bundler" im Nürnberger Zellengefängttiß gerade so be- handelt wurden, nach der Anstaltsordnung behandelt wer- den mußten, wie die übrigen Insassen. Also Züchtlings- tleidung, Maske, lein Name, sondern eine Nummer! Wobei freilich zu konstatiren, daß weit über Bayern hin- aus die dortige Gefängnißleitung durch ihre humanen Grundsätze vortheilhaft bekannt ist. Aber wie ist es denn bei uns, um von Plötzensee u. s. w. ganz zu schweigen? In dein sogenannten„MännerzuchLhaus Ichtershausen" — thatsächlich ist es eine Strafanstalt, in welcher auch Gefängnißstrasen verbüßt werden— hat vor etlichen Jahren auch der Reichstagsabgeordnete Bock eine längere Hast verbüßen müssen. Damals freilich hat kein Deutschsreisimn'ger darnach gekräht Aber Bock ist ja auch Sozialdemokrat! Damals war das recht und billig, was heute Unrecht und Unbill ist. Und nicht blos Bock, auch andere Genossen haben in den anmukhigen Räumen von Ichtershausen sich „bessern" dürfen. Damals tödtliche Stille, und heute ein tosender Lärm, Beschwerden der liberalen Presse, Wehrufe der „gutgesinnten" Bürger und Erklärung des gothaischen Ministeriums, daß„die BeHandlungsweise inkorrekt" sei, daß der Direktor der Strafanstalt bestraft werden solle, daß das Ministerium nicht die Schuld an den Leidendes Herrn Boshart trage. Sehr wohl, wir begrüßen das Eingreifen des Ministeriums; wir sind der Ansicht, daß derlei überhaupt nicht hätte vorkommen dürfen, aber wir hüten uns, den sentimental-weinerlichen Schwindel mitzumachen, den der Liberalismus jetzt eben wieder aufführt. Dieser Liberalismus blieb nicht blos kalt gegenüber dem wahren Martyrium von so vielen braven Arbeitern, die in's Elend gingen, im Kerker dahinsiechten, deren Familien Hunger litten; dieser Liberalismus ist auch der Mitschuldige an den heutigen Zuständen. Und so büßt Herr Boshart nun, was der Liberalismus gesündigt. Das Volk, die Arbeiterschaft, wird es endlich besser machen. Ciu Artikel Friedrich Engels ' über die deutschen Wahlen, den er Ende Februar im„Ncivcastle Daily Chronicle" veröffentlichte, analysirt die durch die sozia- listischen Wahlerfolge völlig veränderte politische Situation Deutsch- lands so treffend und charakteristisch, namentlich das Vrrhältmß zwischen Bismarck und Kaiser in so klarer Weise, daß gerade in der heutigen Situation, nach der Entlassung des Kanzlers, eine Uebersehung dieses Artikels den deutschen Arbeitern willkommen sein wird. Natürlich mußten mit Rücksicht mif die deutsche» Preß- zustände verschieden» Wendungen gemildert werden, die in der englischen Presse und vor dem englischen Publikum, das eine klare und ungeschimnkte Ausdrucksweise liebt, nur selbstverständlich er- scheinen. Der Artikel lautet: «Jeder, der die politisch« Entwicklung Deutschlands während der letzten zehn Jahre aufmerksam verfolgt hat, konnte an dem Erfolge nicht zweiseln, welcher oer deutschen Sozialdemokratie bei den allgemeinen Wahlen von 1890 harrte. 1878 ward die sozialistische Partei einem strengen Ausnahme- gesetze unterworfen, kraft dessen alle ihre Zeitungen unterdrückt, ihre Versammlungen verboten oder aufgelöst, ihre Organisationen zeytört wurden. Jeder Versuch, sie neu zu schaffen, wurde unter der Annahme einer„geheimen Verbindung" mit Strafe belegt und Verurtheilungen bis zur Höhe tausendjähriger Gejüngnißstrase über die Anhänger der Partei gefällt. Nichtsdestoweniger brachten die Sozialisten eine Agitation über das ganze Reich fertig. Woche um Woche»vurden taufende von im Ausland hergestellten Zeitungen und Broschüren ver- breitet. Auch im Reichstag hatten sie ihre Vertreter und in einer großen Anzahl von Gemeindeverwaliunaen, u. A. auch in Berlm. Diese wachsenden Erfolge der Partei wurden auch von ihren erbittertsten Gegnern anerkannt. Und dennoch mnß ein Erfolg, wie der von den Sozialisten am 20. Februar errungene, selbst den Zuversichtlichsten unter ihnen überraschen. 21 Sitze wurden im ersten Wahlgang erobert und in 68 Kreisen standen sie zur Stichwahl. WaL die Gesammtzahl der abgegebenen sozialistischen Stimmen gerichtet hatte, glaubte Deuise«ine beginnende Unruhe zu entdecken. Sie erwiderte daher aus die Bemerkung Gene- viive's: — Ei, wenn man sich liebt, dann versteht man sich auch.— Doch Band» überwachte streng die Tafel. Er hatte eben kleine Portionen Käse ausgetheilt und, um seine Ver- wandten festlich zu bewirthen, verlangte er noch ein ziveiteS Dessert, eine Flasche eingemachte Johannisbeeren. Es war dies eine Verschwendung, welche Colomban sehr überraschte. Pepe, bisher recht artig, führte sich jetzt, als die Johannis- beeren kamen, schlecht auf. Jean, der dem Gespräch über die Ehe mit gespitzten Oyren zugehört hatte, betrachtete jetzt seine Kousin« Genevwve; er fand sie zu weich, zu bleich uns verglich sie im Stillen mit einem weißen Kaninchen mit schwarzen Ohren und rothcn Augen. — Jetzt ist'S genug geplaudert, machen wir den Anderen Platz! schloß der Tuchhändler, die Tafel aufhebend. Nun gingen Mine. Baudn, der andere Kommis und das Fräulein zn Tische. Denise saß wieder allein in der Nähe der Thüre und wartete, bis ihr Oheim Zeit ge- winnen würde, mit ihr zu Vinaaro zu gehe». P p spielte zu ihren Füßen, Jean hatte seinen Beobachtung� poste» ans der Schwelle wieder eingenommen. Fast eine Stunde lang beobachtete Denise aufmerksam die Vorgänge im Laden. Ab und zu erschien eine Kundschaft; der Laden behielt seinen dumpfigen Geruch, sein Halbdunkel, in welchem de, ganze alte, rechtschaffene, einfache Handel seine traurige Verlassenheit zu beklagen schien. Um so interessanter war das Treiben gegenüber, in der Modehandlung„zum Glück de, Damen ", deren Auslagen man durch die offene Thür sehen konnte. Der Himmel war noch immer umwölkt; ein lauer, stiller Regen ging hernieder und in dem matten Tageslichte, in welchem die Sonne wie in Staub aufgelöst mar, herrschte in dem großen Magazine ein reges Leben, eine rührige VerkaufSthätigreit.. � Denise glaubte eine mtt Hochdruck arbeitende Maschine vor sich zu sehen, deren Bewegungen sich selbst den Aus- lagen mittheilen. Es waren dies nicht mehr die kühlen Schaufenster vom Morgen; sie schienen jetzt wie g«. anbetrifft, so können wir sie erst annähernd schätzen. 1871 halten sie nur 102 000 Stimmen, 1873 zählten sie 493 000, 1878 550 000, 1387 763 000, 1890 können sie nicht weniger als 1 450 000 Srim- nlen haben, eher mehr. Die Sthrke der Partei ist also innerhalb drei Jahren M inindesteuI SO— SO pCi. gestiegen. 1887. gab es nur drei Parteien mit mehr als einer Million Wähler: die Nationalliberalen mit 1 673 000, das Zentrum mit 1 516 000, und die Konservativen mit 1 147 000. Diesmal wird nur das Zentrum seine Stärke behaupten. Die Konservativen haben starke und die RatioiialliberaUu geradezu enorme Verluste erlitten. In dem Verhältniß der Parteien in Teutschland vollzieht diese Wahl eine förmliche Revolution. Sie wird, darf man sagen, eine neue Epoche in der Geschichte Deutschlands einleiten, denn sie markirt den Anfang vom Ende der Periode Bismarck . Im Augenblick ist die Situation folgende: Mit seinen Erlassen über die Arbeiierschutz-Gesetzgebung und die inieruationale Konferenz trennt sich der junge.Kaiser von seinem Mentor Bismarck . Dieser yat es für klug erachtet, seinem inngen Herrn hierin freie Hand zu lassen, und ruhig abzuwarten, bis Wilhelm II. mit feinem Bestreben der Arbeitersreundschast sich Verlegenheiten bereitet hätte, dann würde für Bismarck die Zeit aelommen fein, als äeux ex maebina auf der Bildstäche zu er- scheinen. Diesmal hat ViZMatck über den Gang der Wahlen sich nicht sonderlich beunruhigt gezeigt. Ein Reichslag, mit dem sich nicht regieren läßt, und den man aufiösen könnte, sobald der junge Kaiser seinen Mißgriff eingesehen, würde sogar den Interessen Bismarcks dienen und ein beträchtliches Anwachsen der Sozialisten wird ihm dazu helfen, sich mit einer guten Wahlparole dem Lande zu präsentiren, sobald der Momeiit der Auflösung ge- kommen ist. Der Kanzler hat diesmal, daZ muß man gestchen, einen Reichstag erhalten, mit dem Niemand regieren kann. Wilhelm II. wird bald die Unmöglichkeit einsehen, in seiner Stellung und Angesichts deS gegenwärtigen Geistes der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie mich nur ein Atom der in seinen Erlaffen verkündeten Projekte zur Verwirklichung zu bringen. Die Wahlen haben ihm schon die Ueberzeug ng verschafft, daß die deutschen 'Arbeiter Alles, was man ihnen anbietet, als Abschlags- ahlung akzepciren, aber nicht ein Iota von ihren Prinzipien und Forderungen nachlassen; und sie werden in ihrer Opposition gegen eine Regierung nicht erlahmen, die nicht existiren kann ohne Knebelung der Majorität des arbeitenden Volkes. Deshalb wird auch sehr bald zwischen Kaiser und Parlament Konflikt entstehen, und die Sozialisten werden von allen rivali- 'ireuden Parteien der Schuld an Allem geziehen werden. Ein neues Wahlprogramm wird fertig sein und dann wird Bismarck kommen und die Auflösung bewirken. Aber er wird dann erkennen müssen, daß die Zeiten sich ge- ändert haben. Die sozialistischen Arbeiter werden stärker und entschlossener dastehen als zuvor. Bismarck wird nicht mehr auf den Adel rechnen können; dieser hat ihn immer als Verräther am wahren Konservatismus betrachtet, und ist bereit, ihn über Bord zu werfen, sobald der Kaiser nichts mehr von ihm wissen will. Die Bourgeoisie war seine Hauptstütze; aber diese hat kein Vertrauen mehr zu ihm. Der' kleine Hausstreit zwischen Bismarck und dem Kaiser ist auch dem Publikum zu Ohren ge- kommen. Er hat bewiesen, daß Bismarck nicht mehr allmächtig und der Kaiser nicht unzugänglich ist für die seinem Kanzler gefährlichen Strömungen. Wem von Beißen wird das deutsche Philisterthum sein Vertrauen zuwenden?... In der That, der Glaube an die Stabilität der 1871 geschaffenen Neuordnung der Dinge— ein Glaube, der, was die Bourgeoisie betrifft, unerschütterlich war, so lange der alte Kaiser regierte, Bismarck am Ruder und Mottle an der Spitze der Armee war— dieser Glaube ist für immer dahin. Das Joch der immer drückenderen Steuern, die Berthenerung der Lebensmittel durch exorbitante Zölle auf alle Gegenstände, Nah- rnngsmittel und Juoustrieprodukte; die unerträgliche Last der Milttärvflicht, die beständige und immer erneute Furcht eines möglichen Krieges— eines Krieges, der ganz Europa in Mit- leidenschuft ziehen kann und 4— 5 Millionen Deutscher unter die Dahnen zwingt— Alles das hat dazu beigetragen, den Bauern, den Kleingewerbtreibenden, den Ardeitern der Regierung zu ent- fremden— kurz, die ganze Nation, mit Ausnahme der kleinen Zahl derer, die von den durch den Staat geschaffenen Mono- polen profitiren. Alles das wurde ertragen, so lange der alte Kaiser, Bismarck und Moltke ein Regierungstriunwirat bildeten, das unbesiegbar schien. Aber heute ist der alte Kaiser todt, Moltke pensionirt und Bismarck hat es mit einem jungen Kaiser zu thun, den gerade er mit dem Glauben an sich selbst erfüllt hat, der danach strebt, das Kanzletregiment abzuwerfen. Bei einem solchen Stand der Dinge wird das dem Volke aufgebürdete Joch nicht mehr geduldig ertragen: der Glaube an die alte Stabilität der Dinge ist dabin: der Widerstand. der früher aussichtslos schien, wird jetzt zur Nothwendig- keit und bewirkt, daß so unregierdar der jetzige Reichstag erscheint, der künstige in dieser Hinsicht dem jetzigen noch über ist. Nach alledem hat Bismarck sei« Spiel schlecht kalkulirt. Bo, einer Auflösnng wird auch daS röche Gespenst, der Krikgsruj j gegen die Sezialisten, seine Hoffnungen nicht erfüllen." Erklärung. Um Mißverständnissen vorzubeugen, habe ich zu erklären: 1. daß mein von Herrn Schippe! in der„VolkS-Tribune" veröffentlichter Brief Sonntag, den 23. März, in Borsdorf geschrieben wurde, ehe die bekannte Zei- tungspolemik begonnen hatte; 2. daß dieser Brief, durch einen Meinungsaustausch mit Berliner Genossen veranlaßt war und» wie aus dem Wortlaut erhellt, meine Freude darüber ausdrücken sollte, daß der Gedanke einer allgemeinen Arbeitsruhr ausgegeben worden. Daß meinem Wunsch, mit Berliner und Dresdener Genossen auch über eine Resolution zu verständigen, keine sonderbünd- lerischen Neigungen zu Grunde lagen, brauche ich nicht zu ver- sichern. Wie scharf ich den Verftich, die Fraktion bei Seile zu schieben, mißbillige, das hat Herr Schippel, falls er einen Zweifel in dieser Beziehung hegen könnte, aus einem zweiten Bris von mir ersehen, den er wohl die Güte haben wird, zu ver- öffentlichen.. Alles Weitere überlasse ich der Fraktion, welche m nächster Zeit zu einer Konserenz zusammentreten wird. Bosdorf, den ö. April 1690. W. Liebknecht. xiolikifcho Ueberstrhk. Sojialpolitifches. Wenn wir immer energisch dafür| eingetreten sind, daß dem Uebergewicht des Unternehmers: und Kapitalisten über den Arbeiter gesetzliche Schranken gezogen werden müssen, so geschah dies nicht aus einer ein- i scitigen Abneigung gegen einzelne Unternehmer. Der einzelne' Unternehmer ist in seinen Handlungen und Entschlüssen nicht frei; er steht unter dem Banne der Konturrenz, die ihn zivingt, rücksichtslos zu sein, auch wo er es gar nicht möchte. Deshalb sind wir zu der Neberzeugung gekommen,, daß bei der Sozialgesetzgebung der gute Wille der Unternehmer ein Faktor ist, mit dem nicht gerechnet werden kann. Die bekannten sozialpolitischen Artikel des„Reichs« Anzeigers" bewegten sich in der Illusion, daß mittelst dieses vorausgesetzten guten Willens eine befriedigende j Lösung der Frage derArbeisdauer und der Lohnfrage zu erzielen sein werde. Es wurde dabei die Hoffnung ausgesprochen, daß die zu schassenden Organe, „welche ein Fühlungnehmen zwischen Arbeitern und Arbeit-| gebern ermöglichen", auch in der Lage sein werden,.be« gründeten Beschwerden" abzuhelfen. Nun, unseres Erachtens wird es dann möglich sein,- begründeten Beschwerden abzuhelfen, wenn die zu schaffenden Organe volksthümlich zusammengesetzt und; mit der richtigen Machtvollkommenhett ausgestattet werden. Daß solche Körperschaften indessen auch eine b e-? friedigende Lösung der Lohnfrage bewirken können,- das glauben wir nicht. Sie können viel thun, aber die Lohnfrage hängt mit den Gesetzen des Arbeitsmarktes, ja des Weltmarktes zusammen, und da kommen andere Dinge in's Spiel. DaS Vertrauen des„Reichs- Anzeigers" zu dem guten s Willen der Unternehmer wird schnell dahin schwinden, wenn sich der„Reichs-Anzeiger" genauer ansehen will, wie sich die Unternchiner und die ihnen ergebene Presse zu de, neuen Sozialpolitik gestellt haben... Unter den neu zu schaffenden Organen waren wohl tn erster Linie die vielgenannten Arbeiter- Ausschüsse zu verstehen, welche bekanntlich sofort das Widerstreben der großen Industriellen im Stanlsrath schon erregt haben.| Daß gar von obligatorischen Arbeiter- Ausschüsse» gesprochen wurde, konnten die Herren kaum erfassen; welche» Widerwillen sie gegen solche Arbeitervertretungen habe», auch wenn diese noch so schattenhaft sind, konnte man bei der BeratHnng der Unfallversicherung seinerzeit schon schein Höchstens würden sie sich aus gutem Willen entschließen, mit emigen von ihnen zu berufenden Arbettern eine Berathung Z» pflegen und dann nach eigenem Gutdünken zu befinden, was geschehen solle. Betrachtet man vollends die dem Unternehmerthum er- heizt und bebend von der inneren Erschütterung. Es stand jetzt ein schaulustiges Publikum da: Frauen drängten sich vor den Schaufenstern, eine ganze gierige Menge. Und in dieser leidenschaftlichen Erregung des Trottoirs gewannen die Stoffe frisches Leben; es ging wie ein Leben durch die Spitzen, welche in geheimnißvoller Weise die Tiefen des Magazins verhüllten; selbst die Tuchstticke, dick und massig, athmeten einen verführerischen Hauch aus, während die Paletots sich noch mehr auf den Probepuppen spannten, die eine Seele zu gewinnen schienen, und der große Sammet- mantel sich ausbauschte, geschuieidig und lau wie auf Schultern von Fleisch, und als ob in Brust und Lenden frisches Leben pulsiren würde. Doch die Fabrikhitze, in welcher das Haus glühte, kam hauptsächlich von dem Ver- kauf, von dem Drängen an den Pulten, das man sozllsagen die Mauern hindurch verspürte. Es mar wie das fort- dauernde Pusten einer in Bewegung befindlichen Maschine, einer„Verarbeitung" der Kunden, die zuerst vor die Schau- fenster gelockt, dann an den Waarcnpulten verblüfft und schließlich an die Kasse geschleudert werden. Und all' dies war mit mechanischer Genauigkeit geregelt: eine ganze weib- liche Bevölkerung von der Gewalt und Logik dieses Räder- wetfS erfaßt. Denise stand schon seit dem Morgen unter dem Ein- drucke der Versuchung. Dieses für sie so ungeheure Magazin, tn welches sie binnen einer Stunde mehr Leute eintreten sah, als bei Cornaille in sechs Monaten, verwirrte sie und zog sie an; eine unbestimmte Furcht rang in ihr mit dem Verlangen, daselbst einzutreten. Der Laden ihres Oheims hingegen erweckte ein Gefühl des Unbehagens in ihr. Es war eine unvernünftige Geringschätzung, eme instinktive Ab- neigung gegen diese eisige Höhle des alten Handels. Alle ihre Eindrücke: ihr scheuer Eintritt, der verdrossene Empfang seitens ihrer Verwandten, das trübselige Frühstück in diesem gefängnißartigen Zwielicht, ihr Warten inmitten der schläfrigen Einsamkeit dieses alten, sterbenden Hauses vereinigten sich zu einem dumpfen Widerstreben, zu einem leidcnschaftlichm Verlangen nach Licht und Leben. Und trotz ihres guten Herzens wandten sich ihre Blicke doch immer wieder der Handlung„Zum Glück der Damm" zu, alS ob die Verkäuferin in ihr daS Bedürfniß hätte, sich an der glühenden Atmosphäre dieses großartigm Geschäftes zu er« wärmen. — Diese haben wenigstens Zkundm, flüsterte fle unwill- kürlich. Sie bereute allsogleich diese Worte, als sie die Band»? neben sich bemerkte. Mme. Baudu, die ihr Frühstück längst beendigt hatte, stand ganz weiß da, ihre weißen Augen aus das Ungeheuer da drüben gerichtet, bei dessen Anblick eine stumme Verzweiflung ihre Augenlider schwellen machte. Was Genevieve betrifft, überwachte sie mit steigmder Um ruhe Kolomba«, der sich unbclauscht wähnend mit entzückte» Blicken die Verkäuferinnen der Konfektions- Artikel betrach' tete, deren Pult man hinter den Spiegelscheibm des Halb« stockes sehen konnte. Baudu, mit seinem galligen Gesichte, begnügte sich zu sagen: — Nur Geduld! Es ist nicht alles Gold, was glänzt- Er preßte die Lippen auf einander, aus Furcht loszu- brechen. Es war klar, daß die ganze Familie den aufstci- genden Zorn gewaltsam niederkämpfte. Ein Gefühl der Eigenliebe hielt sie zurück, so rasch, vor diesen erst ai» Morgen angclangtcu Kindern, sich gehen zu lassen. Endli« ermannte sich der Tuchhändler, er machte Kehrt, um nicht länger Zeuge deS lebhaften Treibens da drüben zu sein. — Nun dem:, gehen wir zu Tineard, sagte er. die Plätze sind jetzt sehr gesucht; morgen wäre es vielleicht schon zu spät. Bevor er ging, gab er dem zweiten Kommis den Aus« trag, Denisens Kasser vom Bahnhof zu holen. Mme. Baudu, welcher Denise ihr Brüderchen Pep» anvertraut hatte, er« klärte, sie wolle den freien Moment benützen, um de» Kleinen zu Mme. Gras, nach der Rne des Orties 3» bringen. Jean versprach seiner Schwester, den Laden nicht zu verlasseii. — Wir sind in zwei Minuten an Ort und Stelle, sagte Baudu seiner Nichte, während sie durch die R>» Gaillon gingen. Vin?ard hatte eine Spezialität in Seide» geschaffen, in der er noch sein Geschäft macht. Doch hat er zu kämpfen wie alle Welt, wenngleich er ein KnouP
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