habe er keine derartigen Angaben gemacht. Er bitte um Freifprechung.
Dr. Schmidt konstatirt, daß er den Soz." nur bis 1886 gehalten habe. Damals fei eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet worden wegen Majestätsbeleidigung, auf auf Denunziation des Wirths Kirstein, der sich hier als Polizei fpion entpuppte. Von jebem Standpunkte aus sei er freizu fprechen.
Süttenberger bemerkt, daß zu jeder Reichstagswahl fich ein Wahlkomitee tonftituirte, das aber öffentlich auftrat. Er habe stets fich gegen eine Gebeimorganisation erklärt, da man diese nicht brauche. In dem Reinsdorff'ichen Prozeß habe fich ergeben, daß Palm dafür sorgte, daß Küchler nach dem Niederwaldbenkmal reisen fonnte. Rein Sozialdemokrat habe etwas damit zu thun gehabt.
Esplör refapitulirt die gegen ihn vorgebrachten Zeugen aussagen.
Daftig und Lemmer machen furze Bemerkungen. Stürmer ersucht um seine Freisprechung. Rendel beantragt ebenfalls Freisprechung.
Der Staatsanwalt verlangt das Wort zu einer Erwiderung, worauf Lenzmann erklärt, dann würde die Ver theidigung ebenfalls noch sprechen.
Dr. Schweizer: Nach der Strafprozekordnung gebührt den Angeklagten das legte Wort. Sie müffen also nach dem Staatsanwalt noch einmal zum Worte kommen, ebenso wie die Vertheidigung.
Es tritt eine Pause von 20 Minuten ein.
Staatsanwalt Pinoff: Ich werde furz auf die Ausführungen Bebels antworten. Ich muß auf die bezügliche Be merfung Bebels erwidern, daß ich gerade auf die fegensreichen Wirkungen des Sozialistengesezes hingewiesen habe. Es ist gefagt worden, die verlesenen Artikel des" Soziald." hätten mit biesem Prozeß nichts zu thun. Vom Standpunkte Bebels mag dies richtig sein, da er den Sozialdemokrat" ja meit von sich abschiebt. Für die gesammte Agitation wird ja der Sozialdemokrat" verantwortlich gemacht. Die Anklage geht aber vom entgegengefeßten Standpunkt aus und behauptet, die Organi fation, die vor dem Sozialistengefeß bestanden, besteht heute noch. Den Vorwurf, daß der Anklage ein Quidproquo unterlaufe, muß ich zurückweifen. Es ist eine Thatsache, die sich fonft nicht wiederholt, daß die vitalften Lebensäußerungen der Partei von ihr verleugnet werden. Wenn versucht worden ist von der Partei, immer mehr Attr bute ihrer Thätigkeit nach Zürich zu verlegen, so ist das die Schuld an dem Quidproquo.
Bebel hat heute hervorgehoben, daß unter Organisation nur eine Drganisation für die Wahlen zu verstehen fei. Das ist ein Verfuch, diese lästige Rundgebung aus der Welt zu schaffen. Die Anklage geht davon aus, daß auf Drängen einer großen Zahl der Parteiangehörigen die Gründung des„ Soz." vollzogen wurde. Auf dem Wydener Kongreß wurde ben Parteiführern der Vorwurf gemacht, daß fie zu lange gezögert, ben„ Soz." zu gründen. Ein früherer Freund Moft's", jeden falls Bebel, erklärte darauf: Was kann der Feldherr dafür, wenn die Maffen ihm nicht folgen?"( Der Staatsanwalt bringt eine Stelle aus einer Rede Bebels im Reichstag zur Berlefung.)
Rechtsanwalt Lenzmann proteftirt gegen die Verlesung eines Schriftftüdes seitens des Staatsanwalts und gegen die Berlefung überhaupt.
Bebel: Ich muß bitten, mit dieser Art der Verlesung doch etwas früher zu beginnen, als es dem Herrn Staats anwalt beliebt. Wenn belastende Stellen verlesen werden, so muß die ganze Rede verlesen werden.
Rechtsanwalt Lenzmann: Wir drei Vertheidiger wundern uns böchlichst, daß nach der Aeußerung der Angeklagten, nach der Schlußszene, noch einmal der Staatsanwalt das Wort ergreift.
Staatsanwalt: Diese Reden stehen im Widerspruch mit den Aeußerungen Bebels.
Bebel: Wir haben geglaubt, am Ende der Berhandlungen zu sein, und jetzt geht die Geschichte von neuem los. Wenn die Anflage fich sonst nicht halten fann, so werden die Reichstagsreden fie auch nicht retten.
Rechtsanwalt Lenzmann: Ich beantrage die Ver tagung der ganzen Verhandlung, um uns über das Beweismaterial zu informiren.
Bebel: Wenn ich die Neben nicht zur Hand habe, bin ich nicht in der Lage, mich zu vertheidigen. So etwas, wie von Seiten des Staatsanwalts, ist mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen.
Staatsanwalt: Wenn es nicht vorgezogen worden wäre, das Schlußwort Bebels bis ans Ende hinzuziehen, so wäre ich früher in der Lage gewesen, das Beweismaterial bei zubringen.
Bebel: Wie haben immer nur bestritten, daß wir von Fraktionswegen für die Verbreitung des Soz." und der Broschüren thätig waren. Der„ Soz." war oft Gegenstand von Reichstagsverhandlungen und wir haben stets erklärt, feine fpezielle Verantwortlichkeit dafür zu haben.
Präsident: Wenn Werth darauf gelegt wird, so muß ich allerdings die ganzen Reden zur Verlesung bringen.
R.-M. Lenzmann: Die Staatsanwaltschaft hat lange genug Zeit zur Vorbereitung gehabt und konnte dies neue Beweismaterial auch vor sechs Wochen bringen.
Staatsanwalt: Ich fonnte nicht wissen, daß Bebel bestreiten würde, daß der Soz." je Ueberschüsse an den Parteifonds abgeliefert habe.
Bebel wiederhot seine frühere diesbezügliche Erklärung. Präsident: Es bleibt nur übrig, die ganzen Neden zu
verlesen.
Rechtsanwalt Lenzmann besteht auf Bertagung. Rechtsanwalt Dr. Schweizer: Ich mache den Ver mittelungsvorschlag, daß der Staatsanwalt mündlich aus dem Gedächtniß die Reden wiederhole.
Präsident: Die Neden haben gar keinen 8wed. Rechtsanwalt Lenzmann: Der Ansicht bin ich auch. Bebel: Ich erkläre, daß meine heutigen Ausführungen genau mit meinen früheren übereinstimmen, wenigstens dem Sinne nach.
Gerichtshof zieht sich zur Berathung zurück, als beren Resultat der Präsident verkündet, daß der Gerichts. beschluß nicht verkündigt zu werden brauche, da der Staatsanwalt mündlich die Hauptmomente vorführen werde.
Staatsanwalt Pinoff: Der Abgeordnete Bebel hat ausbrücklich ausgeführt, daß mit dem Sosialistengeses nichts er reicht würde, da man Zusammenfünfte, Spaziergänge und dabei die Verbreitung von Broschüren nicht hindern könne. 1884 hat fich Bebel ganz anders ausgedrückt, indem er die große Auf lage des Partetorgans und der Broschüren, sowie die Ueber fdüffe des Go." erwähnte. Das ist im Laufe der Verhand lungen beftritten worden. Demgegenüber ist die Aeußerung Bebels von der Tribüne des Reichstags herab wichtig, weil sie übereinstimmt mit den Rundgebungen des Sos." und mir nicht mehr entgegengehalten werden kann, dieſe feien Renommage. Den Abgeordneten ist die Art und Weise bes Bertriebes besos." genau bekannt. 1886 fagte Bebel, der Goz." babe bedeutend an Auflage gewonnen und es könnte jedes beliebige Quantum verbotener Drudschriften ungehindert in Deutschland eingeführt werden.
Die Auffaffung des Abgeordneten Bebel vom Freiberger Urtheil weicht von der bes Sox." bedeutend ab. Im Reichstag hat er zugegeben, daß thatsächlich eine Organisation zur Berbreitung des Soz." besteht. Nun müssen wir einen Schritt weiter gehen und fagen, an der Spike dieser Organisation teht neben der Redaktion und Expedition des Soz." die
Bart ivertretung, benn es handelt sich um Parteibroschüren. Wenn Bebel fagt, der Soz." fei Parteifaffenleerer, so ist er
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burch seine Aeußerungen im Reichstag widerlegt. Ich gebe gerne zu, daß die Art und Weise der Quittirung der 9000 m. den Schluß zuläßt, daß kein inniges Verhältniß zwischen dem Soz." und der Fraktion bestand. Infolge des Freiberger Ur theils hat man aber die Art der Quittung gewählt.
Wenn noch Bande der Freundschaft zwischen den Parteiführern und den vom Ausweisungsbeschluß des schweizer Bundesrathes als Ausschuß bezeichneten Personen stehen, so ist das Verhältniß zwischen ihnen noch ein weit innigeres, als angenommen worden.
be
Die Anflage hat nicht ohne Grund ihre Auffassung bezüg lich der Fonds festgestellt. Auf dem Kopenhagener Kongreß wurde eine Revision in Zürich beschlossen. Wenn das Ver hältniß fo tlar wäre, hätte man für die Revifion nicht mehrere Tage in Aussicht genommen. Bezüglich der schwarzen Lifte" verweise ich auf das Kopenhagener Kongres protokoll, worin bereits die Anfänge der fchwarzen Liste" zu suchen find. Das mar 1883 und 1885 wurde die schwarze Liste" herausgegeben. Wenn man die Herausgabe hätte verhindern wollen, so hätten fich Mittel und Wege gefunden.
Die Anklage nimmt das Niedersehen von Schiedsgerichten an; da ist im Wydener Protokoll noch ein Fall erwähnt.
Die örtlichen Organisationen find nichts weiter, als Schöpfungen und Organe der allgemeinen Verbindung und stellen sich als politische Vereine dar, nur als geheime und ungefeßliche. Dafür haben wir Beweise in dem Schriftwechsel und den Anweisungen. Wir haben gehört, wie die Parteivertretung durch Rongreffe geschaffen und umgekehrt die späteren Kongresse von der Parteipertretung einberufen wurden. Die örtlichen Organifationen find nur dazu da, den Parteibestrebungen zu dienen. Wenn man den Artikel Organisirt Euch!" unbefangen liest, so ergiebt sich, daß au örtlichen Verbindungen aufgefordert murde. Die fremden Bolizeibeamten haben bekundet, daß an verschiedenen Orten Organisationen bestehen. Der jeßige Prozeß hat aber weiter bliden laffen.
Ausgehend von dem Beweismaterial ist teine andere Thatfache erwiesen, als daß der Soz." Parteiunternehmen ist und von der Partei ausgenugt wird. Je mehr der Soz" profperirt, desto mehr werden sich die Verbindungsfaffen füllen. Es kann nicht eingewendet werden, daß die Fondsverwaltung mit den übrigen 8meden der Verbindung nichts zu thun habe; der Ertrag der Schriften fällt ja in die Fonds.
Wenn gefagt wird, daß die Erklärung im Oktober 1886 bas Verhältniß zwischen Soz." und Fraktion löfte, so weise ich auf den Schluß der Erklärung hin, sowie auf die Erklärung der Redaktion. Entweder ist eine Aenderung des Zustandes nicht gewollt oder nicht vollbracht.
Ich bin der Anficht, daß die Anklage in allen Punkten durch die Beweisaufnahme bestätigt worden, und halte alle Anträge aufrecht.
Bebel: Ih würde es als eine Beleidigung des Gerichts. hofes betrachten, noch einmal auf die Rede des Staatsanwalts einzugehen. Durch Wiederholung derselben Anklage wird nichts beftätigt. Glauben Sie, meine Herren Richter, daß die vom Staatsanwalt angezogenen Artikel von 1880 Alles bas geschaffen, was heute ist? Unter Tausenden hat kaum Einer den Artifel gelesen. Wenn ich mich auf dem Wydener Kongreß als Feldherr hingestellt hätte, wäre ich ausgelacht worden. Was die Reichstagsrede anbetrifft, fo fagte ich bios, wenn uns unfere Litteratur verboten würde, so würden wir uns die ausländische auf gefeßlichem Wege zugänglich machen. Die Rede richtete sich gegen das Sozialistengefeß und wird jeht zu einem Motiv der Anklage gemacht.
Als wir uns mit der Gründung des„ Soz." einverstanden erklärten, verlangten wir, daß das Blatt fich in den ftrafgesez lichen Schranten hielt. Ta verlangten aber die Leser, das Blatt müsse schärfer schreiben. Das habe ich im Reichstag als eme Folge des verbitternden Sozialistengesezes erklärt. Man denkt doch nicht, daß aus jeder Redewendung ein Staatsanwalt uns den Strick dreht. Ich erinnere an das Wort Fouchers, des Polizeiminifters Napoleons L. : Gebt mir drei Zeilen von Jemand in die Hand und ich bringe ihn an den Galgen!" Das versteht der Staatsanwalt, die Worte zu verdrehen.
Nie wurde in der Fraktion über den Soz." verhandelt, das haben die Zeugen bekundet. Daß der Soz." nach Deutschland eingeschmuggelt wird und dort Agenten hat, beftreite ich nicht. Daß derartige Agenten als Mitglieder eines Geheimbundes, der in Zürich seinen Siz hat, beftraft wurden, ist gerichtskundig. Ueber die Quittung von 9000 Mart ver liere ich weiter fein Wort mehr. Wenn ich in St. Gallen warnte, Gelder nach Zürich zu schicken, so war dies auf Grund meiner Erfahrungen natürlich. Schließlich werden auch noch die Freundschaftsverhältnisse zum Gegenstand der Anflage. Der Staatsanwalt hat ja schon einmal gesagt, die Freundschaft mache die Sache noch verdächtiger.
Was die Revision in Zürich betrifft, so hätte ich doch nicht geglaubt, fo viele Worte um eine so einfache Sache verlieren zu müssen. Daß die Revision mehrere Tage in Anspruch nahm, ist selbstverständlich. Schiedsgerichte, deren Spruch öffentlich bekannt gemacht wurde, sollen Merkmale einer geheimen Verbindung sein. Die Aussagen der Polizeibeamten aus den Goßstädten halte ich für entlastend. Wenn in allen Prozessen nichts für das Bestehen der allgemeinen Verbindung erbracht werden konnte, so kommt das den Angeklagten zu Gute.
Die Sigung wird auf Montag, Nachmittag 5 Uhr vertagt. Elberfeld , den 30. Dezember 1889.( Privatdepesche) Freigesprochen 43, darunter sebel, Grillenberger, Schumacher und Oertel. Verurtheilt arm 6 Monat, Finke 18, andere 14 Tage bis 5 Monat.
Soziale Mebersicht.
Wir werden um Aufnahme des Folgenden ersucht: Die Firma Methlow& Co. bringt in c. 302 des Berliner Volksblattes" eine angebliche Berichtigung, in
welcher fie behauptet, bak bie vom Streiffomitee angegebene
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Summe( ca. 2000 M. Strafgeld jährlich) noch nicht den achten Theil betrage, und stellt es so dar, als ob die hierburch verfäumte Zeit noch mehr ausmache, was geradzu lächerlich ist, auch schweigt die Firma vollständig von den Straf gelbern der Lehrlinge und der Affordarbeiter, fomie von allen übrigen Strafgeldern. Wir führen nun einige Fälle an, in welcher Weise das Strafgeld abgenommen worden ist, und überlaffen es den Lesern, abzuschäßen, wie hoch die Summe wohl in einem Jahre sein fann, wenn 40 Streifenbe von der Firma als der vierte Theil ihres Personals gefchägt werden, mithin 150 bis 160 Perfonen bort be schäftigt sein müssen. Daß den Lehrlingen Strafgelder schäftigt sein müssen. abgenommen werden, halten wir für gefeßwidrig, und wollen weiter auf diesen Punkt nicht eingehen. Es ist vorgekommen, daß Affordarbeitern in einer Woche 1 M. 20 Pf. Strafgelder abgenommen worden sind für Sufpätkommen. So befagt ein Paragraph der Fabrikordnung, daß der, welcher Mutags 1 Uhr 5 Minuten noch schlafend angetroffen wird, 50 Pf. Strafgeld zu zahlen hat. So etwas kann doch leicht vorkommen, ba es ben meisten Arbeitern nicht möglich ist, nach Saule eſſen zu gehen und ba dieſe Arbeiter während der Mittagspause Mann schlafend angetroffen wurden, und mit je 50 Pf. bestraft Das Rauchen ist verboten, jedoch wird worden sind. das Strafgeld verschieden abgenommen. So bestraft man den Einen mit 3 War, was an jene nach halbstündigem handeln auf 1,50 M. reduzirte. Nebenbei bemerkt, rauchen die
Chefs felbft in der Fabrik. Wir halten es für überflüffig, noch mehr Fälle anzuführeu und wir fönnen noch bemerken, daß die Chef's, als Sie gefragt wurden, wo das Strafgeld geblieben, geantwortet haben, daß dies unsere Sache nicht sei. Das Streif Romitee der Vergolder.
Achtung, Bildhauer! Kollegen! Die Zeit ist ba, auf die unsere Gegner ihre Heffnungen feßen. Da ist es doppelt unsere Pflicht, auf dem Posten zu sein und firengftens über alle Maßnahmen zu wachen, die wir, als in unserm Interesse liegend, treffen. Die arbeitslosen Kollegen werden weiter unterfüßt; die tägliche Kontrole ist wieder im Restaurant Reßner, Annenftr. 16, Vormittags 9-12 Uhr. Wir machen aber auch darauf aufmerksam, baß Jeder, welcher auf ein bez. Inserat hin oder überhaupt unaufgefordert in einer Werkstatt anfrägt, jeder Unterfügung auch in Zukunft verluftig geht. DieKollegen bitten wir, uns Zuwiderhandlungen sofort zu melden. Einzig und allein die Stellenoermittelung der Bildhauer Berlins ist in Anspruch zu nehmen. Ferner dürfen Ueberstunden jezt unter feinen Um ständen gemacht werden. Kollegen! Handeln wir strift darnach, so haben wir nichts zu befürchten. Die Romnisfion der Bildhauer.
Luckenwalde , 27. Dezember. Der Streit der Hut arbeiter dauert unverändert fort; es ist von verschiedenen Fabrikanten versucht worden, eine Einigung mit den Arbeitern anzubahnen, was aber bis jetzt zu feinem Resultat geführt hit. Es wird aber den Fabrikanten nichts anderes übrig bleiben, als gleich nach dem Fest eine Einigung mit dem Zentral Romitee anzuftreben, da die Fabrikanten sonst ihre ganze Kunds schaft einbüßen müssen. Es fehren täglich Streifbrecher zu den Streifenden zurüd. Näheres durch W. Tinius( Schwarzer Adler).
Versammlungen.
Eine große Arbeiter- Verlammlung fand gestern Abend im Bürgerfaale des Berliner Rathbauses statt. Diese Versammlung darf insofern ein historisches Interesse beans spruchen, als es das erste Mal ist, daß die Berliner Arbeiter eine Maffenversammlung im rothen Hause abgehalten haben. Schon lange vor der festgefeßten Zeit strömten bichte Schaaren nach dem Rathhause und faum waren die Thüren geöffnet, fo drängte die Menge fich Kopf an Kopf die Treppen hinauf und im Augenblick waren die Räume bis auf den legten Platz ge füllt. Außer vielen bekannteren Sozialdemokraten waren auch die neugewählten Stadtverordneten: Zubeil, Klein, Tempel, Bogtherr und Heindorf anwesend. Ferner waren auch mehrere Frauen, unter anderen die aus der Arbeiterinnen bewegung be fannte Frau Stegemann erschienen. Um 16 Uhr eröffnete der Einberufer, Tischler Halfter, Halfter, die Versammlung, welche die Herren Klein, Zubeil, Halfter und Tempel in's Bureau wählte. Hierauf erhielt Herr Dr. Christeller zu einem Vortrage über Nußen und Werth der Volksbäder" das Wort. Referent sprach sich über das Thema folgendermaßen aus: Theoretisch find Nugen und Werth der Volsbäber längst an erkannt und es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man heute noch deren Werth flarlegen. Dennoch ist in der Braris bisher wenig für solche Anstalten geleistet worden. Ebenso wie man den Kulturgrab eines Voltes nach dem Verbrauch von Seife schäßen fann, läßt fich derfelbe auch beurtheilen nachy dem Gebrauch von Bädern. Redner schilderte nun die Babe einrichtungen älterer Kulturvölker. Im Mittelalter wurden die vorhandenen Badeanstalten von Aerzten und der Geistlichkeit bekämpft, weil diefelben als Stätten zur Förderung des Lusters angesehen wurden. Erst im 19. Jahrhundert famen öffentliche Bäder wieder zur Geltung. Heute unterscheide man Halb- und Garzbäder, sowie falte und warme Bäder. Das talte Bad ist namentlich für gesunde Personen bestimmt. Die Blutgefäße der Haut werden zusammengezogen und nach dem Innern ge trieben. Nach Beendigung des Bades tritt das Gegentheil ein und diese Reaktion wirft stärkend und wohlthätig auf den Körper ein. Die lauen Bäder üben eine mildere Wirkung auf den Körper aus. Hauptsächlich diene das warme Bad zur Reis nigung, aber auch zur Beseitigung von Krankheiten sei es im Gebrauch. Verschiedene andere Formen von Bädern haben eine geringere Bedeutung, obgleich dieselben in mannig faltiger Weise benutzt werden. Eine gute Babe- Anstalt muß große, gut ventilirte Räume enthalten, es müssen fich ein ftets zu benußendes Schwimmbassin, Brausen- und warme Bäder in derselben befinden. Es giebt zwar bei uns praktisch eingerichtete Anstalten, aber fie find in Privathänden und auch in genügendem Maße sind sie nicht vorhanden. Die Rommune, speziell die Berliner Stadtverwaltung, tann sehr wohl nach dieser Richtung hin etwas thun und ich würde mich freuen, wenn diese Versammlung dazu den Anlaß geben sollte. ( Lebhafter Beifall.) In der nun folgenden Diskussion sprach sich Herr Bader gegen Brivatanstalten, wie sie unter dem Namen " Berliner Volksbäder" hier eristiren, aus. Wenn der Magistrat etwas schaffen wolle, dürfe er sich derartige ganz unzureichende Anstalten nicht zum Muster nehmen.
darauf aufmerksam, daß die Aerzte nur sparsam mit der Berordnung foftspieliger Bäder umgehen, und da der Arbeiter nicht die Mittel habe, müßten ihm in Krankheitsfällen solche Bäder feitens der Stadt zur Verfügung stehen. Sache der Stadtverordneten werde es sein, für die Errichtung der nothwendigen Badeanstalten einzutreten. Herr Gottfried Schulz legte es ebenfalls ben Stadtverordneten ans Herz, nach dieser Richtung hin für Wohlfahrtseinrichtungen Sorge zu tragen. Herr Bade anftaltsbefizer Borchard hob hervor, daß die auf der letzten Ausstellung zur Schau geftellten Brausebäder, die als so vorzüglich sogar von Aerzten gepriesen wurden, ganz unzulänglich gewesen seien. Die Arbeiter habe man nicht aufgefordert, ihr Urtheil abzugeben. Herr Apelt: Die Arbeiter müssen felbst mit aller Kraft für die Lösung dieser Frage eintreten, fie dürfen fich nicht auf die sogenannte Humanität einzelner Personen, die fich mit der Errichtung von Anstalten einen Namen machen wollen, verlaffen. Hauptsache sei auch, daß den Arbeitern die nöthige Zeit zu Theil werde, andernfalls würben auch die besten
Badeanstalten teinen 3wed haben. Stabiv. Vogtherr: Gerade in den ärmeren Stadtgegenden fehlen uns die nothwendigen Wohlfahrseinrichtungen. Leider haben wir felbft er leben müssen, daß der sonst so berühmte Dr. Virchow ges äußert habe, die große Masse habe für derartige Einrichtungen noch fein Verständniß. Falls der Herr Virchow Recht habe, wäre es doch seine Pflicht gewesen, mit seinen leinflußreichen Freunden für Aufklärung Sorge zu tragen. Für Kirchen, in die Niemand gehe, habe man Millionen, aber für wirkliche Wohl. fahrtseinrichtungen fei nichts übrig und werde auch faft nichts gethan. gethan. Herr Schabe sprach sich in längeren Ausführungen im Sinne der Vorredner aus. Stadio rordneter Zubeil: Die neugewählten Stadtverordneten werden, fich ihrer Pflicht bewußt, entsprechende Anträge ftellen, aber damit sind dieselben noch nicht durchgeführt. Solche Forderungen müssen erst er fämpft werden und es ist daher nothwendig, daß fie stets wieder von den Maffen gestellt werden. bemerkte noch, daß man die Baberäumen in den Schulen wohl aus unterlassen habe, um nicht fonstatiren daß die armen Rinder nicht einmal ein Semb zum Anziehen haben. Man folle das Lotteriegeld für die Solur. freiheit lieber für Badeanstalten anlegen.( Lebhaftes Bravo.)
Herr Schmit Errichtungen DON dem Grunde zu müffen,
Herr Krüger bemerkte, baß der Wissenschaft der Vorwurf nicht erspart bleiben könne, daß sie nicht in genügendem Maße für die weniger bemittelte Bevölkerung eingetreten sei. Der
Reichstagsabgeordnete Baumbach habe einmal gefagt, die Krankheiten der Arbeiterkinder refultiten aus der Schmußigkeit