Nr. 299.

Dienstag, den 23. Dezember 1890..1.6 simaja 7. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

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Berliner Volksblatt

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"

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höheren Schulen zugewandt, die derselben am wenigsten bedürfen, die Volksschule dagegen, welche vor allem reform­bedürftig ist, keiner Aufmerksamkeit gewürdigt.

Und das wollen wir nun beweisen.

Was ist der Zweck der Schulreform? Wir wissen uns Eins mit allen aufgeklärten Päda­Die das behaupten, haben offenbar übersehen, daß gogen und glauben, daß selbst Gegner, die es mit der die preußische Regierung, noch ehe die Kommission für Schule ernst meinen, uns ihre Zustimmung nicht versagen das höhere Schulwesen zusammientrat, den Landtag ver- können, wenn wir antworten: schiedene Gesetze vorgelegt hatte, die eine große Reform" anbahnen sollen, und daß unter diesen Gesetzen sich auch eins zur Reform der Volksschule befindet.

So weit müssen wir, wie gesagt, die Regierung in Schutz nehmen. Sie hat sehr wohl begriffen, daß, wenn man die Schule, reformiren" will, die Volksschule zum Mindesten mit in Betracht gezogen werden muß.

gesteckt

Quantitativ ist hiernach nichts oder nicht viel einzuwenden, allein wie steht's qualitativ?

Wir wollen, ehe wir in eine nähere Besprechung ein­gehen, eine Antwort geben, die zwar keine direkte Antwort ist, aber doch allgemein verstanden werden wird:

-

Der Zweck der Schulreform ist, die Schule so zu gestalten, daß sie ihre Aufgabe: dem Volt'die mög­lichst große Summe von Wissen und Bil­dung zu geben, erfolgreich lösen kann.

Wer will die Richtigkeit dieser Definition bestreiten? Niemand vermag es, der vom Wesen der Schule einen Begriff hat, und der das Wohl des Volkes, der Gesammtheit will.

-

-

Und die Schulreform" wurde denn auch gleichzeitig oben und unten angefangen,-die Kerze, um eine eng- Freilich fehlt's nicht an dummstolzen Individuen, die liſche Ausdrucksform zu gebrauchen, an beiden Enden an- da meinen, der Mensch fange erst beim Baron , beim - was den Verbrennungsprozeß entschieden be- Kapitalist, beim Gutsbesitzer, beim Beamten an, und solche dummstolze Menschen sind auch der Ansicht, die Schule schleunigt. sei nur für die Familien der Barone, Kapitalisten, Guts­besitzer und Beamten da der Rest der Menschen- wenn es überhaupt Menschen sind die gemeine Menge", der Plebs habe auf Erden keine andere Mission zu erfüllen, als die Barone( nebst Zubehör), die Kap alisten, Mit der Schulreform steht es genau Gutsbesizer, Beamten 2c. zu ernähren, und müsse sich mit den wie mit der Sozialreform. Kulturbrosamen begnügen, die in der sogenannten Volks­Die Sozialreform, d. h. das was im gegenwärtigen fchule" abfallen. Ja wir kennen sogar Individuen, die Deutschland mit diesem Namen bezeichnet wird, er selbst diese Brosamen für eine zu reiche geistige Nahrung mangelt alles dessen, was zu einer wirklichen Sozial- des Volkes halten und ihm auch von diesem Lurus" noch vermeidet forgfältig den Kern der Einiges abknapsen möchten. Indeß solche böotische Feinde reform gehört sozialen Frage und richtet sich ausschließlich auf Neben- des Volkes und der Bildung wagen sich heut zu Tage nicht freilich im Geheimen arbeiten sie punkte. Kurz, sie ist blos eine Scheinreform, die von mehr ans Tageslicht wirklicher Sozialreform nichts hat als den Namen. desto eifriger an der Verwirklichung ihres vorsintfluthlichen Wir haben an anderer Stelle auf die Eigenthümlich- Rohheits- deals. feit unserer Zeit hingewiesen, sich volksthümlicher, schön- Genug- dem Volk die möglichst große Summe flingender Worte zu bemächtigen und ihnen einen ganz von Wissen und Bildung zu geben, ist die Aufgabe der entgegengesetzten Sinn unterzulegen. Fürst Bismarck , der Schule. Dem Volke, im Namen der Wahlfreiheit" die Oppositions­nicht einzelnen Bruchtheilen des Rauchhaupt und Genossen, die jetzt im Namen der heit, das ist vor Allem festzuhalten. Und das bringt uns Einen unverdienten Vorwurf hat man der preußischen Autonom i e" oder Selbstverwaltung der Gemeinden sofort in medias res, in die Mitte der Sache: nämlich Regierung in dieser Sache gemacht nämlich sie habe für die junkerliche Bevormundung der Gemeinden ein zu dem barbarischen Unsinn der Trennung der die Schulreform" blos auf die höheren Schulen be- treten, find Beispiele dieser immer mehr um sich greifen- Schulen in höhere und niedere Schulen, und schränkt und nicht auch die Volksschule bedacht den Praxis, die von unhöflichen und unparlamentarischen zu dem abscheulichen Mißbrauch, der mit dem Wort Volksschule getrieben wird. also einseitig im Interesse der oberen Klaffen gehandelt Leuten Wortfalschmünzerei genannt wird. Wie die Sozialreform so ermangelt die Schul- Die Volksschule von heute sollte richtiger heißen: und das der niederen" d. h. arbeitenden Klassen bei reform alles dessen, was zu einer wirklichen Schul- die Schule des Plebs. Ihre Aufgabe ist das Um­Seite gelassen. vermeidet sorgfältig den Kern der gekehrte dessen, was sie sein sollte: die möglichste Dieser Vorwurf ist, wenigstens in seinem ersteren reform gehört Theile, vollständig unbegründet. Die Regierung hat nicht Schulfrage und richtet sich ausschließlich auf Nebenpunkte. kleine Summe von Wissen und Bildung zu geben. das Pferd gewissermaßen beim Schwanz aufgezäumt und Kurz sie ist blos eine Scheinreform, die von wirklicher " Schulreformatorische" Thätigkeit ausschließlich den Schulreform nichts hat als den Namen.

Skizzen zur Schulfrage.

ihre

II.

-

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Rothenburger Tage.

[ 19

Roman aus der Zeit des großen Bauernkrieges von 1525.

Von Wilhelm Blo3.

-

parteien an der Wahlagitation hindern wollte- die Volkes, sondern dem ganzen Volk, der Gesammt=

---

Hier muß zunächst der Hebel eingesetzt werden. Das erste Biel muß sein:

Nasenlänge hinausreicht.

Darum fag' ich Euch, der

Mit Barbara von Grumbach, des Ritters Wilhelm Grumbach will mir gar nicht gefallen; es ist doch gar von Grumbach leiblicher Schwester".

" Ah," machte Pezold. Und mit wem?"

"

"

Mit dem schwarzhaarigen Fräulein?" " Thr sagt es".

Bezold schüttelte sein Haupt.

Aber ich hab' Euch doch gar oft im Schlosse der

Grumbach gesehen, wenn wir mit dem Ritter über die Zu­

funft des Würzburger Hochstifts beriethen, und Ihr thatet dem ein paar gutmüthige und ehrliche Augen unter der sie Euch den Wein kredenzte und Euch sehnsüchtig ansah. Der Schultheiß von Ochsenfurt wandte sein Geficht, in als ginge Euch die schwarze Barbara gar nichts an, wenn Nun habt Ihr aber doch Feuer gefangen." Sturmhaube strahlten, gegen den Ritter.

so eifriger und strenger Hauptmann und Kriegsheld, der in

Ei, ei, Herr von Geyer," sagte er lächelnd, sonst ein

Beit, zarter und holdseliger Fräulein zu gedenken."

Florian erröthete abermals.

auch

ein wüster Gesell. Die Falschheit funkelt aus seinen unftäten Augen. Er wird sich mit dem Winde drehen. Siegen wir, so wird er als Genoß sich seinen Antheil an den Stiftsgütern heischen und keinen kleinen; siegen die Herren, so wird er unter den Ersten sein, die uns ver­rathen." Leider muß ich fürchten, daß Ihr Recht behaltet," sprach Herr Florian tribe.

Mit dem Verlöbniß macht man Euch sicher," fuhr Pezold fort. Hütet Euch, daß Ihr da nicht in eine Grube fallet. Hättet Ihr mit dem Berlöbniß lieber gewartet bis nach ausgetragener Sach und beendetent Streit. So mitten

im

Florian seufzte und sah wehmüthig in die Ferne. " Nicht ganz so, wie Ihr meinet", sprach er. Aber wir haben als seinder miteinander gespielt und sind mit ein ander aufgewachsen. Da gewannen wir denn einander lieb und als ich nach Italien zog, um zu Bologna den gelehrten hatte Ich habe mein Wort gehalten und so haben wir uns ver

Kriege könnt Ihr ja doch nicht heirather

" Ihr schäßet mich nicht recht," sagte er nicht ohne Studien zuten baten wir uns reue versprochen. halten,

einige Berlegenheit.

Weiß Gott, nein," antwortete der Ritter. Aber ich mein Wort gegeben und ein Geyer muß sein Wort wie auch die Umstände dazu stehen mögen." Brav von Euch!" sprach der Schultheiß . Aber ich

Der Schultheiß, eine lustige Haut, ließ sich so leicht lobt, als ich drüben auf dem Schlosse Grumbach war, jüngst hab' Euch gewarnt und Ihr möget Euch hitten."

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nicht abweisen.

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Aber ich habe doch ein zierlich Brieflein gesehen, das Ihr in Euer Wamms geschoben habt," sprach Pezold. Anderen würde Herr Florian solchen Fürwiz

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Der Schultheiß sah dem Ritter prüfend in das ernste Antlig; dann sprach er: " Herr Florian, ich bin Euer und Eures edlen Hauses

derb abgewiesen haben; Hanns Pezold aber war ihm seit guter Freund. Werdet Ihr mir ein freimüthig Wort ge- Landschaft. Herr Florian dachte an die Gefahren, in die er

da ab nicht mehr viel gesprochen zwischen den beiden Männern. Die Rosse hatten einen scharfen Trab ange­schlagen und durchschritten rasch nach Süden die schweigende Bei einem sich gestürzt, an Kampf, Sieg und Niederlage, und seine Ges Jahren ein lieber und trauter Freund. Der Ritter sah statten?" " Ich weiß schon," meinte Florian Geyer , was Ihr banken irrten umher in dem wilden Getümmel der Schlacht­sagen wollt, aber sprecht immerhin!" fich um; die Begleiter ritten ein Stück hinten, so daß sie felder und in dem gemessenen Eruste der Rathsversamm­das Gespräch der Beiden nicht verstehen konnten, Wohlan", begann Hanns Pezold," Ihr wisset, ich bin lungen. Und da er seiner Aufgabe in Rothen­gedachte, so stieg auch ein ftolzes und vertrauen," sprach Florian Geyer zu dem Schultheißen . nicht ganz so gutmüthig, wie ich aussehe, und ich bin ein burg " Ihr seid verschwiegen und ich will mich Euch an­ihm auf, das ihn in seinen " Ich hab' ein heimlich Verlöbniß eingegangen und es soll Mann, der etwas gesehen und erlebt hat, dem sonach liebliches Bils manchmal ein Einblick offen stehet in die Dinge, die über Träumen verfolgt hatte. Aguesens hohe Gestalt schwebte vorderhand auch noch heimlich bleiben".

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