Weiffel, Wallisch und Mü­ntchreiter, Staněk und ihr anderen, die der Henker zerbrach oder der Kerker­meister holte: ihr starbt nicht umſonſt, wie ihr nicht umsonst gelebt habt! In Schmerz und Trauer senken wir unsere Fahnen, euch zu ehren; in Wut und Kampfentſchloſſenheit reißen wir sie wieder hoch. Euer Geist um­gibt sie, euer unsterblicher Heldenmut. Ihr seid nicht tot: ihr seiderstrecht unsere Führer geworden!

Das liebe Leben

I.

In den Siebzigern ftrozzi niemand mehr vor Jugendkraft. Und schon gar nicht jemand, der, seit er denken kann, mit schtverster Lebens

not gerungen.

Die alte Frau geht dennoch in die große Fabrik und werkt das Aufgegebene rechtschaffen zu Ende. Tag um Tag, Jahr um Jahr. Und ob es ihrem einfinkenden Rüden auch oft genug fauer fällt, die Lasten zu schleppen, die er soll, ob auch ihre gichtknochigen Hände nicht mehr richtig zulangen können, fie muß tun wie eine Junge, und ist glüdlich, wenn es halbwegs ge fingt. Die Arbeitspläke find so rar, und so viele wirklich Junge haben überhaupt keine. Ein all zu merkbares Kräftenachlassen, und- die Alte ..fliegt".

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Aber welche Müdigkeit schon zur furzen Mittagsraft, und, ach, welche, welche Müdigkeit erst am Abend.

Den fargen Bransch" hinuntergewürgt, daß auch der Magen still wird, und dann ins Bett. Ruhen, ruhen, bis zum gebieterischen Fabrikpfiff am neuen Morgen.

Bubiel Sajidjal ließ die Alte nicht zum Spargroschen kommen, und zuviel Schicksal läßi en auch noch heute nicht zu. So tut sie auch am nächſten neuen Morgen wie eine Junge wieder, bis zur Todmüdigkeit am Abend. Und so wohl bis zur letzten Müdigkelt.

II.

Eigentlich sieht es gar nicht aus, als käme ein Mensch daher, wenn der Alte die Straße geht. Der Rüden liegt zum rechten Wintel ein­gesunken gegen die Erde, das eine Bein schleift fleif, der Stopf wadelt, als schüttle ihn jemand, ohne Unterbrechung von links nach rechts. Die Hände mit den diden Adersträngen zittern auch, aber die können sich wenigstens immer wieder mal ein bißchen aufstützen, wo Gelegenheit da­zu, und wenn die triefenden Augen eine solche erspähen.

Quer über den unsäglich hinfälligen Leib hongt eine ebensolche Tasche. Und wie das Menschenwrad so mühselig von Haus zu Haus geht, scheint es ihm mandymal wie eine Frage im verdämmernden Bewußtsein aufzuſteigen, eine Frage, die gebieterisch Antwort heischt, so daß er sich wie im liefften Ueberbenten einer solchen an die Stirne faßt, und doppelt elend dann wei terschleift, weil er keine Antwort findet auf die Frage: Was will ich denn nur noch?!

Doch wie bedächtig, wie behutsam legt er die erhaltenen Gaben in die Taschel Ein Stück Brot, meist troden, ein paar Kartoffeln. Gleich andachtsvoll find viele nicht in der Kirche.

Ach, all das, all diese Brocken, sie sind ja Mittel zum Leben! Jatrohl, Mittel zum Leben...

Oliebes Leben!

H. Ernst.

2

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Das Todesurteil

Von Jack.

Am 14. August 1933 wurde in 8. der, Endlich der Prozeß. Hunderte von Zuhörern, alveiundzwanzigjährige Seeman T. zum Tode fast hundert Zeugen, darunter die angegriffenen verurteilt wegen angeblichen Mordversuches. S.- Leute. Gegen drei Dente richtete der Bon ferne left man über die drei Beitungs Staatsaniralt feine besonderen Angriffe, unter zeilen hinweg, die das registrierten. Seit Tobes: den dreien ivar T. urteile in Deutschland fast alltäglich produzieri werden, hat man sich daran gewöhnt. Die Ge­schichten von Massenhinrichtungen gehen zarien Gemütern noch an die Nerven. Morgen wird auch das abflingen, verrauschen in der großen Woge von Grausamkeit, Unrecht, Mord und Ge­walt, die alles öffentliche Leben überspült. Nur eiliche Mütter, Bräute, Frauen, Freunde, iras gen den Schreden weiter, der ihr Herz aushöhlt und ihre Gedanken vergiftet.

Hier ist die Geschichie eines Tobesurteils, unverfälscht und ungeschminkt.

Gegen die meisten erlosch die Anklage mit den Beugeneinvernahmen. Gegen diese drei wurde fast auch nur Entlastendes vorgebracht. Es gab feinen Beugen, der auf seinen Eid ges nommen hätte, zu sagen, dieser oder jener habe geschossen. Kein Beteiligter wurde einwandfrei wiedererkannt. Die Anklage hielt fich nur durch folgende Indizien: Erstens seien 2. und seine beiden Freunde als politische Raufbolde be fannt( das traf ein wenig au), zweitens habe 2. eine Waffe besessen, mindestens einige Mo nate zuvor, drittens sei von einigen Zeugen übereinstimmend berichtet worden, einer der Wenn man den Anlaß zu Prozeß und Ur Schützen sei über durchschnittlich lang gewesen, teil gerecht wägen will, muß man ſtay an die was ganz augenscheinlich auf T. zutraf. Für Atmosphäre der lezzien Monate vor der Hitler - alle Zeugen, den verlegten Nazi eingeschloſſen, Regierung erinnern. Tag für Tag Ueberfälle, für alle Zuhörer, für die gleichgeschaltete und Mordiaten, Verlegungen, Verhöhnungen, Ser- nationalsozialistische Presse galt Freisprudh als ausforderungen. In ganz feltenen Fällen was gewiß. Gewiß bliebe der Verdacht bestehen, ren noch Arbeiter, Kommunisten oder Neichs- nachweisbar sei eine Straftat nicht. Der noch banner die Angreifer. Ueberwiegend waren sie Humpelnde Nazi sprach gegen Verurieilung, der in die Defensive gedrängt, die Papen - Polizei| Staatsanwalt aber beantragte und erhielt vom hatte mit allen Mitteln gegen die Linke gearbei- Sondergericht: cin Todesurteil gegen T., tet, faum zur Abwehr raffte diese sich noch auf. alvei ungeheuer harte Zuchthaussprüche. Urteile Nur hie und da eine Häuserblodfiaffel, die des Sondergerichtes sind endgültig, nicht revis fchlagkräftig geblieben war. Stadt für Stadt fibel. trauerie die Arbeiterschaft um Erschlagene. Stadt für Stadt, Straße für Straße begann die Borherrschaft des braunen Terrors.

Hitler wurde Kanzler. Der Rundfunk be­gann einen enormen Siegeslärin. Fadelzüge, Parade, Räuſche bei den Gruppen und Parteien der neuen Regierung. Nach einer solchen Sie gesfeier zogen in einer Arbeiterstadt etliche start angetrunkene SA.- Männer randalierend, gröh­lend, höhnend in eine Straße, die ausschließlich bon roten Arbeitern bewohnt wurde. Die S. Männer waren unbewaffnet. Sie taten aber, als seien fie im Begriff, die Straße zu stürmen, die Noten zu demütigen, fie riefen und provo­zierten im Vorgefühl der errungenen Macht. Einige Arbeiter kamen zuſammen. Sie hielten das Dußend SA.- Leute für eine Ueberfalls­garde. Es war oft genug passiert, daß Bu­ſammenſtöße so laut eingeleitet wurden. Sie beschloffen, abzutvehren. Etliche Genoffen hatten Schußwaffen, alte, vorfiniffutliche Kanonen ne­ben ein paar fleinkalibrigen neuen. Mit zwei Pistolen wurde geschossen, auf ziemliche Entfer­nung, in erheblicher Dunkelheit, abivehrend, oberflächlich gezielt. Ein Brauner wurde am Stnie getroffen. Sonst geschah keinem etwas. die Braunen liefen davon, die Arbeiter ver­stedten sich.

Noch in derselben Nacht wurden alle bekann­ten roten Arbeiter der ganzen Straße verhaftet und ftundenlangem Kreuzberhör unterworfen. Eilidhje wurden in Haft behalten. Wiedererkannt wurden von Unwohnern der Straße noch ein paar Burschen aus der Nachbarschaft, die an dem Abend des Busammenstoßes in der Straße gesehen worden waren; feinesfalls als Beiei­ligte. Gegen ein Dutzend Arbeiter wurde Au­tlage erhoben wegen Mordverſuches, Aufruhrs, Landfriedensbruchs und ähnlich unheilvoller Beschuldigungen. Monate gingen hin.

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Arbeiterquartiere. Viele waren, die dem T. ale Ein Schrei des Eniseyens ging durch die Raufbold nicht gewogen waren, die ihm cin halbes Dugend Gefängnismonate gut und gern gegönnt haben würden. Man glaubt auch, daß er an dem fraglichen Abend in der Nähe gewes fen sei. Daß er diesmal geſchoſſen habe, wurde aber von Freund und Feind bestritten. Die bei­den Schützen, wollte man genau wissen, feien gar nicht Straßenbewohner und Nachbarn ge­wefen. Führende Genossen hielten das für eine Tatjachje.

Da niemand ein solches Urieil erivartet hatte, waren die bei den zahllosen Verhaftungen ohnehin sehr erschwerten Entlastungsarbeiten nicht ernst genug genommen worden. Nun stand man: vor der Tatsache cines unabanderlichen Uricils. T., ein Mensch, dessen Jugend im tie­fen Elend abgelaufen war, der wenig an finns volle Arbeit gekommen, der politisch durchaus Harınlos und instinkilos var, den Weibern und, so das Geld reichte, auch dem Alkohol ergeben, aufällig häufiger mit ein paar Notfrontfreunden: zusammen fiel hier anter Indisien und Pa ragraphen, gegen die er sich allzu schlecht weha ren konnte. Der neue Staat braucht Blutjuitiz so nahm er auch des mindere schuldlose Opfer, gegen das seine Presse geschrien haite: Eine wimmernde, schuß- und ſchirmloſe Braut Roier Untermensa), Kommuneberbrecher uſtv. verließ den Gerichtsfaal. Etliche Freund waren ratlos betroffen. Die Mutter in Ober­

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ſchlesien mußte fiebernd ins Krankenhaus_ge­überließ den Bericht über das Urteil und die bracht werden. Ein alter Preffeberichterstatter Schlußfizung einen jungen Kollegen. T. wurde bleich, ein Abbild tödlicher Erschrockenheit, ab­

geführt.

Er wurde nicht beguabigt. Erstens find Sondergerichtsurteile au crust, um durch