er

Krania. Es werden die Contervorstellungen für Arbeiter fortab jeden Sonntag früh von 8 Uhr an in der Urania ftatt­finden. Es wird um pünktliches Erscheinen zur Vermeidung von Störungen des von dem Direktor der Sternwarte, Prof. Förster, gehaltenen Vortrages ersucht. Die Vereinsvorstände wollen fich behufs Borzeichnungen und Empfangnahme von Billets( à 20 f.) schleunigst an Rechtsanwalt Arthur Stadt­ hagen Landsbergerstr. 62, wenden.

Die neuen Straßenposten, über welche wir bei ihrer Einführung eine furze halbamtliche Nachricht brachten, finden jeßt eine ausführliche Darstellung in dem Archiv für Post und Telegraphie", die intereffante Einzelheiten enthält. Die Einsammlung und Bestellung der Stadtbriefe heißt es bort, wird von 47 Poftämtern besorgt, welche über das 60 Quadrat filometer große Stadtgebiet in ziemlich gleichen Abständen ver­theilt sind. Die tägliche Durchschnittszahl der Berliner Stadt briefe ( nur aus der Stadt für die Stadt) beträgt rund 150 000 Stüď. Zu ihrer Einlieferung find 750 Brieffaften auf estellt, deren Leerung von Morgens 4 Uhr bis Abends 10 Uhr täglich 15 Mal erfolgt. Die Stadtbriefe werden ge­meinschaftlich mit den von auswärts eingegangenen Brief sendungen täalich von 7 Uhr früh bis 8 Uhr Abends 12 Mal an die Empfänger bestellt. B.sher wurden die Stabtbriefe Stündlich durch Brieffariole sämmtlich auf das Stadt- Postamt geschafft, dort vertheilt und ebenfalls fündlich an die Bestellpostanstalt gebracht. Dieses Verfahren hatte jedoch den Nachtheil, daß die B.iefe, namentlich aber folde, deren Empfänger ganz in der Nähe der Aufgabe. Poftaniialt wohnten, zunächst zum Stadt- Poftamt geschafft, bort sortirt und dann erst, oft auf demselben Wege zurüd. nach der Bestell­Postanstalt gebracht wurden. Dies verurfachte einen Zeitauf­wand von durchschnittlich 1 Stunden. Deshalb wurden die Kariclpoft Wögelchen in fahrende Bostämter verwandelt( bas heißt für die Stunden der eigentlichen Geschäftszeit von 10 Uhr Vormittags bis 7 Uhr Abends. Während der übrigen Zeit, fowie Sonn- und Feiertags verkehren die alten Rariolpoften). In diesen Straßenpoftwagen werden die Briefe während der Fahrt nach den 47 Bestell- Postämt rn fortirt, geftempelt und die unfrantirten austorirt". Je von Amt zu Amt muß die Behandlung vollendet sein. Auf dem Stadt- Bostamie treffen die Wagen zusammen, um die Briefe auszu tauschen und nach den Endpunten zurückzuführen. Folgende Linien führen nach dem Stadtpoftamt: 1) I.W. Straßenpoli" von der Steinmeßstraße( Poftamt 57) über Postamt 35. ( Potsdamerstraße), 9.( Potsdamer Bahnhof), 41, und 8, 2) II. W.- Straßenpofi" von der Kurfürstenstraße( Postamt 62.) über Postamt 10., 9.( Potsdamer Bahnhof), 64.( Unter den Linden ) und 56. 3) I. SW.- Straßen poft von Amt 61.( Belle. allianceplak) über Amt 13., 68.( Alte Jakobstraße) und 19. 4) II. SW.- Straßen poft von Amt 47.( Hagelebergerstraße) über Amt 29., 61.( Belleallianceplat), 48., 11.( Anhalter Bahnhof ). 5) S.- Straßenpoft" von der Grimmftraße( Amt 59.) über 42( Prinzessinnenstraße), 26. und 14.( Neue Roß­straße). 6) SO.- Straßenpofi" vom Görlizer Bahnhof( Amt 36.) über 33. und 16.( Röpnickerstrake). 7) 0.- Straßenpoli" vom Schlesischen Bahnhof ( Amt 17.) über 27.( Wallner­8) NO- Straßenpost" von der Frankfurter Allee ( Amt 34.) über 18, 43. und 25.( Königsgraben) 9) ,, II. N.- Straßenpoft von der Danzigerstraße( Amt 58.) über 37., 54.( Lothringerstraße) und 22. 10) I. N.- Straßenpoft" von der Schulstraße( Amt 65.) über 39.( Wedding ), 4.( Stettiner Bahnhof) und 24. 11) NW.- Straßenpoft" von Moabit ( Amt 21.) über 52., 40.( Lehrter Bahnhof ), 6.( Marienstraße) und 7. Die II. N.- Linie hat eine Abzweigung vom Gesundbrunnen ( Amt 20.) und von der Huffitenstraße( Amt 31.) über Amt 28. Mehrere der Wazen berühren auf dem Rüdwege Aemter, die sie auf dem Wege nach dem Mittelpunkte der Stadt übergehen. Die Länge der Kurslinien und die Geschwindigkeit der auf den felben verkehrenden Wagen find so bemessen, daß durchschnitt lich jeder Kurs in 22 Minuten befahren werden kann. Meistens 10 Minuten nach jeder vollen Stunde seßen sich die Wagen von den an der Grenze des Stadtgebiets gelegenen Abgangs punkten der Kurse in Bewegung; fie treffen 35 Minuten nach der vollen Stunde beim Stadtpoftamt ein, halten dort 10 M nuten und kommen meist 5 Minuten nach der vollen Stunde auf dem Abgangspunkte wieder an. Die Wagen befördern natürlich die auch nach auswärts bestimmten Briefe, und zwar in gefchloffenen Beuteln. Die 840 verfchiedenen Straßen und Bläge Berlins , von denen mehr als 100 zu verschiedenen oft zu 3, 4, 5, felbst 6 und 7 Bestell- Postämtern gehören, be­reiten den Beamten große Schwierigkeiten. Die Beamten haben 1500, ja felbft 2000 Sendungen in der Stunde zu forliren, und dabei dürfen nur höchstens 3 Fehlleitungen vorkommen. Diese Straßenposten haben im Durchschnitt täglich 70 000 Briefe ordnungsmäßig bearbeitet. Davon sollen 47 000 infolge der fürzeren Schlußzeit und der rafcheren Beförderung gegen früher um 1 Stunde schneller befördert werber. Bet 15 000 Briefen soll die Beschleunigung 2 Stunden betragen; 8000 Briefe endlich sollen 12 Stunden früher, d. h. noch an dem selben Abend, statt am anderen Morgen bestellt werden. Durch die an den Wagen angebrachten Briefkasten sind im Durch schnitt täglich 1000 Briefe eingeliefert worden. Es besteht der Plan, die Briefe von einzelnen Bahr zügen ebenfalls unmittel bar den Straßenposten zu übergeben. Die Mehrkosten des Betriebes betragen rund 50 000 m. jährlich, offenbar feine Summe, welche das Festhalten an dem hohen Stadtporto recht­fertigen fönnte.

Redrow, reis Rottbus, geboren. Während die Leiche des Luft nach dem Tempelhofer Leichenschauhause überführt wurde, wurde Groß, an den Händen gefeffelt, nach dem Amtsgefäng niß überführt, wo er fich auch heute noch befindet. Durch den Gendarm Höhne wurde am Thatorte, im Stalle die blutige Müge des Ermordeten und eine Reule gefunden, mit der, da G. fich in seinen Mittheilungen über die Ausführung der That in Widersprüche verwickelt, nach der Annahme der mit der Untersuchung Beschäftigten, der Mörder das Kartoffelschal­meffer in die Schläfe des Lust getrieben hat. Das in einem Dünger­haufen verscharite Gelb des Ermordeten, 394 Mart, wurde bereits gestern Abend aufgefunden. Der Ermordete war 23 Jahre und hatte, um nach Neujahr seine Braut beirathen zu fönnen, sehr sparsam gelebt. Der Mörder, Christian Groß, steht etwa im gleichen Alter, wie das Opfer feiner grausamen Habgier; als sein Geburtsort wird Radiow bei Rottbus angegeben. Groß diente feit September d. J. bei Hennig; er ist von keineswegs vertrauenerwecken dem Aussehen und soll, obgleich erst 21 Jahre alt, auch schon mehrmals wegen Diebstahls bestraft worden sein. Die tägliche Einkehr des Groß Rienizer Milchfuhrmanns im Hennig'schen Geschäft hatte zu einem freundlichen Verkehr des Ersteren mit dem Knechte Groß geführt, und Lepterer mußte, wie das Rl. J." berichtet, daß Luft seine Ersparnisse stets bei sich zu führen pflegte, damit sie ihm nicht gestohlen würden"( wie er zu äußern pflegte). Luft war ein sehr sparsamer, fleißiger und haushälterischer Mann. An dem Tage der Katastrophe hatte er, wie fchon erwähnt, in leinenem Beutel 394 M. 20 Pf. aus Berlin mitgebracht, und Groß hatte dies bemerkt. Nachdem Luft sich nach fünf Uhr Morgens zur Ruhe begeben, ist er lebendig nicht wieder gefehen worden. Dem Schwieger­sohn der Frau Hennig, Herrn Hecht, gegenüber erklärte Groß, Luft habe Andeutungen gemacht, als wolle er, um noch Weihnachtseinläufe zu besorgen, nochmals nach Berlin zurück; vielleicht sei derfelbe mit der Pferdebahn hinüber gerutscht," meinte der Knecht. Als auch nach 2 Uhr Nach mittags der Milchfuhrmann noch nicht wieder zum Vorschein gefommen war, benachrichtigte Herr Hennig den Gendarmerie wachtmeister Tänzer vom Verschwinden Lun's. Der Wacht­meister ging mit zu dem Hennig'schen Gehöfte, traf dort den Knecht Groß, und dieser erzählte jezt, der vermißte Milch­faticher liege in den Hennig'ichen Riesgruben; dort hätten auch einige Kinder den betrunkenen" Menschen liegen sehen. Kurz vorher hatte Groß dieselbe Mittheilung einem Knechte aus Mariendorf gemacht, aber mit dem Unterschiede, daß diesem gegenüber vont der Leiche Luft's ge sprochen, welcher er( Groß) foeben in den Riesgruben_ganz nahe an der Chauffee gefunden; der Mariendorfer Knecht hatte dies sofort im Hennig'schen Hause gemeldet. Dieser Widerspruch in Groß' Angaben fiel dem Wachtmeister sofort auf, und er veranlaßte nun den Knecht Groß, mit zu der etwa 200 Schritte entfernten Riesgrube zu gehen; so wenig fich Groß auch Anfangs zu dieser Begleitung geneigt zeigte, fügte er fich doch der Weilung, ohne weitere Bewegung zu verrathen. Auch als Wachtmeister Tänzer nach Auffindung des Leichnams den Mörder veranlaßte, die Holzpantinen auszuziehen, und als die. felben genau in die vom Hennig'schen Hofe her zu der Fund- theaterstraße). grube führenden Fußipuren paßten, blieb Groß ziemlich falt­blütig und behauptete bei dem an der Leiche angestellten Ver höre, er habe den Milchkutscher zulegt um 6% Uhr gesehen, als er denselben wedte; er verschwieg auch nicht, daß ihm Lust früh Morgens beim Ausschirren der Pferde einen gefüllten Geldbeutel vor die Augen gehalten mit der Bemerkung, ,, bas wäre ein ganz hübsches Weihnachtsgeschent, wenn friegte." Auf Verlangen zeigte Groß auch dem Wachtmeister ganz ruhig sein Taschenmesser. Die Fußtapfen und die Karrenspur von Hennig's Hof bis zu dem Blaze, wo Luft's Leiche lag, dazu die Unsicherheit in Groß' Angaben waren verdächtig genug, und als nun auch die That fache, daß Groß in der Waschküche eine ziemliche Summe Geldes gezählt, den bei den Kiesgruben versammelten Leuten und Herrn Tänzer gemeldet wurde, sagte dieser dem Groß die Mordthat auf den Kopf zu, und der Mörder leugnete nicht länger. Rasch wurden ihm Handschellen angelegt, und gefesselt mußte er den Rückweg antreten. Bei der Untersuchung der Stelle, wo die Letche lag und ebenso auf dem Wege dorthin wie auf dem Rück nege hatte übrigens der Beamte Sorge ge tragen, daß die Fußspuren vollkommen unberührt blieben. Be vor Groß den Weg zu den Kiesgruben mit dem Wachtmeister antreten mußte, hatte sich dieser noch von dem Knechte die Stelle, wo Luft sich gewöhnlich niederlegte, zeigen lassen; hierbei waren dem Auge des Beamten einige, freilich nur ganz geringfügige Blutspuren an der Lagerstätte nicht ent­gangen. Auf dem Rückwege nach Hennigs Hof hatte sich schon cine ziemlich zahlreiche Begleitung dem Zuge angeschlossen, aus welcher Drohungen gegen den Mordaefellen laut wurden. Der Gefangene wurde daher zunächst in Hennigs Scheune gebracht und so ben Blicken der empörten Menge entzogen. Anfangs hatte er feine Unthat als eine That zorniger Uebereilung zu entschuldigen versucht; Luft habe ihn durch allerlei Nedensarten gereizt, so daß er schließlich in rasender Wuth mit dem Messer auf denselben eingedrungen sei. Jezt in der Scheune ließ fich Groß zu dem weiteren Geständniß herbei, daß nicht der Jahjorn, daß nur Habgier den Antrieb zu der faltblütigen Abichlachtung des schlafenden Milchfuhrmanns gegeben hab. Er beschrieb nun auch den blutigen Vorgang im Einzelnen: Das Gelo habe ihn gereizt; als Luft schlief, sei er demselben, die Stalllaterne in der Hand, auf der Leiter nachgestiegen, und als er dem Schlafenben mit voller Gewalt ein paar Mal das Messer in die Schläfe geftoßen, habe derfelbe fich kaum noch geregt, auch feinen Laut mehr von sich gegeben. Dann habe er den Todten in den Hof hinabgestürzt und auf der Karre in die Kiesgrube ge­fahren. Mit dem geraubten Gelde habe er eme Weihnachts­Damit war es reise nach seiner Heimath antreten wollen. nun nich s; vielmehr mußte der Mörder nun gefeffelt den Weg in das Tempelhofer Amtsgefängniß antreten. Dort hat er sich auch bequemt, das Versted seiner Beute anzugeben. Daß man die geraubte Summe vollständig an dem von dem Mörder be­zeichneten Dite aufgefunden, ist unsern Lesern bereits bekannt. Am Donnerstag Bormittag hat die Obduktion der Leiche des Ermordeten im Tempelhofer Leichenschauhause, wohin diefelbe von der Kiesgrube aus gebracht worden war, stattgefunden; Groß mußte dem graufigen Afte beiwohnen und that dies, ohne irgend welche tiefere Gemüthsbewegung zu verrathen. Groß sieht seiner Ueberführung in das Moabiter Gefängniß entgegen, nachdem er gestern Vormittag noch in Tempelhof von Seiten der Kommission, welche den Thatort und die Fundstelle der Leiche einer genauen Befichtigung unterzog, einem weiteren Berhör unterzogen worden ist.

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Der Raubmörder des Bigarrenhändlers Lehmann in Charlottenburg i ermuteit. Im Geschäftslokal des Berunglückten war ein Seitens eines Schlosser Behrend an demselben gerichteter Brief vorgefunden worden. In dem felben benachrichtigt B. dem L., daß er ihn am Abend( der That) zum Zwecke des gemeinschaftlichen Besuches einer Dirne abholen werde. Behrend, der bei Verwandten wohnt und, gleich anderen Verdächtigen, obfervirt wurde, hatte so bedent fiche Aeußerungen gethan, daß die Polizei am Sonntag Mor­gen zu seiner Verhaftung zu schreiten sich veranlaßt fah. B. hat ben Mordverfuch sowie den Raub eingestanden.

Der Weihnachtsabend ist vergangen, ohne daß einer der Tausende von Weihnachtsbäumen ein Brandunglück ver­anlaßt hat. Am ersten Feiertag früh hatte dagegen die Feuer­wehr recht anstrengend zu thun. In früher Morgenstunde brannte ein Breßtohlenlager am Görliger Bahnplot, bann war in vierstündiger Löscharbeit in der Elfafferstraße 20 ein Dach­Stuhlbrand zu bekämpfen.

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Polizei- Bericht. Am 24. d. M. Vormittags fiel ein 13jähriger Stnabe beim Hineufiragen eines Sades mit Feuerungsmaterial durch das schabhafte Treppengeländer im zweiten Sock des Hauses Landsberger Allee Nr. 134 in den ersten Stock hinab und erlitt dabei so schmere Verlegungen, daß er nach dem Krankenhause am Friedrichshain gebracht werden mußte. In der Nacht zum 25. d. M. erhängte sich eine Frau in ihrer Wohnung in der Dresdener ftraße, vermuthlich in einem Anfall von Geistesstörung . Am 25. b. M. Vormittags wurde hinter dem Grundstück Mühlenstraße 80 die Leiche einer unbe­fannien, etwa 60jährigen Frauensperson aus der Spree gezogen, und zu derselben 3- it auf dem Anhalter Außen. Bahnhof unter einem Schuppen die Leiche eines unbekannten, etwa 35jährigen Mann's aufgefunden. Beide Leichen wurden nach dem Schaubause geschafft.- Am 24. und 25. d. M. fanden an 9 verschiedenen Stellen fleinere Brände ftatt, welche von der Feuerwehr gelöscht wurden. Am 26. b. Mis. Nachmittags sprang ein unbekannter, etwa 30jähriger Mann von der Schillingsbrüde in die Spree und ertrant. Abends fiel ein Hofpitalit vor dem Hause Brunnen ftraße 32 infolge eines Fehltritts zu Boden und brach die linle Kniescheibe, so daß er nach dem Lazarus- Krankenhause In der Nacht zum 27. b. Mts. gebracht werden mußte. verfuchte ein Mäschen in der Wohnung eines Arztes fich mittelft Morphium zu vergiften. Nach Anwendung von Gegen­mitteln wurde es nach der Charitee gebracht. Im Laufe des 26. b. Mts. fanden an drei verschiedenen Stellen kleinere Brände statt, welche von der Feuerwehr gelöscht wurden.

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Gerichts- Beitung.

Das Flugblatt, welches in der Nacht zum 30. Mai b. J. in allen größeren Städten und Flecken des Nieder- Barnimer Kreises verbreitet wurde und welches dem Minister des Innern, Herrn Herrfurth, gelegentlich der Debatten über das Sozialisten­geleß im Reichstage als Beweismittel" für die revolutionären" Bestrebungen der deutschen Sozialdemokratie diente, hat nun­mehr zu einer Anflage gegen mehrere Arbeiter geführt, welche theils bei der Verbreitung des Flugblattes verhaftet wurden,

theils als Mitverbreiter bezichtigt werden. Es sind die Former Gustav Beiße zu Steinidendorf, der Zimmermann Eduard Hausotter zu Berlin , der Buchdruder Mar Ehrlich zu Reinickendorf , der Arbeiter Robert Wilhelm und der Dachdecker uauit Schulze zu Oranienburg und der Inftrumentenbeuer Rich. Hamm zu Friedrichsberg. Die Angeklagten follen durch Verbreitung des Flugblattes, tas mit den Worten: Wähler, macht die Augen auf!" beginnt, in Beziehung auf den Reichskanzler, als verantwortlichen Leiter der Regierung, sowie das preußische Staatsministerium wider befferes Wffen unwahre Thatsachen behauptet und verbreitet haben, welche geeignet find, diefelben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; ferner ent ftellte und e: dichtete Thatsachen, dies wiffend, öffentlich be hauptet und verbreitet haben, um dadurch Staatseinrichtungen und Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen. Weiter follen fie durch dieselbe Handlung in einer, den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Bevölkerungsklaffent öffentlich gegen einander aufgereizt haben, endlich ohne polizei­liche Erlautniß an öffentlichen Diten Drudicrften verbreitet haben. Hamm ist außerdem noch angeklagt, eine verbotene Druckschrift verbreitet zu haben.( 5. ist augenblidlich, als Defter reicher, aus Friedrichsberg auf Grund des Freizügigkeits Gesetzes ausgewiesen worden, weil er fich läftig" aemacht het.) Die Angeklagten sollen sich mithin gegen die§§ 185-187, 200, 200, 130, 131, 47, 73, 40-42 bes Strafgefehbudes, §§ 6, 23, 24 des Preßgefeges,§§ 28 10, 11, 12 des Sozialistengefeges, fomie gegen§ 94 ff. der Straf- Broz- Ordnung vergangen haben. Bezüglich des ersten Punttes der Antlage: Beleidigung des Reichskanzlers u. f. m." hat ter Reichskanzler und das Staatsministerium Strafantrag gestellt.

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Elberfelder Sozialistenprozek.

Abendsigung.

Staatsanwalt Pinoff: 35 werde auf die Bertheidi gungs den eingehen, soweit sie Rechtsinthümer enthalten. Von allen drei Bertheidigern wird angeführt, daß eine Verbin bung etwas fefteres fei, als ein Barein. Wenn man diese Definition annimmt, kann man allerdings zu den Schlüffen der Vertheidiger fommen. Der Begriff Berbindung ist aber turch die Entscheidung im Prozesse Vollmar und Genoffen festgestellt.

Als sicher muß angenommen werden, daß, wenn eine Dr ganisation zur Partei tomme, diese zur Verbindung werde. Es ist mir entgegen gehalten worden, daß auch andere Par trien Organisationen haben; das find meines Erachtens dans Berbintungen. In der Natur der Sache licat es, daß, jentehr Agitation getrieben wird, je intensiver biefelbe ist, man defo mehr zur Verbindung getrieben wird. Ich gehe noch weiter und sage, daß alle Parteiorganisationen Vereinscharakter an nehmen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Sozia demokratie die Organisationen anderer Parteien sich zum Muster genommen hätte.

Die Organisation der Sozialdemokratie vor dem So zialistenges war eine ftreng zentralisirte. MIs fie zer fört wurbe, suchte man die Trümmer wieder zu ver einigen. Die örtlichen Verwaltungen sind nur die früheren Mitgliedschaften der Arbeiterpartei. Die Organisationen an derer Parteien unterstehen nicht den§§ 128 und 129, weil sie nicht geheim oder ungefeßlich find. Bei der vorliegenden Dr ganisation ist aber der 3wed, Geseze, namentlich das Sozialisten gefeß zu umgehen.

Es ist exemplifikt worden auf den Freimaurerbund; bas ist aber keine Verbindung, die vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll.

N

Es ist gesagt worden, die Verbreitung des Soz." sei der einzige 3wved der Verbindung; das ist aber nur eine Funktion derselben, allerdings eine bedeutende. Der Angeklagte Bebet ift taktisch richtiger vorgegangen als die Bertheidiger, indem er fagte, bie Kundgebung Organisirt Euch!" im Sos." fei nidt von der Parteioertretung ausgegangen, während die Ber theidiger behaupten, die Rundgebung enthalte nichts Unerlaubtes, es fönnte ja die Gründung von Liebe und Fachve: einen ge meint sein. Warum wird dann aber zur Verfchwiegenheit und Vorsicht gemahnt? In Liedervereiren giebt es boch feire Bolizeifpiene. Ih bin der Meinung, daß nur eine geheime Organisation beabsichtigt war. Es wird ferner die Verbreiturg von Parteibrofdüren empfohlen. fowie das Sammeln für Parteizwecke. Ferner wird die größte Vorsicht angerathen. Auch die Eklärung des Abgeordneten Bebel, daß die Kund­gebung nicht von der Parteivertretung ausgehe, wird meines Erachtens widerlegt durch das Wytener Protokoll. Danach murde dort den Parteivertretern vorgeworfen, fie hätten nichts für eine Organisation gettan. Die Kundgebung ist die Ant wort barauf, das Resultat der Wydener Berhandlungen.

Aus dem Laufe dieser Verhandlungen zu Wyden geht hervor, daß der Soz." von den Parteisertretern gegründet wurde. Es wurde den Lepteren vorgeworfen, baß fie bas Bartiorgan fo fpät gegründet hätten. Dort hat auch Der Vertreter des Soz." bereits bereits erklärt, auf welche Art und Weise es gemacht werden müsse, um den Soz." in Deutschland so viel als mölich zu verbreiter. ( Reoner verliefst eine Stelle des Protokolls.) Es fann ein gewendet werden, daß die Fraktion teine Kenntniß von der rt ber Be breitung des Soz" habe. Wenn gefagt wurbe, die Redaktion und Erpedition des Soz." renommire häufig mit ihren Gefdäftsüberschüffen, so ist doch kein Widerspruch zwischen dem Kongresbericht und anderen Erklärungen.

Es wurde gesagt, die Organisation sei unnöthig wegen der politischen Schulung der Sozialdemokratie. Auf den Kor greffen wurden aber Anträge auf Organisation gestellt. Rur um den Behörden feine Gelegenheit zum Einschreiten, feinen Einblick zu geben, wurde darüber hinweggegangen. Erst in diesem Prozek haben wir Einblick bekommen in die Fäden, welche die lokalen Verwaltungen mit dem Soi." und mit ber Fraktion verbinden. Der Abgeordnete Bebel ist in diesen Prozeß hineingezogen, meil er Raffirer der allgemeinen Vers bindung ist, wie sich aus dem bei ihm vorgefundenen Material ergiebt.

Allerdings haben Streitigkeiten zwischen dem Sozial demokrat und der Fraktion stattgefunden; der Ausgang diefer Scharmügel ergiebt, daß der Sozialdemokrat" in der Fraktion. eine Mejorität, zum Wenigften aber eine fta: fe Minorität hatte, zu welcher auch Bebel gehörte. Wenn man zwischen den Zeilen zu lesen versteht, ergiebt sich dies auch aus der Aus fage Biered's. Auch der Artikel, worin von der Abfezung Aus der der Redaktion gesprochen wird, ist inspirirt. Sammlung und Verwaltung von Parteifonds wird auf eine Verbindung geschlossen. Diese Berbindung ist dieselte, die auch die ungefeßlichen Brede der Verbreitung des Sozial­demokrat" c. hat.

Der Staatsanwaltschaft ist ein Rechtsirrthum vorgeworfen worden. Ich verweise auf das Urtheil des Düffeldo: fer Ge­richts, wonach ungefeßliche Zwede und Mittal auch zum That bestand des§ 129 gehören. Wenn unverbotene Schriften in Maffen auf den Markt geworfen werden, fo liegt darin die Absicht, dem Verbot zuvorzukommen. Die aller wirksamste Umgehung des Sozialistengefeges ist es, wenn der Apparat so präzis arbeitet, daß ein Verbot umgangen werden kann.

Es widerstrebt mir, über den Raths tammerbeschluß a fprechen. Hier ist aber unzweifelhaft schon festgestellt, daß eine allgemeine Verbindung zur Verbreitung des Cog." befteht. Das zwingt zu dem weiteren Schluß, daß die allgemeine Ber bindung auch noch andere 3wede hat. Der Beschluß nimmt nur örtliche Organisationen zum Zweck der Verbreitung bes