augen zu fein, welche Jemand vorn im Kopf trägt, die von tüdischer Krankheit befallen werden, oh nein, ein herzhafter Tritt mit einem Küraffierstiefel auf die Hühneraugen zeigt dem Empfänger ebenfalls in liebevoller Weise an, daß es 3eit für ihn ist, fich nach einem anderen Wirkungskreise umzu­fehen.

Und der Berufe giebt es jetzt so viele. Mit dem Be­fähigungsnachweis find wir bisher glücklicher Weise immer noch verschont geblieben, dafür ist im Inseratentheil der Rölnischen Zeitung" jetzt aber ein anderer Beweis der Brauchbarkeit für irgend ein Amt oder eine Stellung auf getaucht, der mit dem Herkömmlichen von Grund aus auf­räumt. Es wurde eine kartellfreundliche Erzieherin gesucht. An fich ist dabei kaum etwas Sonderbares zu finden, denn weshalb soll eine Erzieherin nicht fartellfreundlich sein? Es giebt in allen Ständen merkwürdige Räuze, und über die Wefinnungstüchtigkeit der Erzieherinnen fann eigentlich nur

Sonntag den 29. September 1889.

decken können, sondern seine eigenen Mittel zur Hilfe genom­men hat. Das ist die Geschichte von dem gewerbsmäßigen Streifagitator R., welche die Börsen- 3tg." sich hat aufbinden laffen und blos deswegen veröffentlicht, weil sie so schön in ben augenblicklichen fartellpolitischen Kram paßt. Vielleicht hat die Börsen- 3tg." nun auch die Güte, uns ihren Gewährs­mann für diese saubere Geschichte zu nennen; mir könnten ihr bann vielleicht noch intereffantere Dinge darüber mittheilen, welche unglaublich widerwärtige und verlogene Individuen sich unter der Herrschaft des Sozialistengefeßes an die Arbeiter herandrängen, um sie dann bei ihren Gegnern zu verklatschen und zu verleumden. Wir fürchten fast, der Gewährsmann der Börsen- 3tg." ist auch ein solcher Judas!

Der vor der Thür stehende Umzug scheint in diesem Jahre nicht dieselbe Ausdehnung wie in früheren Jahren an­nehmen zu wollen, wenigstens begegnet man dem großen Möbel­wagen weit weniger auf den Straßen als sonst. Besonders in den Theilen der Stadt, in welchen die meisten Wohnungen leer stehen sollen, in den äußeren Stadttheilen von Berlin W, fieht man ihn am allermenigsten. Hiermit würden auch die Mittheilungen aus den hiesigen Möbelgeschäften übereinstimmen, die dahin lauten, daß selten so wenig neue Möbel zu einem großen Umzugstermine angeschafft worden sind, wie augen­blicklich.

Der Berliner Butter- und Milchverbrauch ist bei einer Einwohnerzahl von 1 Millionen ein sehr großer. Es läßt sich schwer zahlenmäßig darstellen, wie groß der Ronsum ist, aber nach ungefährer Berechnung dürfte Berlin täglich eine halbe Million Liter Milch verzehren, welche im Durchschnitt etwa 100 000 m. tosten. Butter wird der Menge nach selbst­verständlich weniger verbraucht, aber ihr Preis ist ein minde­ftens sechsfacher, daher giebt Berlin täglich an 200 000 M. für Butter aus.

Das Aufgeben von Restaurants mehrt sich gewaltig. Während am Donnerstag die Auftionen von Restaurant- In­ventarien sich auf drei beliefen, betrug ihre Zahl heute bereits füof. Unter anderen wurde das Inventar des bekannten Restaurant Bennig in der Leipzigerstraße versteigert.

Eine Privat- Impfanstalt befindet sich Stalizerstr. 54c. Aus allen Stadttheilen und selbst aus der Provinz kommen die Mütter mit ihren Kindern dorthin um impfen zu laffen; denn der praktische Arzt Dr. Otto, der Inhaber jener Impf­anstalt, in welcher vom 15. April bis 15. Dezember jeden Nachmittag von 3-5 Uhr geimpft wird, impft nach einem neuen Verfahren. Jeder Impfling erhält nur einen einzigen Impf­stich und fast ausschließlich fann mit Erfolg geimpft" atteftirt werden.

Der Kutscher Johann Breska, Greifswalderstr. 36, welcher bei der Frau Mühlenbefizer Schönberg im Dienste steht, verlor am 27. d. Mts., Abends zwischen 5-6 Uhr, auf dem Flur des Hauses Prinzenftr. 26 den Betrag von 750 M. in 6 Scheinen a 100 M. und 3 a 50 M. Als Finder der Summe vermuthet der Verlierer zwei Damen, welche zu dieser Zeit aus dem Geschäft von Wild u. Wessel kamen.

In einem Anfalle von plöhlicher Geistesstörung warf am Freitag Nachmittag die Ehefrau des Kaufmanns F., welcher beim Umzuge aus seiner bisherigen Wohnung in der Reichenbergerstraße begriffen war, eine mit verschiedenen Wirth­schaftssachen vollgepacte Wanne zum Fenster nach dem Hofe hinaus. Die Frau war durch ihr erregtes Wesen in den letzten Tagen aufgefallen, doch legte man der Sache, die man mit dem Umzuge in Zusammenhang brachte, keine größere Bedeu­tung bei. Am Freitag, zur angegebenen Zeit, war die Frau allein in der Wohnung, während ihr Mann bei dem Möbel­wagen beschäftigt war. Wie es der kleinen, schwächlichen Frau möglich gewesen ist, die schwere Wanne auf das Fenster zu heben, ift fast unbegreiflich, die Herbeieilenden fanden die Frau frampfhaft schluchzend auf einem Sessel liegen.

Einen waghalsigen Sprung aus einem in voller Fahrt befindlichen Kurierzug unternahm am Mittwoch Abend ein junges Mädchen, Namens Stüber aus Nowawes bei Potsdam . Daffelbe wollte mit dem Lokalzug, der um 9 Uhr 7 Minuten Abends aus Potsdam abfährt, nach Neuendorf- Nowames zurückfahren, stieg aber aus Versehen in den von Potsdam um 8 Uhr 59 Minuten abgehenden Kurierzug, welcher direkt bis Berlin durchfährt. Erst als der Zug die Station Neuendorf lange paffirt hatte und sich kurz vor der letzten Bahnwärter­bude am Ende von Nowawes befand, bemerkte Fräulein

wenn

dejernige ein endgiltiges Urtheil abgeben, der mit diesen vielfach recht sehr geplagten Wesen in nähere Be­Wir waren nicht in der ziehungen getreten ist. das ausschließliche Hilfsmittel, glücklichen Lage, und welches bei der Vervollkommnung unserer eigenen Er­ziehung in Anwendung gebracht wurde, war, wir uns recht befinnen, einzig und allein ein Rohrstock. Man soll jedoch niemals seine persönlichen Erfahrungen in den Vordergrund drängen, und so können wir weiter nichts thun, als bewundernd unser Haupt beugen vor der Ueber­zeugungstreue des Kartellbruders, der von einer kartellfreund­lichen Erzieherin den eigenen Sprößlingen, so lange diese noch in den Windeln strampeln, das Richtige und Wahre des Kartells vor Augen führen lassen will. Der Kartell­bruder urtheilt nicht falsch: wer die Jugend hat, befißt die Zukunft, und ist ein Knäblein, welches vorläufig noch am Gummipfropfen lutscht, schon voll und ganz von den Seg­nungen des Kartells durchdrungen, so ist mit ziemlicher Sicherheit darauf zu schließen, daß dieser Erbenbürger

auch in späteren Lebenstagen eine sogenannte Stütze von Der Apfel fällt Thron und Altar sein und bleiben wird. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, wie das Schaaf so ist das Lamm" wer an der Wahrheit dieser Sprüchwörter zweifelt, für den ist leider das rauch- und knalllose Pulver nicht erfunden.

Aber auch nach anderer Richtung hin giebt das Ver= Er will, daß seine fahren des Kartellbruders zu denken. Kinder von einer Gesinnungsgenoffin unterrichtet und erzogen werden. Wenn sich dieser Herr und seine sämmtlichen Parteigenossen nun auch dazu entschließen möchten, alle ihre d. h. Bedürfnißartikel nur von ihren eigenen Freunden nicht etwa von deren Arbeiternherstellen zu lassen, dann könnten wir froh sein, denn dann wären wir die ganze Kartellfippe mit einem Schlage los, fie müßten einfach alle­fammt elendiglich verhungern.

-

So grausam aber sind wir nicht, daß wir das wünschten. Im Gegentheil, wir sind begeisterte Gegner der Todesstrafe, und noch dazu einer so qualvollen! Dagegen wäre ja noch der Elephant im 3oologischen Garten zu beneiden, der nun dieser Tage nicht etwa ins Gras beißen das

6. Jahre.

Stüber ihren Irrthum, öffnete nun kurz entschloffen die Roupés thüre und noch ehe die Mitreisenden dies verhindern konnten, sprang fie aus dem im vollen Gange befindlichen Zug nach der linken Seite heraus, wo fie besinnungslos liegen blieb. Als nun der Bahnwärter bald darauf wieder wegen des nach folgenden Lokalzuges die Barrière schließen wollte, fand er das junge Mädchen im Blute schwimmend vor und trug es schleunigst in seine Bude, es so vor der Gefahr, überfahren zu werden, noch rechtzeitig bewahrend. Nach einiger Zeit gelang es dem Bahnwärter, die Verunglückte wieder zur Besinnung zu bringen. Sie hatte durch den waghalsigen Sprung einen Bruch des Schlüffelbeins, sowie eine Verlegung am Kopfe er­litten und mußte zu Wagen in ihre Wohnung geschafft werden, wo sie schwer darniederliegt.

Ein Lehrling verschwunden. Der fünfzehnjährige Sohn Ernst des Arbeiters Ferdinand Schmeling, Arndtstr. 21, war bei dem Glasermeister Hingst, Gartenstr. 156, in der Lehre. Am Montag, den 16. d. M., begab sich der junge Mensch Morgens in die Werkstatt, blieb dort bis 12 Uhr bei der Arbeit und ging hierauf nach der Volksküche Nr. 6 in der In­validenstraße, um dort das Mittagbrot einzunehmen. Von da ab ist jede Spur von ihm verschwunden. Es liegt kein irgend nennenswerther Grund vor, welcher den Knaben hätte abhalten fönnen, nach Hause zurückzukehren, es ist somit möglich, daß ihm ein Unglück zugestoßen ist. Zum Zwecke einer etwaigen Identifikation laffen wir das Signalement des Verschwundenen folgen: Ernst Sch. ift groß für fein Alter, hat blondes Haar, etwas vorstehende Vorderzähne, eine Narbe an der linken Stirnfeite, blaugraue Augen und war bekleidet mit grau­farrirtem Jaquetanzug, grauem Hut und Zugstiefeln.

Ein Gardinenbrand in einer Wohnstube Friedrichstraße Nr. 32, zu welchem die Feuerwehr am Donnerstag Nachmittags gegen 6 Uhr alarmirt wurde, war beim Eintreffen derselben Burch Bewohner schon gelöscht. Zwei Stunden später wurde eine Feuerwehr Abtheilung nach Alte Jakobftraße 6 requirirt, woselbst der Fußbodenbelag in unmittelbarer Nähe eines über­heizten Schornsteins in Brand gerathen war. Nach Freilegen der Brandstelle wurde das Feuer unter Anwendung einer kleinen Handsprize unterdrückt. Zur Ueberwachung eines Schornstein­brandes wurde am Freitag Nachmittag gegen 2 Uhr ein Lösch­zug nach Steinmekstraße 26 a requirirt. Eine weitere Alar mirung der Feuerwehr am Freitag früh gleich nach 3 Uhr nach Münzstraße 14 war durch mißbräuchliche Benuzung eines öffent­lichen Feuermelders verursacht; der Thäter konnte nicht er­mittelt werden.

Eine heftige Benzinexplosion fand am Freitag Abends gegen 9 Uhr im Lagerfeller eines Materialwaarengeschäfts Kastanien- Allee 87 statt. In dem betreffenden Raume lagerte u. A. auch eine Kruke Benzin; dieselbe ist anscheinend unge­nügend verfchloffen gewesen, denn als um die genannte Zeit der Geschäftsinhaber, der eine Rifte zu kaufen wünschte, den Keller betrat, entzündeten sich die freigewordenen Benzindämpfe an dem vom Ersteren mitgeführten, jedenfalls nicht genügend geschüßten Lichte und brachten die Krute zur Explosion. Die selbe war so gewaltig, daß die Kellerdecke durchschlagen und der Fußboden des Ladens stellenweise zertrümmert wurde. Leider erlitten dabei die beiden oben erwähnten Herren schwere Verlegungen, ein anderer Kunde wurde leicht ver­leßt. Den Verunglückten wurde durch die inzwischen ein­getroffene Feuerwehr die erste Hilfe geleistet. Der durch bie Explosion entstandene Brand hatte sich schnell der im Keller sowie im Laden befindlichgn Waarenvorräthe bemächtigt. Der Feuerwehr gelang es indeß, in nicht allzu langer Zeit das Feuer unter Anwendung einer großen Handdruckspriße zum Erlöschen zu bringen. Ein zweiter Brand in dem im ersten Stock Mohrenstr. 38 belegenen Tapifferies und Manufakturmaaren­Engrosgeschäft von Lindhorft am Sonnabend früh gegen 6 Uhr hatte sich über einen Theil der dort lagernden Waarenvorräthe ausgedehnt; auch die Schaldecke und das Zwischengebälk zum zweiten Stod, in welchem sich Lagerräume des Geschäfts be finden, waren beim Eintreffen der Feuerwehr bereits durcha gebrannt. Der Angriff wurde mit einer Schlauchleitung vom nächstliegenden Hydranten aus unternommen; es gelang der Feuerwehr in furzer Zeit die Flammen zu lokalisiren und zum Erlöschen zu bringen. Ueber die Entstehung des Feuers hat sich Verläßliches nicht ermitteln lassen.

Eine entfehliche Katastrophe hat sich gestern, Sonn­abend, Morgen etwa fünf Minuten vor acht Uhr im benach­aber doch vom

-

wird er wohl schon öfter gethan haben Leben zum Tode befördert werden soll. Es ist wohl oder übel Sitte bei uns, daß immer viel Aufhebens gemacht wird, wenn ein Großer dahingeht, von wo er nicht zurüc fehren kann; weshalb soll man also nicht der Größesten Einem eine bittere 3ähre der Wehmuth nachweinen?! Allerdings müßte man darauf bestehen, daß die sterblichen Ueberreste dieses Gewaltigen nicht etwa der hiesigen Ab­deckerei überliefert werden, denn sonst könnte es, nach den Erfahrungen, die in letzter Beit gemacht wurden, doch leicht pafsiren, daß der Eine oder Andere einen Elephanten­schinken statt eines Eisbeins angeschmiert kriegen könnte. Eine merkwürdige Erscheinung bleibt es immerhin, daß in unserem 3eitalter, in welchem täglich neue Mordinstrumente erfunden werden, es Schwierigkeiten machen sollte, irgend einem Wesen den Garaus bereiten zu können. Man streckt jetzt ganze Bataillone nieder, wenn man sich Mühe giebt wirklich die Direktion des 3oologischen Gartens erlaubt sich nur einen unpassenden Scherz mit dem Publi­tum: man sollte sich einfach an das Kriegsministerium wenden mit der Angabe, daß der Elephant streikt, dann giebt es im Nothfalle blaue Bohnen genug.

-

Inzwischen vollzieht sich mit vieler Stille der Umzug des Polizeipräsidiums vom Molkenmarkt nach dem Alexander­play. Vielleicht verkauft man altes Gerümpel auf dem Moltenmarkt, wenn der Umzug bewerkstelligt ist man sollte auch die bisherige Praxis nicht mit in das neue Ge bäude überführen. Wir allerdings sind wohl die Leßten, die in dieser Beziehung Rathschläge zu ertheilen haben, im Gegentheil, es geht die Sage, daß es gleichgiltig sein kann, ob man am Moltenmarkt gefotten oder am Alexanderplat gebraten wird. Den Massen fehlt das Verständniß für unsere guten Einrichtungen, Herr Stöcker verkündigt, daß auch wir wieder zur Frömmigkeit zurückgeführt werden müssen.

So oft ich das lese, muß ich an den alten Einbrecher denken, der allabendlich vor seinen Geschäftsgängen seine Knaben herzte und sie ermahnte: ,, Betet, Kinder, Bater geht. stehlen!"

-