foWdJite*. Kommbend, den 19. Oktober 1889« lerlinerDolteWoll Krgan für die Interessen der Arbeiter. dm«l . li h sg-!! S m.*g '4 üwv Geprhilhke der öftcweidürdtcn Mvbeitersdlutzgefekj- gebung. Als vor einigen Jahren die österreichische Regierung in Gemeinschaft mit dem Parlament eine Reihe gesetz- geberischer Maßnahmen zum Schutze der arbeitenden Be- völkerung beschloß, da war ganz Europa davon überrascht und es fehlte nicht an Stimmen, welche in dm verschieden- stm Tonarten die Humanität der österreichischen Regierung, ii,re Einsicht und Weisheit priesm. Ohne diesen Ruhm zu schmälern, wollm wir doch annehmm, daß ihre Ent- ichließung leine freiwillige gewesen, vielmehr einer be- stimmten wirthschaftlichen und politischm Zwangslage ent- fp'ungen ist. Es hat in Oesterreich nämlich nie an Symptomen eines gewifsm Siechthums in den großen Volksmasicn gefehlt und liegt in demselben die zwingende Ursache der österreichischen Sozialrefocm". Selbst der Regierung, die mit ihren "höheren" Staatsaufgaben hoch erhaben über allem Volke stand, konnte dieses Siechthum um so weniger ein Geheimniß bleibm, als es seit dem Anfang unseres Jahrhunderts in den jährlichen Rekrutirungsziffern bezw. in dm in erschreckender Dimension wachsmdm Zahl der Militär- untauglichen eine sehr beredte Sprache führte; allerdings hat es beinahe ein Jahrhundert gedauert, ehe die Regierung zu einer Entschließung gelangte. Sich auf die Geburts- und Geldaristokratie stützmd und deren Interessen zu Staats- intcresien erhebend, hatte sie eigentlich nie ein Auge dafür gehabt, daß unter der Herrschaft dieser zweiköpfigen Aristo- traiie der Volkswohlstand schwand und mit demselben zu- gleich die Volkskraft. Das Volk war bei allen Segnungen des Herrschafts- und Wirthschaftssystems seines Lebens nicht froh geworden. Es war, während seine Herren fett wurden, hungrig geblieben und schwach und kraftlos geworden. Daß die Mafsm hungerten, das konnte der Regierung ja gleich- giltig sein, aber daß sie schwach und militäruntauglich wurden, das war eine andere Sache. In welchem Maße diese Un- tauglichkeit sich entwickelt, das lasten die folgenden Zahlen rrkcanen. Nach dem statistischenJahreSbericht der österreichischenArmee kür 1885 waren in diesem Jahre nur 127 von 1000 StcllungSpflichtigen im Gesammtumfange der Monarchie für tauglich befundm wordm. Seit dem Jahre 1869 ist die Zahl der Untauglichen um 32 pCt. gestiegen. Um den etatmäßigen Armeebestand aufrecht zu erhalten, mußte sowohl ii den südslavischen wie in den ungarischen Theilen des Reiches die vierte Altersklaste aufgerufen werden. Im gleichen Jahre hat sich die riesige Zahl von 40 466 Personen IseuMekon. 'Flachdruck verboten t 16 «W ttr Germinsl. Sozialer Roman von Emile Zola . Einzig autorisirte Uebersetzung von Ernst Ziegler. Jetzt bergauf! Hängen Sie Ihre Lampe in ein Knopf- loch und halten Sie sich an dem Holz fest!" rief Maheu, ebenfalls verschwindend.- Stephan kroch ihm nach. ES war eine Art Kamin, nicht weiter, als die hier nur sechzig Zentimeter mächtige Kohlenschicht: ein Aufgang, der die Arbeiter zu anderen Seitenwegen führen sollte. Der junge Mann war glücklicherweise schlank und schmächtig; ober, noch ungeübt, wand er sich nur mühsam aufwärts, sich mit beiden Händen an die Verzimmerung anklammernd und Schultern und Schenkel nachschiebend. Nach fünfzehn Meter Steigung begegneten sie dem ersten Ouergang. Aber sie mußt noch höher hinauf: der Arbeitsplatz Mahcu'S und feiner Kollegen war in der sechsten Galerie, in derHölle", sie sagten. Und von fünfzehn zu fünfzehn Meter pmg's immer höher in diesem engen Schlauch, der ihnen Vrust und Nacken wund riß. Stephan athmete schwer; seine Hände bluteten, seine Beine schmerzten, und die .ust war so heiß und so dumpf, daß ihm war, als wolle fem Blut zu allen Adern herauispringen. In einer Seitenstrecke sah er zwei gebückte Gestalten Karren vor sich hinschieben: eS waren Lydia und die Mou- yuette. Noch galt es, zwei Galerien zu passiren. Der Schweiß rann ihm von der Stirne und verdunkelte seinen Blick; er meinte nimmermehr den Anderen nachzukommen, denn sie klommen geschickt, man vernahm nur das Rascheln dem Militärdienste durch ungesetzliche Auswanderung ent- zogen. Die günstigsten Ziffern zeigen, wohl der besteren Lebensverhältnisse wegen, die Uebersichten der großen Städte Wien , Budapest und Prag , die ungünstigsten das polnische Galizien , wo der Adel die Bauern in halber Leibeigenschaft hält und wo neben allem sonstigen Elend die Branntwein- pest grassirt. Dem schlechten Stande der physischen Kraft des Volkes entspricht auch nach dem statistischen Jahresberichte derjenige der geistigen. Von 1000 Rekruten konnten nur 639 schreiben. In den letzten vier Jahren hat sich die Zahl nur um 15 auf 1000 gebessert. Im Jahre 1878 zählte man, als auf 1000 Untersuchte im ganzen Reich 181 Taugliche gefunden wurden, in den Agrikulturländern Kroatien und Slavonien 236, in Oester- reich 214, in Fiume und Gebiet 212, in dem Küstenlande 208, in Tirol und Voralberg 194, in Dalmatien 190 Militär- taugliche. Dagegen lieferten die drei industriellen Länder Mähren , Schlesien und Böhmen nur 176, resp. 169 und 152 Taug- liche von 1000 Stellungspflichtigen. Die Industrieländer weisen auch eine größere Zahl der Gebrechlichen auf als die Agrikulturländer. Dr. I. Singer weist in seinem BucheUeber die sozialen Zustände in den Fabrikbezirken des nordöstlichen Böhmens nach, daß im Bezirke Reichenberg, Stadt, bei den in den Jahren 1881, 1882 und 1883 stattgefundenen Re- krutirungen der Prozentsatz der Tauglichen der Gesammt- bevölkerung 6, unter den Fabrikarbeitern aber nur 2,3 be- trug. Im Bezirke Braunau wgren die entsprechenden Ver- hältnißzahlcn 16,5 und 4,6, in Gablonz 9,1 und 4,4, in Trautenau 12,2 und 5,7, in Turnau sogar 19,9 und 3,3. Diese Zahlen sind von erschrecklicher Deutlichkeit. ES ist nicht eine Volksklasse, eS ist vielmehr das ganze Volk vom Siechthum erfaßt, allerdings die industrielle Bevölkerung in höherem Maße als die landwirthschaftliche, aber auch diese noch in so furchtbarer Weise, daß der Regienmg schließ- lich nichts weiter übrig blieb, als ernstlich an Rettungs- maßregeln zu denken. Es konnte vorerst keinem Zweifel unterliegen, daß die Abnahme der Volkskraft der Ausfluß bestimmter sozialer und politischer Einrichtungen des Staates selbst war. Die harten Steine der ausbeuterischen Aristokratie waren es gewesen, die den Volkswohlstand und die Volkskraft zermalmt hatten. Diese Aristokratie aber bildet, wie schon gesagt, die Hauptstütze der österreichi- schen Monarchie! Die Konsequenz einer solchen Sachlage liegt auf der Hand. Sollte das Volk wieder zu Kraft und Gesundheit gelangen, dann waren Maßnahmen erforderlich, die tief in das Fleisch des Staatskörpers einschnitten, ja sogar seinen ganzen Aufbau in Frage stellen. Maßregeln zur Wiederherstellung der gesunkenen Volks- kraft mußten getroffen werden. Das war ein Gebot der und Schaben ihrer Kleider an dem Holzwerk, zwischen dem sie sich emporschoben. Muth! Wir sind am Feldort!" rief Katharina. Sie waren zur Stelle. Eine andere Stimme be- grüßte sie: Was? Ist das auch eine Art? Ich komme zwei Kilo- meter weit von Monsou und bin der Erste?" Es war Chaval, ein schlanker Mensch von fünfund- zwanzig Jahren, groß und knochig mit markirten Zügen. Er war ärgerlich, daß er hatte warten müssen, und als er Stephan erblickte, fragte er überrascht und barschen Tons: Was ist das?" Maheu erklärte ihm die Sache, doch er brummte: Gut so! Da werden also die Männer den Mädchen das Geld vor der Nase weg verdienen!" Stephan und Ehaval blickten einander an. In ihren Augen loderte jener Ausdruck instinktiven Hasses, welcher oft plötzlich zwischen zwei Menschen entflammt. Stephan hatte ihn nicht verstanden, aber er merkte die Absicht, zu be- leidigen. Alle schwiegen. Jeder ging an seine Arbeit. In dieser Stunde wühlten an siebenhundert Bergleute in diesem riesigen Ameisenhaufen, das immense Gestein nach allen Richtungen durchnagend, wie der Wurm im alten Holz frißt. Und in dieser still vergrabenen Nacht hätte derjenige, der sein Ohr an den Felsen lehnte, das Kramen all dieser menschlichen Insekten vernommen, hätte alle Geräusche ae- hört von dem Auf- und Niederschwirren des Grubenseils bis zu dem ewigen Tiktak der eisernen Keilhauen, welche die Kohle brechen und bersten. Stephan wurde, sich umdrehend, wieder dicht anKatha- rinen gedrängt; diesmal aber fühlte er die Rundung ihres Busens und verstand plötzlich jene Wärme, die ihr Arm rhm mitgetheilt hatte: Ach, Du bist ein Mädchen?" flüsterte er verdutzt. Sie aniwortele mit ihrem munteren Lächeln auf oen Nothwendigkeit. Die Regierung fügte sich derselben und suchte dieses Ziel durch ein freilich immerhin bescheidenes Gesetz, durch das Gewerbegesetz, zu erreichen. Gegen den früheren schrankenlosen Zustand bedeutet dasselbe einen großen Fortschritt und kann man nur wünschen, daß dessen Bestimmungen baldmöglichst verallgemeinert, d. h auch auf das Gewerbe ausgedehnt würde. Jndeß wäre es wohl zu optimistisch, davon die Gesundung und Erstar- kung des österreichischen Volkes zu erwarten. Eine gewisse Besserung in einzelnen Beziehungen wird zweifellos eintreten, aber im allgemeinen bleiben die Verhältnisse davon unberührt und unverändert. Denn hat der Staat den in- dustriellen Arbeitern auch die Möglichkeit zur Erholung ae- währt, so sind ihnen doch dieMittel vorenthalten, von dieser Möglichkeit einen ausreichenden Gebrauch zu machen. Die traurigen Lohnverhältnisse sind die gleichen geblieben, die Unsicherheit der Existenz hat sich nicht verän- dert, der Arbeiter ist gedrückt geblieben. DieSozial- reform" und sie besteht denn doch in Oesterreich in an- deren, wirksameren Maßregeln als in einigen unzulänglichen Versicherungsgesetzen hat die soziale Frage in Oesterreich nicht gelöst, sie ist blos ein schwacher Anfang zur Verbesse- rung der Verhältnisse unter dem gegenwärtigen Wirthschafts- system. An dieses selbst muß die Hand gelegt werden, wenn es wirklich anders werden soll und eS wird dazu kom­men müssen, die eiserne Nothwendigkeit wird unerbittlich dazu drängen. M-aurefpimdeujen. Zürich , 16. Oktober. Das in Bern domizilirte Zentral'- komitee der f o z i a l d e m o kr a t i s ch c n P a r t e i der Schweiz richtet aus Anlaß des am 27. d.M. in Bern statt- findenden statutengemäßen Parteitages folgenden kurzen Aufruf analle schweizerischen Sozialdemokraten": Werths Genossen! ... Die politische Zeitlage ruft die schweizerischen Sozial­demokraten dringender als je zur Sammlung, und so soll denn unser Parteitag die Gelegenheit bieten, die Reihen der ent- schlossenen Kämpfer für die Befreiung der Arbeit dichter und fester zu schließen. Jeder aufrichtige und rückhaltslos für die Einführung der Sozialdemokratie entschiedene schweizerische Gesinnungsgenosse ist daher an unserem Parteitage willkommen, ob er nun bereits eine Parteimitgliedskarte besitze oder erst der Partei beizutreten wünsche. Die hauptsächlichsten Traktanden des Parteitages find: A. Jahres- und Kassenbericht. L. Wahl des Vorortes. C. Ausstellung des Arbeitsprogramms pro 1389/90. D. Stellung Der Partei zu der nun fest organifirten eidgenössischen politischen Ausnahmevolizei. Die nächsten eidgenössischen Neuwahlen. ?. Unvorhergesehenes. Lippen, ohne zu erröthen: Gewiß! Aber Du hast Zeit gebraucht, um es zu merken!" Drittes Kapitel. DaS langsam aufsteigende Flötz, die Kohlenader, war an der Stelle, wo Maheu und seine Genossen arbeiteten, nicht dicker, als vielleicht fünfzig Zentimeter. Die vier Häuer mußten bei ihrer Arbeit mit gebogenem Nacken auf der Seite liegen und im erhobenen Ärme ihre kurze Haue halten, während sie sich mit Ellenbogen und Knie in dem aus- gehauenen Loche vorwärtsschoben. Sie hatten Jeder einen Raum von vielleicht vier Meter Länge zuertheilt; Bretter trennten sie, um das Rollen der Kohle zu verhindern. Zu unterst lag Zacharias, höher hinauf kam Levaque, dann Chaval und ganz oben endlich arbeitete Maheu. Es galt, die Kohle aus ihrem schmalen Bette heraus- zuschälen. Man machte erst ein Loch unter dem Lager; dann, wenn die Ader unten bloSgelegt war, hreb man zwei vertikale Einschnitte, trieb sein Eisen in den oberen der- selben und platzte den ganzen Block herab. Die Kohle war fett und das abgetriebene Stück zerbrach, während es dem Häuer über Leib und Beine bis hinab zu dem Brett rollte; nach und nach staute sie sich auf, der Mann ver- schwand dahinter und schien wie eingemauert in dem schmalen Spalt. Maheu hatte den schwierigsten Posten. Dort oben wuchs die Temperatur bis zu fünfunddreißig Grad; die Luft zirkulirte nicht und wurde geradezu lebensgefährlich. Er hatte seine Lampe an einem Nagel, dicht bei seinem Kopfe fixirt; dort brannte sie ihm auf dem Schädel und machte sein Blut steden. Dazu kam, daß dem Gestein über ihm, einige Zentrmeter von seinem Gesicht entfernt, Wasser entquoll, welches unaufhörlich in großen Tropfen mit hartnäckiger Regelmäßigkeit immer auf denselben Punkt herabfiel. Er mochte den Kopf drehen wie er wollte, immer wieder klatschten ihm diese Tropfen in's Gesicht. Nach einer