2. Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 300.

Gerichts- Beitung.

Zwei Weihnachten. Ein echter Torfroman befchäftigte. geffern die erste Straffammer am Lantgericht II. Faft die Hälfte der Bewohnerschaft des kleinen bicht bei Trebbin   ge­legenen Dörtchens gab fich im Sigungefaale ein Rendezvous, handelte es sich doch um den Austrag eines Streites, welcher bos garze Dorf bewegte und deffen unschuldige Urfache der Weihnachts tu chen war. Der Bübner Friedrich Pohle bute mt seinen Nachbarn, den Büdner Fürftenow'schen Ehe­leuten, ftis auf gutem Fuße geftanden. Er hatte denselben auch erlaubt, über seinen der zu gehen, um leichter zu dem Bedofen des Burn Zimidt, fein's Nachbarn zur andern Seite, zu gelangen, den Fürftenoms mit berugter. Aber die Tage des Menschen find nicht alle gleich. Am 22. Dezember v. J. befand fich Pohle in einer start ungemüthlichen Stimmung. In diefer Stimmung ging er durch seine Gartenthür aufs Feld hinaus, er trug auf der linken Schulter mehrere Harken and in der rechten Hand eine Hade. Grade als er aus dem Garten traf, begegeten ihm die Fürsteno d'ichen Eheleute, die über fein Feld nach dem Zimidi'schen Backofen gingen, um den Weihnachtsfuchen zu beden. Fürstenom trug einiges Bad­geräth, feine Frau dagegen unter jedem Arme ein Blech mit aufgei ollem Kudhenteige. Bei ihrem Anblicke braufte Pohle auf: Nachbar, das leide ich nicht mehr! Ihr dürft nicht mehr über mein Feld geben und wenn ich Euch tiene, dann pfände ich Euch!" Fürftenom erwiderte gana rubig: N chbar, Du haft mit's boch erlaubt und wenn Du es nicht mehr leiden willst, dann mußt Du mich verklagen!" Pohle wurde durch hen Gleichmuth feines Nachbarn nur noch mehr erbittert. Er fing an zu schimpfen:" Nations bande! Verfl. Nationsbande!" und was der lotalpatriotischen Javektiven mehr waren. Jezt trat Frau Fürftenom auf ihn au und rief: Wir gehen noch zehn- und hundertmal über Deinen Acker!" Raum hatte ste

bas gefagt, so erhielt fie von Bohle einen Stoß an den Leib, ber sie zu Boden stürzte. Nachbar, Nachbar, was haft Du getban? Tu haft ja meine Frau toput geschlagen!" rief stenow dem Pohle zu, der fein Geräth aufnahm und feiner Wege ging. Die verlegte Frau Fürstenom fonnte sich nicht mehr erheben, mit Hilfe mehrerer Nad barn wurde sie nach ihrer Wohnung und zu Bett gebracht, wofelbft fie mehrere Stunden bewußtlos liegen blieb. Der herbergerufene Arzt fonfta irte einen Bruch der kurzen R ppe. An der Außenseite bes Körpers zeigte fich ein freisrunder Fleck in der Größe rines 8veima titüdes Nachdem der Rippenbruch geheilt war, Hellte fich em Leberleiden ein, das bis heute noch nicht gehoben it und vielleicht nie wieder gehoben merden wird. Da so­wohl die Fürfter omschen Eheleute wie mehrere Zeugen vor dem Schöffengericht in Trebbin   eiblich bekundeten, daß Pohle den Stoß gegen Frau Fürftenow mit dem Stiele der

de

geführt habe, und diese Bekundung mit dem ärzt lichen Befunde übereinzuft mmen schien, so wurde Poble wegen Röpverlegung ve mutelft eines gefährlichen Wert seuges zu 2 Monaten und 14 Tasen Gefängniß ver theilt. Bohle legte Berufung ein. Im weiteren Verlaufe bes Brozeffes mehrten fich die Zengen auf beiden Seiten und die Aussagen wurden so widerfprechend, daß fich das Gericht genöthigt fab, eiren Lofa termin an Ort und Stelle ab­halten und feststellen zu loffen, wie wett ab fich die ver fchiedenen Zeugen von dem Orte, auf dem fich der Vorfall ab­cefpielt, befunden hatten. Gestern standen fich Parteien und Beugen zur Schlußverhandlung vor Gericht gegenüber. Hie Fürßter om! bie Bohle!" so tiang das Feldgeschrei aus allen Zeugenaussagen heraus. Wer zu den Fürstenom's" ge­hörte, der mochte fich nahe oder weit entfernt vom Schauplake befunden haben, Jeder hatte mit absoluter, jeden Zweifel aus­Ichließenden Genauigkeit gefehen, daß Bohle die Hade wie tin gefälltes Bajonett in den Händen gehalten und damit den Stoß gegen Frau Fürftenom geführt hätte, wer zu den Pohles" gehörte, der hatte mit derfelben töblichen Side heit trop geringer oder weiter Entfernung gefehen, daß Pohle vorher nicht allem die Harten, sondern auch die Hacke fein fäuberlich aus der Hand gelegt hatte, bevor er der Frau Fürkenow den Stoß verezte. Leßtere erschien selbst, wie eine wandelnde Leiche, von zwei Frauen geführt, im Sigungsfaale. Sie behauptete, vorher nie trait gewefen zu sein, als aber von enderer Seite behauptet wurde, daß fie vorher slets über plögliche Ohnmachts- und Krampfanfälle geklagt und zu wieder. bolien Molen baran gelitten habe, ba wurden ihre Bewegungen in der Hige des Gefechts im Verhältniß zu ihrer sonstigen Erscheir ung bem Gerichtshofe Be­so lebhaft, daß ber ten aufliegen. Nach dem Gutechten des Reisphyfifus Biofeffor Dr. Falt schien auch die Möglichkeit nicht ausge loffen, daß Frau Fürstenom auf emen harten Gegenstand, Dielleicht auf einen aus dem Erboden ftrebanden Pfahl gefallen und fich die Verlegung zugezogen habe. Der Vertheidiger des

Vom Stamm gerissen.

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Roman von Elise Schweichel. Leipzig  , E. Thiele.

Gin Roman, ber fich mit den großen sozialen Fragen der Seit beschäftigt, gehört bei unserem Bolle der Dichter und Dente im Allgemeinen zu den Seltenheiten; denn Dichten und Denken pflegt fich ja bei uns weislich in den von einer tortorglichen Obrigkeit gezogenen Grenzen zu halten. Um so bantbarer müffen wir sein, wenn einmal ein Autor es wagt, fich bat das

Wagniß unternommen; ihr Roman schildert den roken Rampf um die neue sozialdemokratische Weltanschauung. Der Held ist ein junger Mann aus dem Bourgeoisstande, aus emer Familie, welche in monarchischen und fonfervativen Traditionen lebt; haben doch ihre Muglieder als Offiziere König und Vaterland" gedient. Rut Dettinger schlägt schon dadurch aus der Ait, daß er dem Offiziersftande enen ge lebeten Bruf vorzieht, er widmet sich den Rechts- und Staats­menschaften; im Verlaufe des Studiums beginnen ihm 3veifel an der Richtigkeit der bestehenden Gefellichaftsordnung

aufzustoßen, und

chließlich endet

er damit, daß er Trot'em ihm

Sonntag, den 22. Dezember 1889.

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Angeklagten, Rechtsanwalt Moffe, nußte alle die in den Beugen-| ausfagen liegenden Widersprüche so gründlich aus, daß- ob­wohl der Staatsanwalt Verwerfung der Berufung beantragte der Gerichtshof fich der Ansicht des Vertheidigers anschloß und wegen nicht genügender Aufklärung der Sache auf voll­ftändige Freisprechung des Pohle erkannte. Das diesjährige Weihnachtsfeft wird nun bei den Bobles" ein hochfreudiges, bet den Fürfter oms" ein doppelt trauriges sein, denn die Frau ist frant und jede Hoffnung auf Vergeltung ausge schlossen.

Soziale Uebersicht.

Der Sprechfaal", bas Organ der Glasbarone und unerhört, aber wahr! der Borzellanfabrikpersonale" Deutschlands  , Defterreich- Ungarns   und des Auslandes und deren Reiseunterstützungsverbände, ein Beweis, wie weit zurüď die zünftisch beschränkte Mehrheit der Porzellanarbeiter ist, der Sprechsaal" alfo, ein Gelbfadblatt durch und durch, berichtet triumphirend über die norbböhmische Glasindustrie. Er fagt Er sagt u. a. Noch stärker als die Glashüttenindustrie ist die Glasfurzwaarenindustrie in Böhmen   vertreten, namentlich im Richenberger Bezirke, wo diefelbe seit Jahr hunderten in Fleisch und Blut der Bevölkerung über­gegangen ist und die Arbeiter eine so außerordents liche Geschicklichkeit in der Herstellung der tausenderlei Kleinigkeiten erlangt haben, daß fie ungeheuer schnell und deshalb zu sehr niedrigen Akkordsäßen arbeiten tönnen, so daß fein Versuch, mit ihnen ton. furriren zu wollen, aufkommen tann." So schreibt das offizielle Organ der Porzellanarbeiter! Nun ist es

6. Jahrg.

26 Pf. und durch den Verband 8040 M. Die Streifenden wurden von vielen Gewerkschaften opferwillig unterstüßt. Den höchsten Betrag, 1000 M., lieferten die Buchdrucker Berlins  . Von den Berliner   Malern gingen 400 M. und eben so viel von den Töpfern Berlins   ein. Mit einem Beitrag von 250 Mart find die Klavierarbeiter und mit einem folchen von 135 M. die Weißgerber verzeichnet. Klei nere Beiträge find von verschiedenen Fachvereinen geleistet worden. Die Einnahme aus Tellerfammlungen beträgt 775 M. 63 Pf. In der Ausgabe figurirt als größter Pofter natürlich die Summe, welche während des Streits zu Unterfügungen Derausgabt worden ist. Dieselbe beträgt: 13 605 M 80 Pfg. Für Gerichts- und Anwaltstoften mußten 1502 M. 56 Pf. ge zahlt werden und für Ducksachen wurden 1398 W. veraus gabt. Säulenanschläge fofteten außerdem noch 1062 m.- Die vorliegende Abrechnung wurde von verschiedenen Rame­raden bemängelt. Herr Lehmann vermißt die Nummern meh rerer Liften, für welche er Quittung in Händen habe; deshalb und weil auch von anderen Kameraden ähnliche Einwendungen erhoben wurden, fönne er der Decharge Ertheilung nicht zu stimmen. Herr Jädel erklärte, daß hier wohl ein Drudfehler ober sonstiger Jerthum vorliegen könne, was bei der umfarg reichen Abrechnung möglich sei. Es sei ein großes Material zu prüfen gewefen; schon die Ausgaben füllen 85 Seiten, zu benen ca. 3000 Beläge vorhanden find. Sollte sich irgendwie ein Fehler herausstellen, so würde er persönlich die Verantwortung dafür übernehmen. Es entspann sich über diesen Punkt eine längere Debatte, welche mit dem Beschluß endete, die Abrechnung noch einmal durch drei Revisoren prüfen zu laffen. Während der Debatte stellte fich schon heraus, daß eine der als fehlend be­zeichneten Nummern thatsächlich in der Liste vorhonden ist. Zu Revisoren wurden die Herren: Schmidt, Petermann und Lehmann gewählt. Die Versammlung diskutirte hierauf die Frage, ob die Unterstügungen, welche extra an Kameraden ge

bekannt, daß erft vor kurzem die grauenhafte Nothlage der zahlt wurden, bie fich während des Streits in einer besonderen

nordböhmischen Glasmacher, die in Hungertyphus  - Epidemien zu Tage trat, Regierung und Parlament in Desterreich be­fchäftigt hat. Damals warb bas offen zugestanden, was die Arbeiterpreffe und ehrliche Wirthschaftshistoriker schon lange nachgewiefen hatten, daß sie Quelle des Reichthums der nord­böhmischen Glasindustriellen und Glaswaarenlager die schmach­volle Ausbeuturg der Arbeiter, der Hausindustriellen ist, deren Löhne seit der Gründerperiode fortwährend gefunfen find, so daß ein unmenschlich langer Arbeitstag in abscheulichen Arbeits­stätten nur Hungerlöhne bringt. Dabei ist diese Industrie ver möge der Staubeinalhmungen, denen die Arbeiter aus­gefeßt find, eine der gefundheitsschädlichsten. Man lefe nach, was z. B. Albin Bráf in seinem ausge zeichneten Buch über die nordböhmischen Arbeiterverhältniffe rabe von Lohn-,&-bens- und Arbeitso rhältniffen dieser Sozialist, sondern bürgerlicher Dekonom, aber ein ehrlicher, an­ständiger Mann. Die Porzelanarbeiter, die dem Feinde Munition liefern, wenn fie folch ein Blatt abonniren, verdienen eine derartige Behandlung. Und dabei vertritt der in Dresden  erscheinende, von G. Home herausgegebene Fachaenoffe" in entschiedener, gründlicher Weise die Interessen ber Glas- und der Porzellanarbeiter. Wir wünschen nur, daß unsere Leser die Porzellanarbeiter auf die Kläglichkeit des Sprechsaal hin­weisen und sie auf den Fachgenoffen" anfmertiam machen.

Ein Pottasche- Ring ist von den deutschen Fabrikanten mit folg gegründet worden. Der Preis für dieses in der Industrie so vielfach gebrauchte Material ist seit furzem um 4 Mart für den Doppelzentner gestiegen. Die Löhne der Arbeiter find aber nicht erhöht worden.

Versammlungen.

Don

Die Zimmerlente Berlins   und Umgegend hielten am Donnerstag Abend eine Generalversammlung im Königstadt­Rafiro ab. Auf der Tagesordnung ftanden: Abrechnung von der Lohnbewegung und Verschiedenes. Zur Leitung der Ver fammlung wurden die drei Beauftragten für die Lohnbewegung, Jädel, Stehr und Leonhardt, berufen. Die gedruckt vor liegen de Abrechnung zeigt eine Gesammteinnahme 21 227 M. 97 f. und eine Gesammtausgabe von 20 775 M. 7 Pf. Es verbleibt mithin ein Bestand von 452 M. 90 Pf. Die Abrechnung ist von den Revisoren D. Loß und A. Gruse geprüft und als richtig anerkannt worden. Was die Einzel­heiten der umfangreichen Abrechnung anbetrifft, so ist besonders hervorzuheben, daß die Einnahmen folgendermaßen zuſammen geftellt sind: durch Sammelliften 3934 M. 21 Pf.; durch Marten 5163 M. 50 Pf.; ohne Listen gesammelt 4090 m.

fich die Beiden in der Wohnung des Inspektors umschlungen halten und eben das Glück des ersten Be sammenseins nach langer Trennung gent  : ßen, öffnet sich die Thür, und der alte Gutsherr tritt ein. Reinerlei Erklärung Rurts vermag ihn zu besänftigen; in dem Groll über den politischen Gegner und Rivalen in der Liebe fchieudert er Rurt eine furchtbare Be leidigung entgegen, und als er Satisfattion verweigert, schlägt ihn dieser ins Geficht. Außer sich vor Wuth ergreift Herr von Kries einen Epaten, um Rurt niederzuschlagen, dieser zieht in der Nothwehr einen Revolver und verwundet ihn fehr gefährlich. Da es fich um einen Aft der Nothwehr noch dazu in einem Falle, wo der Gegner den ganzen Streit pro vozirt hatte, handelt, so kann das Gericht nicht anders, als Ruit   fie sprechen; allein man hat ihm schon lange aufgelauert; bei Gelegenheit dieses Prozesses nimmt man eine Haussuchung bei ihm vor, die an fich ungefährliches, infolge gefchicter Berwendung durch den Staatsanwalt jeboch fehr kompro­mittirendes Material zu Tage fördert. Rurt wird jest wegen Hochveiraih verurtheilt. Balesta kann die Aufregungen, welche die Berleumdungen mit fich führen, nicht ertragen; fie beginnt zu frankeln und flirbt. Im Schlußtapitel zeigt die Verfafferin dann noch, wie es Rurt nach feiner Freilaffung gelingt, fich in der freien Schweiz   eine sichere Existenz zu gründen, und wie auch sein Liebesglüd wieder neuer blüht, als er die inzwischen lernt, die er dann als Gattin heimführt.

Anzuerkennen ist in dem Roman vor allem die rückhalts­lose Ehrlichkeit, mit ber die Berfafferin ihre Ansichten vertritt, die ja doch so verpönt und verlästert find, und der freie Muth, mit dem fie ein fotches Bekenntniß zu veröffentlichen wagt. Freilich erscheint das ein kiemes Lob, bas erscheint faft felbft verständliche Pflicht; aber wenn wir unsere ganze zeitgenössische deutsche Literatur betrachten wo finden wir einen Dichter, der diefer Pflicht eingebent wäre? Der Servilismus und bas

fich offen zur Sozialdemokratie bekennt. infolge beffen die maßgebenden Männer der Regierung herangewachsene jüngere Schwefter der Verstorbenen kennen begreiflicher Weise nicht besonders günstig gefinnt find, besteht er doch sein juristisches Staatsexamen mit Glanz; er widmet s jedoch nunmehr feiner Beamtenfarriere, fondern er bes zu sein. Zunächt macht er eine größere Agitationsreise, die fließt, journalistisch und agitatorisch für seine Partei thätig on in die Nähe eines adeligen Gutes bringt, bei deren Herr aft seine Baut Balesta als Hauslehrerin thätig ist; der Dre des Gutes ist tonservativer Abgeordneter. Er hat sich in bie liesreizende Lehrerm verliebt, und als nun Curt von dem auf Besuch erscheint, tommt es zu einer Ratastrophe. Während

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benachbarten Dite, wo er eben gerebet bat zu seiner Braut Lohnschreiberthum hat jekt überall eingeriffen, und ſoweit ist

wie

Noth age befunden haben, zurückgezahlt werden sollen. Hierzu lagen brei Anträge vor. Befchloffen wurde, die Kameraden noch einmal zum Rückzahlen der Beträge aufzufordern. Ferner wurde angeregt, ob es nicht schon jett Beit sei, das Verhalten zum nächsten Baujahre au besprechen. Ein Antrag, daß die brei Beauftragten eine öffentliche Versammlung der Zimmer­leute Berlins   und Umgegend einberufen sollen, in welcher zum nächsten Baujahr Stellung genommen werden soll, wurde mit dem Zufaß angenommen, daß die Abrechnung nicht mit auf bie Tagesordnung dieser Versammlung zu feßen ist. Auf Antrag des Herrn Seis wurde weiter befchloffen, zum Fonds der Achistunden- Zeitung" 200 Mart zu steuern, welche durch freiwillige Beiträge aufgebracht werden sollen. Diele Summe foll vorläufig leibweise aufgenommen und barn burch Sammlungen unter den Kameraden gedeckt werden. Mit dieser Aufgabe wurde einstimmig Herr Seiß betraut. Den Streifenden Bigarrenmachern wurden nach warmer Befürwortung des Antrags durch verschiedene Redner 200 Mart bewilligt. Vor Schluß der Versammlung wurde noch bekannt gemacht, daß das Sylv fterfest des Verbandes in Feuerstein's Lotal, Alte Jakobftr. 75, stattfindet und daß in demselben Lotal am Sonntag den 29. Dezember die Versammlung der Zentral­Kranken- und Sterb.kaffe   abgehalten wird.

Der Verein zur Wahrung der Interessen der Tischler und verm. Berufsgenossen Berlins   hielt am Sonn­abend, den 14. Dezember, im Lokale des Herrn Rioth, Dresdenerstr. 10, eine oußerordentliche Generalversammlung mit der Tagesordnung: Auflösung des Vereins ab. In zwei voraufgegangenen Versammlungen war schon über die Auf lösung zu Gunsten des Verbandes verhandelt worden und in diefer follte endgiltiger Beschluß gefaßt werben. Die Sache nahm jedoch eine ganz andere Wendung durch die Mittheilung des Vorfizenden, daß dem früheren Bevollmächtigten der hiesigen Filiale, Herrn Zubeil, eine neue Klage wegen wiffentlich falscher Statuteneinreichung zugeschickt worden ist. Es ist nun nicht abzusehen, wann der Prozeß gegen den Verband sein Ende erreichen wird, und deshalb gelangte man in Anbetracht der bevorstehenden Lohnbemegung zu der Einsicht, daß alle fleinen Vereine der Tischler Berlins   bis dahin verschwunden sein müßten.( Solche Vereine giebt es hier bekanntlich sechszehn). Es tamen hierauf verschiedene Anträge zur Ab­ftimmung; ein Antrag, dahingehend, den Verein bis zum 1. April t. 3. bestehen zu laffen, wurde abgelehnt. Folgende von Herrn Schrager gestellte Refolution fand mit allen gegen eine Stimme Annahme: Die heutige Generalversammlung des Vereins zur Wahrung der Intereffen u. s. m. erklärt: In Erwägung, daß dem Verein durch den Judifferentismus ber Berliner   Tischler einerseits, und die gehässige Streit- und Ver­läumbungssucht feindlich gefinnter Elemente andererseits es derzeit unmöglich gemacht wurde, feine Mission nach§ 1 des Statuts zu erfüllen; in fernerer Erwägung, daß die Macht

fie Elise Schweichel geleistet hat, das höchste Lob gespendet werden muß.

Es herrscht jet in Deutschland   allgemein die Ansicht, die Dichtung, und namentlich die Romandichtung fei zum Ver­gnügen da; fie sei bazu da, damit der gute Spießbürger des Mittags, wenn er gegeffen hat, sich auf bas Sopba legen und behaglich mit der Pfeife und einem Buche einschlafen kann. In den Zeiten, wo wir literarisch etwas geleistet haben, hatte man die Ansichten nicht; da betrachtete man die Boefie als ein Mittel zur Erbauung, zur Erhebung und Begeisterung; und Schiller's   Räuber find ficher nicht für den damaligen Spieß bürger geschrieben gewesen. Darüber kann gar kein Zweifel herrschen, daß unsere literasilche Prodution gegenwärtig faft völlig werthlos ist; unfere Literatur ist das Gefpött der fremden Nationen. Und eher wird das nicht anders werden, bis nicht die Anschauungen über den Zweck der Dichtung andere werben, ehe man nicht von der Dider Erhebung und Begeisterung verlangt. Daß man die aber nicht bei unferen Unterhaltungsschriftstellern finden kann, ist unzweifelhaft ficher; und eben so sicher ist, daß nicht eher ein Wandel geschaffen wird, ehe nicht die Schriftsteller ehrliche und treue Menschen werden, die auch den Muth haben, ihre An fichten offen beraus zu bekennen. Der Muth der Wahrheit ist der Anfang zu allem Großen.

Dichtung

Man fann vielleicht, vom rein ästhetischen Standpunkte, der Verfafferin einige Vorwürfe machen; daß ihre Charakte ristik etwas zu idealist sch ist, daß sie ihre Handlung nicht ge nügend geschloffen und gerundet hat, und so fort. Aber das find Kleinigkeiten gegenüber dem einen: dem fistlichen Muth ber Dichterin, der bas ganze Buch wie ein wärmender und glänzender Sonnenstrahl durchleuchtet.