1. Beilage zum Berliner Volksblatt.
r. 302
=
Lokales.
Mittwoch den 25. Dezember 1889.
Feiertag wieder entlaffen, jedoch mit der Mah nung, nicht bis zum britten Feiertag zu zu warten, da er sonst unbedingt von ber Herberge aus verhaftet werde. Noch einen Tag blieb unser Wandrer dort, um dann völlig mittellos, wie er Celle erreicht, daffelbe wieder zu Von denjenigen, die zurüdblieben, wurden am verlaffen. dritten Feiertage verschiedene wegen Beitelns und Landstreichens verhaftet, um im Arbeitshause ihre Arbeitsschen" zu verlernen. Unser Freund erfuhr dies von denjenigen, die in Eilmärschen Celle verlassen. Wie lange unser Freund noch frei blieb, wer tann's sagen? Und dennoch zieht die Industrie aus diesen verachteten Runden ihre Kraft, fie find es, die die Reserve Armee für die Unternehmer stellen und die Kunst und Ge fdidid feit von Ort zu Drt tragen. Aber fie find es auch, die die beiter unter einander näher bringen und fie lehren, daß alle Menschen Brüder find und daß es ein Unrecht sei, dem Einea alle Lebens genüsse zu entziehen und für seinen unverSchon schuldeten Mangel noch ins Arbeitshaus zu stecken. rückt die Zeit näher, wo die Proletarier aller Länder ihre Weihnacht feiern werden und der Einzelne nicht mehr zu betteln braucht.
Weihnachten eines Handwerksburschen. Friede auf Erben und den Merichen ein Wohlgefallen! Millionen von Arbeitern ist dies Wort jekt beinahe 2000 Jahre gepredigt worden un noch ist kein Anfang des Friedens, geschweige denn des Wohlgefallens zu erblicken. Leider hat nur ein fleiner Theil der Arbeiter dies begriffen. Zu diesen gehörte aweifellos jener junge Handwerksbursche, der am Weihnachtsabend 1879 1üftig auf der Straße von Burgdorf nach Celle im Hannoverschen zuschritt, denn ein bitteres Lächeln spielte zuweilen um feire Lippen, von Zeit zu Zeit einer ge= mffen Besorgnis Blab machend. Er wollte augenscheinlich vor Anbruch der Nacht Celle noch erreichen und die untergehende Sonne beeuchtete nur noch spärlich die verschneiten Wege. Nun war fie ganz weg und nur in der Ferne zeigten Lichter die Gegend an, in der die Stadt liegen mußte. Es liegt immerhin ein gewiffer Reiz in folch' einsamer Wanderung durch bie winterliche Landschaft. Sie regt zu Träumereien und Rüd blicken an und das war es wohl auch, was den Fuß des Wanderers fich langsamer heben ließ. Gemiß, es zogen an Jeinem Auge Bilder der Vergangenheit vorüber, wie er, der Sohn des Proletariers der Noth gehorchend im Anfang bes nunmehr bald veifloffenen Jahres feiner Heimathund Brot Badt in Hinterpommern, die ihm Lohn nicht mehr gab, den Rüden gewandt, um trop Schnee und Eis fein Glück in der Fremde zu suchen. Nach längerem Umberirren hatte er auch in Lüneburg Arbeit erhalten, unt balb nachher burch eine billigere A beitskraft" verdrängt zu werden. Und wieder mußte er zum Wanderftabe greifen, um fein Glüd anderwärts zu versuchen. Er hatte dann als Tagelöhner bei einem der Gemüsebauern in der Umgegend Ham burgs gearbeitet, hatte als Refselschmied im Holsteinischen geschafft, um endlich Winterarbeit im Westfälisten zu ehalten. Doch auch diele Hoffnung hatte sich als trügerisch erwiesen. Der Meister hatte nur die Winterarbeit zugefagt, um einen Drei Wochen billigen und willigen Gefellen zu haben. abermals sein vor Weihnachten batte er Ränzel ge= fchnürt, ohne Ausfist in nächfter 3 it Arbeit zu erhalten. Gleich in der ersten Nacht, seitdem er von seiner I- kten ArbeitsHelle fort war, hatte er bei mehreren Graden Kälte im Freien übernachtet, da ihm keiner der streng fatholischen Gastwirthe des Drtes, wo er bei Anbruch der Nacht sich befunden, Obdach geben wollte. Ja, hätte er heuchzin fönnen und mit einem: Belobt sei Jefus Chriftus" bei den Wirthen vora fragt, dann batte er wohl nicht nöthig gehabt, die Reize eines Nach quartiers in der Winterlandschaft zu genießen. Ja, ja, herrliche Kultur und chriftliche Gefiitung! Ihn schauderte bei dem Gedanken, bas es ihm noch einmal paffiren könne, und mit Aufgebotschaften der neueren Lichteffekte und Maschinerien werden dabei aller feiner Räfte beflügelte er feinen Schritt, um wenigftens am Weihnachtsabend, wo fogar Tausende von Proletariern für einen Augenblid ihr Elend vergeffen und der Hoffnung auf ene, beffere Zukunft Raum geben, unter Dach zu sein. Glücklich wurde denn auch die Stadt und nach einigen Fragen die Herberge erreicht. Die Fremden tube", ein 3 mmer, nicht größer wie eine gewöhnliche Wohnktube, war von zirka 40 Perfonen belucht, die auf hölzernen Bänken faßen und rauchten. Soeben brachte der Herbergsvater" eine Taffe Kaffe: und ein Stüd Ruchen für jeden Kunden. Nachher murde im Saal ber Weihnachtsbaum angezündet, um den die Kunden, unter denen F Männer in den vierziger Jahren befanden, wie die Kinder taugten. Ein eigenartiger Anblid. die verwitterten Gefichter der alten" Kunden neben den grünen, nicht lange von Hause gewanderten Mutterföhnchen einträd tig bei einander sich des Anblid's erfreuenb! Hier herrschte Gleichheit, die draußen nicht zu finden; fie bildeten gewissermaßen eine große Familie, wenn auch der nächste Morgen fie in alle WindNachdem aus der Reihe richtungen auseinandertrieb. der Kunden noch einige launige Vort äge zum Besten gegeben, aingen Alle zu Bett, das ihnen für diese Nacht unentgeltlich überlaffen mar. Am nächsten Morgen erhielten lle noch einmal eine Taffe Raffee und ein Ruchenbrötchen umsonst und bann begann die Fremdenftube fich zu leeren. Die Einen wanderten weiter, während die Andern auf die Fahrt" stiegen, um ein wenig Mittagbrot und einige Pfennige Schlafgeld zu erbetteln. Unser junger Wanderer, dem wir hierbei folgen, hatte jedoch entschieden Pech, denn bereits in einer der ersten Winden", die er flick, wurde er von einem Hüter der Drds auf den ersten nang erfakt und nur mit Rücksicht
Weihnachten.
Heutzutage weiß wohl Jeder, der nicht gänzlich taub ist für das, was die Glocke der Zeit geschlagen hat, daß bas Weihnachtsfest nicht nur heidnischen" Ursprungs ist, sondern daß in demselben auch jetzt noch ein gutes Stück altgermanischen Heidenthums lebt. Das Weihnachtsfest war ursprünglich das Fest der Wintersonnenwende, welches der Wiedergeburt des fiech gewordenen Sonnengottes geweiht
mar.
Die alten Germanen und Kelten feierten am 25. Dezember das Julfeft oder das Fest der Wintersonnenwende. Dabei richteten sie einen Tannenbaum auf und schmückten ihn mit brennenden Lichtern aus. Dieser Julbaum ist später zum„ Christbaum" geworden.
Der Baumfultus war ein wichtiger Bestandtheil des altgermanischen Heidenthums und es hat den Vertretern des Christenthums viel Mühe und Opfer gekostet, diesen Kultus auszurotten oder wenigfiens eine andere Bedeutung zu geben. Der Germane hing mit 3ähigkeit an seinen alten religiösen Gebräuchen feft. Kirchliche Erlasse und weltliche Strafen versuchten deshalb, den widerstrebenden Sinn des Germanen gefügig zu machen. Als dies Nichts fruchtete, mußte man schließlich wohl oder übel daran denken, mit diesem Ueberbleibsel einer uralten Naturreligion sich auf freundlichen Fuß zu stellen. Das hat die Kirche ftets gethan, wenn sie fah, daß eine Lehre des neuen Glaubens mit der Anschauung der germanischen Bevölkerung absolut nicht in So wurde der Baumkult denn Einklang zu bringen war. gleichfalls in das Christenthum verpflanzt und schlug bald in demselben tiefere Wurzeln. Zuerst allerdings nicht allein als Schmuck der Weihnachten, sondern auch anderer bedeutungsvoller Tage im Jahre. Vor allem im Mai als Pfingstbaum und am Johannistage. Karl der Große beging noch mitfammt feinen Großen das Maifest in jener altgermanischen Weise, welche voll war von Anklängen an die eben abgethane Religion feiner Vorfahren. Und Ludwig der Fromme , der in seinem Eifer für die neue Lehre so vandalisch gegen die Erinne rungen an die Götter Walballs verfuhr, daß er die schrift lichen Aufzeichnungen zu Ehren derselben eigens sammelte,
Eine Weihnachtsgabe het die populäre Anstalt, Urania" dem Publikum durch ein neues wissenschaftliches Schauftück dargeboten, zu welchem gestern vor einem geladenen Publikum dargeboten, zu welchem gestern vor einem geladenen Publikum die Generalprobe ftatifand. Die Urania " blidt, wie Herr Dr. M. With. Meyer verkünden fonnte, auf Monate ernster Arbeit und ermunternder Erfolge zurück. Das wiffenfchaft liche Theater hat in ber kurzen Zeit seines Bestehens nicht weniger als 20 Bremieren gehabt. Es blickt auf einen Cyclus Don 187 Abent vorträgen zurück, zu welchen fich noch 503 fleine halbstündige Vorträge gefelten, welche die Anstalt recht eigentlich zu einer populären Akademie ftempeln. Viele Schwierigkeiten waren zu überwinden, ehe das große Fernrohr, ein Meisterwert der Präzisions- Mechanit und das Bete im Lande, welches die Welt mit klarem Auge durchdringt, nunmehr dem Gebrauche übergeben werden fann. Die Vorurtheile, ebenso der Gelehrtenwelt, wie auch des Laienpublikums find befiegt und über 60 000 Personen find bis jest zu der Stätte der Belehrung gepilgert, so daß jede Abendvorstellung etwa 320 Besucher hatte. Auch jenseits des Ozeans hat die Idee der Urania" bereits zur Nacheiferung angefpornt und so hat dieselbe in dem mun abgelaufenen halben Jahre vollauf ihr Ziel erfüllt: Licht, Wiffen, helle Freude an der Natur in empfängliche Gemüther zu pflanzen!" Der neue, von Dr. M. Wilh. Meyer außerordentlich lehrreich und interreffant geftaltete Anschauungsvortrag behandelt: Die Geschichte der Urwelt", und ladet zu einer Wande rung durch vorfündfluthliche Landschaften ein. Alle Errungen in Anwendung gebracht, um auch den dekorativen Theil bes Vertrages überraschend schön zu gestalten. Der Zuschauer wird mitten hineingeführt in die raftlofe Arbeitsstätte der Mutter Natur, welche langsam all' das Glück erzeugt hat, dessen wir Menschenkinder uns heutzutage erfreuen. Millionen Jahre macht man in Siebenmeilenstiefeln burch, verweilt bei der Sturm- und Drangzeit der irdischen Natur, fieht, wie aus den Nebelmaffen, welche fich zur Kugel zusammenballen, die Erde geboren wird, bewundert die elementaren Rämpfe der unterirdischen Kräfte und verfolgt staunend die Wandlungen, die unser Planet bis zu seiner heutigen Entwickelung durchzumachen hatte. Die Vorstellung serfällt in drei Abtheilungen: Die Primär periode, die Sekundärperiode, die Terriärperiode und Gegenwart. In 10 Szenen werden bargeftellt: Das Chaos und das erste Land, ein Bullanausbruch zur Devonzeit, ein Steinkohlenwald, die Bildung der Steinkohle, eine Landschaft aus der Bermzeit, bie Zeit der Riefen Eidechsen, in den Tiefen des Kreidemeeres, Zürich in der Morgenröthe der Urzeit, die Eiszeit, ein Pfahlbauerdorf em Zürichsee und an den Gestaden des Mittelmeeres. Die padenden Dekorationen find nach den Delgemälden bes Landschaftsmalers Olaf Winkler in Dresden von den Herren Harder und Lawig ausgeführt, vom Maler Wilhelm Kranz infzenirt. Der außerordentlich lebendige Vortrag wird von Herrn Bergmann verständnißvoll g sprochen und übt eine nachhaltige Wirkung aus. Es ist tein 3weifel, baß die Urania" um eine Darstellung von ergiebigfter Bugkraft reicher ist.
Influenza. Der Geh. Medizinalraih Prof. August Hirsch veröffentlicht in der jüngsten Nummer der Wochenschrift Die Nation" einen Artikel über Influenza. Prof. Hirsch, auf dem
um sie zu vernichten er machte gleichwohl den ihm untergebenen Stämmen die Konzession, daß er seine mächtigen Reichsversammlungen vom Jahre 824 und 831 auf einen Sonnenwendtag verlegte und mit altgermanischer Art dem Baumkult dabei huldigte. Auch das gesammte Mittelalter ist noch mit den Erinnerungen daran erfüllt. Dieser Baumfult, wie er in den Sonnenwendtagen zum Ausdruck zu kommen pflegte, durchwuchert das deutsche Volksleben derart, daß sich nicht nur die Kirche, ſondern auch die weltlichen Machthaber mit ihm befreunden müssen.
Bur 3eit der Wintersonnenwende spielte bei unseren altheidnischen Vorfahren nicht nur die Tanne, sondern auch der Apfelbaum eine große Rolle. Der Apfel war nämlich die Frucht, mit welcher an dem altgermanischen Winterfonnenwendfeste der Hausvater die Seinen vorzugsweise be schenkte. Daß man dann später den Tannenbaum mit Aepfeln ebenso wie mit kleinen brennenden Lichtern aufputte, war doch nur ein einziger, durch die Symbolik beinahe gebotener Schritt.
So hat also die sinnigste Symbolik des Weihnachtsfestes ihre Wurzeln in dem Baumfult unserer altgermanischen Vorfahren. Im Weihnachtsbaum lebt ein Stüd des uralten heidnischen Baumkult fort.
Aber auch in dem Umstande, daß das Wintersonnenwendfeft unseren germanischen Vorfabren ein Fest des Lichtes, ein Fest der wiedererwachenden Lebenshoffnung war, liegt eine tiefe Bedeutung So mächtig ist nicht der Reichste und Vornehmste, so unglücklich nicht der Aermste und Verlaffenfte, daß er nicht dem Bauber dieses aus den germanischen Vorzeiten frisch und flimmernd in die Gegenwart hineinragenden Festes sich gern und freudig hingäbe. Welche andere Idee liegt dem Glockenklang dieses Festes zu Grunde, als die der Hoffnung Hoffnung auf den Frühling nach der eisigen Winterszeit, Hoffnung auf ErFrühling nach der eisigen Winterszeit, Hoffnung auf ErLösung von Uebeln, welche die Menschen selbst, ach nur zu bereitwillig, zunächst in dem Kampfe um's Dasein, weit mehr aber noch in dem Kampfe, der durch die bösen Leibenschaften und durch die Bestie im Menschen" entsteht, sich gegenseitig zufügen!
6. Jahrg.
bezüglichen Krankheitsgebiete eine anerkannte Autorität, äußert fich in diesem Artikel unter anderem folgendermaßen: Die Influenza ist in allen Breiten der Erdoberfläche, unter allen flimatischen Verhältnissen vorgekommen; ob die Entwicklung einer Influenza Epidemie von Witterungseinflüssen abhängig ift, erscheint sehr fraglich. Von 125 Epidemien, die in feinem Busammenhange mit einander standen, haben, meinen Ermittelungen zufolge, 50 im Winter, 35 im Frühling, 16 im Sommer, 24 im Herbst ihren Anfang genommen, so daß talte Witterung das Vorkommen der Krankheit zu fördern scheint, allein man wird diesem Momente feine zu große Bedeutung beilegen dürfen, wenn man berücksichtigt, daß die einmal entwickelte Epidemie bezo. Pandemie in ihrem Fortschreiten von Land zu Land durch alle Jahreszeiten gleichmäßig fortgedauert hat, einzelne Epidemien im Sommer bei hohem Thermometerstande und großer Trockenheit der Luft aufgetreten find, und mehrere Berichterstatter aus tropischen Gegenden, wie u. a. von der Indus Ebene, von den Antillen, erklären, daß gerade die hike Jahreszeit hier die Influenzafaison bildet; in der That haben von vierundzwanzig in tropischen Breiten beobachteten Grippe Epidemien neun in der heißen Jahreszeit ihren Anfang genommen. In gleicher Weise erscheint die Krankheitsentstehung ganz unabhängig von Boden, alimentären und anderen, finnlich nachweisbaren Einflüssen, und eben dieser Umstand swingt bei gleichzeitiger Berüdüchtigung der eigenthümlichen Krant heitsgestaltung in der Annahme, daß der Influenza eine[ pa zifische Ursache, eine wahrscheinlich in der Luft suspendirte, dies felbe verunreinigende"( miasmatische) Schädlichkeit, ein Krantheitsgift zu Grunde liegt, über dessen Natur sich vorläufig allerdings gar nicht urtheilen läßt. Schon im vorigen Jahr hundert hatte fich den ärztlichen Beobachtern die Vermuthung aufgedrängt, daß die Krankheit einem in der Luft verbreiteten, organischen( thierischen oder pflanzlichen) Stoffe ihre Entstehung verdante, dieselbe Ansicht findet sich heute modernisirt, in der Annahme eines Influenzabakterions" ausgesprochen Hypothesen, welche mit der fupponirten Krankheitsursache das gemein haben, daß fie, vorläufij wenigftens, in der Luft schweben. Für die Beantwortung der Frage, wo und wie dieses Krant heitegift zu Stande kommt, fehlt jeder Anhaltspunkt, nur so viel läßt sich mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit behaupten, daß es fich überall da, wo die Krankheit auftritt, ursprünglich entwickelt hat, daß es meber burch den Luftstrom, noch durch den persönlichen Verkehr von Dit zu Det gelangt. Gegen die Annahme einer Verbreitung desselben durch die be wegte Luft spricht die Thatsache, daß das Fortschreiten der Epidemie häufig gegen die Windrichtung erfolgt ist, gegen die Uebertragung durch den persönlichen Verkehr, d. h. gegen den fontagiösen Charakter der Influenza ist vor allem der Umstand geltend zu machen, daß die Krankheit in den Epidemien der neuesten Zeit troß der vervielfachten und vervollkommneten Verkehrsmittel nicht schneller fortgeschritten ist, als in denen früherer Dezennien oder Jahrhunderte, und daß sie sehr häufig auf einzelne Orte oder selbst Orte quartiere beschränkt geblieben ist, die ganze, mit denselben im offenen Verkehr stehende Nachbarschaft aber vollkommen verschont hat. Der Schluß, den man aus gehäuften Erkrankungsfällen in einem Hause oder in einer Familie auf den contagiösen Charakter gezogen hat, erscheint vollkommen hinfällig, wenn man berüdfichtigt, daß alle erkrankten Indioibuen gleichzeitig unter dem Einflusse der Krankheitsurfache gestanden haben." Professor Hirsch schließt seinen Artikel mit der Bemerkung: Die mehrfach geäußerte Ansicht, daß zwischen Influenza und anderen Volkskrankheiten, wie namentlich Cholera, gewisse innere Be ziehungen bestehen, beruht auf einem irrthümlichen Schluffe, der aus dem zufälligen zeitlichen Zusammentreffen beider Krantheiten gezogen worden ist. Ebenfowenig hat Influenza, wie behauptet worden ist, mit der neuerlichst vielfach genannten Denguetrantheit irgend etwas gemein. Dagegen steht unzweifelhaft feft, daß zur Seit des epidemischen Vorherrschens von Influenza dieselbe Krankheit auch Thiere befallen hat, so namentlich auch Hunde, Kazen, vornehmlich aber Pferde, unter welchen sich wiederholt eine sehr bedeutende Werbreitung ge funden hat. Die Thatsache ist um so interessanter, als von den zahlreichen bei Menschen vorkommenden Infektionsfrankheiten Influenza die einzige ist, welche auch in einzelnen Thiertlaffen beobachtet worden ist."
-
Ueber die„ Tabagien" in und um Berlin in den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts erzählt Dr. Aug. Schmidt in der neuesten Nummer des Bär":" Die
Das rastlose Leben von Jahrhunderten hat unend viel in den Gewohnheiten und Daseinsbedingungen br Menschen verändert. Der heute lebt, würde sich kaum bie einfachen Verhältnisse unserer Vorfahren, hinwieder: diese nicht in das tosende, hämmernde, ruhelose Getriebe Jeßtzeit finden können. Als Benjamin Franklin vor ein Jahrhundert durch seine Erfindung die Gefahr des aus der Wolfen fahrenden Blizes für die Menschen und ihre Woh nungen milderte, da hatte noch Niemand eine Ahnung, daß wir diese furchtbare Naturkraft einem gelehrigen Hausthiere gleich noch gänzlich in unsern Dienst zwingen würden. Der elektrische Strom, einst nur ein Berstörungsmittel, verbindet heute die Menschen auf tausende von Meilen; er erleuchtet des Nachts taghell unsere öffentlichen Plätze, und wird bald genug, in den Städten wenigstens, die Studierlampe des Gelehrten wie das Lämpchen des armen Mannes verdrängt. haben. haben. Schon vertrauen wir ihm auch die Beförderung unseres lieben Ich's von Ort zu Ort an, ohne uns vor der gefesselten dienstwilligen Himmelstraft zu fürchten. Der Sklave Androclus, welcher seinen Löwen an einem Seilchen in den Straßen von Rom spazieren führte, würde sich doch vor dem Experiment entsetzt haben, sein Leben der elektrischen Bahn" anzuvertrauen.
Und so wie auf diesem Gebiete ist tausendfältig auch auf den meisten anderen das gesellschaftliche und ökonomische Leben der Menschen gegen ehemals verändert worden; es wird nach höchster Wahrscheinlichkeit noch ganz anders verändert werden, denn unermeßlich und für uns vorläufig unfaßbar ist das Feld künftiger bahnbrechender und die Lebensverhältnisse der Einzelnen wie der Völker umwälzender Erfindungen.
Hoffen wir, daß die Früchte dieser umwälzenden Erfindungen der ganzen Menschheit zu Gute kommen und daß die frohe Botschaft des heutigen Weihnachtsfestes endlich zur beglückenden Wahrheit werde: Friebe auf Erden und dem Menschen ein Wohlge= fallen!"