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Der Friedensengel

Von W. Nabokoff- Sirin.

Schi- Kai_war_wieder hier!- Dorith purzelte mit ihren kurzen Beinen hinab, wäh­rend sie oben die Mutter schreckerfüllt ihren Namen rufen hörte, und fie fam gerade and Haustor, als es unter den Schlägen der Ge­wehrkolben entzweibrach.

Die fleine Dorith durfte schon tagelang| immer wieder flehend die Knie eines Chinesen nicht auf die Straße, ja nicht einmal ans Fen- umflammerte. fter des elterlichen Hauses in der englischen Hoheitszone von Schanghai . Ihre Wärterin achtete streng darauf, daß ihr der kleine blonde Engel nicht von der Seite wich. Jedesmal, wenn eine dumpfe Detonation das Haus in seinen Grundfesten erschütterte und die Fensterscheiben flirrten, drüdte fie das Kind eng an sich, ale wolle sie es mit ihrem Körper gegen unsichtbare Feinde schützen.

Dorith war traurig. Es ging nicht in ihr vierjähriges Köpfchen hinein, daß draußen Krieg" war. Krieg", sagte der Vater mit finsterer Miene, wenn er mittags bei Tisch saß und haſtig sein Eſſen hinunterſchlang! ,, Krieg", sagte die Mutter mit Tränen in den Augen, wenn er schnell wieder aufstand, seinen kurzen Säbel umschnallte und forteilte.

Was war das ,, Krieg"? Ein Gewitter ohne Regen und ohne Ende. War Schi- Kai auch im Krieg? Schi- Kai war Doriths fleiner chinesischer Freund, ein Knirps von sechs Jah­ren, mit einem furzen steifen Zöpfchen, einer blauen Jade, weiten blauen Hosen und schwarz zen Pantinen. Er sah wie eine ihrer Stoff­puppen aus, sie liebie ihn innig, pflegte ihn an der Hand durch sämtliche Zimmer des elterlichen Hauses zu schleppen, und wenn er mit seinem Hohen, heiseren Vogelſtimmchen ein von ihr vor­gesprochenes englisches Wort wiederholie, danu ſchlang sie vor Entzücken die Aermchen um sei­nen Hals und füßte ihn.

Aber jest war der kleine Schi- Kai schon tagelang nicht zu ihr auf Besuch gekommen. Dorith hatte große Sehnsucht nach ihm.

Eines Abends war das Gewitter noch fürchterlicher als ſonſt. Das Haus wankte ge­radezu unter den in dumpfer Regelmäßigkeit wiederkehrenden Stößen, der Widerschein der untergehenden Sonne ging in eine seltsame blu­tige Röte über, schwarze Wollensetzen eilten über den Himmel hin und ein beizender Brand­geruch erfüllte die Luft.

Die Soldaten zögerten einen Augenblid, als ihnen der kleine blonde Engel entgegentrat. Dieser Augenblick genügte aber Schi- Kai, um nach vorn zu stürzen. Und als Dorith ihren fleinen Freund nach den schmerzlichen Tagen der Trennung so plößlich wiedersah, fiel sie ihm um den Hals und füßte ihn innig.

ganz arglos scherzend auf den Armen der Chi­nesen erblickte, die darin wetteiferten, es zu verhätscheln, ließ er die Waffe betroffen sinken. Er richtete ein paar Worte an die Chinesen, die diese aber wohl nicht verstanden haben würden, wenn nicht der kleine Schi- ai die Rolle des Dolmetschs übernommen hätte. Er wußte selbst nicht, was der englische Offizier sagen wollte, aber er deutete es sich nach seinem eigenen Her­zen und rief immer wieder ,, Gut Freund!" und ..Heilig!" Und dabei zeigte er immer wieder auf Dorith.

Lachend zogen die Chinesen ab. Und in der raucherfüllten Straße, unter dem brand­roten Himmel sah dieser kleine Trupp mit seinen Windlichtern wie eine Schar fröhlicher Zecher aus, die vielleicht von einem bescheidenen Feſt heimfehrten und im Weine ein flüchtiges Ver­gessen all des namenlosen Jammers gefunden hatten.

Mit betretenem Schweigen sahen die Thi­nesen der Szene zu Dann aber brach ein unge- Ahnungslos, ohne zu wissen, daß sie ihre heurer Jubel aus, man hob den fleinen Frie- Eltern gerettet hatte, ging Dorith mit diesen densengel hoch, jeder wollte ihn zuerst ans Herz und der Nurse in ihr Zimmer hinauf. Was drücken und küſſen, und Schi- Kai stand fröhlich kümmerte sie noch das fernhin vergrollende Ge­grinsend daneben und stieß mit seinem Bogel- witter, was fümmerten sie alle die erwachsenen stimmchen seltsame fleine Schreie aus. Chinesen, die ihr auf so zarte Art gehuldigt Doriths Vater wäre beinahe über ihn ge-| hatten! Sie wußte nur, daß ihr kleiner Freund stolpert, als er mit der Pistole in der Hand Schi- Kai sie fortab besuchen würde. Und sie vor die Menge sprang. Aber sowie er sein Kind plauderte sich feliz in den Schlaf. 5252525252525;

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Als der Ehebruch mit dem Tode bestraft wurde

Die Kaiserin Maria Theresia hat zweifel­los auch als Strafgesezgeberin Großes geleistet, sie war diejenige, welche die Einheit des Straf­rechtes, das bis dahin z. B. in Niederösterreich anders war als in Steiermark und in Steier­mart anders als in Tirol und Vorarlberg , her­gestellt hat. Dies ist ihr großes politisches Ver­dienſt. Andererseits sind die Bestimmungen ihres Strafgeseizes ganz vom Geist des Mittel­alters erfüllt. Zwischen ihrem und dem Siraf­gesetzbuch ihres großen Sohnes Josef II. liegen faktisch bloß zwanzig Jahre, dem Geist nach aber Jahrhunderte.

Zwölferlei Todesstrafen

brennung, in weniger schweren Fällen Tod durch das Schwert oder Leibesſtrafen. Auch der Abfall vom christlichen Glauben wurde mit dem Tod bestraft, ebenso falsches Schwören und Meineid, da diese beiden als Gotteslästerung galten.

Geschlechtliche Verfehlungen wurden mit furchtbarer Strenge geahndet. Der Verkehr mit Personen gleichen Geschlechtes mit Enthaup­hung, der mit Tieren mit dem Feueriod, Blut­schande mit Enthauptung, Ehebruch mit Frei­heits-, Leibes- oder Vermögensstrafe, unter besonders erschwerenden Umständen auch mit dem Tod. Aber all dies schien der Kaiserin, die ihre Untertanen unbedingt sittlich machen woll­Schon die Strafmittel kennzeichnen den te, zu wenig. Da die Gasthäuſer damals als Geiſt, der in dem Gesetzbuch der Kaiserin ein Ort für geheime Unzucht verschrien herrscht. Es tamen folgende Strafen in Bewaren, erließ die Kaiserin die Anordmung, daß Ein immer lauter anschwellendes Brausen gelinde unterschieden. Harte Lebensstrafen tracht: Lebensstrafen: Hiebei wurden harte und in den Gasthäusern keine Kellnerinnen Bierhäuselmensch" nannte man sie-mehr kam von der Straße herauf. Und plößlich ſtürzte waren Tod durch das Feuer, unter mildernden Dienſt tun dürfen. Die Befolgung dieſes Ge­der Vater ins Zimmer, schweißbedeckt, mit Umständen nach vorheriger Enthauptung; Vier- botes wurde auf das strengste überwacht. Um haſtigen Schritten, und ſeine Stirn war ſeltſam teilen; Radbrechen, von unten herauf oder von dieſe Razzien ohne Schwierigkeit möglich, au hari, als er den beiden Frauen in knappen oben herab; in allen Fällen waren Verschär, machen, wurde streng darauf geachtet, daß die

Die Wärterin und Doriths Mutter saßen im entferntesten Winkel der Wohnung, hielten einander krampfhaft an den Händen und ließen ihre angſtvollen Blicke nicht von dem Kinde, das mißgelaunt am Boden spielte.

Worten furze Anweiſungen gab, von denen Dorith gar nichts verſtand. Die Wärterin nahm sie auf ihre Arme und setzte sie dann gleich wieder hin, die Mutter lief hinter dem Vater drein, der sich von ihr losrih, unten an der Haustür krachte es, als follte diese in den näch­sten Sekunden in Trümmer gehen und in der allgemeinen Verwirrung schlüpfte Dorith eilig in eines der Zimmer, deren Fenster auf die Hauptstraße gingen, fletterte mit Hilfe eines Stuhles zu einem empor, öffnete einen Flügel und sah hinab.

Vor dem Hause stand eine Schar Chinesen mit zudenden Windlichtern und Fadeln und blizenden Gewehren, deren Kolben sie gegen das Haustor stießen. Zwischen die wütenden, Heiseren Schreie mischte sich das Weinen eines Knaben. Dorith fab schärfer hin und erblickte den fleinen Schi- Kai, der sich zwischen den Bei­nen der Erwachsenen hindurchschlängelte und

fungen durch Schleifen zur Richtſtatt, Reißen mit glühenden Bangen, Riemenschneiden, Ab­schneiden oder Ausreißen der Zunge, zuläſfig. Bei Frauen war das Vierteilen und Rad­brechen nicht zulässig. Gelinde Todesstrafen waren Enthauptung und der Galgen, letzterer bei Frauen nicht gestattet.

Leibesstrafen, die in körperlicher Züchti­gung und Brandmarkung bestanden. Daneben spielten Freiheitsstrafen und Geldstrafen mur eine geringe Rolle. Strafen also, so recht im Sinne der Abschreckung, die auch heute so gerne von vielen als das alleinige Mittel zur Ver­hütung von Verbrechen gepredigt wird. Die Theresiana sucht, in erster Linie die Laster und die Sünden zu bestrafen, unter den Lastern war das ärgste die Gotteslästerung. Die Strafe dafür war Abschneiden oder Ausreißen der Zunge, Abhauen der Hand und lebendige Ver­

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Gaft- und Kaffeehäuſer nur im Parterre unter­gebracht waren, das Verhängen der Fenſter mit

Vorhängen oder der Gebrauch undurchsichtiger Scheiben war berboten.

Das öfterreichische Sibirien .

Besonders streng wurden die öffentlichen Dirnen bestraft. Die gewöhnliche Strafe für fie war das Auspeitschen und die Verweisung aus der Stadt. Die Kaiserin ging aber noch weiter, auch jeder außereheliche Geschlechtsvers fehr trar verboten, namentlich aber wurde das Konkubinat mit körperlicher Züchtigung und, wenn dies nichts fruchtete, mit Verweisung be­straft. Die Verweisung erfolgte in der Form, daß Frauen und Männer, die sich gegen das Sittengesetz vergangen hatten, in das süd= ungarische Banat deportiert wurden, wo diese Straffolonisten als Arbeitskräfte Verwendung fanden und sehr erwünscht waren. Zweimal