BUNTE WELT

Mr. 34

Unterhaltungsbeilage

1934

Ein Star fährt durch die Stadt

Von Friß Roſenfeld

hatten, als die Sonne sie wachtigelte. Ez ist fein Leben da, dem Jimmy entgegentreten tönnte, um es mit dem Lasso der Worte eins zufangen, um es in das feste Gefüge gedruck ter Worte zu gießen. Die Welt scheint stille zu stehen; Jacksonville ist ein kleiner Teich, dessen Fläche kein Windhauch kräufelt, der nur die Wolfen widerspiegelt, die in der großen blauen Weite vorübersegeln, oder die Sterne, die sich in die unendliche Dunkelheit einges nistet haben wie Tiere in einem einsamen Wald.

John Fletcher , ehemals Mühlenbejizer Da sigt irgendwo in einem geheimnis­in Armstrong- City, nun Herausgeber und vollen Raum ein irrjinniger Regisseur und Chefredakteur des" Expreß" in Jadsonville, stellt aus hundert, tausend vielfältig ver­Milwaukee, USA. , entfaltet umständlich die worrenen und erregenden Aufnahmen einen vielen Zeitungen, die der Postbote morgens Film zusammen, Wortmontage einer wahn­in die Redaktionsstube bringt, überfliegt die sinnigen Welt, und dieser Film rollt auf Eitelzeilen, verweilt einen Augenblick bei den einem endlosen bedrudten Papierstreifen vor Börsennachrichten, Hest aufmerksam die hei seinen Augen ab. Er darf ihn betrachten, er tere Ecke, schichtet die großen, knisternden darf hier ein Stück herausschneiden, dort ein Bogen dann zu seiner linken Hand auf und Bild aus dem eilenden Strom ewig wech­Klopft an das fleine Glassenster, hinter dem selnder Eindrücke auffangen und die Trüm­in einem schmalen Verschlag Jimmy Smith , mer wie Szenen eines neuen Films zu einem Leitartikler, Lokalredakteur und Reporter fürzeren papierenen Band zusammenkleben. Wie oft hat er mit Kay darüber ge= in einer Person, sich über einen mit vergilb- Der Kollege in Washington hat so scharf- sprochen! Das Leben kommt nicht zu mir, ich ten Journalen, halbzerrissenen Manuskript- sinnig Wahrheit und Irrtum in der Rede des müßte mich auf die Beine machen und es seiten und zerkragten Photos beladenen japanischen Außenministers geschieden, der suchen... Aber da sind tausend Hindernisse. Schreibtisch beugt. Schweigend reicht Herr Reporter in St. Louis mit unübertrefflich Stah hat ihren Posten, wird sie in der Stadt Fletcher seinem Redakteur die großen Blät- lebendiger Anschaulichkeit den Gang des Box- einen finden, wenn sie mit Jimmy Jackson­ter aus Paris , London , New Yort, Chikago tampfes beschrieben, der Rezensent in New ville verläßt? Er wohnt in einem alten Haus. und San Franzisco, schweigend flemmu Jork mit meisterhafter journalistischer Tech- er wurde zwischen diesen Mauern geboren, Jimmy sie unter den Arm, schweigend breitet nit die große Premiere, ihr Publitum und seine Mutter hat in diesem Zimmer ihre er sie auf seinem Tisch aus. den Star, dem der Abend galt, gewürdigt-Augen für immer geschlossen, fann er zwischen wie arm sind dagegen die paar Zeilen, die Jimmy als Einleitung hinzufügt, die paar Bemerkungen, die er an Berichte aus Paris und London knüpft!! Nicht einmal der Chef weiß, wo die Grenze zwischen dem fremden Bericht und Jimmys redaktionellen Ergän­zungen verläuft, die Leser ahnen nicht, daß auch er einen Anteil an dem Text hat, den sie überfliegen und vergessen, und nur Kay, sein Mädel, kann seinen Stil von dem der großen, gutbezahlten, vom Ruhm verwöhn ten, vom Glanz der Großstadt umstrahlten Stollegen unterscheiden.

Die Schere in der Rechten, blättert er in ihnen. Er weiß genau, wo er den Bericht über das Bogmatsch in Philadelphia suchen muß, den er braucht, wo das Ergebnis der Konfe­renz von Tokio zu finden ist, auf welcher Seite die Schilderung der großen Revuepremiere in New York steht, die eine Sensation für das ganze Land ist, weil einer der berühmtesten Stars von Hollywood an diesem Abend den erften Schritt ins Scheinwerferlicht der Bühne wagte. Er lebt Ausschnitte auf weiße Blät­ter und friselt mit einer sprißenden Feder Zeichen für den Sezer dazu; manchmal spannt er einen Bogen Papier in die Schreib­maschine ein und formt eine Notiz, eine Nach richt, eine Glosse um. Wendungen von schil­lernder Wucht der Worte gelingen ihm, Ge­banken von kristallener Klarsichtigkeit flicht er in eine Schilderung ein, die farblos und unwichtig bliebe aber sein Wert geht in dem breit wogenden, unübersehbaren Ozean bon Worten unter, der täglich aus den Blät­tern der großen Städte an seinen Schreibtisch brandet und, in kleine, schmale Rinnjale zer­teilt, in die Spalten des Expreß" geleitet wird.

den tahlen Wänden einer fremden Wohnung, irgendwo in den Steinschluchten der Stadt atmen? Du bist eigentlich gar kein Jour nalist, denkt er dann, wenn du an einem Zimmer, einem Mädchen hängst; die Welt gehört dir nur, wenn du ihr gehörst.

Im Traum tanzen die schwarzen und roten Lettern vor seinen Augen, aus denen sich die Titelzeilen der großen Zeitungen zus sammenseßen; er sieht seinen Namen unter einer aufsehenerregenden Reportage auf der ersten Seite der New York Times ", unter einem Bericht in der Chikago Tribune". Aber hinter dem Kopf der Zeitungen taucht das Gesicht des Postboten auf, der sie bringt, sie fnistert in seiner Hand, Herr Fletcher hat sie ihm zugeschoben, die Schere glänzt in der Morgensonne, ein neuer Tag ist angebrochen, das Leben, das keines ist, läuft unhörbar und gespenstig weiter....

Wenn er nach Hause geht, den Donner der Rotationsmaschinen im Ohr, die ihn nicht freigeben, die ihn verfolgen wie einen ent­laufenen Gefangenen, sieht er mit seinem müden Blick auf die kleinen, armseligen Häuser von Jacksonville , die brab in einer Reihe stehen, ausgerichtet wie Alleebäume. Die Menschen schlafen. Aber es ist ein Jrr­tum anzunehmen, daß sie nur schlafen, wenn Da geschieht es eines Tages, daß das Leben die Fensterläden geschlossen sind und die die Stadt betritt, in der Gestalt seines Wider­Sterne am Himmel funkeln. Ihr ganzes spiels: des Todes. Auf dem Hauptplah- Leben ist ein einziger, ununterbrochener wie oft hat Jimmy schreiben wollen, daß er Schlaf. Sie gehen morgens an ihre Arbeit, sie schlecht beleuchtet ist, daß die paar alten, blin Der Expreß ist eine kleine Zeitung, machen jahrzehntelang dieselben Handgriffe, den Laternen nicht genügen, aber Herr Flet­er wird nur im Umkreis weniger Meilen ge- schreiben jahrzehntelang dieselben Ziffern und her wollte es sich mit den Stadtvätern nicht lesen. Herr Fletcher hat kaum je ein Wort Buchstaben auf langweilige weiße Blätter, verderben und hat Jimmys Artikel in den des Lobes für Jimmy, er jammert stets über sie begrüßen einander jahrzehntelang mit Papierkorb geworfen ist im ersten Mor­den Rückgang der Inserate und träumt sich denselben Worten, stellen dieselben Fragen, gengrauen, als die Dugtelheit noch nicht ges in die Zeiten zurück, in denen der Expreß" geben dieselben Antworten, essen zu Mittag brochen war, ein fremdes Auto mit einem der angeblich zweimalhunderttausend Abonnenten dieselben Gerichte, steden Zigarren derselben altertümlichen Pferdewagen zusammenges und zwölf Redakteure gehabt hat. In der Sorte in Brand, lesen auf demselben Fled stoßen, auf denen die Farmer der Umgebung Nacht, wenn die Rotationsmaschinen zu dröh- jahrzehntelang täglich dieselbe Zeitung, strei- Milch und Gemüse in die Stadt bringen. Ein nen beginnen und der Boden seines Zimmers ten um denselben, nichtigen, lächerlich arm- Schrei wedte den schlafenden Hauptplatz, das unter dem Gesang der stählernen Ungeheuer seligen Gegenstand, drehen zu derselben scharfe Klirren berstenden Glases, das Kra= erzittert, schiebt Jimmy die zerschnittenen Stunde das Licht ab und nehmen mit mür- chen zerschellten Holzes loďte die Köpfe and Beitungen beiseite, er legt die Schere aus der rischer Hartnädigkeit, als haßten sie sich Fenster- und ehe das Surren des sterbenden Hand, zündet seine Pfeife an und beginnt selbst, als wären sie sich selbst zur Last, die Motors verstummt war, scharten sich zwei nachzudenken. Tätigkeit wieder auf, die sie unterbrochen Dußend Menschen um das zertrümmerte