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1. Beilage zum Berliner Volksblatt.

Mr. 119.

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as Pfingstfest tam in voller Pracht. Die Glocken klangen hell und klar. Da hab' ich drüber nachgedacht,

Wie's wohl am ersten Pfingstfest war.

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So war's. Die Nacht der Reaktion Lag auf Judäas   Gauen schwer. Ermordet war der Meister schon, Berstreut der Jünger kleines Heer. Ermordet war der Meister,- ja, Durch einen feilen Richterspruch, Ob Niemand seine Schuld auch sah, Er brachte Licht, das war genug. An Gründen fehlt's dem Wolfe nicht, Lechzt nach des Lammes Blute er; Man log mit ernstem Angesicht:

Den Staat zerstört die neue Lehr'. Der will der Juden König sein! Den Aufruhr trägt er in das Land! Wir müssen ihn dem Tode weih'n, Bevor entfacht der Weltenbrand."

Und Jesus   sprach: Nicht im Gefecht, Nur durch die Wahrheit, durch die Lieb' Wollt ich befreien dies Geschlecht." Doch taub das Dhr der Henker blieb. Die Wahrheit unbequemes Ding! Die Menschenlieb' gefährlich Wort!

Lokales.

Sonntag, den 25. Mai 1890.

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Pfingsten.

Das Volt die Lehre froh empfing, Darum vollzogen ward der Mord. Es war des Boltes heil'ges Recht Ertränkt in feines Führers Blut, Nun bläh'te sich der Lanzenknecht, Nun jubelte die Pfaffenbrut, Nun ward sie frech, die Reaktion, Nun trat sie schamlos an den Tag, Und die erschreckten Jünger floh'n In ein verborgenes Gemach.

Das Volk da draußen dumpf und still, Die Führer wie das Wild geheizt Wer ist es, der nicht meinen will, Todt sei die neue Lehre jetzt?

Und war sie todt, als dies geschah? Erlag sie all dem Leid und Weh? Ein Mensch verschied auf Golgatha, Aus seinem Grab stieg die Idee! Sie spottete der Reaktion, Unsichtbar schritt sie durch das Land, Ermuthigend die Jünger schon In ihrem heimlichen Verband. Und immer heller ward die Gluth, Und immer weiter ward es fund, Und immer größer ward der Muth, Und immer fester ward der Bund.

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7. Jahrg.

Bis flammende Begeisterung Das ahnungsvolle Schweigen brach, Und Worte der Verkündigung

Zu allen Völkern zündend sprach. Da hielt kein Schwert die Maffen auf, Kein Priesterfluch trieb sie vom Ort. Es schaarte sich das Volk zu Hauf, Und lauschte der Apostel Wort. Die Lehre, unverfälscht und rein, Das Evangelium der Zeit,

Sie drang in alle Herzen ein,

Sich Kämpfer werbend für den Streit.

So fam es, trotz der Reaktion,

Die auf Judäas   Gauen lag,

Der Geist des Fortschritts sprach ihr Hohn,- Das war der erste Pfingstfesttag.

Moch manche Marterwoche ging Am Volk dahin seit jener Zeit, Und manchmal noch am Kreuze hing Die Unschuld und die Ehrlichkeit. Doch die Erfahrung immer blieb: Ein Morgen folgt nach jeder Nacht, Und jedem Ostern, bang und trüb Folgt eines Pfingstens lichte Pracht. Max Regel

der Idee, den Lehrer, dem Tode geweiht, die Idee war nicht Einmal hat sich die Berl. Boltstr." niemals um die Kan­umzubringen. Die Flamme der Begeisterung durchglühte seine didatur des Herrn Regierungsbaumeister Keßler bemüht. Sie Anhänger und schwoll zum Flammenmeere an, bis es die Feinde ein Fest der Liebe, der Freude und der Begeisterung. Wirki Pfingsten. Unstreitig ist Pfingsten das schönste Fest des Jahres, der Idee verzehrt und eine ganze tausendfährige Kultur zerstört hat lediglich, als Herr Keßler definitio verzichtet hatte, schon das Osterfest belebend auf Menschen und Natur, so ist es hatte. Das Christenthum, es feierte nach hartem, schweren Ringen also als alles bereits erledigt war, im Anschluß an die Er­flärung R.'s ihr Bedauern darüber ausgesprochen, daß eine den Sieg des Frühlings über den Winter zu schauen, dem schöpfe­och unendlich mehr das Pfingstfest, das die Menschen einladet fein Pfingsten. Und seitdem sind neue Ideen entstanden mit Begeisterung agitatorisch so leistungsfähige Kraft im Reichstage fehlen müsse. durchglühten Trägern, mit Märtyrern und Blutzeugen. Die tegen geur, Die your integerend, diu bar ein Pfingstmorgen viel versprechender, begehrenswerther als Völker rangen sich durch, die neue Idee in sich ausnehmend, zu" Bemühungen" hätten doch wohl eintreten müssen, solange die Sache noch in der Schwebe war. der heranrückende. Schon haben die sorgenden Hände der Haus einer weiteren Etappe des Pfingstfestes der Vollkommenheit. Und auch heute sind Millionen von einer Idee ergriffen, Daß ferner Herr Keßler der Verfasser der Mehring- Artikel geschafft und gescheuert, um die liebliche Pfingstsonne würdig den Räumen und seien sie noch so bescheiden zu empfangen. welche die Menschheit auf dem Wege der Entwickelung dem in der Sächs. Arbeiterztg." sei, glaube ich solange nicht, als es Alle Vorbereitungen werden getroffen um Pfingsten zu feiern. Pfingsten nahe bringen soll. Hunderte und Tausende haben in Zu Wagen und zu Fuße zieht in Schaaren das Volk der Gaffen Nacht und winterlichen Stürmen ihr Herzblut, ihre Frei- mir nicht von anderer Seite bestätigt wird. Sollte die Bezeich­inaus in Feld und Wald, um den Alltagsstaub der dumpfen Werk heit geopfert für diese Idee, für die Befreiung der Völker nung Gegengabe" aber auf mein stilles Einverständniß mit dem att abzuschütteln, um die würzige Maienluft einzuathmen. Wett aus der Nacht der Unwissenheit und geistigen, sowie Verfasser der Artikel hindeuten, so will ich gleich weiter be eifernd mit den gefiederten Sängern in Wald und Flur ertönt materiellen Knechtschaft. Und auch heute schmachten noch gar merken, daß ich sofort nach dem ersten Artikel die Dresdener aus frohbewegter Brust Lied um Lied, die Herrlichkeit der Natur viele Sproffen jener Völker, Sprossen des edlen deutschen Volkes, Redaktion bat, doch die Sache ruhen zu lassen preisend, alles Schöne und Gute weckend. welche schon einmal eine alte Welt zertrümmert, hinter Kerker­

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daß also der mauern und kaum die Strahlen der Pfingstsonne haschend für die erste Artikel mir durchaus nicht zusagte und der zweite sogar Wohl dem, der aus des Lebens- Misere sich noch Frohsinn Verkündigung einer neuen Idee. Gewaltige Verfolgungen haben gegen meinen Willen erschien. Was die Volks- 3tg." bezw. der Grundstein" über Herrn dem, der aus den Genüssen des Lebens sich eine Frohnatur be- Glieder jenes Theils der Völker umfaßt, die mit emfigem Bienen­ahrt und nicht schlaff, blafirt vom Uebergenuß in den weichen fleiß die Schätze schaffen und die Welt verschönern, erouldet. Gie Reßler selber schreibt, dürfte ebenfalls nicht zutreffend sein, doch diffen des Landauer lehnend, auf Gummirädern geräuschlos an verlangen Gerechtigkeit, Brot und Freiheit, Wilderung des bin ich darüber nicht genügend informirt, und die nächsten Tage em festlich geschmückten Volt vorüber zieht, die Fröhlichkeit des Rampfes ums Dasein; fie ringen und streben nach dem Pfingsten werden wohl volle Klarheit schaffen. rohe Freude" schmälert und darüber erhaben die Schul- der Menschheit. Und horch! Der Winter 12jähriger Verfolgung, May Schipper. Verbannung und Gefängniß hat die Idee nicht zu tödten ver Ja, das Volk erfreut sich, und es hat ein gutes Recht dazu. mocht. Vom Reichstagsbau. Einer längeren Darstellung der " Sieg!" jubelt die Idee, die Begeisterung hat Millionen Vol. 3tg." entnehmen wir folgende Einzelheiten: Bei dem Bau Im Boltsleben, in feinem Thun und Treiben, seiner Freud' und Herzen ergriffen, sie hat das Eis der Voreingenommenheit zer- bes Reichstagshauses entwickelt sich die Hauptthätigkeit gegen­teit. Die Begeisterung ist die Gewähr, daß die Volkskraft nicht tödten i feinem Leid, da liegt Wahrheit, es ist der Spiegel der Natürlich rissen; die finstern Mächte wissen, daß die Idee nicht mehr zu wärtig bei den Bildhauerarbeiten und bei der Inangriffnahme versiegt, sondern wie die Natur im Weltenraum ihr Pfingsten er fest Hoffnungsfreudig begeht heute dies Volk das Pfingst der großen Kuppel, für welche ein gewaltiges Baugerüst im es ist eine weitere Etappe zum Pfingsten der Menschheit Innern aufgestellt worden ist. Die Bildhauerarbeiten erstrecken rungen, auch der Menschheit aus dem Unvollkommenen, aus dem tommen. sich auf alle Theile des Aeußern wie des Innern, nachdem die Kampfe Aller gegen Alle ein schönes, herrliches Pfingsten erringen Von Herrn Mar Schippel gehen uns folgende Verkleidung der vier mächtigen Fronten mit Backstein im wesent­lichen zum Abschluß gebracht worden ist. Der fast weiße, hell­Begeisterung war es, welche die Anhänger des Beilen zu: graue Ton der Quadern und Glieder hat etwas Vornehmes und Nazareth   aus ihrer Furcht heraustreten ließ In der Sonnabendnummer der Volkszeitung" finden Ernstes; er wird eine kräftigere Schattenwirkung der plastischen

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Weisen Die und troh den Schergen fanatischer Pfaffen die neue Lehre, welche neue Lehre zu predigen. Vorsorglich hatte man den Hauptträger die dem wahren Thatbestand durchaus widersprechen.

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Arbeiten, insbesondere auch der Säulen und Kapitäle, der Figuren

und der Ornamente begünstigen. Im benachbarten Atelier des

natismus heraus, es bekämpfen, können sich bei der Ueber­wältigung der natürlichen Hindernisse, die sich so lange einer leichteren Annäherung der Völker entgegen gestellt, bei der nicht mehr verhehlen, daß die Weltgeschichte unaufhaltsam diesem Ziele, der Einheit und Brüderlichkeit der Mensch­Die Weltgeschichte strebt diesem schönen Ziele zu, weil

Ja wohl, sie sind aus Galiläa! Es sind allemal die Zum Pfingstfeste. Fischer und Zöllner, es ist die sog. Canaille", die feile Pfingsten, das liebliche Fest", ist wieder einmal bei uns Menge", das Proletariat, über welche der heilige Geiſt" eingelehrt und die Natur hat ihr prachtvolles Feierkleid an- fich ergießt. Wie sie verwundert dastehen, die glatten und immer größeren Ausbildung einer gleichmäßigen Bildung, gelegt. Wie in den Maientagen des menschlichen Lebens gewandten Weltleute und Pharifäer, die sich mit unglaub­athmet Alles rings um uns her nur rosige Hoffnung und lich wenig geistigem Ballast auf den äußeren Höhen des vielversprechende Entwickelung, deren Früchte wir nach einer Lebens zu halten wissen! Allmälig erholen sie sich von heit, zustrebt. ach nur zu kurzen! Spanne Zeit genießen ihrer Verwunderung darüber, daß einfache Leute aus dem wereen. Jetzt aber ist Alles noch schöpferisches Werden, Bolke es wagen, über die höchsten Kulturprobleme zu dis- die Völker sich der Erkenntniß nicht mehr verschließen wollen, jugendliches Blühen und Drängen, und wir fühlen die kutirm, während die gewaltigsten Leistungen ihres Geistes daß der heilige Geist" des Lichtes und der vernünftigen alte Wahrheit, daß die Hoffnung immer unendlich schöner vielbicht in der Lösung des großer Problems regelrechter Erkenntniß ihr wahrer Heiland und beſter Helfer ist. Dieser Verbeugungen vor den Machthabern dieser Erde bestehen. heilige Geist", obwohl vielfach verkannt und geächtet, hat Dem gläubigen Cristen ist Pfingsten bekanntlich das Fest Um die Ausgießung des heiligen Geistes" der Gegenwart seit Jahrhunderten unablässig gerüttelt an den Banden und der Ausgießung des heiligen Geistes", dem Juden das Feſt zu hintertreiben, suchen sie unter den Hecken reaktionärer Fesseln der Menschheit, und wenn es ihm einmal gelang, der Gesetzgebung, dem Freidenker das Fest des vollendeten Geseze nach den geeigneten Unterdrückungsparagraphen. seine mächtigen Schwingen auszurecken, dann flog es wie Frühlings, welches für ihn die Mahnung enthält, daß in der Das nennt sich dann wahre Sittlichkeit" und wahres goldener Sonnenschein über das Leben der Völker. So wie Pflege und Bethatigung unserer Geisteskraft der Adel und die Christenthum"!" Würde des Menschen liegt. Wie die Natur ihre in tausend

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Der heilige Geist  ", der damals in Flammen auf die

Farben schilleruden Blüthen an's Tageslicht bringt, so hat Jänger Jesu niederfuhr und aus ihnen in Zungen redete, falten, die Wahrheit zu erkennen und zu sagen, einerlei, ob des Festes wegen zusammengeströmt waren, seine Mutter­der Mensch die Pflicht, die Blüthen seines Geistes zu ent- daß ein Jeder, so verschiedene Volksstämme in Jerusalem  das von den Feinden der Aufklärung für sittlich" oder sprache zu vernehmen glaubte, war das Gefühl, daß die uusittlich" gehalten wird. Menschheit im Glauben ein einziges großes Ganze bilde o man den Gotteskindschaft" fortan nicht mehr das aus­eingepflanzten höchsten Fähigkeiten zu bethätigen, da ver- schließliche Vorrecht eines auserwählten Voltes" sein, son sündigt man sich selbst gegen den heiligen", d. h. guten dern im Namen Jesu auf alle Menschen übertragen werden|

Menschen hindert, die ihm von der Natur und die

der Dichter von ihm singt:

Das

Dieser that die größten Wunder Und viel größ're thut er noch: Er zerbrach die Zwingherrnburgen Und zerbrach des Knechtes Joch. Alte Todeswunden heilt er Und erneut das alte Recht: Alle Menschen, gleich geboren, Sind ein adliges Geschlecht. heutige Geschlecht ist beglückt, zu sehen, wie dieser

Geist des Christenthums. Was besagt denn die Erzählung solle. Was damals nur in religiösen Formen und Sym- heilige Geist" die letzten Banden und Fesseln abstreift, wie von der Ausgießung des heiligen Geistes" anderes, bolen gefaßt werden konnte, hat jetzt diese heiligen er sich weiter und weiter ergießt über die weite Welt. Er drückte, was er auf dem Herzen trug, oder, modern wissen- nünftigen Betrachtung und der wissenschaftlichen Erkenntniß, Dieser heilige Geist" ist nichts anderes, als der freie als daß jeder Einzelne in seiner Sprache das aus Schleier" abgestreift und tritt als Ergebniß ebenso der ver- segnet die Arbeit, er schützt die Freiheit, er sichert den Frieden. schaftlich gesagt, was in seinem Gehirne gereift war. denn es hörte ein Jeglicher, daß sie mit seiner Sprache re- allgemeinen Verbrüderung der Menschheit wagt feines mehr sie werden ihn grüßen von Jahrtausend zu Jahrtausend mit geschah, fam die Menge zusammen und wurde verſtürzt, Interessen die Völker sich gegenüberstehen: das Jdeal einer kommenden Geschlechter werden ihn nicht mehr anbeten, aber deten. Sie entsegten sich aber alle, verwunderten sich und ernsthaft anzutasten. Seine Verwirklichung mag noch so fern dem klaren und lichten Pfingstgedanken: Sprachen unter einander: Siehe, sind nicht diese alle, die da liegen- selbst Diejenigen, die es nur unwillig anerkennen und

Da wie der natürlichen Empfindung auf. So start jetzt die menschliche Geist", als der Geist der Menschheit, der in der lebt und schafft und wirkt. Die

mun

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so heißt es in der Apostelgeschichte  -

reden, aus Galiläa?"

im Finsteren, aus den Höhlen der Unbildung und des Fa

Alle Menschen, gleich geboren, Sind ein abliges Geschlecht.