die Zimmerluft mehrmals täglich darch gleichzeitiges Diffnen der Thüren und Fenster. Seze bich nicht dem Zuge aus, au­mal wenn du erhigt bist. Schlafe in einem Raume. dessen Fenster je nach der Jahreszeit mehr oder weniger geöffnet finb und in welchem während des Winters auch durch mäßiges Heizen die Luft erneuert wird. 6. Gurgle früh und Abends und reinige nach jeder Mahlzeit den Mund mit frischem Waffer. 7. Bermeide es, beim Arbeiten die Bruft anzulehnen und den Unterleib zu pressen. 8. Nüße deine freie Zeit zu lebhafter Bewegung in frischer Luft aus und stärke besonders die Muskeln des Brustkorbes und des Unterleibes burch förper­liche Thätigkeit( Laufen, Springen, Spielen, Turnen, Schwim men, Eislaufen, Arbeiten im Garten.)

III. Pflege der Augen. 1. Lies und schreibe nie in der Dämmerung; fertige auch feine Handarbeiten nie im Zwielicht an. 2. Bei Tage wähle deinen Biag möglichst so, daß du von ihm aus ein Stück Himmel sehen fannst und das Fenster fich zur linken Hand befindet. Die Sonnenstrahlen dürfen nie auf beine Arbeit fallen. 3. Bedecke die Lampe nicht mit einem dunkeln Schirme; stelle sie höchstens einen halben Meter meit vor dich hin und schiebe sie dabei etwas zur Linken. Das Arbeiten bei flackerndem Lichte, sowie das Lefsen während des Fahrens und beim Liegen ist den Augen schädlich. Zylinder und Milchglasglode müffen stets auf der Arbeitslampe fein. 4. Beim Schreiben halte den Oberkörper aufrecht, lege die Brust nicht bie Tischfante und neige den Kopf nur wenig nach vorn. Das Kreuz" lehne an ein der Stuhllehne vorgelegtes Riffen( Ranzen). 5. Die Schreib­feite lege so schräg vor die Mitte der Brust, daß die Abstriche fentrecht zur Tischkante stehen. 6. Beim Lesen lehne den Rücken an und hatte das Buch mit beiden Händen schräg auf bem Tische fest, so daß die Entfernung zwischen Auge und Schrift mindestens 35 Zentimeter beträgt. 7. Schreibe nur mit tiefschwarzer Tinte auf scharfe, tiefblaue oder schwarze Linien. Benuße tein Linienblatt und gewöhne dich frühzeitig daran, ohne einien zu schreiben. 8. Wenn du Ermüdung der Augen spürst, so ruhe ein wenig aus und sieh während der Zeit Zeit in's Weite( Freie). 9. Nach schmerer Krankheit schone die Augen mehrere Wochen. 10 Dringt Staub oder dergleichen in ein Auge, so reibe baffelbe nicht, höchstens streiche mit einem Finger sanft auf dem oberen Lid von der Schläfe nach der Nase zu; gelingt es nicht, den Gegenstand auf diese Weise zu entfernen, dann gehe bald zum Arzt. 11. Bei eintretenden Sehstörungen und Augenleiden wende dich an einen Arzt; ein solcher tann auch nur ent scheiden, ob du eine Brille nöthig haft, ob die Augengläser bauernd, ob sie beim Schreiben oder beim Blick in die Ferne ( an die Tafel) getragen werden sollen und welche Nummer der Gläser zu wählen ist.

IV. Pflege der Dhren. 1: Bewahre die Ohren vor starken Erschütterungen.( Schlage nicht dagegen! Schreie nicht hinein!) 2. Bohre nie mit einem spißen Gegenstande, wie Feder, Strid. nabel, Bahnstocher u. f. w. in den Ohren, und stede teinen festen per( Bohne u. f. m.) hinein. 3. Jn das Ohr ges brungene Frembförper dürfen nur durch Aussprizen mit lauem Waffer entfernt werden. Am besten ist es jedoch, in diesem Falle zum Arzt zu gehen. 4. Dringt ein Infekt in das Dor, so neige den Kopf nach der entgegengefeßten Seite und träufle fo lange Del in den betreffenden Hörgang, bis das Thierchen getödtet ist.

V. Wie sollst du dich zu Hause zum Schreiben und Lesen segen? 1. Seße dich so, daß du die Fenster( die Lampe ) zur linten Seite haft. 2. Schiebe beim Schreiben ben Stubl soweit unter den Tisch, daß die vordere Stuhlfante etwa 2-5 Zentimeter unter die Tischplatte reicht. Bei gerader Haltung des Oberfö pers darf die Bruft die Tischtante nicht berühren. 3. Der Stuhl sei so hoch, daß bei herabhängenden Armen die Tischplatte in Höhe der Ellenbogen fich befindet. Da die gewöhnlichen Stühle zu niedrig find, so lege ein Riffen auf. 4. Die Füße feze mit der ganzen Sohle auf den Boden; erreichst du dense ben nicht, so stelle eine Fußbant unter. 5. Sege dich so auf den Suh, daß die Brust parallel mit der Tisch­fante ist, und lehne den unteren Theil des Rückens ( bas Kreuz") während des Schreibens feft an, womöglich an ein der Stuhllehne vorgelegtes Riffen( Ranzen). 6. Schlage die Beine nicht übereinander, weder am Knie noch an den Knöcheln, und ziehe die Füße nicht unter den Stuhl zurüd. 7. Lege die Unterarme in der Nähe der Ellenbogen auf den Tisch, halte mit der linken Hand das Heft fest und schiebe dasselbe mährend des Schreibens weniger oder mehr auf den Tisch, je nachdem du den oberen oder unteren Theil beschreibst. 8. Lege das Heft so schräg vor die Mute des Körpers, daß die Gunditriche der Schrift fent­recht zur Tischkante stehen. 9. Beim Lesen und Lernen schiebe ben Stuhl etwas zurück, lehne dich hinten an und halte das Buch schräg mit betoen Händen auf dem Tische feft. 10. Mädchen haben dafür zu sorgen, daß die Kleider gleich mäßig auf der S zfläche vertheilt find. 11. Sowohl beim Lesen wie beim Schreiben muß das Auge mindestens 35 Zentimeter von der Schrift entfernt sein.

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Illustrirte Berliner Nenjahrswünsche aus dem vorigen Jah handert getören zu den größten Seltenheiten. Es liegt der Boff. 8tg." ein solcher nebst folrender Ankündigung in der B.ff. Stg." vom 27. Dezember 1798 por: Der Gud­taftenmann, em in Rupfer geftochener Neujahrswunsch, der mit ungleich mehr Verstand entworfen, von Herrn Bolt mit ungleich größe er Ruft gezeichnet und mit mehr So gfalt folorirt ist, als ähnime Produkte bisher je gezeigt haben, der zugleich einem unferer beffe en Dichter zu einer finnreichen Strophe Anlaß ge. geben hat und der in Glas und Rahmen getaßt, als eine febr gefällige Verzierung im Wohnzimmer eine Stelle verdiente und an diefer Stelle Jahr aus Jahr ein vergnügen und nügen Tann, ist in der Haude- und Spener'ichen, imgleichen in der Maurerschen Buchhandlung, desgleichen bei Herrn Schropp und Kompagnie in Glas und Stahmen gefaßt für 16 Gr. ungefaßt für 8 Gr. zu befommen. Der vorzüglich tolorirte Stich zeigt Rinder uno bejahrte schlichte Männer um einen Gudfasten gruppirt, während dessen Befizer in der Rechten eine entw delte Bapterrolle mit der finnreichen", als Erklärung des Gudtaften­bilbes dienenden Strophe hält:

3um neuen Jahr schau Jedermann

En lehrreich Bild aus meinem Raften, Das Bild von unserm Leben an!

Der Leidenschaft ganz hingegeben Trabt alle Welt, dort Imter Hand Nach Aemtern, Titel, Stern und Band, Nach Geld, nach Puz und anderm Tand: Ihr ganzes Thun ist ein unfeel'ges Streben! Nur Wen'ge rechts, verftehn das Leben Bu brauchen, wie man's brauchen muß, Bur Freundschaft, zum N turgenuß

Und zu der Luft, ote Wissenschaften geben! Wer von den Leßtern ist, fürwahr, Dem wird gewiß ein frohes Leben, Ohn' allen Wunsch, zum neuen Jahr!" Um die Reinheit des Berliner Leitungswaffers zu une sua en, find im vergangenen Commer eingehende wiff.nfraf liche Emistelungen angestellt worden, beren Er gebniß für die gesundheitstechnischen Kreise unserer Stadtver waltung im höchsten Moße überraschend war. Als im Früh

jahr vorigen Jahres der Zyphus plöglich an ganz verschiedenen Stellen der Stadt ausbrach, ftellte man in den betreffenden Gegenden der Stadt Ermutelungen über die Beschaffenheit des bortigen Brunnenwaffers an. Die Ergebniffe dieser Era mittelung waren ziemlich belanglos. An die Möglichkeit, daß das Leitungswaffer an der Entstehung des Typhus Schuld fein tönnte, dachte man um so weniger, als überall die Meinung verbreitet war, daß die Sandfiltration des

Berliner Leitungswaffers daffelbe von Ansteckunastoffen jeber Art, namentlich auch von den gefürchteten Typhus­und Milzbrandbazillen befreie. Es galt als ausgemacht, daß durch die fich auf der Oberfläche des Filtermaterials beim Be triebe erzeugende oder abfezende Schicht organischer oder anor ganischer Rörperchen, eine richtige Filtergefchwindigkeit voraus­gelegt, die Batterien fast ausnahmslos zurüdgehalten würden. Im Widerspruch mit dieser Anschauung haben nun die im letten Sommer stattgehabten Ermittelungen und wissenschaft lichen Versuche bargethan, daß gegen Krankheitsstoffe wie Typhus , Milzbrand u. f. w. die gewöhnliche Sandfiltration bes Waffers feinen Schuß zu gewähren vermag. Damit ist die Frage nach einer befferen und zuverlässigeren Art der Reini­gung des Leitungswaffers in ein neues und bedeutungsvolles Stabium gerüdt, und es gewinnt bereits die Meinung Beach­tung. daß man weitere Filtrationsarten nicht in den Sammel baffins des Leitungswaffers werde anbringen fönnen, sondern berartige Einrichtungen den einzelnen Haushaltungen werde überlaffen müffen.

Verschiedenen Sparkassen- Vorständen ist von der vorgelegten Verwaltungsbehörde eine gerichtliche Entscheidung mitgetheilt worden, wonach das von einem Ehegatten dem anderen fortgenommene Sparkaffenbuch, sobald der Sparkaffe von dieser Eniwendung Mittheilung gemacht ist, ebenso wie ein verlorenes Sparkassenbuch behandelt werden soll. In dem ge­gebenen Falle hatte eine Ehefrau, die ihren Mann verlassen, ein diesem gehöriges Sparkassenbuch mitgenommen und den Betrag auch von der Spartaffe ausbezahlt erhalten, trotzdem der Ehemann vorher ber Sparkasse Mittheilung von der Ents mendung gemacht und gebeten hatte, das Buch vorkommenden Falles anzuhalten. Auf die gerichtliche Klage gegen die Spar­taffe eritritt der Ehemann in legter Instanz, bei dem zustän digen Oberlandesgericht, ein obfiegendes Urtheil, wonach die Raffe zur Zahlung des Sparbetrages verurtheilt wurde.

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Der Staatsbürger- Btg." laffen die Boykotts feine Ruhe. Die Antisemiten haben zwar in Deutschland den Boykott zuerst eingeführt; aber feitbem er sich nicht mehr bloß gegen bie Juden richtet, fieht ihn die Staatsb. 3tg." auf ein­mal als einen Mißbrauch an, oder fie verdreht die Umstände fo, daß er als ein Mißbrauch erscheinen muß. Außer der un­wahren Behauptung, daß dem Befizer des Einiums" von den Sozialdemokraten mit dem Bontott gedroht worden sei, weil er feinen Saal zu antisemitischen Versammlungen her gäbe, führt sie in ihrer legten Nummer noch einen zweiten Fall an, aus welchem der Terrorismus der Sozialdemokraten hervorgehen soll. Dem Wirthe Herrmann in der Barnimstraße, der durch Jaferat im Reichs Herold" antisemitische Gäfte fuchte, ist die Lohntommiffion der Steindrucker ausgeblieben, und der Arbeitsnachweis ist ihm entzogen worden. Ein be grenzter Kreis von Personen hat also von seinem Rechte Ge­brauch gemacht, fich ein Lokal zu wählen, welches ihm genehm ift. Worin foll da der Terrorismus liegen? Es bleibt also babei: Die Arbeiter denken nicht daran, den gegen sie so viel ge­übten Terrorismus auf Andere anzuwenden.

Die am 1. April 1588 vorhanden gewesenen Pferdebahngeleise haben sich auch im Etatsjahre 1888/89 wieder vermehrt; es find 6171,05 laufende Mefer eingleifige Streden und 3151,79 Meter zweigleifige Strecken neugebaut worden. Nach den zwischen den Pferdebahn- Gesellschaften und der Stadtgemeinde abgeschloffenen Berträgen haben dieselben a) gegen Erlaß der Ve pflichtung während der Vertragszeit den Bahnförper in den Straken, in welchen Pferdebahnen herge­stellt sind, mit befferem Material und neuer Unterbettung neu bezm. umzupflaftern, eine nach dem Flächeninhalte des von den Pferdebahn- Anlagen eingenommenen Straßenförpers fich berechnende Rente in baarem Gelde, b) für die Benutzung der Straßen, Bläge und Chausseen der Stadt zum Betriebe der Pferdebahnen eine nach dem Brutto. Ertrage fich richtende Ab­Brutto- Ertrage gabe zu entrichten. Die Hente zu a) betrug 1) bei der Großen Berliner Bferbebahn Gesellschaft 218 993,73 m., 2) bei der Neuen Berliner Pferdebahn Gesellschaft 42 692 77 M., 3) bei ber Charlottenburger Pferdebahn- Gesellschaft 17 499,05 W., fo baß im Ganzen 279 145,55 M. an enten für die Unterhal tung des Straßentö pets, fomeit er von den Pferdebahnen be nußt worden ist, gezahlt worden find. Die Abgaben zu b) aus dem Bruttoertrage hat ergeben: 1. bei der Großen Berliner Pferdeeisenbahn- Gesellschaft 829 480,22 m., 2 bet ber Neuen Berliner Pferdebahn Gesellschaft 49 224,42 M., in Summa alfo 878 704,74 m., während die Abgabe der Berlin - Char­ lottenburger Pferdebahn- Gesellschaft bei Schluß des Etats­jahres noch nicht feststand.

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Die kritischen Tage des Jahres 1890. Auch für das neue Jahr hat der Wetterprophet seine fritischen Bedenken bereits ausgesprochen, und wenn er die kommenden 365 Tage auch im Allgemeinen zur schwächeren Klaffe" der kritischen Perioden rechnet, so find fie doch keineswegs von drohenden Momenten frei. Falb's Kalender weist für das Jahr 1890 nicht weniger als 25 titifche Tage" auf, welche fich folgender­maßen vertheilen: Erfter Ordnung, alfo in ihrer Gefahr am stärksten und drohendsten, sind der 20. Januar, 19. Februar, 20. März, 31. Juli, 30. Auguft, 28. September und 27. Ot tober. 3 veiter Ordnung find 9 Tage, und zwar der 6. März, 5. und 19. April, 4. Mai, 3. Juni, 2. Juli, 13. Oftober, 12. November und 12. Dezember. Dritter Ordnung, d. h. am meni ften gefährlich, treten der 6. Januar, 5. Februar, 18. Mai, 17. Juni, 17. Jali, 15. Auguft, 14. September 26. November und 16. Dezember auf. Unter den beiden letzten Rubriken find der 12. Desember der Tage zweiter Ordnung und der 17. Juni und 26. November derjenigen dritter Drd­nung insofern zweifelhaft, als fie auch als Tage höherer Dcd. nung auftreten fönnen. Im Algemeinen fieht es also miederum 25 Mal im neuen Jahre start mindig für uns aus! Hoffen wir, daß uns das Schickfal gnädig bleibe!

Zwei Sonnenfinsternisse und eine Mondfinsterniß bringt uns das Jahr 1890. Bei uns wird hiervon nur die erste Sonnenfinsterniß fichibar sein. Dieselbe ist eine ring­förmige und ereignet sich am 17. Juni Vormittags. Ihren Anfang nimmt sie gegen 8 Uhr im Atlantischen Ozean , nahe bem Arquator, füdwestlich von Rap Palmas, zieht über die nörbliche Hälfte Afrifas über Europa und Afien ausschließlich seiner nordöstlichen Spike und endet um 1,49 Uhr auf der Höhe von Madras. Für Deutschland erscheint diese Finsterniß nur als partielle. Die zweite Sonnenfinsterniß, welche fich hauptfächlich auf die südlichen Polargegenden erftredt, findet am 12. Dezember Morgens ftatt. Sie ist eine ringförmige bezw. totale und nimmt mit geringen Abweichungen einen Lauf ähnlich der vorigen. Die Monofinsterniß ift eine partielle, fie bauert 18 Minuten und ffndet am 26. November Nach mittags statt.

Die neue preußische Arzneitave für das Jahr 1890 ist nunmehr erschienen. Die Preise der Heilmittel find nicht wesentlich geändert worden, me ft handelt es sich um Preis­erhöhungen oder Ermäßigungen von nur fünf Pfennigen. Die neueren Arzneimittel Antifebrin und Antipyrin haben ih en Breis erhalten. Sulfonal ist dagegen auf 15 Pf.( bisher 25) für das Gramm herabaefekt worden.

Der Polizeipräsident warnt öffentlich vor der Feuer­gefährlichkeit des 10g. Celluloid, b. i. eine hornartige Maffe, welche fich je nach ihrer meist sehr gut ausgeführten Färbung als eine Nachahmung von Schildpatt, Elfenbein, Bernstein , Horn u s. w. zur Herstellung der verschiedenartigsten Gebrauchs­gegenlände, als: Rämme, namentlich Einstecfämme und Schmudhaarnabeln für Damen, Armbänder, Broschen und ber­gleichen eignet. Die Sachen finden ihrer verhältnißmäßig großen Billigkeit wegen einen sich fortschreitend steigernben Abjak. Das Celluloid ist aus außerordentlich leicht brennbaren Steffen zusammengefeßt und nicht allein bei unmittelbarer Be rührung mit einer offenen Flamme, sondern sogar schon durch

Erwärmung bis zu einem geriffen Grad: in der Nähe einer folchen leicht entzündlich. Es verbrennt mit so lebhafter, ftetiger Flamme, daß die Erftidung des Feuers nur mit besonderer Schmierigkeit bemerkt werden kann.

Die Neujahrsnacht wurde in Berlin in der üblichen Weise begangen. Radau und Robeit n wurden nach überein­stimmenden Berichten verschiedener Reporter in den fogenannten vornehmen Stadtheilen ausschließlich von Repräsentanten ber gebildeten Stände begonnen.

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Eine eigenartige Sylvesterindustrie herrschte während der lezten Tage in den verschiedensten Geschäftsbranchen, welche alle dazu dienen, den Aberglauben in der Sylvefternacht zu unterstützen. Vor allem find es die Klempner, die den Maffenanfturm der Käufer faft nicht genügendes Verkaufs material an alten Dachrinnen und Gusblei entgegenbringen fönnen und deren Blei dazu dienen soll, in der Enloesternacht bei bampfender Punschbowie die Zufunft zu verfünden. Auch die Häringsteller erfreuen sich eines ganz besonderen Bu spruches mancher Hausfrauen am letzten Abend des Jahres, welche Rogenhäringe" für die Sylvesternacht kaufen, um aus dem Rogen der Häringe die ficher eintreffende Prophezeiung zu erhalten, ob und wieviel Geld im nächsten Jahre je nach Größe des Rogens des Herings ins Haus tommt. In den Mart hallen waren am Sylvestertage die Karpfen sehr taapp. weil die guten" Rreise nach altem Brauch für den Sylvester abend stets ein Rapfeneffen" veranstalten. Die Schuppen dieses Fisches in der Neujahrsnacht ins Portemonnaie geftedt und während des neuen Jahres getragen, bringt gleichfalls Geld und Glück in das Haus. Auch Stearinter zen werden fehr fark zur Neujahrsnacht gekauft; zwei Lichte, zu beiden Seiten bes Spiegels hingestellt und angezündet, zeigen in dem sonst verbunkeiten Zimmer den über die igene Schu ter in das Spiegelglas schauenden jungen Mädchen das Bildnis des Bräutigams, welchen fie im kommenden Jahre erhalten. Schließlich waren die Sanitätswachen den Tag über in voller Thätigkeit, um Borbereitungen für die Neujahrsnacht zu treffen, da es bismeilen ohne blutige Schlägereien nicht abgeht.

Ja der Artilleriewerkstatt in Spandau haben jest der Freif. 8tg." zufolge mehrere Abtheilungen wieder reich lich Arbeit, so daß Ueberstunden eingeführt werden mußten. Für die Sattlerwerkstatt finden Neueinstellungen von Ge­fellen statt.

Die Arbeiterinnen des Feuerwerkslaboratoriums in Spandau , weiche Eabe des Monats September infolge einer Zündhütchen Explosion mehr oder minder schwer verlett wurden, haben zum größten Theil inzwischen die Arbeit wieder aufgenommen. Die Beschädigungen waren bei der Mehrzahl bekanntlich nur leichter Natur. Bei fieben schien es anfangs, als ob Lebensgefahr vorhanden wäre. Auch bei diesen befferte fich der Zustand wider Erwarten, und die Hoffnung, daß die Ratastrophe Menschenleben nicht foften werde, murde nach mehreren Tagen zur Gem ßheit. Einige Verunglückte haben jedoch geraume Zeit im Krankenhause ärztlich behandelt werden müffen; jekt b findet sich aber feine von den Verunglückten mehr in demfelben. Die am schwersten verlegt gewefenen find nun in der Refonvaleszenz begriffen, und auch fie werden die Arbeit auf dem Institut wohl in nicht zu ferner Zeit wieder aufnehmen fönnen.

Mit einem Morde, so schreibt uns ein Berichterstatter, wenn nicht einem Doppelmorde, ist die Verbrechens chronit des neun Jahres eröffnet morden. Diesmal ift es ein redt mysteriöser Morb, welcher die Bewohner des Nordwest ns, am fp ziell Moabits, beurigen Tage

in die furchtba ft Aufregung verfekt hat. In dem Haufe Havelberger straße Nr. 3 befindet sich ein feiner Bubifer eller, welcher früher dem Gastwirth Hüffner gehörte. Das Geschäft ging fehr schlecht und da die Gläubiger drängten, ließ er dasselbe auf den Namen seiner Tochter schreiben und fchli.ßlich gelang es ihm, das Lotal, welches etwa einen Werth von 600 Mart hatte, an die feparirte 38 jährige Frau Teichert, geborene Auguste Hennig, aus Osterburg zum Preise von 1800 Mart zu verkaufen. Am 7. November vorigen Jahres fand Jahres fand die Uebergabe des Geschäftes statt und die Teichert, welche bis dahin in ihrer Heimath geweilt und dort mit einem Bouerssohn vor 11 Jahren ein unehelid es Rind, ein Mädchen, gehabt, ließ ihre Tochter dort noch zurüd und übernahm das unrestable, wenig von Gästen besuchte Lokal, welches taum den nöthigsten Lebensunterhalt einbrachte. Die T. scheint durch ein Heiratbsversprechen, welches ihr ein gewiffer Biefur gab, zum Kauf des Geschäftes animirt worden zu sein und ließ nun auch ihr Kind hierherkommen, welches am vorgeftrigen Abend bei der Mutter eintraf. Die T. hattfich auch Nachbarn gegenüber ausgesprochen, daß fie an Alimen tationsgeldern noch 600 Thaler vom Rechtsanwalt für ihr Kind zu erhalten habe und wohl auf dieses Geld hm taufte fie auch noch ein Pianino. Am gefiriien Morgen um 18 Uhr hatte das Töchterchen der T. von dem Milchhändler Julge Kohlen geholt und seit dieser Zeit wurde das Kind nicht mehr gefehen. Um 10 Uhr Morgens begab fich die in demselben Haufe wohnende Grünfiamhändlerin Bischured in den offenstehenden Keller der T., um derselben einen Brief abzugeben. Int dem dunklen Korridor jedoch, welcher gleichzeitig als Zimmer benugt wird, sto parte die B. über einen Körper und sofort die Thür zum Gaftzimmer öffnend erblickte die entsegte Frau die 2. am Boden in einer großen Blutlache auf dem Rücken mit ausgestreckten Armen und und Beinen liegend, todt und anscheinend ermordet. Sofort alarmirte die Frau

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B. nun die Nachbarschaft und nun fand man denn auch das Rind auf dem Korridor im Bett liegend ebenfalls tobt und entkle det vor. Das Hembe des Mädchens wat von einer äßenden Flüssigkeit total zerfreffen, auf einem Stuhl stand eine Taffe mit einer flaren Flüssigkeit, und neben der felben lag eine fleine Düte mit weißem Pulver. Die in zwischen eingetroffene Kriminalpolizei stellte nunmehr feft, daß der T. der Hals durchschnitten sei und ebenso wies die Leiche einen tiefen Stich in der rechten Schläfe auf. Ausgeführt mar bie That anscheinend mit einem Küchenmesser, welches in der Gaststube auf einem Teller mit Batter liegend vorgefunden wurde. Die T. hatte vor einigen Wochen schon mit ihrem Bräuti gam gebrochen und sich einen neuen Liebhaber in Gestalt des etwa 25jährigen Sattlers Franz Malchow angeschafft, welcher am gestrigen Abend noch bei seiner Braut gewesen ist. Im Laufe des geftrigen Tages hat die T. dreimal bei der oben erwähnten Inge Schuß gegen Mißhandlungen gesucht, welche fie feitens mehrerer Gäfte, nach ihrer Angabe Freunde und Bekannte des ehemaligen Geschäftsinkabers Huffner, zu erdulden g habt hätte. Die Staatsanwaltschaft traf gegen 2 Uhr Nachmittags ein und die aufgenommenen Erhebungen berselben ergaben zunächst: daß die in der Wohnung der T. befindlichen Ge enstände vor etwa 10 Tagen gerichtlich versiegelt worden find auf Antrag der Gläubiger des Hüffners; letterer machte für die T. eine Eingabe auf Freigabe der Sachen, welche jedoch, da fie falich gefaßt, erfolglos blieb; ferner wurde ein Bschuret, einer Freundin und Landsmännin der Tooten, am Stemträger fifttrt. welcher nach Angabe der Grünframhändlerin Sonntag einen Regulator aus dem Gaftzimmer mitgenommen hat; weiter ist ermittelt worden, daß ein Spartaffenbuch, der T. gehörig und über 800 m. lautend, von dieser verpfändet worden war, und daß ein größerer Betrag davon abgehoben worden war. Darnach ift es leicht möglich, daß die Z., welche burch den Kauf des Budikerkellers den größten Theil ihres Vermögens verloren, in verzweifelter Stimmung erst thr Töchterchen, welches fie über alles geliebt, vergiftet und fich dann selbst den Tod gegeben habe.

Von anderer Seite wird das Verbrechen in folgender Weise dargestellt:

Die Runde von einem Doppelmorb verbreitete fich geftern Mittag im Nordwesten der Stadt. Draußen in Moabit , an