und Heizer, die an 80 000 Mitglieber zählen soll, steht zu den Streifenden und befördert kein Schiff, das mit Rohlen für die Südlondoner Gaswerke befrachtet ist. Was in Barken bisher herangeschleppt worden, ist aber nicht der Nede werth. So wenigstens wird von Seiten der Streifenden behauptet.
In wie weit es richtia, entzieht sich meiner Beurtheilung, bagegen scheint mir so viel ficher, daß im gegenwärtigen Stadium nur noch die Fernhaltung der Rohlenzufuhr die Möglichkeit bietet, den Sieg der Gesellschaft abzuwenden. Zwar hat sie nicht so viel Blaklegs erhalten, als sie zum regelmäßigen Betrieb der Werke braucht, von den Eingestellten hat ein Theil wegen nicht genügender Leistungsfähigkeit wieder entlassen werden müffen und eine erhebliche Anzahl wird den bereits Entlaffenen noch folgen; von benen ganz abgesehen, die freiwillig auf die Höllenarbeit" verzichten. Kurzum, wie ich jüngst schrieb, es hat fich gezeigt, daß es mit der unqualifizirten" Arbeit nicht fo einfach ist, wie das Wort sich ausspricht. Aber die Gesell. fchaft hat doch genug Arbeiter gefunden, um die Streifenden in Schach zu halten, und da es ihr an Geldmittel nicht fehlt, so würde das unter normalen Umständen genügen, ihr den Sieg zu sichern. Der Winter ist für alle Arbeiter eine ungünstige Jahreszeit, die die Konkurrenz der Land- 2c Arbeiter zu fürchten haben. Er bietet den Unternehmern eine Möglichkeit der Auswahl, wie fie fie fich nicht beffer wünschen können, und vielleicht nirgends in gleichem Maße wie in England mit seinen eigenartigen agrarischen Verhältnissen. Das baben die Arbeiter eben nicht bedacht, als fie den Kampf mit der Gesellschaft aufnahmen, mie fie überhaupt ihre Position nach verschiedenen Seiten hin überschäßten. Sie rechneten mit einer Stimmung im Publikum und in der Preffe, wie sie beim Dockerstreit und bei den Streits berf Schwizarbeiter" in East- End fich äußerte, und sind grausam enttäuscht worden. Die Preffe nahm mit wenigen Ausnahmen gegen sie Partei, und von den paar Blättern die sich ihnen freundlich zeigten, stand wiederum die Mehr heit nur theoretisch" auf ihrer Seite, d. h. fie beschränkten sich auf Lamentationen, thaten aber nichts, das Publikum für die Sache der Streifenden zu wärmen. Dieses hat sich denn auch von Anfang an, wo nicht direkt feindlich, so mindestens absolut ablehnend den Streikenden gegenüber verhalten, von den Kleingewerbetreibenden derjenigen Viertel, wo die meisten Streifenden wohnen, abaesehen. Und bie Polizei, die beim Dockerstreit vor aller Welt mit den Streifenden fraternifirte, hat den Gasarbeitern gegenüber eine Haltung beobachtet, die sie ihren festländischen Kollegen würdig an die Seite feßt. Es find mir Fälle mitgetheilt worden, wo Polizisten angeworbene Blacklegs, die sich auf die Seite der Streifenden schlagen wollten, mit Gewalt in die Gasanstalten hineintrieben, ferner find Streifende ohne jede Provotation ihrerfeits von Polizisten mishandelt worden, so u. A. auch W. Thorne, der sehr befähigte Präsident der Gasarbeiter Union . Trozdem das Bideting", das Ausstellen von Beobachtungspoften, in England gefeßlich ist, hat die Polizei an verschiedenen Stellen die Arbeiterpidets fortgetrieben, fie verhindert, die angeworbenen Blacklegs anzusprechen. Dagegen hat man die Blacklegs in solcher Weise gegen die Streifenden aufgehegt, daß am lekten Sonntag einer derfelben sich berechtigt glaubte, auf einen Streifenden ungestraft schießen zu dürfen.
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Woher diese Wandlung? Es laffen fich Erklärungsgründe verschiedener Art dafür anführen. Zum Theil dürften die ungefchickten Drohungen, nicht der Streitenden felbft, aber einiger jener Alliirten viel böses Blut gesezt haben. Weiter scheint bie Toryregierung, die nun einmal wenig Hoffnung hat, die Stimmen der Arbeiter zu erlangen, das Bedürfniß zu fühlen, dem Großbourgeois und dem Philisterthum wieder einmal ihren Beruf zur Staatsrettung zu dokumentiren, und ein Streit, der nicht durch die Noth, sondern lediglich durch den Eigensinn -lies Unabhängigkeitsfinn, der Arbeiter gezeigt worden, bot bazu eine ganz paffende Handhabe, und schließlich ist die Sympathie des großen Publikums überhaupt ein Mode- Artikel, der mit der Jahreszeit wechselt. Wie Herr Livesey es versteht, den Biedermann zu spielen, habe ich im vorigen Brief gezeigt, auch jezt noch läßt der Herr teine Gelegenheit vorübergehen, zu be theuern, daß es ihm durchaus fern liegt, die Gewerkschaft der Gasarbeiter sprengen zu wollen.
Daß er diese Betheuerung für nöthig hält, ist an sich ja immer noch ein ganz gutes Zeichen für die Begriffe von den Rechten der Arbeiter hier zu Lande, aber Glauben verdient
Ende gemacht, die fast immer den Arbeitern gefährlicher wird, als ihren Gegnern, ganz besonders aber, wenn fie so wenig theoretisch geschult find, als es das Gros der englischen Arbeiter heute noch ist.
Dagegen wäre es sehr bebauerlich, wenn die Gasgesellschaft schließlich doch als die Siegerin daftehen würde. Nicht nur um bes vielen Elends willen, das damit für die Ausständigen verbunden wäre, sondern auch, was noch mehr in's Gewicht fällt, wegen des Rückschlages auf die ganze Organisations bewegung unter den unqualifizirten" Arbeitern, den neueren Trabes Unionismus", wie es John Burns seiner Zeit nannte.
Von diesem ist es in der legten Zeit recht still geworden. Seine Popularität hat erheblich gelitten. Nicht etwa wegen des Defizits in der Dockerstreik Abrechnung. Niemand macht ihn dafür verantwortlich, wohl aber werden er und Tom Mann als Mitglieder der Organisation der Vereinigten Maschinenbauer von sehr vielen für das feige Verhalten der Lekteren in der Sache des Silvertown- Streits verantwort lich gemacht. Das ist sicherlich übertrieben, aber es ist die natürliche Folge des Aberglaubens an übernatürliche Leistungen Einzelner. So übermenschliches an agitatorischer Thätigkeit Burns während des Doderkreits geleistet, so hätten er und seine Freunde doch jene große Bewegung nicht zu Stande gebracht, wenn eine ganze Reihe von Umständen ihnen nicht zu Hilfe gelommen wären. Wo jene günstigen Umstände wegfallen, find fie eben auch nichts als Menschen wie andere, und ihre Macht findet ihre Grenzen in dem Einfluß anderer Kräfte. Ich will nicht untersuchen, ob nicht Mann und Burns für die Silvertown- Leute mehr hätten thun können, als fie gethan, aber in der Gewerkschaft find fie eben nur zwei Personen, than, aber in der Gewerkschaft find fie eben nur zwei Personen, die fich fügen müssen, wenn sie überftimmt werden.
Uebrigens macht sich bei Burns auch der physische Rückschlag nach den enormen Anstrengungen des Sommers bemertbar. Er ist sehr angegriffen und muß sich die äußerste Schonung auferlegen. Auch materiell geht es ihm nicht besonders. Als er in den Grafschaftsrath gewählt wurde, ver anlaßte ihn der Arbeiterwahlverein von Battersea, der seine Wahl betrieben, feine Stelle als Mechaniker aufzugeben und fich vollständig der Thätigkeit im Grafschaftsrath, sowie der Agitation zu widmen, wogegen er fich verpflichtete, ihm den Betrag seines bisherigen Wochenlohns 2 Std. Sterling gleich 40 Mark fortzuzahlen. Aus einem neuer dings veröffentlichten Aufruf des Wahlkomitee's geht aber hervor, daß Burns, der wöchentlich zwischen 150 und 200 Briefe empfängt", für Porti, Fahrten, Abonnements und andere unumgänglich nothwendige Dinge, von diesen zwei Pfund mindestens die Hälfte wieder ausgeben muß, so daß er viel schlechter dasteht, als wie er noch arbeitete. Das Romitee be zeichnet das als einen Standal", und fordert zu Zeichnungen für den John Burns Lohnfonds" auf.
Weil ich oben den Silvertown- Streit erwähnte, will ich auch noch einmal auf den Zwischenfall Gray- Stopford Brooke zurücklommen. Ich schrieb in einem früheren Brief, daß Herr Direktor Gran gedroht habe, den Reverend" Stopford Brooke auf Grund feiner Predigt über den Silvertown Streit wegen Berleumdung zu verklagen. Darauf hat Stopford Brooke die Gegenerklärung abgegeben, Herr Gran möge nur flagen, wenn er Luft habe, er werde ihm für jede seiner Behauptungen Zeugen ftellen. Und es ward stille über den Waffern.
Ich habe bisher des großen Westend- Standals nicht gedacht, der in der hiesigen Preffe und der des Auslands gewiffes Aufsehen machte. Ich meine, die Sache lohnt nicht der Mühe, viel Worte zu verlieren. Daß vornehme Herren, die nicht wissen, wie sie ihr Geld todischlagen sollen, antike" Paffionen haben, daß fie Schufte von Kupplern finden, die ihnen das Wild zuführen, und daß sich junge Burschen dazu verführen laffen, alles das find ziemlich alte Gefchichten, die sich wiederholen werden, so lange es übersättigte Reiche einerseits und Proletarier andererseits giebt. Gewundert hat mich nur eins, daß die Sache hier überhaupt soviel Aufsehen erregte. Jedenfalls verspüce ich nicht den Beruf in mir, den deutschen Reichspharifäern ins Handwerk zu pfuschen, und denke, jede Nation thut am besten, vor der eigenen Thür zu kehren.
bieſe Betheuerung ebenso viel oder ebenso wenig als die bes Politische
Fuchses, daß es ihm durchaus fern gelegen habe, ben Trauben, bie übrigens abscheulich sauer seien, nachzustellen.
Im Allgemeinen ist übrigens die Verhandlung in der Haltung von Publikum und Presse fein Schade für die Arbeiterfache. Sie hat viele ernüchtert, die fich bereits in einem bedenklichen Verbrüderungsrausch hatten hineinfäufeln laffen. Sie hat ihnen gezeigt, daß trok Händebrüdens von Seiten wohlmeinender Respektspersonen, trog arbeiterfreundlicher Kardinäle und demagogifirender Zukunftsminister, die Arbeiter für ihre Befreiung schließlich immer wieder auf ihre eigene Kraft bezw. die ihrer Arbeitstameraden angewiefen fehen. Sie hat der Süßholzraspelei ein
ihm das erlittene Unglück vorwerfen. Er trat wieder in's Haus zurück.
Der alte Bonnemort saß regungslos auf einem Stuhl. Seit zwei Kameraden ihn nach der Schlacht im Voreux, als Alles vorüber war, auf der Anhöhe neben seinem zerbrochenen Stock, wie einen vom Blizz gefällten Baum zusammengestürzt gefunden hatten, war er wie erstarrt geblieben. Auf ber Erde vor ihm kauerten Leonore und Heinrich und fragten, um ihren Hunger zu stillen, mit Blechlöffeln eine alte Kafferole aus, in welcher am vorigen Tage etwas Kohl gekocht worden. Die Maheude aber hatte eben Estelle auf den Tisch gesetzt und stand mit drohend erhobener Hand vor Ratharinen:
Wiederhole das noch einmal! Wag's und wiederhol' noch einmal, was Du eben gesagt haft!"
Käthchen hatte von ihrer Absicht gesprochen, wieder in den Boreur zu gehen. Der Gedanke, daß sie nichts verdiente, und ihrer Mutter wie ein unnüßes Möbel im Wege stand, wurde ihr unerträglich und wenn nicht die Furcht, Chaval tönne ihr etwas anthun, sie zurückgehalten hätte, sie wäre Sie antwortete schon seit Dienstag wieder eingefahren. stotternd:
Was willst Du.... Man kann nicht leben, ohne etwas zu thun.... Wir würden wenigstens Brot haben.
Die Maheude fiel ihr ins Wort:
Den Ersten von Euch, der arbeitet, erdrossele ich! Das ist zu viel: den Vater haben sie mir getödtet und die Kinder sollten fortfahren, sich von ihnen ausbeuten zu lassen.. Nein! Lieber mögen sie Euch alle hinaustragen zwischen sechs Brettern, wie ihn!"
Und ihr langes Schweigen brach in einer Fluth zorniger Worte: Da hatte sie was, wenn ihr Katharine dreißig Sous nach Haus brächte und dieser Strick, der Jeanlin, vielleicht noch zwanzig, wenn die Kompagnie so gnädig ist, ihm eine Beschäftigung außerhalb der Grube zu geben; fünfzig Sous für sieben Esser! Denn die Kinder verstehen natürlich noch nichts wie essen, und der Alte muß sich bei seinem Falle etwas im Kopf zerbrochen haben, weil er so schwachsinnig
Laffalleaner schon durch die Form der Einladung von der Theilnahme an der Versammlung gänzlich ausge schloffen waren. Ließ der Einberufer, um die Nuheftörer zum Schweigen zu bringen, die Wahl des Vorfizenden zu, fo brach der Spektakel erst recht aus, denn alsdann fochten bie Laffalleaner, wenn sie auch eine noch so fleine Minorität der Versammlung darstellten, die Entscheidung über die Wahl des Borfizenden an. Rurzum, in jeder Weise suchten die Laffalleaner so viel Störung und Tumult in der Bersamm lung zu erregen, bis der überwachende Polizeibeamte auflöfte. In legterem Falle brachen fie in Jubel aus und zogen unter dem Gefange der Arbeitermarseillaise ab. Sie hatten thren 3wed erreicht und den politischen Gegnern die Bersammlungsfreiheit verkümmert."
Mit Verlaub, liebe freifinnige" Tante, das ist Wort für Wort unwahr. Nicht die Anhänger Laffalles bei deffen erstem Auftreten verfahren so, wie hier geschildert, sondern gerade bie Fortschrittler, die nachmaligen Freifinnigen" waren es, welche die Versammlungsfreiheit durch ihr Gebahren unmöglich machten. Anhänger von Schulze- Delißsch und andere Lichter der Fortschrittler waren es, die Laffalle in öffentlicher Versamme lung ins Geficht spieen und alles denkbar Mögliche ver fuchten, ihm den Boden unter den Füßen zu nehmen. Wenn die Anhänger Laffalle's später, als fie erstarkt waren, ben Spieß umdrehten und Gleiches mit Gleichem vergalten, fo übten fie ihr Wiedervergeltungsrecht. Das sollten die Macher der Freif. 3tg." wiffen, und sie wissen es auch. Aber sie flunkern, weil fie ferner wissen, daß die Schriften, in welchen die damaligen Fortschrittler, die jeßigen Freifinnigen", und ihr Thun angenagelt sind, verboten sind und die jüngere Arbeitergeneration fich daher darüber nicht unterrichten kann. Uebrigens sollten die Freifinnigen" von der Vergangenheit schweigen, und zwar in ihrem eigenen Interesse. Noch leben Männer, welche die Rampfesweise der Fortschrittler bei dem erften Auftreten Lassalle's sehr genau kennen, und diese könnten, wenn die Freifinnigen" erst auf's Lügen kommen, dadurch Anreiz bekommen, ihnen ihr Sündenregister Schwarz auf Weiß unter die Nase zu halten. Was den Herren Machern der freifinnigen" Beitung die Influenza bringen könnte.
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Der so lanft entschlafene Volkswirthschaftsrath" foll nochmals zu kurzem Erwachen gebracht werden. Wie einige Blätter zu melden wiffen, soll es nicht ausgeschloffen" sein, daß der in den Bundesrathsausschüssen zur Zeit in Berathung befindliche Gefeßentwurf über Einrichtung von gewerblichen Schiedsgerichten und Einigungsämtern seitens der preußischen Regierung, ehe diese ihr Votum im Plenum des Bundesraths abgiebt, dem Volkswirthschaftsrath zur Begutachtung vorgelegt wird.
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Die Begnadigung des Redakteurs Dr. Bachler scheint doch, wie die Freif. 3tg." ausführt, mit dem Gnadenafte Kaiser Friedrichs vom 31. März 1888 zufammenzuhängen. Allerdings fällt die Beleidigung des Abg. Singer durch die Staatsb. 3tg." nicht unter die Kategorie der vom Gnadenafte betroffenen Beleidigungen von Beamten, dagegen gehört die Beleidigung, wegen deren gegen Dr. Bachler auf Geldbuße erkannt worden ist, zu den mittels der Presse begangenen Vergehen und Uebertretungen, welche in jenen Gnadenerlaß vom 31. März 1888 einbegriffen werden. Der damalige Gnadenerlaß ftellte nämlich Begnadigungen von Amtswegen in Aussicht für alle Verurtheilungen, welche nach dem 31. März 1888 wegen einer vor demselben begangenen unter die Kategorie dieses Gnadenerlaffes fallenden strafbaren Handlung erfolgen oder welche erft nach diesem Tage rechtsfräftig werden. Der bezügliche Artikel der Staatsb. 3tg." foll vor bem 31. März 1888 erschienen sein. Dieselbe Kabinetsordre vom 27. November 1889 hat nicht blos den Redakteur der antisemitischen Staatsbürger Zeitung", Dr. Bachler, sondern auch den Redakteur ber Potsdamer Nachrichten" begnadigt wegen der gegen ihn zuerkannten Strafe in der von dem früheren sozialdemokratischen Reichstagskandidaten Medailleur Krohme angestrengten Privatklage. Der verurtheilte Artikel der Potsdamer Nachrichten" war vor dem 31. März 1888 er schienen. Die Begnadigung des Dr. Bachler entbehrt darnach jeder individuellen Bedeutung und ist nur eine formale Ronfequenz einer von dem Kaiser Friedrich ertheilten allgemeinen Buficherung, welche auch für seinen Nachfolger auf dem Throne verbindlich war. Dr. Bachler mußte der wirkliche Thatbestand bekannt sein. Derselbe hat offenbar nur zu antisemitischen
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Politische Lebericht. Reklamezveden unmittelbar vor dem neuen Quartal dieſe
Die Versammlungsfreiheit und die Sozialisten." Unter diefer Sitchmarke schreibt die Freis. 3tg." zu Anfang eines längeren Artikels:
Bei dem ersten Auftreten Ferdinand Laffalle's kennzeich. nete es die Anhänger deffelben, daß fie in jede politische Versammlung ohne Unterschied, mochten sie nun nach der Anfündigung der Verfammlung dazu berechtigt sein oder nicht, eindrangen und sogleich nach der Eröffnung in tumultuarischer Weise die Wahl des Vorsitzenden durch die Versammlung beantragten. Das geschah auch dort, wo die Versammlungen von Vereinsvorständen einberufen waren und sogar die
breinschaut! oder vielleicht ist ihm das Blut in's Gehirn gestiegen, als er die Soldaten auf die Kameraden schießen sah?
Nicht wahr, Alter, mit Euch ist's aus, Euch haben sie vollends hingerichtet?"
Bonnemort blickte sie mit seinen erloschenen Augen an, ohne zu verstehen. Er blieb stundenlang so stumpf und that nichts, als von 3eit zu 3eit in einem mit Asche gefüllten Topf zu fpucken, den man der Sauberkeit wegen neben ihn gestellt hatte.
Seine Pensions- Angelegenheit ist auch noch nicht erledigt; ich bin sicher, sie werden ihm nichts geben, wegen unserer Ideen. Nein, fag' ich, es ist zu viel!"
Aber," wandte Käthchen ein, sie versprechen doch in ihrer Ankündigung.
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,, Willst Du mir Ruh' geben mit ihrer Ankündigung! Nichts als Vogelleim, um uns zu fangen..."
Aber Mama, wohin gehen wir also, denn man wird uns doch gewiß nicht im Dorfe behalten?"
Die Maheude machte eine verzweifelte Geberde: Wohin? Sie wußte es nicht und vermied, darüber nachzudenken, denn es brachte sie um den Verstand. Irgendwohin!... Das Das Kreischen der Kafferole wurde unerträglich, sie stürzte auf Heinrich und Leonoren und gab ihnen ein paar Ohrfeigen. Die Kinder heulten. Estelle troch auf allen Vieren am Tisch herum, fiel herunter und schrie...
,,, wenn sie sich den Hals gebrochen hätte!" rief die Maheude.
Ihr fiel Alzire ein, die habe das beste Loos erwählt, erklärte fie, möchten die Andern auch so weit sein! Dann brach fie plöglich in ein heftiges Weinen aus; lehnte das Gesicht an die Mauer, und ihr Oberkörper wand sich in trampfhaftem Schluchzen.
Stephan hatte nicht gewagt, sich in das Gespräch zu mischen; es tam ihm vor, als zähle er nicht mehr mit im Hause: selbst die Kinder wichen mißtrauisch vor ihm zurück. Aber die Thränen der unglücklichen Frau brachen ihm das Herz, und er sagte tieferschüttert:
Aber, aber, Muth! Es wird ja Alles besser werden!" schien ihn nicht zu hören, noch immer flossen ihre Thränen, und dazwischen sprach sie mit kläglichem Zon:
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Begnadigung als eine ihm persönlich zugedachte wartete Weihnachtsfreude" dargestellt. Es ist dies allerdings für die Art dieser antisemitischen Agitatoren bezeichnend. Wir bedauern durch diese Darstellung mit anderen Blättern in der Beurtheilung des betreffenden Falles irre geführt worden zu sein.
Unerklärlich bleibt es nur, wie es möglich war, daß die Begnadigung aus Anlaß der schon im Sommer 1888 wegen Vergehen rechtskräftig gewordenen Strafen fich bis zum November 1889 hat verzögern tönnen, und wie es gekommen ist, daß die Behörden die bezüglichen Geldstrafen beigetrieben haben, obwohl es ihnen vor allem gegenwärtig sein mußte, daß
,, Elend, ist es möglich?... Man hatte wenigstens das Leben! Man aß trodenes Brot: aber es waren doch Alle bei einander... Und was ist denn geschehen! Was haben wir denn gethan, daß wir jest gar so unglücklich sind, die Einen unter der Erde und die Andern mit dem einzigen Wunsch, auch dort zu sein? Wunsch, auch dort zu sein?... Es ist wahr, sie spannten uns ein, wie die Arbeitspferde und es war ungerecht vertheilt, daß wir den Reichen ihren Reichthum vergrößern mußten, ohne je einmal selbst etwas Gutes zu kosten Und wenn man keine Hoffnung hat, verschwindet die Freude am Leben... Ja es fonnte nicht so weiter gehen, man wollte einmal aufathmen; aber wenn wir alles vorher ge wußt hätten!... Ist es denkbar, daß man sich so unglückfelig machen kann, wenn man doch nichts will, als Gerechtigkeit?"
Schmerzliches Stöhnen schwoll ihre Brust, unsägliche Traurigkeit verschleierte ihre Stimme. Sie fuhr fort:
Aber an Klugschwäßern fehlt's nicht, die versprechen, daß Alles besser werden wird, sobald man nur den Entschluß faßt, sich zu helfen. Sie reden Einem das Blaue vom Himmel herunter, und man läßt sich bethören, denn man ist ja so unglücklich!.. Ich, ich fafelte schon wie eine Verrückte, meiner Seel'; ich träumte von Freundschaft mit der ganzen Welt, ich war in den Wolken, und wenn man wieder hinunterfällt in den Duart, zerbricht man sich das Kreuz Alles war Lüge, nichts giebt es von den ver sprochenen Herlichkeiten; was es giebt, ist Elend, noch einmal Elend und Flintenschüsse obendrein!"
...
Die Thränen der armen Frau brannten Stephan auf der Seele; aber er fand kein Wort, die durch den Sturz aus ihren Illusionen Berschmetterte wieder aufzurichten. Sie war jest mitten in's 3immer getreten, blickte ihn an und ihn wieder duzend, sprach sie zornig:
Und Du, willst Du auch in die Grube zurückkehren, nachdem Du uns um Alles gebracht haft? Ich mache Dir keinen Vorwurf; aber ich an Deiner Stelle, ich wäre längst gestorben vor Gram über den Jammer, den ich über bie Kameraden heraufbeschworen!"
( Fortjesung folgt.)