3.

50

n

m

LESS

-ft

n

f

Nr. 150.

Mittwoch, den 2. Juli 1890.

7. Jahrg.

Berliner Volksblatt

=

Organ für die Interessen der Arbeifer.

Das„ Berliner Volksblatt"

erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Postabonnement 3,30 Mart pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1890 unter Nr. 892, V. Nachtrag.) Unter Kreuzband, täglich durch die Expedition, für Deutschland und Desterreich- Ungarn 2 Mark, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat.

Redaktion: Beuthstraße 2.

Abonnements- Einladung.

Insertionsgebühr

beträgt für die 5gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs­Anzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Beuthstraße 3, sowie von allen Annoncen- Bureaur, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Nr. 4106.

Expedition: Beuthstraße 3.

Für das III. Quartal eröffnen wir ein neues Abonnement ginge nicht weit genug. Er sagte, die Lassalle 'schen die im März 1848 und nachher so berühmten Redner auf das ,, Berliner Volksblatt"

wöchentlich 28 Pf.

er aus dem Ausland zurückkam, ward er mit Reichensperger, einst liberal", ist heute Zentrums­Lassalle bekannt und war noch so radikal, mann. Auch aus der Reihe weniger berühmter Leute mit daß er dem genialen Stürmer und Dränger vorwarf, er Wandlungen seien Einige genannt. Held und Jung, Produktiv Assoziationen würden nur neue soziale der jungen Berliner Demokratie, gingen der Eine zur Bourgeois" schaffen. Noch lange Zeit nachher gehörte Reaktion, der Andere zum Nationalliberalismus über, nebst dem wöchentlich erscheinenden Sonntagsblatt. Bucher der Internationale an. Als er es für flug fand, und Gottschall, der 1848 Barrikadenlieder heraus­Der Abonnementspreis beträgt frei ins Hans für das sich um die Regierung zu ralliiren", wie gegeben hatte, ist heute mehr als konservativ. Der Straßen­ganze Bierteljahr 3 Mark 30 Pf., monatlich 1 Mark 10 Pf., er an Karl Marx schrieb, ward er die rechte Hand demokrat Br a ß von ehemals gab sein Blatt, die„ Nord­Bismarcks; das allgemeine Wahlrecht, der Kultur- deutsche Allgemeine", zum Leiborgan Bismarcks her, und Bestellungen werden von sämmtlichen Zeitungsspediteuren, kampf, die Sozialgesetzgebung sind auf seine Anregung sein Nachfolger, Herr Kommissionsrath Pindter, soll sowie von der Expedition unseres Blattes, Beuthstr. 3, entgegen- zurückzuführen. polnischer Insurgent gewesen sein. Herr Michaelis hatte eine gleichfalls sehr wunder­Wir müssen nachdrücklich darauf verweisen, daß es endlich bare Wandlung durchgemacht. Bevor er vortragender Parteikämpfen schon eine große Rolle gespielt und selbst­Diese Wandlungen bekannter Personen haben in den an der Zeit ist, daß die Arbeiter Berlins sich von der gegnerischen Rath wurde, pflegte er die Wirthschaftspolitik der Regie- verständlich war es den Verwandelten" niemals arge Presse emanzipiren. Zu den Gegnern gehören auch die sogen. unparteiischen oder politisch- farblosen Blätter. Sie gerade gehen rung, die er nachher so eifrig vertrat, sehr scharf zu nehm, wenn man ihnen" den Spiegel der Vergangen nur darauf aus, die große Masse in der Unwissenheit zu erhalten, kritisiren. heit vorhielt. Wenn wir heute davon reden, so geschieht um sie desto ungestörter ausnutzen zu können. Nicht alle kamen in die Regierung, die sich solcher es nur, um zu zeigen, daß wir es in diesen Wandlungen Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Be- Wandlungen befleißigten, aber in Amt und Würden sind mit einem Stück Naturgeschichte unserer Bourgeoisie zu stellungen für das Vierteljahr gegen Zahlung von 3 Mark die meiſten gekommen. Herr von Bennigsen, der thun haben. In den vormärzlichen Zeiten unter dem verunglückte und hartnäckige Ministerkandidat, ist auch einer Druck des Absolutismus war sie allen extremen An­

genommen.

Gin aufgeklärter Arbeiter liest nur die Arbeiterpresse!

30 Pf. an.

Redaktion und Expedition des Berliner Volksblatt".

on ihnen. Auch er hatte einst demokratische Neigungen. schauungen geneigt; das„ junge Deutschland " liefert den

Als er in Hannover das Ministerium Borries bekämpfte, Beweis dafür in seinen Schichten. Die literarischen Vor­trug die von ihm geführte Opposition einen sehr demo- läufer der modernen deutschen Bourgeoisie vertreten in Be fratischen Charakter. Noch als Herr von Bennigsen den zug auf Eigenthum, Che, Staat u. s. w. Grundsätze, die Nationalverein ins Leben rief, sah er sich genöthigt, den Spießbürgern von heute ein starkes Gruseln Programm mit einem Tröpflein demokra verursachen würden. Nach 1848 schlug die Bourgeoisie

-

"

=

Allerlei Wandlungen.schen Del 3 zu versehen. Dann kam seine Beit und erst wild aus; als aber das Bolt in Masse auf dem Es wird öfter betont, daß Herr Miquel, der er wurde nationalliberal. Bis zum Oberpräsidenten hat Kampfplatz erschien und seine Menschenrechte forderte, da neue Finanzminister, in seinen jungen Jahren einmal er's gebracht, weiter nicht. Das ist jedenfalls der Schmerz ward die Bourgeoisie kopfscheu, begnügte sich mit einigen Sozialist von ganz rother Färbung oder sogar Kommunist seines Alters, wenn er an den glücklicheren Parteigenossen Bugeständnissen und lehnte sich an die Regierungen an, gewesen sei. Einem hervorragenden Politiker, der in die denkt. die ihr für ihre Versöhnung ihre Klassenvorrechte sicherten. Regierung kommt, werden solche kleinen Jugendsünden" Der rothe Becker"- der Name sagt Alles So versant das ehemals so demokratische Bürgerthum nicht so leicht verziehen und er muß sich schon gefallen war zuletzt Oberbürgermeister von Köln und Herren- Deutschlands in die alte politische Unterthänigkeit und die lassen, daß in seiner Vergangenheit gewühlt wird. Herr hausmitglied. Seine Laufbahn begann im Kommunisten Führer hatten keinen Boden mehr unter den Füßen, gerade Miquel ist indeffen mit seinen politischen Wandlungen in bund und er ward wie Bürgers als Kommunist ver- wenn sie ihre Gesinnung behielten. Philosophische Charaktere zahlreicher Gesellschaft; wir finden noch bei einer Reihe urtheilt. Bürgers pflegte später die Sache so darzustellen, von unbeugsamer Stärke, wie Johann Jacoby , zogen sich von bekannten Politikern, daß sie in ihrer Jugend als seien beide unschuldig verurtheilt worden, d. h. sie zurück; die anderen aber ,, ralliirten" sich um die herrschende radikalen Anschauungen zugethan waren, während sie seien gar keine Kommunisten gewesen. Aber man lese Gewalt. Die Reste der alten Demokratie lebte im preußi­später„ ,, nüchtern" wurden und zum Theil sogar sich solche Becker's Vertheidigungsrede und man wird in diesem schen Konflikt noch einmal auf; Bismarc's Erfolge ver­" Mäßigung" auferlegten, daß man sie für geeignet er- meisterhaften Opus den Beweis finden, daß er ein Kom- nichteten sie. Das Bürgerthum verlor allen demokratischen achtete, in fonservativen Regierungen mitzuwirken. munist war. Geist, nachdem der Mann von Blut und Eisen"

"

Bei Lothar Buch er prägt sich diese Wandlung noch So könnte man noch eine Menge von Namen auf- es gebeugt hatte. viel schärfer aus als bei Miquel. Bucher war in den zählen. Bamberger , einst der politische Führer der Man sieht sonach, daß die Wandlungen gewisser Stürmen des Jahres 1848 als rother Republikaner auf Schilderhebung von 1849 in der Rheinpfalz, wurde später Politiker mit der Entwicklung des ganzen Bürgerthums getreten und als solcher in die preußische Nationalver- ein Führer der Nationalliberalen und kann darum, ob- zusammenhängen. Wenn die Masse nicht demokratisch ist, fammlung gewählt worden. Seine Haltung hatte die schon heute wieder in der Opposition, keinen rechten wie können es die Führer sein? Reaktionäre so erbittert, daß er in dem bekannten Steuer- politischen Kredit wieder finden. Mathy, vor 1848 Aber die Bourgeoisie hat auch gar nicht mehr den verweigerungs- Prozeß zu 15 Jahren Gefängniß und Republikaner, war später nationalliberaler badischer Beruf, die Welt mit demokratischem Geiste zu erfüllen. Verlust der Nationalkokarde" verurtheilt wurde, welch' Staatsminister, Forckenbeck und Gneist, noch in Diese Aufgabe haben die Arbeiter übernommen und letztere er jetzt wohl wieder tragen darf. Als der Konfliktszeit ziemlich wild, wurden nationalliberal; sie haben es dahin gebracht, daß in der Arbeiterwelt schon

Feuilleton.

d

en

Nachdruck verboten.]

T=

ot.

uf

69

Zum Glück der Damen."

Roman von Emile Zola .

[ 72

Autorisirte Uebersehung von Armin Schwarz.

zwei Berkäuferinnen darüber gestritten; die Eine behauptete, Denise werde sicherlich austreten, die Andere stellte dies in Abrede.

- Sie werden bei uns bleiben, nicht wahr. Ich habe meinen Kopf gewettet, daß Sie bleiben. Was wird aus mir, wenn Sie gehen?

Und als Denise erwiderte, daß sie am folgenden Tage gehen werde, fügte sie hinzu:

Nein, nein, ich kann nicht daran glauben, Jetzt, da Beinkleider in Percail, Leinwand, Piqué; endlich ich ein Kleines bekommen soll, müssen Sie mich ja zur Hemden mit Knöpfen für die Nacht, dann ausgeschnittene zweiten Vorsteherin ernennen lassen. Bauge zählt mit Ge­für den Tag, über die Schultern nur durch schmale wißheit darauf, meine Liebe.

Liénard, den sein Vater vergebens nach Angers zurück­berief, plauderte hier mit dem schönen Mignot, der Makler geworden war und die Stirne hatte, sich im„ Glück der Damen zu zeigen. Sie hatten ohne Zweifel von Denise gesprochen, denn fie blieben jezt plötzlich still und grüßten sie mit übertriebener Höflichkeit. In allen Abtheilungen, welche sie durchschritt, verneigten sich die Kommis stumm, in der Ungewißheit, was sie morgen sein werde. Man flüsterte, man fand sie siegreich auftretend und die Wetten begannen von Neuem. Die Abtheilung für Taschentücher lag am andern Ende der Galerie; sie kamen überall an Weißwaaren vorüber. Es kamen da Kotons, Ma­

Bändchen zusammengehalten. Hemden und Calicot, von irlän- Bauline sagte das mit lächelnder Miene. Dann reichte dapolans, Basins, Piqués, Calicots, Mousselines, Tarlatans, discher Leinwand, Battist u. s. w. Endlich in der Abtheilung sie die 6 Hemden hin, welche verlangt wurden, und nachdem dann Leinwand in ungeheueren Stößen, schmale und für Ausstattungen ein indiskretes Auspacken der Frauen Jean sagte, daß sie nunmehr in die Abtheilung für Taschen- breite, grobe und feine; es folgten Abtheilungen für alle wäsche, gleichsam das umgestürzte Weib, das man von unten tücher gehen müßten, rief sie eine Aushelferin herbei, damit Gattungen und Wäsche, Hauswäsche, Tafelwäsche, Küchen­betrachtet, angefangen von der kleinen Bourgeoisie, die sich sie die Hemden und den Paletot ihnen nachtrage. Diese wäsche, Bettwäsche, Servietten, Tischtücher, Schürzen und mit Leinwand bekleidet, bis zur reichen Dame, die sich in Anshelferin war Fräulein von Foutenaille, seit Kurzem Wischlappen. Und überall wurde sie gegrüßt, die Leute Spitzen hüllt. Es war, als ob man einen riesig großen Al- mit Josef verheirathet. Um ihr eine besondere Gunst zu bildeten ganze Reihen um Denisen Plaz zu machen; in koven für das Publikum geöffnet hatte. Endlich noch der Saal erweisen, hatte man sie zur Aushelferin avanziren lassen. für Kindswäsche, wo die wollüstige Wäsche der Frau mit Sie trug eine große schwarze Blouse mit 78. der teuschen Wäsche des Kindes endigt: die Unschuld, die Nummer von gelber Leinewand auf der Schulter. Freude, die Geliebte, welche als Mutter erwacht, Jäckchen

Ir.

gt

on

11.

Folgen Sie dem Fräulein, sagte Pauline.

einer

en von Piqué, Häubchen von Flanell, Hemdchen und Häubchen, Dann zu Denisen gewendet, fügte sie leise hinzu: nicht größer, als ob sie für kleine Büppchen bestimmt wären, Ich werde zweite Borsteherin, nicht wahr? Das ist Taufkleidchen, Mäntelchen von Cachemir und dergleichen abgemacht. mehr. Hier lief Pauline herbei, sobald sie Denisen bemerkte Denise versprach ihr dies lachend und entfernte sich. und bevor diese noch sagen konnte, was sie wünschte, Sie ging mit Bepe und Jean hinab, begleitet von der Aus­befragte sie sie über die Gerüchte, welche über ihren Austritt helferin. Im Erdgeschoß kamen sie in die Wollwaaren- Ab­im ganzen Magazin im Umlauf waren. Sie schien sehr theilung, welche ganz mit weißem Moleton und weißem bewegt. In ihrer Abtheilung, erzählte sie, hätten sich Flanell überzogen war.

ald

nd

67

er

äf=

SS,

82

der Leinwand- Abtheilung war Baugé ihr entgegengeeilt, um ihr einen unterthänigen Gruß zuzulächeln. Endlich langte sie in der Abtheilung für Taschentücher an, deren kunstreiche Dekorationen die Menge in die größte Verwunderung ver setten: weiße Säulen, weiße Pyramiden, weiße Schlösser, eine komplizirte Architektur, ausschließlich auch Taschentücher in Linon, in Battist, irländischer Leinwand, chinesischer Seide, chiffrirt, gestickt, mit Spigen besetzt, mit angesetztem à jour- Saum und eingewebten Vignetten; eine ganze Stadt von weißen Ziegeln in unendlicher Abwechslung. Ein Dußend brauchst Du noch? fragte Denise ihren

Bruder.