Br. 304.

Mittwoch, den 31. Dezember 1890.

7. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Inferessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

"

erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Postabonnement 3,30 Mart pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1890 unter Nr. 892, V. Nachtrag.) Unter Kreuzband, täglich durch die Expedition, für Deutschland und Desterreich- Ungarn 2 Mark, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat.

Redaktion: Beuthstraße 2.

Abonnements- Einladung.

Mit dem 1. Januar eröffnen wir ein neues Abonnement auf unser Blatt. Das ,, Berliner Volksblatt" ist auf dem sozialdemo­fratischen Parteitag in Halle zum offiziellen Organ der deutschen Sozialdemokratie erklärt worden.

Bom 1. Januar ab wird unser Blatt den Titel

Vorwärts

Berliner Volksblatt

führen.

offiziellen Charakter.

Tendenz und Inhalt des Blattes ergeben sich aus seinem In unserem Feuilleton wird vom 1. Januar an der neueste, Bei Mama"

preisgekrönte Roman des Norwegers Arne Garborg

in trefflicher Uebersehung erscheinen. Wir freuen uns, ein so vorzügliches Wert unseren Lesern bieten zu können.

Der Vorwärts" erscheint täglich Morgens außer Berlin monatlich

nach Gonn- und Festtagen. Abonnementspreis für

1 Mark 10 Pfennige frei in's Haus,

wöchentlich 28 Pfennige.

Unsere Postabonnenten bitten wir, das Abonnement früh zeitig aufzugeben, damit keine Verzögerung in der Bestellung Der Preis beträgt durch die Post bezogen

eintritt.

3,30 Mk. für das Quartal. Bei Bestellungen bitten wir besonders, auf den neuen Titel

zu achten und bemerken, daß unser Blatt in der Post- Beitungs­Preisliste pro 1891 unter Nr. 6469 eingetragen ist. Bu recht zahlreichem Abonnement ladet ein Die Redaktion und Expedition des Berliner Volksblatt"

-

Insertionsgebühr

beträgt für die 5 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs­Anzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Beutbitraße 3, sowie von allen Annoncen- Bureaur, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 1hr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 1hr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Mr. 4106.

Expedition: Beuthstraße 3.

Kleinkinderbewahr- Anstalten, Kin- Jugend in der Schule zur Wehrhaftigkeit zu er dergärten- bis jetzt mit verschwindenden Ausziehen, wird verwirklicht.

nahmen nur für die Wohlhabenden vorhanden, und Eine vernünftige körperliche Erziehung der Jugend die Volksschule im engeren Sinne des Worts haben schafft dem Vaterland so lange mit der Möglichkeit die gesammte Jugend des Staats aufzunehmen und eine von Kriegen gerechnet werden muß, weit bessere Ver­Grundlage zu bilden, auf der die sogenannten höheren theidiger, als das heutige Militärsystem Bildungsanstalten, sowie die Berufsschulen es vermag, das die körperliche Erziehung erst in sich aufbauen, in denen die heranwachsende Bevölkerung einem Alter beginnt, wo nur noch relativ sich, je nach den Fähigkeiten und Neigungen der Indi- geringe Resultate zu erlangen sind. Jeder viduen, für einen bestimmten Beruf vorzubereiten hat. Turnlehrer wird uns beipflichten, wenn wir sagen, daß, Auch diese Schulen müssen Allen gleich zugänglich wer das Turnen und Marschiren gut lernen und für das sein, wobei nicht außer Acht zu lassen ist, daß der Besuch Ertragen von Strapazen geeignet werden soll, in der der höheren Bildungsanstalten den Besuch der Berufs- Jugend beginnen muß. Und was der Erwachsene Auch zur Ausübung der praktischen Berufe ist eine allge- törperlichen und geistigen Qualen lernt, man denke das meine höhere Bildung nothwendig. Es muß festgehalten an die Folter der Kaserne und des Ererzierplates werden, daß der praktische Beruf nicht 3 weck, sondern wird von der Jugend spielend erlernt spielend in Mittel ist, um das Wohl der Einzelmenschen und der des Wortes zwiefacher Bedeutung. Gesammtheit möglichst zu fördern. Nicht Fachmänner und Wer aber mit uns in Bezug auf die Aufgabe der Berufssklaven, sondern Menschen zu erziehen, ist die Schule übereinstimmt, der muß auch der Forderung zu­Aufgabe der Schule. stimmen, daß die Schule Tags über für alle leiblichen Bedürfnisse der Zöglinge, also namentlich für zweck­mäßige Ernährung und Bekleidung derselben au sorgen hat. Wenn sprichwörtlich ein voller nicht gern studirt, so kann ein leerer Bauch erst re nicht studiren, und daß ein Kind, welches vor Kälte zitternd in die Schule kommt, in durchnäßten Kleidern und Schuhen stundenlang dasizt, nicht ordentlich lernen kann, das liegt auf der Hand."

schulen keineswegs ausschließen darf oder umgekehrt. theils gar nicht niehr zu lernen vermag, theils nur mit

Damit dieser Zweck erreicht werde, hat die Schule dem Kind und der erwachseneren Jugend weit mehr Für sorge und Zeit zu widmen, als es jetzt selbst seitens der höheren" und höchsten Schulen für die höheren" Klaffen geschieht.

-

-

-

-

ch

Mit all diesen Fragen hat die preußische Schulreform­Kommission sich nicht beschäftigt.

Die geistige, sittliche und körperliche Erziehung und hier kommen wir zu dem zweiten großen fann, wie jeder Pädagoge 3iel echter Schulreform weiß, nicht in 5, 6 oder 7 Stunden des Tages bewirkt werden. Und jeder erfahrene Pädagoge weiß auch, daß, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, das Haus Die wichtigste Frage, die sie zu erledigen hatte, ( ,, die Familie") außer Stand ist, die Mängel und unzulänglichkeiten der heutigen Schulerziehung zu

ergänzen.

Skizzen zur Schulfrage. währleistet

III.

Der Zweck der Schule ist die Erziehung des Volks und zwar eine solche Erziehung, welche den möglichst hohen Grad von Bildung und Wissen allen Bürgern des Staats in gleichem Maße zugänglich macht. Bis zu einem gewissen Alter der Schüler haben alle Schufen gemeinsam zu sein.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.] 1

Rothenburger Tage.

[ 24

Roman aus der Zeit des großen Bauernkrieges von 1525. Von Wilhelm Blos .

Ja, solch Fürnehmen war nicht weise," meinte mum

auch Riemenschneider.

Sturmlaufen ohne Bresche, bei einem solchen Schloß habt Ihr je schon solch Narrenwerk gesehen?" fuhr Herr Florian fort. Und hätten sie nicht sollen harren, bis ich zurück fonnte reiten mit dem Rothenburger Geschütz? Das wird an die Mauern anklopfen, daß sie einfallen; aber wenn sie her! her!" schreien, so thut das noch lange nicht wie die Posaunen von Jericho ."

" Jaja!" warf Riemenschneider ein.

"

jedoch nicht erledigt hat, war die sehr neben. sächliche Frage, ob der deutsche Auffah" das Fun­

dament der Bildung in den höheren Schulen sein solle oder nicht. Richtiger ausgedrückt lautet die Frage so:

-

Aus dieser absolut feststehenden Thatsache ergiebt sich mit zwingender Logik die Forderung: die Schule muß soll die Muttersprache, oder sollen fremde das Kind und die erwachsenere Jugend den Tag über so Sprachen das Fundament der Schulbildung sein? lange in der Hand- unter ihrer Lei- So gestellt, läßt die Frage für jeden denkenden tung, Pflege und Aufsichtbehalten, daß die Menschen scheint es uns nur eine Antwort zu: Erfüllung des Schul- und Erziehungszweckes jedem natürlich die Muttersprache. einzelnen Zögling gegenüber nach Möglichkeit ge- In den höheren" Schulen ist bis jetzt das Lateinisch wird. Die Vorbereitungsarbeiten für und Griechisch in erster Linie und mit solcher Aus­die eigentlichen Schulstunden müssen in der Schule, schließlichkeit gepflegt worden, daß die Schüler die unter Aufsicht der Lehrer vorgenommen werden; und das deutsche Grammatik erst aus der griechi­Gleiche gilt von den Spielen, die Hand in Hand fchen und lateinischen Grammatik lernen, mit einem genügenden Turnunterricht jetzt ist er und deutschen Stil meist gar nicht. Das ist ein jämmerlich ungenügend das wichtigste förper- wahrhaft unsinniger Lehrplan, dem wir es verdanken, daß i che Erziehungsmittel werden müssen. unter allen uns bekannten Kulturvölkern das deutsche das Hierdurch fällt der Unfug der häuslichen Arbeiten" von jenige ist, dessen, gebildete" Bevölkerung sich am selbst weg, und das Ideal Fichte's, die gesammte s ch I e ch te sten in der Muttersprache auszu­

-

stehen. So Ihr hübsch im Frauengemach wollt sizzen und sie sich erhole von den Anstrengungen und Aufregungen der spinnen oder die Laute schlagen, geht's an; wenn aber erst die letzten Tage, entrückt dem Getümmel des Krieges. Seine Weibsleute toll werden, so werden's die Mannsbilder auch. Hausfrau war bei ihren Eltern; da war Agnes seiner Denn ohne Eure Tollheit wären sie nicht abermals gegen Schwester doppelt willkommen auf dem einsamen Schloß. das Schloß angerannt, ohne Hoffnung, selbiges zu ge­winnen."

"

"

" 1

Es war kein interessanterer Gegensatz zu erschauen, als diese beiden Mädchen. Agnes ernst und stattlich, voll Es war nicht weit davon", wandte Agnes ein, Würde und Hoheit, mit stolz getragenem blonden Haupt; während ihr die Thränen unaufhaltsam hervorbrachen. Bärbchen, wie man die Schwester des wilden Grumbach Meint Ihr?" sprach Herr Florian. Ihr werdet mir nannte, leicht beweglich, etwas unftät in ihrem Wesen und wohl noch ein Kollegium über die Kriegskunst halten müssen sonst immer keck und flink hüpfend, tänzelnd und singend, verkehrte Welt fertig. Sparet Gure Thränen und gehabt war sie manchmal nachdenklich; der Ernst der Zeit wirfte Euch wohl; Weiber brauchts nicht für Florian Geyers auch auf sie ein. schwarze Herrschaar!" Was ist Dir?" sprach Agnes sanft, Du bist nicht so fröhlich wie sonst."

Mit wuchtigen Schritten ging er von dannen. " Er ist im Born," sagte Riemenschneider besänftigend; verkennet ihn nicht. Die Besten seiner Schwarzen, sie sind todt. Er ist gut und edel; leicht braust er auf, aber er vergibt auch leicht. Seine Schwarzen, sie sind sein Stolz; verstehet seinen Born!"

Die Kistenfeger und die Seckellcerer vom Gäu mögen Aber das verlassene und verstoßene Mädchen, dem ein fich gütlich gethan haben in den Pfaffenkellern," sagte Herr Florian, derweilen meine Schwarzen in ganzem Gruft gegen tiefes Weh durchs Herz schnitt, als es sich so rauh abge­das Schloß anrennen mußten. Droben liegen sie, wohl über wiesen sah, konnte sich nicht beruhigen. Agnes warf sich auf die vierhundert, in den Gräben und Schanzen, und so sie ihr Bett; ihr war, als möchte sie die Welt nicht mehr verwundet sind, müssen sie umkriechen und seufzen, bis sie sehen. elend sterben, die besten Männer aus Franken." Er schlug sich mit der Faust vor die Stirn. Agnes aber sprach:

So hab' ich's nicht gewußt, Herr Nitter!"

Er aber ließ fie rauh an:

#g

Bärbchen seufzte und sah scheu in Agnesens Augen; ma dann schlug sie den Blick nieder. Diese beiden Mädchen die liebten denselben stolzen und edlen Mann; Keine wußte es nd von der Andern. Das Burgfräulein von Grumbach aber sprach:

" Ach, diese bösen Zeiten!"

jer

83.

" Ich dächte, Du möchtest davon wenig verspüren. Wenn es schief geht mit der Sache des Volkes, Dein Bruder wird sich zu helfen wissen. Seine Familie aber, fie ist angesehen, Der Gramschaher Wald. reich unb mächtig in Franken . Leichtlich mag Die eine Bu Im Thumgemach des Schlosses derer von Grumbach flucht auf ihren Schlössern offen stehen, auch bei den Hutten, ufe saßen Agues von Badell und Barbara von Grumbach in denen Du doch verivandt bist. Aber ich lebhaftem Gespräch bei einander. Auf den verständigen Sie sah ernst vor sich hin. Rath des alten Riemenschneider hatte Grumbach die schöne

!"

gen

Du magst glauben, daß auch ich Ursach habe, recht bang des " So mischet Euch nicht in Dinge, so Euch nicht an- Base nach der sicheren Burg seiner Väter gebracht, damit zu sein," sagte Bärbchen.

8