Ir. 864.
Mittwoch, den II. Uovember 1890.
7. Jahrg.
Hrgan für die Interessen der Arbeiter.
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VrdLrükion: 2.— Expedikion: VvukhÜvÄlße 3.
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EuvopÄisihe„Wilde" in Mfvikcn. . So oft wir von„Triumphen der Wissen- 'hast" oder von„Fortschritten der Zivili- i i o n" aus A f r i k a vernahmen, regte sich in uns Wunsch, es müßte doch einmal über die Art und ist, wie die Afrika -Expeditionen vor sich gehen, die Wahrheit an den Tag kommen. Die Herren Afrika - Äsenden wissen uns alle ihre Thaten und Erlebnisse mehr aer weniger dramatisch und anschaulich zu schildern und 'sichlen auch niemals, ihre persönlichen Verdienste in die ahorige Beleuchtung zu rücken. Wir wollen an dem, M wirkliches Verdienst ist, ganz gewiß nicht mäkeln. J** wir sind auch überzeugt, daß bei fast allen diesen Mitionen die Behandlung der Eingeborenen, wo man v sich ohne Gefahr erlauben kann, eine sehr harte und Male ist und daß die Eingeborenen noch weniger erbaut M von �v. a(g nur von den„Fort-
Fitten der Wisse, ischaft", die ,nit barbarischen Mitteln sticht werden. Verschiedene Aussprüche von Forschern .7 Weltreisenden deuten darauf hin, daß mal, die Em- Wenen mit wenig mehr Werthschätzung als die Last- L'ere behandelt, daß man sie zu den härtesten �Istleistungen zwingt und daß man sie unt C grausamsten Strafen heimsucht, sobald sie nur geringsten Widerstand wagen. Ein beriihniter K��sorscher hat sogar gesagt, eme solche Be- ."dlung der Eingeborenen sei nothwendig, weil man sie W:"'cht UN Zaume halten könne. Aber, fragen wir, wan sich dann noch wundern, wenn bei den gequälten L wißhandelten Afrikanern ein tiefer Groll sich au- Zweit und wenn sie die erste Gelegenheit heimtiickpch sich zu rächen? Nein, man muß im Gegentheil "tmüthigkeit der„Wilden" bewundern, die sich so % gefallen lassen. Sie siild manchmal wirklich„bessere �7'chen". als die auf Beute ausziehenden Europäer Zp k enen man hier und da glauben könnte, es sei allev "ichlichkeitsgesühl bei ihnett erstorben. jüngster Zeit scheint unser Wuilsch, über den .Maus der Afrika -Expeditionen auch Berichte zu be- L"'si der Expedition zur Rettung Emin-Paschas umge- %'e"eit englischen Majors B a r t t e l o t mit einaiider W man da erfährt, ist so schauerlich, daß nian schier � 111 Glauben gelangen kann, bei den Asrika-Expeditionen
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Fenillekotr.
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Victoria.
Roman von Minna a u t- k y. "'chtete einen heißforschenden Blick aus> �er taugen?"
sei die„Zivilisation" auf Seite der„Wilden" und die Europäer seien ausgezogen, sie zu zerstören. Stanley, von dessen Persönlichkeit längst der romantische Nimbus früherer Jahre geschwunden und der sich als ein schlauer, perfider und gewaltthätiger Geschäfts- agent entpuppt hat, erzählt von Barttelot Dinge, die aller- dings zu der Annahme führen können, daß dieser famose Major ein Wahnsinniger war, der wegen des geringsten Vergehens die Eingeborenen peitschen ließ, und zwar manchmal so unmenschlich, daß sie den Geist aufgaben. Dies bewirkte endlich, daß Barttelot von einem Ein- geborenen getödtet wurde. Ein anderer Führer der Expedition, I a m e s o n, ließ ein zwölfjähriges Mädchen schlachten, braten und auffressen, um zu sehen, wie sich der Kanniba lismiis in der Wirklichkeit a u s n i m m t. So erzählt Stanley. Die Verwandten des ermordeten Barttelot aber erzählen, daß Stanley genau so wie Barttelot die Eingeborenen habe peitschen lassen. Wir glauben beiden Theilen. Es wird sich bei dem Streite schließlich die Wahrheit herausstellen nnd ganz besonders wird die ganze Expedition als das erscheinen, was sie ist, als ein Raubzug, der nicht Emin, sondern seinem Elsenbein galt. Diese Dinge werden nun in der„nationalen" deutschen Presse mit Behagen breitgetreten, was seinen ganz besonderen Zweck hat. Das gläubige Publikum soll dahin belehrt werden, daß es vor allen Anderen die Eng- länder seien, die sich durch brutale Behandlung der Ein- geborenen auszeichnen. Die englische Brutalität in den Kolonien war Nie- mand ein Geheimniß. Nichts ist weiter entfernt von den Grundsätzen, die in Alt-England selber herrschen, als die Behandlung, welche Indien , die Boeren und selbst Irland von England erfahren haben. Aber, fragen wir, haben denn unsere Herren Kolonial- Patrioten so sehr Anlaß, sich in die Brust zu werfen? Indem sie auf John Bull deuten, glauben sie wohl, man werde übersehen und vergessen, was von deutschen Expeditionen an den Wilden verübt worden ist. Aber man erinnere sich an den Aufstand in Ostafrika , der doch nur zum Ausbruch kam, weil dort die Ein- geborenen mit ausgesuchter Brutalität behandelt wurden. Wenn vom Peitschen die Rede ist, so rühmte sich seiner- zeit ein— später umgekommener— Deutscher, Namens Hessel, daß er auf einer Expedition, als er in einem Negerdorfe keine Lebensmittel habe bekommen können, den Häuptling des Dorfes so lange prügeln ließ, bis er den Versteck der Lebensmittel angab.— Die armen Neger wollten eben ihre Lebensmittel für sich selber reserviren, was ganz natürlich.
Er sah sie an, betrogen von der Sicherheit dieses Aus- spruchs, aber ihm schien es doch, als ob es hier eine Gewiß- heit gebe, die, wie ein Blitz, schnell und Alles erhellend, ins Herz leuchtet, und von seiner Jugend hingerissen, sagte er voll schöner Offenheit: „Was allein uns näher bringen kann, ist das an- schmiegende Vertrauen und das Gefühl der Gleichheit. Sieh, Hanna, Du standest mir bisher so hoch gegenüber, was ich als ein Recht in Anspruch nehmen durfte, dünkte mir selbst Vermcssenheit. Aber ich bin verlangender geworden, und wahrlich, unser Verhältniß muß ein anderes, innigeres werden, ich will nicht länger wie ein Knabe Dich nur von ferne bewundern." Und abermals wollte er sie an sich ziehen, aber sie wehrte ihn ab, und als er kühner wurde, erhob sie sich. „Laß mich, Oswaldt— ich bin heute so überaus nervös — und wir haben noch so viel Zeit vor uns, uns kennen zu lernen." Sie saß plötzlich in einem japanesischen Rohr- stuhl, der mit Teppichen und Tüchern zeltartig dekorirt war. Und sich tief in die Kissen drückend, sah sie fast ängstlich zu ihm empor, erzitternd vor seiner Berührung. Er stand vor ihr und kreuzte die Arme. Wie mit einem Schlage war seine Stimmung eine andere geworden, nun er lachte, es klang fast frivol. Ah, Du gefällst Dir noch immer darin, mir gegenüber die Heilige in der Nische zu sein," und als er ihrem empörten Blick begegnete, wollte sich ein leidenschaftliches Wort aus seine Lippen drängen, aber er bezwang sich und sagte in vornehmer Gelassenheit:„Bitte, willst Du nicht meinen Arm nehmen, um zur Gesellschaft zurückzukehren?" Sic erhob sich und legte ihren Arm leicht in den seinigen.
Wir wollen die Brutalität überall verurtheilen wo sie sich vorfindet, nicht nur bei den Engländern. Die Enthüllungen Stanley's und seiner Gegner lassen ahnen, was sich in Afrika Alles abspielen mag. ohne daß mau etwas davon erfährt. Kein Wunder, daß sich die„Wilden" aus der Aufhebung der Sklaverei so wenig machen. Als Sklaven haben sie jedenfalls noch eine weniger barbarische Behandlung erfahren, als unter verschiedenen„Herren der Wissenschaft." Hoffentlich wird der Schleier noch einmal gelüftet werden, der über diesen Dingen liegt. Eines aber steht schon fest: daß man von nun ab die Afrika -Expeditionen mit äußerstem Mißtrauen betrachten wird, denn wer bürgt dafür, daß Andere besser sind, als Stanley, Barttelot und Genossen?' Die Greuellhaten der C o r t e z und P i z z a r o bei Eroberung Amerikas fallen Einem ein, wenn man das Vorgehen solcher„friedlichen Eroberer" in Afrika , die„im Namen der Wissenschaft und der Zivili- sation" ausrücken, betrachtet. Da mögen sich wohl die armen Wilden wünschen, noch hundert Meere und Wüsten lägen zwischen ihnen und der europäischen Kultur. Wir können es ihnen nicht verdenken.
Msbovstchk. Berlin , den 11. November. Der Tag, an welchem das Plenum de« Nrichstage« wieder zusammentreten wird, ist nun wenigstens annähernd festgesetzt. Den Mitgliedern ist nachstehendes Schreiben zu- gegangen: Die Herren Kollegen werden ergebenst benachrichtigt, daß der zur Zeit vorhandene Mangel entsprechenden Beratyungs- Materials, sowie die gebotene Rücksicht auf die Arbeiten der seit dein S. d. M. wieder zusammengetretenen VIII. Kommission zur Vorberathung des Gesetz-Entwurfs, betreffend die Ab- ändernng der Gewerbe-Ordnung, die Festseyung einer Plenar- sitzung unmittelbar nach dem Ablauf der Vertagung des Reichs- tages nicht gestatten. Von der Anberaumung der voraussichtlich in der Zeit zwischen dem 25. und 27. November, spätestens am 2. Dezember er.. stattfindenden nächsten Plenarsitzung werde ich sofort nach meiner Entschließung den Herren Mitgliedern des Reichstages Kenntniß geben. Berlin , den 10. November 1890. Der Präsident deS Reichstages. von Levetzow. Dem Knndesrath ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Unterstützung von Familien der zu F r i e d e n s ü b u n g e n einberufenen Mannschaften zugegangen. Der Entwurf lautet: § 1. Die Familien der aus der Reserve, Landwehr oder
„Du mußt mich nehmen, wie ich bin," sagte sie leise, aber entschieden. Aber als bereute sie das allzuherbe Wort, fügte sie mit einem bittenden Blick und einem schwachen Lächeln hinzu:„Ich bin nun einmal schwerfälliger, als Du glaubst, darum habe Geduld mit mir," Drittes Kapitel. Es war Abend, als Oswaldt den Ring entlang schlen- derte. Die Temperatur war noch immer hoch, die Luft schwill und schwer. Ihm brannte der Kopf, und er fühlte sich so verdrießlich und herabgestimmt, daß er die ganze Welt verwünschte. Aber weshalb diese Unzufriedenheit, was wollte er denn eigentlich? Hatte er nicht Alles erreicht, was einen hochfliegenden Ehrgeiz befriedigen konnte? Die gemeine Sorge des Lebens war von ihm genommen und eine glänzende Zukunft that sich vor ihm ans. Dennoch fühlte er sich innerlich wie vernichtet. War ihm draußen im Verkehr mit der Natur ein gesunder Sinn erstanden, der ihm das Hohle seiner Existenz erkennen ließ? Fühlte er seine Ab- hängigkeit und knirschte er darunter? 'Ach, er hatte nicht allein sich selbst, er hatte auch seine Kunst dahiugegcben, er hatte sie zur öffentlichen Dirne ge- macht, die auch dem verdorbensten Geschmack noch schmeicheln will, konnte sie ihm noch etwas Heiliges sein? Und dieser Znstand sollte ein dauernder sein und bleiben? und er hatte sich wirklich verkauft mit Leib und Seele? Gleich darauf suchte er sich wieder zu beruhigen, er konnte nichts daran ändern und durste nicht hernmdeuteln an dem, was sein eigener Entschluß zu etwas Unwider- ruflichem gemacht. Und hatte ihn Field nicht in der That gefördert? und war Hanna nicht sein Ideal gewesen, zu dem er anbetend aufgesehen? Er lachte laut und bitter auf. Du