ging. Die Feuerwehr war fofort zur Stelle, und gelang es derselben, das durch den Schreck vollständig betäubte Mädchen, das inmitten des Feuers fiehen geblieben war und um Hilfe rief, zu retten.
Aus dem Reiche der Tonkunst. Am vergangenen Sonntag fand in der Aula der 115./170. Gemeindefdule, Stalizerftr. 55/56, die vierte Konzertaufführung der Schüler und Schülerinnen des Musikinstituts von Ernst Pahl statt. Das sehr reichha'tige Programm enthielt eine Serie der schönften Solo und Ensemblevorträge, welche aber sämmtlich mit größter Präziston durchgeführt wurden, obgleich mehrere der mitwirkenden Schüler erst einen breimonatlichen Unterricht in dem Institut zurückgelegt hatten. Großes Aufsehen erregte der Vortrag einer 13jährigen blinden Schülerin Elfe Flögel, welche die Phantasie für Violine: Il Trovatore , glänzend spielte, und ebenso feffelten die Variationen über den Karneval von Venedig , welche von dem 12jährigen Schüler Hans Brengel mit außerordentlicher Gewandtheit der Violine entlockt wurden. Das zahlreich anwesende Publikum applaudirte lebhaft und der junge Lehrer wurde von den Eltern der Schüler und Schülerinnen feines Instituts zu seinen Erfolgen herzlich beglückwünscht.
Polizeibericht. Am 21. d. M. Morgens stürzten auf dem Neubau Friesenstraße Nr. 17 die Maurer Grabarsch und Waldmann bei Herstellung eines Balfons im 3. Stod von einem Hängegerüft auf die Straße hinab. Grabarsch erlitt einen Schädelbruch und verstarb auf der Stelle; während Waldmann schwere innerliche Verlegungen erlitt, so daß er nach dem Krankenhause Bethanien gebracht werden mußte. Abends brachte sich ein Kaufmann in seiner Wohnung in der Johanniterstraße einen Schuß in die Schläfe bei. Er wurde noch lebend nach der Charitee gebracht. Am 22. b. M. Abends fiel ein obdachloser Zimmermann vor dem Hause Potsdamerstraße Nr. 134 infolge eines Brustkrampfes zu Boden und erlitt dabei anscheinend bedeutende Verlegungen an der Stirn und Nase, so daß er nach der Charitee gebracht werden mußte.
Theater.
Wallner- Theater. Im Wallner Theater wurde am Sonnabend Abend wieder einmal herzlich gelacht, und zwar über die französische Posse Seine Haushälterin". Was ein mißiger Franzmann an liebenswürdigem Unsinn nur ausdenken tann, wurde hier in tollem Wirbelsturm über die Bretter geführt, und das herzliche Lachen des Publikums bewies, daß man in glücklicher Weihnachtsstimmung war, um sich über die HarmIofigkeit zu amüsiren.
Ein Chemieprofeffor, der seit zwei Jahren verheirathet ist, hat, da er bereits seit zwanzig Jahren über einer E.findung brütet, teine Beit gefunden, fich mit seiner Frau zu beschäftigen. Er betrachtet diefelbe als seine Haushälterin, die nur dazu da ift, für seine Mahlzeiten und feine Wäsche zu sorgen. Seine Erfindung glückt ihm, er entdeckt das Geheimniß, fünftliche Brillanten herzustellen. Es gelingt ihm ferner seine Erfindung für drei Millionen zu verkaufen, und mit diesen drei Millionen in der Tasche sieht er sich Paris etwas näher an. Da wird denn aus dem weiberfeindlichen Gelehrten ein toller Lebemann, der auch fein Herz für seine Frau entdeckt, mit der er sich denn zum zweiten Male, aber richtig verheirathet.
Herrn Grimmig gebührt die Palme, auch Fräulein Lehmann war zu loben. Die übrigen Mitwirkenden waren recht brav.
Dem Schwant ging ein Einakter vorauf, der recht albern war.
Elberfelder Sozialistenprozeß.
( Fortsegung aus dem Hauptblatt.)
v. Schemm ist Mitglied des Lokalkomitees und Raffirer des Druckschriftenfonds. Das wird bestätigt durch das Auffinden einer größeren Summe bei ihm, die er nicht als sein Eigenthum erweisen konnte. Antrag 9 Monate.
Dr. Schmidt hatte ein Schreiben Jeups und hielt den Soz.". Er war also für Verbindungszwede thätig. Antrag 2 Monate.
Schmit hielt bei fich geheime Versammlungen ab. Er tommt auf Thielmann's Abrechnung vor. Antrag 8 Monate.
Schneider hat ein Flugblatt verbreitet. Antrag 3 Monate.
Schürmann hat ein Flugblatt verbreitet. Antrag 6 Wochen.
Reichstagsabgeordneter Schumacher ist Vorsteher der allgemeinen Verbindung und hat den Kongreß in St. Gallen einberufen. Er ist Abonnent des Sozialdemokrat" und der Gleichheit". Er hat das Rongreßprotokoll bezogen und verbreitet, ben Erlös an Bebel abgesandt; es tam also dem Verbindungsfonds zu Gute. Er hat sich den allgemeinen Verbindungsfonds zu Nuze gemacht. Da er weniger überführt ist als die anderen Vorsteher, beantrage ich 6 Monate.
Hugo Schumacher hatte eine Liste von Empfängern des Soz." Ferner hatte er Flugblätter verbreitet, ebenso verbotene Druckschriften. Bei Sammlungen von Geldern war er hervorragend thätig. Antrag 9 Monate.
v. Schumann erhielt ein Rendsburger Packet und war im Befiz des Soz." Antrag 4 Monate.
Stürmer ist Mitglied der örtlichen Verwaltung Barmen und hat Gelder gesammelt. Antrag 6 Monate.
Thielmann ist Hauptkaffirer der örtlichen Verwaltung Barmen, das ergiebt sich aus den beschlagnahmten Abrechnungen. Antrag 9 Monate.
Tracht hat an geheimen Versammlungen Theil genommen und Geld gesammelt, das er an Thielmann ablieferte. Antrag 6 Monate.
Ullenbaum ist hervorragendes Mitglied des Lokaltomitees Elberfeld und Schriftenvertreiber. Anirag 9 Monate. Weiß hatte viele verbotene Schriften, deren Erlös für Verbindungszwecke bestimmt war. Er war Empfänger eines Rendsburger Badets, was trop der Episode mit Georgine Weiß erwiesen ist. Antrag 4 Monate.
Weuft er ist freizusprechen.
Wilden hat Flugblätter verbreitet. Antrag 6 Wochen. Wilfen steht im Vordergrunde der Verbindung. Er schrieb an Lehmann in Düsseldorf , woraus die Verbindung hervorgeht. Die Korrespondenzen find nicht harmlos, sondern beweisen die geheime Verbindung. Wilfen war im Besiz der Winke" und des Rongreßprotokolls. Antrag 3 Monate.
Wind war im Befiz der geheimen Tinte; er war örtlicher Vertrauensmann und Schriftenvertreiber. Er war in hervorragender Weise thätig. Das Zeugniß feiner Frau ist glaubwürdig, weil es durch die Thatsachen bestätigt wird. Die Anfechtung dieses Zeugnisses seitens der Vertheidigung ging weit über das Ziel hinaus. Antrag 1 Jahr.
Winkler war im Besitz einer großen Menge Druckschriften, grade der Art, deren Erlös für Verbindungszwecke bestimmt ist. Er hat sich an der Flugblattverbreitung wiederholt betheiligt. Antrag 6 Monate.
Winterberg war hervorragend thätiger Vertrauens mann der örtlichen Verwaltung in Barmen. Er war als
Delegirter zum Kopenhagener Rongreß gewählt. Antrag
3 Monate.
Ich beantrage die Freisprechung der Angeklagten, soweit sie noch anderweitig beschuldigt find, ferner die Verhaftung der jenigen Angeklagten, die zu einem Jahre Gefängniß verurtheilt find und die Einziehung der beschlagnahmten verbotenen Druckschriften.
Rechtsanwalt Schweiger beantragt die Ladung des Zeugen Schulte, der den Verkehr Röllinghoffs mit Sergeant Jädel und die Ueberreichung des Briefes fah..
R. A. Lenzmann: Wir fönnen auf diesen wichtigen Zeugen nicht verzichten.
Nach furzer Berathung wird die Ladung der Zeugen Schulte und Jäckel beschlossen.
In Sachen Mehrhenn wird behufs Beweisaufnahme die bei ihm gefundene schwarze Lifte" vorgelegt.
Ullenbaum: Mohrhenn hat Barmen- Mi." nicht ge
schrieben.
Bebel: Es unterliegt feinem Zweifel, daß das Wort von Moiteler geschrieben ist.
Auf eine weitere Beweisaufnahme in dieser Sache wird verzichtet.
Die Sigung wird bis 4 Uhr vertagt.
Die vom Staatsanwalt beantragten Stra fen ergeben im Ganzen, wie bereits erwähnt, 39 Jahre 2 Monate.
( Abendfizung.)
Zeuge Kirchner, von Gustav Finke geladen: Robert Müller war mit mir zusammen bei Finke. Bei legterem habe ich den Soz." nie gesehen, auch feine unehrerbietigen Aeuße rungen über den Kaiser gehört. Müller erzählte mir, Finke würde schwer hereinfallen, nicht nur wegen der sozialdemokrati fchen Sache. Ich selbst weiß nichts von Aeußerungen Finke's. Müller wollte jedenfalls zusehen, ob ich das Gleiche aussagen würde, wie er.( Der Zeuge wird vereidigt.)
Auf Veranlaffung Hülle's muß Sergeant Jäckel den Beugenraum verlassen.
Beuge Schulte: Ich war in Vohwinkel , weil mir Frau Dambach erzählte, daß Nöllinghoff und Jäckel nach Vohwinkel fuhren. Die ganze Stadt ist aufgeregt über diesen Prozeß und beshalb wollte ich die Beiden beobachten. Dambach und ich fahen Jäckel in eine Wirthschaft geben und wieder heraus tommen. Im Wartesaal zweiter Klaffe fab ich Röllinghoff und Jäckel zusammenkommen. Da übergab Jädel bem Röllinghoff den Brief, das habe ich gesehen. Dambach war in diesem Augenblick nicht da. Röllinghoff hat am Schalter den Brief gelesen und ging dann wieder zu Jäckel, mit dem er einige Minuten sprach. Ich habe die Uebergabe des Briefes genau beobachtet.
Röllinghoff: Das Büffetfcäulein hat mir den Brief
übergeben.
Schulte: Ich bleibe bei meiner Aussage.( Auf Befragen Lenzmann's): Ich bin Sozialdemokrat.
Röllinghoff( auf Befragen Lenzmann's): Heute Morgen bin ich bei meiner Logiswirthin gewesen. An der Brüde fragte ich einen Polizeisergeanten, ob heute Nachmittag Sigung fei, was bejaht wurde. Deshalb bin ich ge
tommen.
Beuge Polizeifergeant Jädel( auf seinen Eid): Röllinghoff habe ich teinen Brief übergeben. Als ich mich umdrehte, hatte Röllinghoff einen Brief in der Hand.
Ein Schußmann wird mit der Herbeiholung des Buffetfräuleins beauftragt.
Jädel: Ich habe Röllinghoff auch keinen Bettel gegeben, auch nicht durch das Buffetfräulein.
Schulte: Ich habe gesehen, daß Jädel an Röllinghoff etwas gab, es war ein Schriftstück. Das kann ich beschwören.
Die Aussagen von Schulte und Jäckel werden zu Protokoll genommen.
Jädel: Mit Röllinghoff habe ich keine Silbe gesprochen. Schulte: Ich habe nicht gesehen, daß Röllinghoff an's Buffet ging. Er war ziemlich entfernt vom Buffet.
R- A. Dr. Schweizer: Es ist durch drei Zeugen beftätigt, daß Jäckel mit Röllinghoff zusammen war. Was haben fie denn zusammen gethan?
Jädel: Nöllinghoff wollte mehrmals den Saal ver
laffen.
R.-A. Lenzmann: Es ist auffällig, daß Kommissar Rammhoff den Gerichtssaal verlassen, als die Ladung der Beugen befchloffen wurde.
Röllinghoff: Ich habe nur eine halbe Minute mit Jäckel gesprochen.
R.-A. Lenzmann: Die Vertheidigung will nur dem Rechte zum Siege verhelfen. Wir haben fein Intereffe baran, die Wahrheit zu unterdrücken oder zu fälschen. Ich rede nicht zu Geschworenen, sondern zu ernsten Berufsrichtern, die be strebt find, das Recht zu finden. Ich bin überzeugt, daß es, teinem Staatsanwalt, feinem Vertheidiger gelingen wird, un aufgeklärte Punkte durch noch so lange Reden aufzuhellen, oder Bewiesenes zu verdunkeln. Ich werde rein fachlich sprechen, ohne jeden Pathos. Die Bertheidigung darf ohne Ruhmrede von fich sagen, daß fie während der 5wöchentlichen Tragödie das ihrige gethan hat, um der Wahrheit zum Siege zu verhelfen. Ich nehme feinen Anstand, zu erklären, daß jeder Richter feinen Vorwurf fühlte, wenn auch das Resultat des Prozesses ein negatives wäre. Als Vertheidiger werde ich mich bemühen, rein fachlich zu plädiren. Ich tomme sofort zum Kardinalpunkt: Ist das Bestehen einer geheimen ungefeßlichen Verbindung erwiesen.
Der Vortrag wird durch die Berufung des Kommissars Rammhoff unterbrochen, der mittheilt, daß Dastig den Saal verlassen hat, um vermuthlich auf das Buffetfräulein einzu
wirken.
Rechtsanwalt enzmann: Er wird wohl das Buffetfräulein vor Beeinflussung durch die Polizei zu bewahren fuchen.
Harm: Ich habe Daftig damit beauftragt, da die Ausfage Jädels auf mich einen sonde.baren Eindrud machte.
Der Präsident ordnet an, daß kein Angeklagter den Saal verlasse.
Rechtsanwalt Lenzmann( fortfahrend): Das Geset giebt femme Definition des Begriffs ber geheimen Verbindung. 3ch fuße auf dem Reichsgerichtsurtheil, bem ungünstigsten für die Angeklagten. Daffelbe definirt die Verbindung als einen Personenkreis, wo der Wille des Einzelnen einem andern Willen untergeordnet ist. Der Kommentator Holzhauer ver steht unter Verbindung eine dauernde Vereinigung, die sich vom Verein nur durch den innigeren Zusammenhang der Mitglieder unterscheidet. Dies ist auch etymologisch richtig. Der Staatsanwalt versteht aber etwas viel Lockeres darunter; er be trachtet eine organisirte Partei als eine Verbindung. Das führt zu Ungeheuerlichkeiten, wonach Jeder, der sozialdemokratische Agitation treibt, den§§ 128 und 129 verfällt. Wenn das richtig wäre, verstehe ich nicht, warum man nicht Anklage er hebt gegen die 8-900 000 sozialistischen Wähler. Vielleicht findet sich noch ein Staatsanwalt, der diesen Eiffelthurm des Elberfelder Prozesses noch übersteigt. In Deutschland ist ja
Bieles möglich.
Alle Barteien find so organisirt wie die sozialdemokratische, vielleicht noch besser. Ich habe hier das Organisations statut der freifinnigen Partei. Dieselbe hat ein Zentralfomitee, Schatzmeister, Geschäftsführer, Ausschußmitglieder. Sie nimmt Geld beträge entgegen und vertreibt Broschüren. Ganz dieselbe Dr ganisation findet sich bei anderen Parteien. Wenn dies Verbindungen find und wie bei ber Zenuumspartei mit der Berbeirufung von Jefuitenpatres ungefeßlich feiten vorkommen,
warum geht man nur gegen die Sozialdemokratie vor?
Der Staatsanwalt hat aus der geheimen Tinte, den Stich worten und dergl. die geheime Verbindung konstruirt. Wenn alle Geheimnißthuerei strafbar wäre, warum wird nicht der große Freimaurerorden verfolgt? Die Kriterien liegen bei diesem Drden nicht vor. Ihr Dasein, Verfassung und Zweck ist der Staatsbehörde nicht verborgen und deshalb find fie nicht strafbar. Wenn einige Sozialdemokraten sich in den Schleier des Geheimnisses hüllen, tann man dies doch nicht einer großen Partei zur Laft legen. Der 3ved der Sozial demokratie ist der Behörde bekannt, ebenso ihre Verfaffung und ihr Dasein, das die Leute gar nicht verhehlen, sondern sols barauf find.
Mit Recht sagt ber Staatsanwalt, daß strafbar auch die Verbindung sei, deren Zwecke ungefeßlich seien. Er hat dafür die Verherrlichung des Meineids angeführt. Wenn irgendwo der Beweis gegen dies erbracht ist, geschah es in dieser Ber handlung. Wie kann der Staatsanwalt annehmen, daß der verlefene anonyme Artikel eine Aeußerung der Partei sei. Er ist vielmehr das Produkt eines chaotischen Kopfes. Ebenfó ver hält es fich mit der Beschuldigung der Umsturzbestrebungen. Viele Sozialdemokraten mögen Republikaner fein oder den fozialistischen Zukunftsstaat erstreben; aber Niemand wird dies burch eine in der Jektzeit stattfindende Revolution zu erreichen fuchen. Ich verlese einen Artikel des Soz.", der die Verwir lichung des sozialistischen Programms ohne blutige Revolution für erreichbar hält. Wie 1792 der Druck von Oben die blutige Revolu tion herbeiführte, so ist es möglich, daß der Unverstand der Gegner der Sozialdemokratie eine gewaltsame Revolution her beiführt.
"
Die Anklagebehörde wirft den Angeschuldigten die Ber breitung des Soz." und verbotener Schriften vor; das find Bergehen gegen das Sozialistengefeß. Auf dem Wydener Kon greß wurde aus Merger über die Rechtlosmachung der Sozial bemokraten bas Wort geseglich" aus dem Programm ge strichen. Es ist ungerecht, eine Aeußerung des Unwillens, bie vor neun Jahren geschah, icht noch der Partei zur Laft zu legen. Jebesmal, wenn Polizeifpione zu ungefeßlichen Hand lungen aufforderten, haben sich zielbewußte Sozialdemokraten, wie z. B. der Abgeordnete Schumacher, dagegen verwahrt. Schon der Selbfterhaltungstrieb muß die Leute abhalten, Un gefeßliches zu thun.
Der Staatsanwalt fonstruirt das Reat der geheimen Ber bindung in doppelter Richtung, als große allgemeine und als örtliche Verbindungen, legtere nur Glieder der allgemeinen Berbindung. Dem Staatsanwalt ist bei Ronstruirung der allgemeinen Berbindung der Rechtsirrthum unterlaufen, daß er eine verbrecherische Verbindung ohne weiteres für geheim hält. Wenn der Staatsanwalt das Freiberger Urtheil studirt hätte, würde er gefunden haben, daß Bebel nicht wegen geheimer Verbindung verurtheilt wurde, sondern weil er öffentlich Un gefeßliches gethan haben soll.
Gegen das Bestehen einer allgemeinen geheimen Ber bindung spricht die Schulung der Sozialdemokraten, die weit feuriger, weit sicherer für ihre Ziele eintreten, als Angehörige anderer Parteien. Sie folgen einer geistigen Leitung, welde bie Organisation überflüssig macht. Das Gleiche findet bei ber Zentrumspartei statt. Es ist unmöglich, daß eine allge meine geheime Verbindung besteht, da die Sozialdemokraten aufs Schärffte bewacht werden. Troß dieser Aufmerksamkeit der Behörden ist das herbeigeschaffte Material winzig. Die allgemeine Verbindung ist reiter nichts als ein Phantom. In allen Geheimbundprozeffen seit Freiberg find örtliche, aber nie eine allgemeine Verbindung angenommen. Ich verweise auf den Beschluß der Elberfelder Rathskammer, die das Bestehen der allgemeinen Verbindung verneint.
Es ist möglich, daß der Soz." in Zürich eine Anzahl Per sonen in Deutschland verbunden hat, um das Blatt zu vers breiten. Gegen derartige Bagatellen tämpft aber der Staats anwalt nicht; er will eine Verbindung feststellen, welche die ganze Partei umfaßt. Er fagt, der Sozialdemokrat" fei Parteiunternehmen und seine Leiter Angestellte der Fraktion. Das wird aus verlesenen Zeitungsartikeln hergeleitet. Jo will nun auf einige Beitungsartikel hinweisen, worin bas Gegentheil gesagt wird. In der Abonnementseinladung wer den Rorrespondenten in Paris , Amerila und so weiter gesucht; dies beweist den Charakter des Blattes als inter nationales Organ. Dann heißt es in einem weiteren Artikel, daß fich 100 000 Männer der strammsten Disziplin unterwerfen; das heißt, daß die von dem Blatte vertretene Idee diese Leute beseele. Ein anderer Artikel spricht davon, man solle bie geiftige Disziplin nicht erschüttern laffen. Der Staatsanwalt bat den Worten Bebels, daß eine Unterschrift die Parteiver tung" unberechtigt geführt wurde, feinen Glauben beigemeffen. Wir haben aber dafür die Aussage von vier auf der Anklage bant fizenden und zwei gewesenen Abgeordneten. Es liegt mir baran, die Glaubwürdigkeit des Herrn Bebel festzustellen. Gr muß fich als ein im öffentlichen Leben stehender Mann fagen, daß eine unwahrheit vor Gericht ihn fompromittiren würde. Er würde sich schämen, eine so klemliche Lüge zu sagen. Alles würde man ihm verzeihen, aber nicht die Unwahrheit. Seinen unbeeidigten Beugniß wurde in Düffeldorf Glauben geschenkt, trotzdem vielleicht besisigte Beugniffe entgegenstanden. Wenn er also sagt, der Artikel rügre nicht von der Parteivertretung her, so ist ihm einfach zu glauben. Er scheut sich nicht, unter feine Artikel den Namen zu sehen. Der angezogene Artikel rührt also nicht von der Parteivertretung her. Wenn man ben Artikel genau durchlieft, so findet man feine strafbare Aufforderung darin; es ist nur zur Organisation überhaupt, alfo erlaubter Organisation, aufgefordert. Es wird ferner nur generell zur Ausbreitung von Flugblättern aufgefordert. Bu jener Zeit hat die Judikatur auch noch ausgesprochen, daß das Abonnement, auch Sammelabonnement, bes Sos." nicht strate bar fei. Also auch die Aufforderung zum Abonnement aut den Soz." ist nicht strafbar, auch nicht die Aufforderung zu Geldfammlungen. Die Aufforderung, auf die der Staatsan walt to foloffales Gewicht legt, enthält also nichts Strafbares. Die Aufforderung zur Verschwiegenheit, um der Verfolgung burch ftrebfame Staatsanwälte zu entgehen, ist begreiflich, wenn wir an die elfwöchentliche Untersuchungshaft vieler dieser An gellagten und an die Verfolgung von Sozialdemokraten, die nur Erlaubles thaten, denken.
Von einem weiteren Artikel behauptet der Staatsanwalt, Herr Bebel sage die unwahrheit, wenn er sage, er rühre nicht von der Parteivertretung her. Es ist aber nur ein Reklameartikel der Redaktion. Ferner nimmt ber Staats anwalt Bezug auf die Berichte über den Parteitag in Kopenhagen . Daraus foll hervorgehen, daß die Druckerei " Sos." eine fichere Stätte zu schaffen. Der Sak schließt aber, in Hottingen Zürich zu dem 3wed getauft worden sei, bem daß einige Züricher Sozialdemokraten und Conzett zu diesem sieht sich der Staatsanwalt auf die Motivirung der Ausweisung 3wed das Geschäft gegründet, als Privateigenthum. Auch be faffen, als daß in Zürich wohnende Deutsche das Geschäft ge Bernfteins 2c. Der angezogene Sag ist nicht anders aufsu gründet und die Herausgabe des„ Rothen Teufel" eine Privat
daß
bas Ueberschüsse desselben in die Parteitaffe floffen. Wenn wir damit rechnen, folgt dann daraus, daß der Sozialdemo baraus. Die Quittung fann feinen anderen Zved haben, als der Welt darzuthun, daß 9000 M. vom" Sozialdemokrat" ber weis bafür, daß der Soz." fein Parteiunternehmen ist. Um bie Genossen zum Abonnement zu animiren, ist das Verfprechen gleiches Verfahren, wie das der Theater Direktionen mit Wohl gegeben, die Fraktion mit Geld zu unterstüßen; es ist dies ein thätigkeitsvorstellungen.