Mr. 143.

Dienstag, den 24. Juni 1890.

7. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Intereffen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

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erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Postabonnement 3,30 Mart pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1890 unter Nr. 892, V. Nachtrag.) Unter Kreuzband, täglich durch die Erpedition, für Deutschland und Desterreich- Ungarn 2 Mark, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat.

Redaktion: Beuthstraße 2.

Die Spaltung in der sozial­demokratischen Partei.

Insertionsgebühr

beträgt für die 5 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs­Anzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Beuthstraße 3, sowie von allen Annoncen- Bureaur, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Mr. 4106.

Expedition: Beuthstraße 3.

als sei die Versammlung mit einem Referat von Bebel aussprach, ist die Meinung der immensen Mehrheit aller oder doch mit dessen Auftreten angekündigt worden, und einsichtigen und zielbewußten Parteigenossen, und auch in daß trotzdem der schwache Besuch nicht zu verhindern ge- der Versammlung war Niemand mit Ausnahme viel­wesen sei. leicht der interessirten Vertreter einer gewissen Brauerei pid Man sollte eigentlich denken, daß in der jetzigen Zeit, Daß das nicht der Fall war und daß weder auf den der nicht die Zweischneidigkeit einer Maßregel, wie der wo die Verhandlungen des Reichstags, das Abkommen Plakaten, noch in irgend einem Breßorgan bekannt gemacht Bierboykott eine ist, zugab. Wenn deshalb die Tante zwischen Deutschland und England über Ostafrika und war, daß Bebel in der Versammlung erscheinen werde, Voß, die dem Vorgange auch einen Leiter widmet, der Helgoland und die Vorgänge in den interessanten" wissen die Leser. Die Freis. 3tg." hat also einfach ge- Meinung Ausdruck giebt, daß, wenn es nicht Bebel gewesen Ländern und Ländchen an der unteren Donau doch flunkert, was ihrer Tendenz, alles herunterzureißen, was wäre, der so auftrat, jeder andere Redner von einem hochnoth­fo reichlichen Stoff für die politische Bierbank- Unter- nicht Eugen Richter heißt oder nach der Pfeife dieses peinlichen Gerichte seine Ausstoßung aus der sozialdemokra­haltung und Kannegießerei bieten, die Redaktionen der Generalgewaltigen tanzt, allerdings vollkommen entspricht. tischen Partei erleben würde, so täuscht sich das Blatt doch bürgerlichen Blätter eigentlich keine Ursache hätten, ihre Wäre irgendwie bekannt gewesen, daß Genosse Bebel in ganz gewaltig.

alten und schon hundert Mal abgeleierten Themata hervor der Versammlung erscheinen werde, wir glauben nicht zu Unsere Partei fennt weder einen Höchstkommandiren­zu suchen, um ihren Lesern dieselbe Geschichte zum hundert- viel zu sagen, wenn wir behaupten, daß dann der Saal den", noch haben wir Rücksichten zu nehmen auf gewisse understen Male noch einmal vorzutragen. nicht für die zuströmenden Arbeiter ausgereicht hätte, und Zukunftshoffnungen beides Dinge, die bei den Partei­

Wir sind gewohnt, daß in der Zeit der sauren Gurke wenn er drei oder fünf Mal so groß gewesen wäre, wie genossen der Vossin allerdings eine sehr große Rolle und der Hundstagshize neben manch' anderen Laden- er ist. Vielleicht findet sich bald Gelegenheit, die Probe spielen und gespielt haben. In unseren Reihen hat das hütern auch immer und immer wieder die Geschichte von auf das Erempel zu machen; einen kleinen Vorgeschmack Recht der vollen und rücksichtslosesten Kritik zu allen der

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der Herrschaft des Sozialistengeſetzes ge­

demnächstigen Spaltung" der sozialdemokratischen davon geben ja die Versammlungen bereits, welche die beiden Beiten unumschränkte Geltung gehabt und die Redaktion Partei und dem weitgediehenen Bersetzungsprozeß" inner- Berliner Abgeordneten Liebknecht und Singer zur Bericht der Tante würde vergebens alle die dickleibigen Bände halb derselben auftaucht; daß aber jetzt schon diese See- erstattung vor ihren Wählern dieser Tage abgehalten ihres Blattes durchblättern, wenn sie nach einem Falle schlange erscheinen würde, darauf waren wir nicht gefaßt. haben. suchte, wo ein Sozialdemokrat wegen der legalen Aus­Und doch kann man jetzt faum ein bürgerliches Genau so wie es aber mit der Behauptung steht, daß übung dieses Rechtes ausgeschlossen worden wäre. Blatt in die Hand nehmen, das nicht eine mehr oder die werkthätige Bevölkerung Berlins es satt hat, sozial Daßdagegen für Leute, welche nicht kritisiren, um zu minder lange und auf alle Fälle tiefsinnige" Abhandlung demokratische Versammlungen zu besuchen, ebenso falsch bessern, sondern stänkern, um zu spalten und zu kompromit­über den Zerfall der Sozialdemokratie enthält. find die Schlußfolgerungen, welche aus dem Verlauf der tiren, in unseren Reihen kein Play ist, das ist eben so richtig, Den Anlaß zu diesen ebenso überflüssigen als neben das Versammlung über die Stimmung innerhalb unserer Partei als es nothwendig ist. Eine Partei, für die das Wort: im vollen Umfange gilt, wird Biel schießenden Anfechtungen leiten die Blätter aus der gezogen werden. Wir behaupten- und wir glauben von Feinde ringsum!" Rede her, die Genosse Bebel gelegentlich der Volksver- diesen Dingen doch etwas mehr zu wissen als die Redak- ebenso sehr auf Selbstkritik zu sehen, als darauf zu sammlung am Donnerstag voriger Woche im Saale der tionen der bürgerlichen Blätter, daß die sozialdemo- achten haben, daß ihre Reihen von zweifelhaften Brauerei Friedrichshain " gehalten hat. Die energischen fratische Arbeiterpartei in allen ihren Theilen Elementen frei bleiben. Wenn das Letztere der Partei Worte, welche der hochgeachtete Führer der Sozialdemokratie nie einiger und geschlossener gewesen ist, als heute, und während der in dieser Beziehung so ungemein schwierigen gegen das unbesonnene und unüberlegte Streifen und Boykotten das alles, was von bevorstehenden Spaltungen und einem Periode so wird es ihr erst recht gelingen, In die Parteigenossen gerichtet hat, sollen auf einen tiefen angeblich vorhandenen Zersehungsprozeß geschrieben wird, lungen ist, dieser Alp von uns genommen sein Riß" innerhalb der Partei hinweisen, zumal die Volksversamm nichts als Faselei ist, das Papier nicht werth, auf dem wenn wird. lung trotz der Abmachungen Bebels eine Resolution gegen es steht. das Berliner Volksblatt" annahm. Dazu bedarf es aber vor allem, daß wie bis­Die Freisinnige Daß über die eine oder andere Frage nebensächlicher Beitung" des Herrn Richter weiß außerdem auch noch Bedeutung auch in unserer Partei verschiedene Meinungen her, so auch in alle Zukunft der Kritik ihr Recht unge­als weiteren Beiweis für den Rückgang und Berfall der vorhanden sein können und thatsächlich manches Mal auch schmälert gewahrt bleibt, unbekümmert darum, wer sie übt, Sozialdemokratie gerade hier in Berlin zu erzählen, daß vorhanden sind, ist ebenso selbstverständlich, als wie es sich wenn es nur in loyaler Weise und in der Absicht, die Inter­die Arbeiterversammlungen in den letzten Monaten immer am Rand versteht, daß auch unsere Parteigenossen nicht essen der Partei zu fördern, geschieht. In diesem Sinne schwächer besucht wurden und daß sogar in der Bebel- unfehlbar sind und deswegen mancher Beschluß gefaßt und beurtheilten die Parteigenossen auch das Vorgehen Bebels versammlung" 300 Personen dagewesen sein manche Aktion in Szene gesetzt werden kann, die vielleicht in der Friedrichshain "-Versammlung und weit sollen. Abgesehen nun davon, daß diese lettere Angabe besser unterbleiben würde. In diesem Sinne hat sich auch fernt, daß dieses Aussprechen abweichender Ansichten die eine grobe Lüge ist, denn wenn auch der Besuch angesichts Genosse Bebel gegen einen etwaigen Fetischdienst, der mit Einheit der Partei gefährden, sie zersetzen" wird, des riesigen Saales ein schwacher war, so hatten Voltsversammlungsbeschlüssen getrieben werden soll, aus wird gerade dieses offene Vorgehen der Partei im hohen fich doch mindestens 1000 Personen eingefunden, gesprochen und aus gleichem Grunde warnte er, wie wir Grade von Nutzen sein.

nur

ent­

ein ganz ordinärer Streich des freisinnigen Blattes ist hier einschalten wollen, in voller Uebereinstimmung mit Die Sozialdemokratie braucht sich nicht zu scheuen, es aber, von einer Bebelversammlung" zu reden. Damit der gesanimten Fraktion vor unüberlegten Streifs und ihre Angelegenheiten bei offenen Thüren zu verhan soll natürlich bei den Lesern der Glaube erweckt werden, der unüberlegten Anwendung des Boykotts. Was Bebel deln, und daß in unseren Reihen es nicht an mora­

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

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zu:

Zum Glück der Damen." orte Autorisirte Uebersehung von Armin Schwarz.aber Sonntag erwarte ich Dich und Du wirst Nachmittag Rivoire; selbst die Wäschehändlerin Fräulein Tatin und

Roman von Emile Zola .

Denise verließ schaudernd den Rand des Bettes, als

Bapa herauskommt, ich fürchte mich zu sehr, wenn ich Sympathie bezeugen, und darin lag zugleich eine Demon­stration gegen das Glück der Damen ", welches man für das allein bin. Dann, als Baudu da war, in diesem kleinen dumpfen langsame Hinsterben von Genevieve beschuldigte. Sämmt­Bimmer, wo er 2 Stunden auf einem Sessel fizend liche Opfer des Ungeheuers waren erschienen. Bedore und verbrachte, war sie etwas heiterer und rief Denise die Schwester, die Wirkwaarenhändler aus der Gaillonstraße, die Pelzwaarenhändler Brüder Vanpouille, der Spiel­Du brauchst gar nicht zu kommen, es ist unnöthig, waarenhändler Deslignieres, die Möbelhändler Picot und bei mir bleiben. der Handschuhhändler Quinet, welche durch das Falliment Am folgenden Tage um 6 Uhr Morgens starb Genevieve längst hinweggefegt waren, hielten es für ihre Pflicht zu ob sie befürchtet hätte, durch einen Hauch diese erbärmliche nach einem vierſtündigen grenlichen Todeskampfe. Die erscheinen. In Erwartung des Leichenwagens, der sich Nacktheit zu zerstören. Es war das Ende des Fleisches, ein Beerdigung fand an einem Sonnabend statt, bei einem ein wenig verspätet hatte, trippelte die leidtragende Menge Das Alte Elbeuf", in dem Straßenfothe hin und her und schleuderte wüthende bräntlicher Leib, verzehrt in der Erwartung, zurückgekehrt zu umwölkten unfreundlichen Wetter. des Hasses auf das Glück der Damen ", der gebrechlichen Kindheit der ersten Jahre. Genevieve be- mit weißem Tuch überzogen, bildete einen großen weißen Blicke Fleck in der Straße. Und die Kerzen, die im matten welches mit seinen hellschimmernden Auslagen gleichsam eine deckte sich langsam wieder und sagte: Es Tageslichte brannten, waren die Sternchen, die in der Insulte gegen das Alte Elbeuf" war, dessen Trauer die war Du siehst wohl, ich bin fein Weib mehr.... Morgendämmerung erblassen. Die Bahre mit andere Seite der Straße verdüsterte. Es erschienen wohl wäre schlecht von mir, jezt noch nach ihm zu verlangen. Sie betrachteten sich von Perlenkränzen und einem großen weißen Rosenbouquet die Köpfe einiger Kommis hinter den Spiegelscheiben, allein Stun schwiegen alle Beide. Neuem, fanden aber nichts zu sagen, endlich bemerkte geschmückt; es war ein recht schmaler Sarg, wie für der Koloß behielt seine Gleichgiltigkeit der in Thätigkeit be­ein kleines Mädchen bestimmt, welcher in dem düsteren findlichen Dampfmaschine. Denise suchte mit den Augen Genevieve: -Geh', bleibe nicht da, Du hast ja Deine Geschäfte. Thorcingang des Hauſes ſtand. Das ganze alte Stadt ihren Bruder Jean; sie bemerkte ihn endlich vor der Butik Ich danke Dir: ich hatte das Verlangen, zu erfahren; nun- viertel schwitzte sozusagen die. Feuchtigkeit, wie dumpfer des alten Bourras, wo sie ihn abholte, um ihm zu empfehlen, mehr bin ich zufrieden. Wenn Du ihn wieder siehst, fage Schimmelgeruch, wie aus einem Steller, strömte da aus auf daß er neben dem Onkel gehen und ihn, aufrecht halten soll, ihm, daß ich ihm verzeihe. Adieu, meine gute Denise, küsse das ununterbrochene Treiben der Menge, welche auf dem wenn dieser zu schwach werden sollte. Seit einiger Zeit mich, es ist das letzte Mal.

Denise füßte fie protestirend.

fothigen Straßenpflaster hin und her wogte. indwar Jeau erust geworden und war von einem innern Leiden Um 9 Uhr Morgens kam Denise, um bei ihrer Tante gequält. Au diesem Tage war er in eine schwarze Redin­Als der Leichenzug aufbrach, bat die Mutter, gote gekleidet und stellte einen ganzen Mann vor; er bedarfst der Pflege, sonst nichts. Nein, nein, sagte sie, was quälst Du Dich so, Du zu bleiben. die in ihrem namenlosen Schmerze nicht weinen konnte, verdiente in letzter Zeit 20 Frants au manchem Tage und daß seine Schwester lächelte, sie war ihrer Sache sicher, und da ihre Base sich nehmen, deffen stunner Schmerz die ganze Familie benruhigte davon überrascht war, denn sie vermuthete gar nicht, daß er Denise fand die ganze Straße mit Lenten angefüllt. Der die Kousine dermaßen liebte. Um Pepe alle überflüssigen endlich zur Thür wandte, fügte fie noch hinzu: Wart ein wenig, poche mit diesem Stock, damit kleine Handel des Stadtviertels wollte der Familie Baudu seine Kümmernisse zu ersparent, ließ sie ihn bei Madame Gras