Nr. 302.
Sonntag, den 28. Dezember 1890.
7. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das Berliner Volksblatt"
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erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Vostabonnement 3,30 Mart pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1890 unter Nr. 892, V. Nachtrag.) Unter Krenzband, täglich durch die Expedition, für Deutschland und Desterreich- Ungarn 2 Mark, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat.
Abschrift J. I. A. 725, 90.
Redaktion: Beuthstraße 2.
In der Strafsache gegen den Redakteur Curt Baake , geboren am 24. April 1864 zu Breslau , wohnhaft zu Berlin , Dissident, nicht Soldat gewesen, unbestraft, wegen Beleidigung durch die Presse, hat die 11. Straffammer des Königlichen Landgerichts 1. zu Berlin am 22. November 1890 für Recht erkannt, daß
1. der Angeklagte der Beleidigung durch die Presse schuldig und deshalb mit einer Geldstrafe von dreihundert Mark, der im Unvermögensfalle für je fünf Mart ein Tug Gefängniß zu substituiren, zu bestrafen,
2. der verfügende Theil des Urtels auf Antrag des Beleidigten, Generalsekretärs Bueck binnen vier Wochen nach zu des
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heißt dort:
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Insertionsgebühr
beträgt für die 5 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und VersammlungsAnzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Beuthstraße 3, sowie von allen Annoncen- Bureaur, ohne Erhöhung des Breises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Fefttagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Nr. 4106.
Expedition: Beuthstraße 3.
lassen und sie auf Wunsch versenden. Die allmonatlich erfolgende öffentliche Quittung über die eingegangenen Gelder ermöglicht den Genossen die Kontrole.
Ueber die Aufgaben, welche die Vertrauensmänner in der Partei zu erfüllen haben, scheinen noch hie und da irrige Anfichten unter den Genossen verbreitet zu sein. Wir bringen desNoch einmal wiederholen wir: Regelmäßige Beiträge balb aus einem Zirkulär, daß wir bald nach Konstituirung der Partei an die Vertrauensmänner versandten, jenen Abschnitt, der dürfen die Vertrauensmänner unterteinen Umständen von den Aufgaben der letzteren handelt, zum Abdruck. Es erheben und deshalb werden auch keine Parteimitglieds farten ausgegeben. Ebensowenig dürfen geschlossene ,, Da in dem größten Theile Deutschlands politische Vereine Mitglieder Versammlungen der sozialdemo nicht mit einander in Verbindung treten dürfen, so darf auch kratischen Partei stattfinden. Der Vertrauensmann teine Korrespondenz oder sonstige Verbindung zwischen den Lokal- darf nur öffentliche Versammlungen der sozialdemokratischen liner Volksblatt" an der Spitze des Hauptblattes auf Kosten des vereinen und der Parteileitung stattfinden. Das bitten wir Partei, öffentliche Arbeiter- oder Volksversammlungen berufen. strengstens zu beachten. Nun muß aber die Partei- In diesen Versammlungen sind, außer der allgemeinen Propaleitung, soll sie ihrer Aufgabe gerecht werden, überallhin Ver- ganda für unsere Ideen, diejenigen Angelegenheiten zur Erledibindungen haben und dort, wo solche noch nicht vorhanden sind, gung zu bringen, welche die Parteivereine nicht in den Kreis sie schaffen. ihrer Erörterungen ziehen dürfen, ohne sich straffällig zu machen; Diese Aufgabe sollen die Vertrauensmänner, z. B. von der Parteileitung ausgehende Petitionen an den Reichswie sie in unserer Organisation vorgesehen tag, Wahlen von Delegirten zu allgemeinen oder Provinzial- oder sind; erfüllen. Landes- Parteitagen, Berichterstattung über diese Zusammenkünfte Diese Vertrauensmänner sollen in erster Linie die Korre- und Aehnliches. Aus verschiedenen Mittheilungen, die an die Parteileitung lungen richtet, und die ihrerseits wieder die Parteileitung über gelangt sind, scheint unter den Genossen vielfach der Glaube ver die Vorgänge in den einzelnen Orten und Wahlkreisen unterbreitet zu sein, daß für je einen Wahlkreis nur ein Vertrauensmann zu wählen sei. Dies ist, wie sich schon aus den richten.
Angeklagten bekannt zu machen,
3. alle Exemplare des Hauptblattes des Berliner Volksblattes" Nr. 220 vom 21. September 1830, sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen,
4. dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Von Rechts Wegen.
An die Parteigenossen Berlins ! Nachstehend veröffentlichen wir, einem vielseitig geäußerten Wunsche entsprechend, die Namen der hiesigen Vertrauensmänner der Partei, welche nach den Bestimmungen des§ 3 unserer Organisation in öffentlichen Versammlungen gewählt wurden. Die Adressen derselben lauten: 1. Wahlkreis:
Aug. Täterow, Mauerstr. 9. W.,
Grüßmann.
2. Wahlkreis:
3. Wahlkreis:
Ferd. Kleinert, Yortstr. 71, SW., Sof links 3 Tr.
fpondenten sein, an welche die Parteileitung ihre Mitthei
Zur Beitreibung der Parteiagitation, soweit sie von vorstehend aufgeführten Aufgaben der Vertrauensmänner ergiebt, der Zentralleitung ausgeht, sei es durch Sendung von Rednern ein Irrthum. Ein Vertrauensmann sollte mindestens an oder durch Verbreitung von Flugschriften oder Broschüren, wird jedem Ort sein, wo wir eine Anzahl Parteigenossen haben. sich die Parteileitung nur an die Vertrauensmänner wenden können Für große Orte aber empfiehlt es sich, mehrere Vertrauensund ist es Sache dieser, die dadurch nothwendig werdenden Vor- männer zu wählen, welche sich in die Arbeit in der Weise zu Feldmann, Neue Friedrichstr. 92, C., vorn 2 Tr., bei bereitungen und Anordnungen zu treffen. Um die Agitation zu theilen haben, daß jeder einen bestimmt abgegrenzten Bezirk überbetreiben, unsere Gemaßregelten zu unterstützen, die Diäten für nimmt. Dabei ist aber strenge darauf zu achten, daß auch die unsere Abgeordneten zu bezahlen und die sonstigen mit jedem Jahre Ver.rauensmänner unter sich nicht wieder Verkehr steigen den Ausgaben der Partei decken zu können, wird auch in in der Weise pflegen, daß daraus geschlossen Zukunft die Parteileitung genöthigt sein, immer wieder an die werden könnte, dieselben bilden einen Verein Opferwilligkeit der Genossen zu appelliren. Nun für den betreffenden Wahlkreis. Die Vertrauenserheben; auch die Ausgabe von Koupons oder halten, ebensowenig ist es zulässig, daß dauernde Revisoren geMarken, sobald sie von einer 3entral stelle wählt werden. Ist etwas zu revidiren, so kann doch der Veraus erfolgte, würde als Beweis für die trauensmann ein paar Genossen ersuchen, die Sachen zu prüfen, und wenn dann öffentliche Versammlung stattfindet, so muß es doch genügen, wenn die betreffenden Genossen die Richtigkeit bestätigen.
St. Friz, Simeonstr. 22, SW., Hof 2 Tr.
wilb. Boerner, Bigarrenfabrikant, Ritterstr. 108, S., dürfen wir aber regelmäßige Beiträge nicht männer dürfen also keine Ronferenzen miteinander ab
im Laden.
4. Wahlkreis:
Otto Heindorf, Langestr. 70, 0.
Rob. Wengels, Wirker, Große Frankfurterstr. 124, O. Gristenz eines Zentralvereins dienen.. Fr. 8ubeil, Naunynstr. 86, SO.
Berthold Blaser, Tischler, Görligerstr. 49, SO.
5. Wahlkreis:
Garl Gabbert, Friedrichstr. 181d, N., 1. Hof 8 Tr. Clemens Mager, Sophienstr. 28-29, C., Hof 2 Tr.
6. Wahlkreis:
Franz Schwabe, Maurer , Birkenstr. 46, NW. , v. 4 Tr. Franz Fischer, Lottumstr. 4, N., bei Sigert. Wilhelm Marten, Fabrikarbeiter, Liesenstr. 4, N., Hof 4 Tr.
Jul. Graßnid, Swinemünderstr. 127, N., Hof 4 Tr.
Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
Rothenburger Tage.
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Die Partei bleibt also ausschließlich auf die freiwilligen Beihilfen der Genoen angewiesen.
Auf welche Weise diese in den einzelnen Orten und Wahl- Um möglichst jeden Vorwand zu einem polizei lichen oder freisen ihren petuniären Verpflichtungen der Partei gegenüber gerichtlichen Einschreiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, daß gerecht werden wollen, das zu ordnen, ist wieder eine der Auf die Vertrauens männer in den lokalen Parteigaben des Vertrauensmannes. Vielleicht empfiehlt es sich, wenn vereinen und auch in teinem sonstigen ein Vertrauensamt be durch gelegentliche Veranstaltung von Festen, Unterhaltungen, Ber - politischen Verein loosungen zc. Gelder für die Partei aufgebracht werden. Wo es leiden. Mitglied eines politischen Vereins dagegen können angeht und die in neuester Zeit ausgeheckten Strafbestimmungen sie ruhig sein.
gegen das Kollektiren nicht im Wege stehen, kann auch auf So die Ausführungen des erwähnten Zirkulärs. Die GeListen gesammelt werden. Die Parteileitung wird solche herstellen nossen können daraus die Aufgaben der Vertrauensmänner ersehen
Da zog ein Häuflein Würzburger vorüber, junge rüftige ihm die Worte am Mund ab. Er rief nur noch ein SchimpfGesellen, die wollten Theilnehmer sein am Sturm. Hanns wort zu dem Grafen hinüber; dann eilte er als ein pflichtBräutigam, der Fischer, führte sie. getrener Mann, sich den Stürmenden anzuschließen.
Was haltet hr da?" rief der Fischer mit polternder Stimme den Wertheimer an, Ihr solltet mit dran sein beim Sturm. Ich bin der Bräutigam, heut holen wir die Wir harren hier des Sturmes," entgegnete der Wert heimer; dann schauen wir, was zu thun ist."
Roman aus der Zeit des großen Bauernkrieges von 1525. Braut heim."
Von Wilhelm Blog.
In dichten, dunkeln Massen standen sie rings um das Schloß; das Klirren der Waffen und allerlei Geräusch machten die Wachenden im Schloß aufmerksam. Die Losung " St. Burkhart!", das Geschrei Heidelberg !" schollen von Mauer zu Mauer, von Thurm zu Thurm; im Augenblick stand jeder auf seinem Posten, der Schloßhauptmann am mittleren Thurm mit auserlesenen Leuten, um nach allen Seiten hilfreich zu sein.
Fähnlein, sie hatten Leitern, Steigzeng, Beile und Sturmgeräth jeglicher Art. Sie dachten das Schloß zu gewinnen,
Die Schwarzen standen ums Schloß mit fliegenden
So," rief Hanns Bräutigam zornig, Ihr harret hier Nahe beim Schloß hielt Georg Graf von Wertheim mit seinem wohlgerüsteten Fähnlein; auch Götz von gemächlich des Sturmes und schaut von Eurer Mähre herab Berlichingen mit seinen Knechten war dabei; bei ihm Wil - zu, wie Andere Kopf und Kragen daren sehen, das Schloß helm von Grumbach und neben ihm auf schlankem Zelter zu gervinnen. Such keinen wir schont. Haben wir das eine weibliche Gestalt, in einem langen, dunklen Mantel ge: Schloß gewonnen, dann seid. Ihr zur Stelle, um Eure lieben hüllt.. Es war Agnes von Badell, die Tochter des Raths- Verwandten, die drinnen sind, mit heiler Haut davon zu wie sie Weinsberg gethan. herrn aus Rothenburg , die in dieser bewegten Zeit das bringen, und von der Beute, die drinnen ist, möchtet Ihr Kloster verlassen hatte und vom Altar geflohen war. Die auch Euer Theil haben. Aber stürmen und Mauern er um das Schloß erhub sich der donnernde Ruf: Her! Her! Wangen des schönen Mädchens waren geröthet und aus steigen, deß wollet Ihr Euch enthalten." ihren Augen blißte ein friegerischer Muth; sie hatte es nicht gescheut, in finsterer Nacht, mit dem ihr keineswegs lieben Better heraus zu reiten. Die Begeisterung hatte sie getrie ben; sie wollte den Sturm und den Kampf mit ansehen. Grumbach hatte ihr auch sehr zugesprochen.
„ Habt Acht, mein Fräulein," sprach der Wertheimer, „ daß Ihr keinen Schaden nehmet. Wenn sie den Sturm anlaufen, werden die Stückkugeln hier herumfliegen, wie die Schloßen beim Hagel."
Meine Base fürchtet sich nicht," sprach Grumbach, das hat sie mehr als einmal bewiesen." Agnes sagte nichts. Ihre glänzenden Augen irrten unaufhörlich umher, als wollte sie sich nichts entgehen laffen.
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Da hörte man die Trommeln und Pfeifen und rings
das Rothenburger Volkslied ihnen bezeugt: Die Schwarzen liefen den Sturm an, in höchstem Ernst,
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Was Stiefel und Sporn hat, muß sterben, wie zu Weinsberg ," rief Hanns Bräutigam. Sie haben den Henker von Würzburg bei sich im Schloß; der hat gesagt, es kann nicht besser werden, bis man Einigen den Grind abhaut. Er hat die Bürger gemeint, wir meinen die Herren. So geht's heut!"
Wenn Ihr doch erst das Schloß gewinnen möchtet, Ihr großmäuliger Gesell," rief der Graf von Wertheim zornig, ob des Mißtranens.
Hanns Bräutigam hätte es an einer scharfen Erwiderung sicherlich nicht fehlen lassen, aber da erhob sich rings um die Veste das Tosen des beginnenden Sturmes und schnitt
" An einem Montag es geschach, Den Bawren war nach Stürmen fach In ihren vollen Sinnen.*)
Sie sollten eben wachen gan, Da fingen fie ein Lärmen an, Das Schloß wollt'n sie gewinnen.
Sie schrieen alle: Her, Her, Her! Das Schloß zu stürmen war ihr Begehr, Im Schloß ward man es innen,
Bauern für betrunken voll" ansah. *) Der Sturmangriff war so verwegen, daß man die
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