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Telephoudrähten, welche auf dem Hause augebracht waren, wurde beschädigt. , 3®15c,t Verletzungen erlegen sind drei Personen, die in den letzten Togen verunglückten. Im Kranke. chause Ain Friedrichshain pnrb der Dachdeckermeister Franz Hähne, der beim Schneesegen vom Dache des Andreas- Realgymnasiums in der Langestraße fiel. und sich schwere Wunden am Kopse und Arm- und Beinbrüche zuzog. In der Charitee verschieden die Stickerin Amanda Marquardt, die sich in der Kommaudantenstr. 13 mit Kohlenoxydgas vergiftete und die Frau des Kunststopfers Fast aus der Kurstraße, die mls dem Fenster ihrer im ersten Slock gelegenen Wohnung aus den Hof hinabfiel. Ei» Edelster«nd Bester. Ein Steckbrief ist von der hiesigen Pouz« hinter dem Grafen Ernst August von der Decke», dem Sprossen eines alten hannoverschen Geschlechtes und früheren Lieutenant in der sächsischen Armee, erlassen worden. Der des Betruges Angeklagte ist der älteste Sohn des Grafen von der Decken- Rnigelheii» und Erbe des Titels und der Ringelheim 'schen Güter. Der Fall hat in Hannover großes Aufsehen erregt. Eine große Verkehrsstockung entstand gestern, Mittwoch Mittag um 12 Uhr, durch den Zusammenstoß eines Müllwagens mit einem Pferdebahnwagen am Kottbuser Damm. Dort standen auf beiden Seite» des Fahrdammes von der Brücke bis zur Böckh- straße Arbeitswagen, die mit Schnee beladen wurden. Anderes Fuhrwerk hatte infolge dessen sehr wenig Platz und mußte sich auf den Geleisen der Pferdebahn bewegen. Hinter dem Pferdebahn- wagen 402 der Linie Pappelallee-Rixdorf her fuhr gegen 12 Uhr ei» Müllwagen von Dittner aus Rixdorf und stieß mit ihm heftig zusammen, als der Pferdebahnwage» wegen eines Fuhrwerks, das seinen Weg kreuzte, plötzlich halten mußte. Die Deichsel drang durch das Schutzblech und hakte sich so fest, daß es einer Arbeit von einer Viertelstunde bedurfte, um die Wagen auseinander zu bringen. Solange war der Verkehr vollständig gesperrt. Am Fahrstuhl schwer verungliickt ist der 16 Jahre alte Schlosserlehrling Fritz Sieske aus der Grenzstraße 2. Der junge Mann' war am Dienstag Nachmittag um 2>/« Uhr mit einem Monteur zusammen in der Maschinenfabrik von Froitzheim und Rudert in der Neuen Königstraße 11 beim Schmieren des Fahr- stuhls thätig. Als man mit diesem aufwärts fuhr, steckte er den Kopf hinaus und gerieth damit zwischen den Fahrstuhl und die Führung. Obwohl man den Aufzug rasch zum Halten brachte, war Sieske doch bereits schwer verletzt, als man ihn aus seiner Lage befreite; er hatte einen Bruch des Ober- und Unterkiefers und Quetschungen der Weichtheile am Hinterkopfe erlitten. Man brachte den Skru» glückte» mit einem Krankenwagen in eine Anstalt. A»iS einem Fcnsterschrank heraus verhaftet worden ist der Musik- und Sprachlehrer Karl Krause aus der Krautstr. 43 d. Krause ist vor mehreren Jahren schon wegen Kurpfuscherei mit einigen Monaten Gesäugniß bestraft worden, man konnte ihn aber niemals fassen, um ihn zur Verbüßung in eine Anstalt zu bringen. Jedesmal, ivenn man seiner habhaft zu werden dachte, fand man das Nest schließlich doch wieder leer, immer war der Vogel wieder aus- gepflogen. Auch Nachforschungen in seiner Wohnung blieben ohne Erfolg, bis endlich ihn ein Kriminalbeamter dort im Fenfterschrank entdeckte. Krause ist bereits nach Plötzensee gebracht. Von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden ist die Leiche des 53 Jahre alten Arbeiters Karl Tantow aus der Georgen- kirchstr. 37 a, der am Dienstag früh von seiner Frau im Bette todt aufgefimden wurde. Mit Blausäure tödtete sich Dienstag Nachmittag gegen 1 Uhr in der Hobe'sche» Apotheke in der Dresdenerstr. 31, wo er beschäftigt war, der 18 jährige Apothekerlehrling Alfred Lipschütz. der Sohn des Kaufmanns Lipschütz aus der Herberistr. 2 in Schöneberg . Im St«»erhause ist vorgestern, Dienstag, Bormittag gegen 11 Uhr der 48 Jahre alte Maschinenmeister Adolf Häbringer aus der Brunneristraße 141 plötzlich gestorben. Der Mann brach aus dem Flur des dritten Stockwerks im fiskalischen Gebäude Hinter dem Gießhairs Nr. 1 plötzlich zusammen und verschied, bevor man ihm ärztliche Hilfe angedeihen lassen konnte. AnS den Nachbarorte». Zu Charlottenburg soll demnächst eine ortspolizeiliche Verord- nung in krajt treten, welche das Anbringen derstillen Portiers" in den Häusern obligatorisch macht. Auf diesen soll dann Polizei- und Stadtbezirk, Ort des nächsten Feuermelders, der Post ec.:c. neben dem Verzeichniß der Miether des Haufes angebracht werden. Erwogen wird gleichfalls, ob nicht mit dem Nanien des betreffenden Hausbesitzers noch andere Notizen verbunden werden sollen, z. B. ob das Grundstück antichretisch verpfändet ist, unter Zwangs- Verwaltung oder anderer Administration steht ec. Durch solche Publikationen könnte mancher Wohnungsuchende vor Nachtheilen geschützt werden. Der Biirgervereiu tu Tchöneberg hat in seiner letzten Sitzung mit großer Majorität den folgenden Beschluß gefaßt:Der Bürger- verein in Schöneberg hält nach wie vor an der Erstrebung des Stadtrechtes als unumgänglich nothwendig für das weitere Gedeihe» der Gemeinde fest und beaustragt seinen Vorstand, bei jeder sich bietenden Gelegenheit in diesem Sinne zu wirken." Mit leider nur zn gutem Erfolge treiben gegenwärtig die Vogelfänger ihr Gewerbe. Weitab von betretenen Strahen legen sie ihre Schlingen, Leimruthen und Schlagnetze auf den Schnee, wo sich um das Lockfutter bald die hungernden Vögel ansammeln. Manch­mal verrätb die einsame Fußspur im Schnee dem Spaziergänger oder Beamten die Richtung, wo die Fanggeräthe stehen, und gewöhnlich lassen die ängstlich zappelnden oder flatternden Thiere dann die Stelle erkennen. Zu fasten sind diese Patrone schwer und noch schwerer zu überführe». Die Beamten beschränken sich denn auch meist darauf, die Fangeinrichtungen so zu zerstöre», daß sie nicht mehr gebraucht iverden können. Ein Gemeindediener aus ehlendorf fand bei einem Gange nach Schmargendorf auf freiem elde an fünf verschiedenen Plätzen solche Fanggeräthe aufgestellt. Die Einführung der Glühlicht-Belenchtung in den Straßen hat auch wieder den Spitzbuben ein neuesArbeitsfeld" eröffnet. Es sind die Straßenlaternen in den mittels Glühlicht beleuchteten Vororten, besonders im Westen von Berlin . Seit der Einführung dieser Beleuchtungsart find in Echönebera, Friedenau k. bereits eine ganze Anzahl Glühkörper von den Straßenlaternen verschwunden, ohne daß die Spitzbuben bei dem Diebstahl bemerkt worden find. Ueber de« Delegirtentag der Äzvipklichen Vereine Deutschlands , dessen Beschlüffe in gestriger Nummer desVorwärts" nach den Angaben des Wolff'schen BureauS regtstrirt worden sind, wird uns aus Bochum geschrieben: Der Delegirtentag, der am Montag zusammentrat, war besucht von etwa 100 Delegirten, Ehrenmitgliedern(Kaufleuten und Geist- lichen) und Vertreteru der Bergbehörde. Von auswärt? waren Delegirte auS dem Sulzthal (1), aus dem Sieger» und Sauerland (7), aus Oberschlesten(2) und auS Niederschlesien(3) erschienen, alleS Angehörig» christlicher Vereine, nur die Nieder- fchlesier sind.Reichstreue". Die Verhandlungen wurden eingeleitet durch ei» Referat über den B e r g m a n n s s ch u tz, worin die bekannte» bergmännischen Klagen über die Unfälle, niedriges Gedinge, schlechte Revision-e. zu tage traten. Berghauptmann Täglrchsbeknahmdie Bergbehörde in Schutz. Pfarrer Weber sekundirte ihm. Die oberschlesischen Delegirten klagten über die Privatgruben, ohne allerdings dabei zu sagen, daß die Besitzer derselben die Zentrumsleuchten Ballest rem k. sind. Beschlossen wurde eine Resolution, worin bessere Wetterführung, Anstellung und Ablegung der Zechenbeamten unter Mitwirkung der Bergbehörde gefordert wird. Ueber Frauenarbeit auf den Gruben referirte Schmidt- N.- Hermsdorf(N.- Schlesien ), der den Unternehmern ein Loblied sang und behauptete, die uiederschlesischen Bergleute seien Freunde der Frauenarbeit. Er fand aber keine Gegenliebe; eine Resolution gegen die Frauenarbeit wurde angenommen. Bei dem Referat über die Sonntagsruhe auf de» Gruben wurde festgestellt, daß die Unternehmer den Sonntag nicht heiligen. Täglichsbek sprang den Unternehmern bei, aber mit wenig Er- folg. Man votirte für strenge Durchführung der Sonntagsruhe. Für Einrichtung von Arbeiterausschüssen sprachen eine Menge Redner. Ein oberschlestscher klagte wieder über die Ballcstrem und Matuschka, natürlich ohne in Gegenwart ihres Freundes Hitze den Namen der frommen Grubenbesitzer zu nennen. Vikar Braus- Borbek will durch die ArbeiterauLschüsse die Harmonie zwischen Unternehmer und Arbeiter fördern. Schmidt- N.-Schlesien behauptet, bei ihm zu Hanse hätten die Arbeiter in den Ausschüssen das Recht, frei ihre Meinung zu sagen. Niemand würde gedrückt. Eine Resolution zu gunsten der Arbeiterausschüsse fand einstimmige Annahme. Dann trat Schluß der ersten Sitzung ein. In der zweiten Sitzung referirte Brust über die Lohn­frage. Es müsse aufhören, daß der Lohn nach Angebot und Nachfrage geregelt werde. Der Ertrag der Arbeit gebühre nicht blos de» Unternehmern, sondern zum theil auch den Arbeitern. Eine Bergarbeiterfamilie mittlerer Art im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund bedürfe bei ganz m ä ß i g e n A n s p r ü ch e n 1 1 36 M a r k pro Jahr. Der durchschnittliche Lohn betrage aber 848 Mark, der Höchstlohn 1114 M. pro Jahr. Also selbst der Höchst- lohn reichte nicht zur Unterhaltung der Familie aus. geschweige, daß es den Arbeiter» möglich sei, sich ein kleines Eigenthum zu erwerben. ES sei richtig, seit 1895 seien die Löhne im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund um einige Pfennige gestiegen. Allein die Löhne entsprachen auch nicht im Entferntesten den nothwendigen Lebensbedürfnissen. Die Dividenden der Bergwerks- Aktien seien dagegen ganz unendlich gestiegen. Gemischte Aus- schüsse von Arbeitgebern und Arbeitern müßten»ach Gerechtigkeit und Billigkeit die Lohnfrage regeln. Brust beantragt hieraus die bereits gestern imVorwärts" wörtlich veröffentlichte Resolution. Bergarbeiter Enzian- Bödefeld(S a u e r l a n d) theilte mit, daß in seiner Heimath die jungen Leute, die vom 13. Lebensjahre an ins Bergwerk gehen, kaum älter als 35 Jahre werden. Diese jungen Leute verdienen vielfach 50 Pf. biß 1 M. pro Schicht, d. h. pro Tag.(Rufe: Pfin!) Diese traurigen Verhältniffe haben es bewirkt, daß«in Land- rath vor einiger Zeit feststellte: die Bergarbeiter des Sauerlandes können schon seit langer Zeit nicht mehr zum Militärdienst herangezogen werden. Bergarbeiter R ö d e r> Niederscheiden(Siegerland ) theilte mit, daß die Löhne in seiner Heimath ebenfalls sehr traurige sind. Bergarbeiter K r o l i k- Tarnowitz: In O b e r s ch l e s i e» seien die Löhne der Bergarbeiter wohl die s ch l e ch t e st e n in ganz Deutschland . Die Arbeiter in den oberschlesischen Blei- bergwerken verdienen durchschnittlich 1,80 M. pro Tag. Wenn die Arbeiter höhere Löhn« verlangen, dann werde ihnen gesagt: sie möchten,>v e n n e s i h n e» nicht passe, nur die Arbeit niederlegen, es ständen genügend Arbeiter zur Verfügung. In Oberschlesien überwiege das Angebot stets die Nachfrage. Deshalb seien die Frauen geuöthigt, in den Bergwerken mitznarbeiten, wenn die Familien sich einigermaßen satt essen >v o l l t e n. E ck(Jmmenkeppel(S ü l z» h a l): In seiner Heimath komme es vor, daß Arbeiter nach Abzug des Pulvergeldes und der Gefälle 1520 M. monatlich verdienen.(Rufe: Pfui!) Bergarbeiter G r i e b n e r(Niederdelphen, S i e g e r l a n d). In seiner Heimath reichen ebenfalls die Löhne der Bergarbeiter zum nothdürftigsten Leben kaum aus. AlteBergarbeiter finden auf keiner Zeche Arbeit.(Rufe: Pfui l) Es gebe in seiner Heimalh alte, aber noch sehr rüstige, thatkrästige Leute, die alle drei Feldzüge mitgemacht haben, diese erhalten aber grundsätzlich auf keiner Zeche Arbeit. Sache der Bergbehörde wäre es, in dieser Beziehung Wandel zu schaffen. Bergarbeiter Schneider(Hostermarck): Das Eisen sei um das Doppelte und Dreifache im Preise gestiegen, die Löhne der Eisen- arbeiter seien aber bisher dieselben geblieben. B r n st"(Altenesscn): DieRhein.-Westfäl. Ztg." habe nach- gerechnet, daß die Löhne im Oberbergamlsbezirk Dortmund seit 1395 sehr gestiegen seien. ES seien nur dabei die vielen Ueberschichten verschwiegen worden. Er(Brust) habe dies dem Oderbergamt an- gezeigt und dies habe ihn aufgefordert, zahlenmäßig den Nachweis zu erbringen, bei welchen Zechen die Ueberschichten nicht angegeben seien. Er sei dieser Aufforderung sofort nachgekommen. Er habe allerdings noch keine Antwort vom Oberbergamt, er glaube aber demselben den Beweis der Wahrheit geführt zu haben. Die Resolution Brust's wurde hierauf einstimmig an- genommen. Pfarrer Weber beantragte die Ernennung einer Kommission zur Prüfung der Frage, ob angesichts der Vereinsgesctz- febung der verschiedenen deutschen Staate» ein engerer Zu- ammenschluß sämmtlicher christlicher deutscher Bergarbeiter auf der Grundlage unserer Prinzipien herbeizuführen ist". Diese Resolution wurde angenommen, ebenso folgende, die von K r o l i k(Tarnowitz ) gestellt war:Die königliche Staatsregierung dringend zu bitten, im Hinblick auf eine gedeihliche Entwickeluug und einen Zusammenschluß der auf christlicher Grundlage sich auf- bauenden berechtigten Bergarbeiter-Organisationen, den ß 8 des preußischen Vereinsgesetzcs baldigst abzuändern." In Beziehung auf die Verkürzung der Arbeitszeit beschloß man einstimmig auf Antrag des Bergarbeiters Müller- Huttrop:Der Delegirtentag christlicher Bergarbeiter-Vereine Deutsch- landS erklärt sich 1. für die gesetzliche Festlegung einer Maximal- schicht-Dauer und hält die achtstündigen Schichten, einschließlich Ein- und Ausfahrt, für das erstrebenswerthe Ziel. 2. Für be- sonders schwierige, gesundheitsschädliche und gefährliche Arbeit, zum Beispiel Schachthauerarbeit, Arbeit in hoher T.mperatur, muß die Arbeitszeit noch mehr eingeschränkt werden aus 7 resp. 6 Stunden und zwar ist diese Einschränkung der Arbeitszeit nach unserer Ansicht auch für den Augenblick durchführbar."(Ledhafter Beifall.) Die Debatte über das KnappschaftSkassenwesen endete mit der einstimmigen Annahme folgenden Beschlusses: Der Delegirtentag christlicher Bergarbeilervereine Deutsch - landS erklärt sich für die Abänderung der Knappfchaftsstatuten dahingehend, daß 1. die Aerztewnhl eine freiere wird; 2. die Erhöhung des Krankengeldes auf zwei Drittel des Lohnes vom Beginn der fünften Woche der Krankheit ab gerechnet, erfolge, 3. die Jnvalidenpension den Bedürfnissen der Arbeiter und deren Leistungen zur Kaste entsprechend normirt werde, und daß dort, wo die Reichs-Jnvalidenrente auf die Knappschaftspension verrechnet wird, die letztere sich entsprechend erhöht. 4. Wir verlangen die Einrichtung von Schiedsgerichten zwecks Abstellung der Klagen der Mitglieder über Jnvalidisirung u. f. w. und 5. eine mehr der Gerechtigkeit entsprechende Selbst- ständigkeit der Arbeiter bei der Verwaltung." Damit war die Tagesordnung des Kongresses erschöpft. Auf 15 Minuten erhielt dann noch das Wort Pfarrer Naumann auS Frankfurt . Er forderte unter großem Beifall zur Bereinigung der beiden Verbände auf! Kein Geistlicher trat gegen Naumann auf. Nur Brust, der keine Einigkeit will, wagte einige lendenlahme Entgegnungen. Hierauf wurde der Delegirtentag geschlossen._ DevSozwlipk" und die Volizri. Wegen Aufreizung zum Klassenhaß und Beleidigung des Kriminalkommissars Bösel standen gestern der ehemalige ver- antwortliche Redakteur der AnarchistenblätterSozialist undArmer Conrad" Tischlergeselle Gustav Friedrich und Schriftsteller Gustav Landauer vor der I. Strafkammer hiesigen Landgerichts l. Den Vorsitz führt Landgerichts-Direklor Rieck, die Anklage ver- tritt Staatsanwalt K a n tz o w, die Verthcidigung führen die Rechts- anwälte Steinschneider und Dr. H e r z f e l d t. Als literarische Sachverständige sind die Chefredakteure Vollrath und G roddeck geladen, als kaufmännischer Sachverständiger Bücherrevisor H e n n i g e r. Die Angeklagten werden beschuldigt, durch drei selb- ständige Handlungen mittels der in Nr. 40 desSozialist" und 6 und 10 desArmen Conrad" durch den ArtikelWie der Kriminal- kommissarins Bösel bei der Spitzelzucht ertappt wurde", Herrn Bösel ferner durch den ArtikelDie Autorität und die Begnadigung eines Todtschläaers" die Exekutivbeamten der Polizei beleidigt und durch den ArtikelWoran fehlt es?" verschiedene Bevölkerungsklassen znm Kampf gegen einander angereizt zu haben. Was die perjöulichen Verhältnisse der Angeklagten betrifft, so stellt der Vorsitzende fest, daß Landauer zweimal nndzwar mit 2 und 9MonatcnGefä»guiß vorbestraft ist. Friedrich giebt an, daß er die Kommunalschule besucht und sich dann selbst weitergebildet habe. Namentlich habe er acht Bände von Schlosser's Weltgeschichte gelesen und stenographiren gelernt. Er bekennt sich zumAnarchismus" und setzt auf Befragen des Vorsitzenden auseinander, wie er sich die Verwirk- lichung der anarchistischen Gesellschaft denkt, die dahin gingen, die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten dieser Welt zn beseitigen, die Menschen selbst durch Bildung zu größerer Freiheit und höherem Idealismus zu erheben und die per- sönliche Freiheit des einzelnen nicht durch eine Autorität beengen zu lassen. Sln Erreichung dieser Ziele durch Gewalt habe er nicht gedacht. Er behauptet, daß er. damit das BlattDer Sozialist" nicht eingehen müsse, in die Bresche gesprungen sei und das Blatt als Eigenthnnier und Verleger übernommen habe. Ueber weitere Einzelheiten bezüglich der inneren Verhältnisse desSozialist" ver- weigert er eine Älnssage. Die Redaktionsgeschäfte habe er selbst besorgt, obwohl er als'Tischlergeselle noch bei Oberhollhaus in der Wilhelmstraße beschäftigt war. Er sei viermal in der Woche nachmittags in der Redaktion erschienen und habe das ein- gegangene Material durchgesehen und gesichlet. Dabei habe ihm sein Redakteur Landauer geHolsen, der namentlich die philosophische» Artikel durcharbeitete; die auf die Bewegung selbst und die ökonomischen Verhältnisse bezüglichen Artikel habe er selbst durchgesehen und umgearbeitet. Die Kassensührung sei dem Expedienten Spohr überlassen worden. Landauer habe weder über den Inhalt der Zeitung, noch über die Buchführung k. ein selb­ständiges Berfügungsrecht gehabt. Gewinn auS dem Verlage habe er nicht gehabt. Die in den Büchern figurirenden Posten für Re- dakteure seien zurückgelegt worden, um bei eventuellen Preßprozessen Verlheidiger damit zu bezahlen. Ueber die Mitarbeiter und die'Art, wie Laudauer bezahlt wurde, verweigere er die Aussage. Im No- vember habe er die Redaktion niedergelegt, weil er seine alte Arbeitsstelle verlor und ihm in der neuen Stelle keine Zeit zur Erfüllung seiner Redaklionspflichten blieb. An seine Stelle sei die jetzige Redakteurin Frl. Bareis getreten. Er selbst gehöre jetzt dem Vorstände einer Konsumgenossenschaft in der Kottbuser- straße an. Der zweite Angeklagte hat in Heidelberg , Straß- bürg und Berlin Philologie studirt. Er ist gleichfalls, wie der Gerichts- Berichterstalter zu melden weiß, Anarchist und steht auf einer Art vermittelndem Standpunkt zwischen Kollektivismus und Kommunismus, er will das Privateigenthum so wenig wie möglich aufrechterhalten. An Gewalt denke er auch nicht, sondern an fort- gesetzler Ausklärung, an Zerstörung veralteter Ideen und Neu- schaffnng von Organisationen, wie die von dem Mitangeklagten er- wähnte Konsumgenossenschaft. Er bestreitet entschieden, seinerseits für den Inhalt desSozialist" strafrechtlich verantwortlich zu sein. Was denArmen Conrad" betrifft, so erklärt der Angeklagte Landauer, daß er bei diesem nur verschwindend wenig mitgearbeitet habe. Von den unter Aullage gestellten Artikeln behandelt der in Nr. 40 desSozialist" erschienene die Schicksale des Anarchisten Theodor M a ch n e r in Steltin, Kopenhagen und Berlin . Es wird erzählt, daß dieser überall, wohin er ging, von deutschen Polizisten verfolgt worden sei. Als Machner aus Kopenhagen wieder nach Stettin spedirt worden sei, habe Kriminalkommissar Bösel ein Gespräch mit ihm gehabt und ihn» angeboten, ihm aus London Korrespondenzen über die Mitglieder der Propaganda der That" zu liesern. Es seien dabei allerlei Drohungen gefalle» und um möglichst bald ans der Haft herauszukommen, sei Machner scheinbar auf diesen Borschlag eingegangen, habe einen Bericht für Bösel geschrieben, dafür 10 Mark erhalten, freie Reise nach Berlin zugesichert bekommen und sei dann sehr bald freigelassen worden und nach Berlin gedampft. Hier sei er in der Landsberger Allee mit Bösel zusammengetroffen und habe mit ihm eine längere Unterredung gehabt, in welcher Herr Bösel immer betonte, daß es vor allem darauf ankomme, den Sozialist" todt und Landauer mir Spohr unschädlich zn machen. Auch ein ganzer Feldzugsplan sei verabredet worden. Danach sollte Landauer ganz unbehelligt, er aber demonstrativ von Geheimpolizisten beobachtet, in Berlin herumgehen, so thnn, als ob er Arbeit suchte, thalsächlich aber Parteigenossen aufsuche», aus ihnen allerlei Neuigkeiten herausholen und Herrn Bösel Bericht erstatten. Machner sollte dann am nächsten Tage mit Bösel in der Fischkosthalle der Gewerbe- Ausstellung zu- sammen treffen und dort Geld zur Reis« nach London erhallen. Machner habe aber seine Parteigenossen von allem unterrichtet und man habe gemeinschaftlich einen Plan gefaßt, um den Kriminalkommissarius Bösel hineinzulege». Man habe gemein- schaftlich einen ganz unglaublichenBericht" an Bösel zu- sammengestellt. den Machner an Bösel abzusende» hatte und de» letzterer trotz alledem für echt gehalten habe. Verabredeter- maßen habe sich dann Machner zur festgesetzten Stunde i» der Fischkosthalle eingefunden und sei dort von Bösel sehr er- freut begrüßt worden. Letzterer sei aber sehr erstaunt ge- wefen, als ihm drei in der unmittelbaren Nähe siehende Männer alsHerr Landauer, Herr Spohr und HerrWeidner" vorgestellt wurden. Letztere hätten sich durch Maskerade unkenntlich gemacht und so sei es ihnen gelungen, Herrn Bösel beim Spitzelsang zu erwischen. Die Theilnehmer dieses Scherzes hätten sich in ihrer Maskerade pholo- graphiren lassen und ein Bild Herrn Bösel zum ewigen Gedächlniß verehrt: letzterer habe, als er sich entlarvt sah, sich schleunigst seitwärts in die Büsche geschlagen. Beide Angellagte bestreiten, den Artikel verfaßt zu haben, verweigern aber dieNennung des Verfassers. Landauer giebt zu, die betreffende Photographie dem Kriminalkommissar Bösel zugeschickt und folgende Widmung drausgeschrieben zn haben:Herrn KriminaltommiffarinS Bösel zur freundliche» Erinnerung an den schönen Abend in der Gewerbe-AuSstellung, 1. Oktober 1896, Gustav Landauer , Wilhelm Spohr , Weidner." Der ArtikelAutorität" in Nr. 6 deSArmen Conrad" be­handelt die Mißhandlung eines Gefangenen durch den Schutz- mann Lorenz in Stettin und dessen Begnadigung. In dieser Besprechung wird eine Beleidigung der Beamten der Exekutiv - Polizei gefunden. Der Artikel in Nr. 10 desArmen Conrad", der die Aufreizung zum Klaffenhaß enthalte» soll, bespricht n. a. den Fall v. B r ü f e w i tz und einen Vorfall in Karlsruhe , bei welchem ein Zahlmeister bei einem Konflikt mit Zivilisten den Säbel anwenden wollte und von Arbeitern durchgeprügelt worden fei. Landauer behauptet, daß er mit diesen Artikeln nichts zu thuu habe. Strafanträge sind vom Polizei-Präsidente» und von dem Minister des Innern gestellt worden. Der als Zeuge vernommene Kriminalkommissarius Bösel ist der Ansicht, daß mehrere vom Angeklagten an den Tischler Weiß gerichtete Briefe, in denen die Reu» gründung desSozialist" behandelt wurde, darauf hindeuten, daß Landauer der eigentliche geistige Leiter und die Seele des Blattes sei. Der Angeklagte bestreitet dieS. Zeuge Bösel