2 Spazierengehen mit Mabel im Hyde-Park, ein« mal schiebt sie den Kinderwagen, einmal ich..." Robert Merton   verlor sich minutenlang in Träumereien. Ein Boot glitt die Themse   bei Richmond hinunter. Richtung Maidenhead  . Bob Pelham hielt die Zeitung auf seinen Knien und lieb die Ruder treiben. Plötzlich lachte er hell.Wil­liam," rief er seinem Skaut-Bruder zu,da, lies mal. Old-England etwas verrückt. Und so was lebt noch". William las, knurrte:Hof­fentlich nicht mehr lange". Ein Tramp legte sich zur Ruhe im Ob­dachlosenasyl der Heilsarmee von Whitecheapel. Beschmutzte Zeitungsblätter, aufgelesen im Rinnstein, entglitten seinen Händen.Der hat noch nie im Leben Kohldampf geschoben, dieser Spleensucher," waren seine letzten Gedanken Vor dem Einschlafen. G Henry, der Kammerdiener, stöhnte. Nun hatte er schon einen Waschkorb herbeigeschafft, und auch der reichte nicht aus, um die Fülle von Briefen zu fasten, die als Antwort auf Lord Basil Phipps Inserat in denTimes" eingegan­gen waren. Der Lord   rieb sich vor Freude die Hände. Vergnügt klopfte er seinem Diener auf die Schulter/ Endlich, Henry, für ein paar Stunden Beschäftigung. Komm, wir wollen ans Sortieren gehen." Viele Zuschriften versuchten schon rein äußerlich ihrenSpleen" zu zeigen. Da gab es rote Kuverts, und die Adresse war schräg drüber hingewischt. Einige hatten die Marken verkehrt oder in wildem Durcheinander aufgeklebt. Andere sandten schwarzumrandete Briefe. Doch erwies sich ihr Inhalt als banal und recht alltäglich.. Basil Phipps legte sie schnell, beiseite. Schließlich nach langem mühevollen Sichten zog der Lord fünf Vorschläge in engere Erwägung. Es waren die eines Kapitäns, eines Käsefabrikanten, einer Verkäuferin, eines Schriftstellers und eines Filmstars. Der Kapitän, schrieb:Seit vielen Jahren befahre ich das Segelschiff.Polonia'. Auf der Im auswärtigen Amte am Ballhausplatz in Wien   herrschte große Aufregung. Zum drit­ten Male im laufenden Monate wurde ein neuer Chef ernannt. Eben hatte sich sein Vor­gänger von den Beamten verabschiedet und der Reue unter zahlreichen Versprechungen vor­gestellt. Gott   sei Dank, daß die fade Beschicht' endlich aus ist," sagte Hoftat Dr. Braunstingl zu seinen Abteilungskollegen Sekretär Brun­ner und Konzeptspraktikant Dr. Lieblich. Schrecklich, vier Uhr' ist' eS schon, nun muß ich aber schaun, daß ichz' Haus' komme, meine Frau wird schon mit dem Esten warten."Ja, Sie haben es gut, Herr Hofrat," meinte Brun­ner;Sie kriegen auch jetzt Ihr gutes Mittag­esten, aber wir armen Junggesellen müffen um die Zeit im Kaffeehaus mit einem kalten Im- biß vorlieb nehmen." Dri Braunstingl schmun­zelte:G'schieht Euch schon recht, was habt'S nicht geheiratet, aber wiffen'S was, meine Her­ren,, kommen's mit mir z'Haus, meine Frau wird sich freuen, Sie wieder einmal zu sehen." Ja, wenn wir der Gnädigen keine Umstände nrachen," warf Dr. Lieblich ein,aber nix," bruuunte der Hofrät,Ihr kommt's mit und basta!" letzten Reise haW ich die GalleonS-Figur am Bug meines Schiffes durch«inen Sturm ver­loren. Wollen Sie an ihrer Stelle die nächste Fahrt mitmachen?" Ich mußte gestern den Mann, der bei mir die Löcher in dm Käse bohrt, hinausschmeißen," berichtete der Fabrikant.Wäre das nicht ein Posten für Sie?" Ich bin Verkäuferin bei Selfridg« in der Oxford-Street. Meine Kolleginnen nennen mich das spleenigste Frauenzimmer auf Erden. Nach Ihrem Inserat zu urteilen, scheinen Sie, Sir, der spleenigste Mann zu sein. Heiraten wir ein­ander! Unser Kind wird man dann das spleenigste Kind der Welt nennen." Der Schriftsteller bemerkte:Vor mehreren Monaten habe ich einen Roman beendet, der das soziale Leben Englands in der heutigen Zeit so schildert wie es wirklich ist. Kein.vernünftiger' Verleger will das Buch herauSbringen. Machen S i e sich den Spleen, es,zu veröffentlichen!" Das Leben langweilt mich ebenso tödlich wie Sie," klagte die blondhaarige Gladys Sunshine, der britischen Halbinsel beliebtester Filmstar.Ich schlage Ihnen daher vor: Kommen Sie mit mir in die Stratosphäre. Bon dort wollen wir gemeinsam auf die ganze Welt spucken!" Schon war Lord Basil Phipps nahe daran, sich für den Vorschlag der Filmdiva zu entschei­den in diesem Augenblick brachte der Haus­meister ein gekabeltes Telegramm. Phipps riß es auf, überflog es und schrie dann begeistert: Henry da, nimm, sieh, daS ist der Spleen, auf den ich gewartet habe!" Und der Kammer­diener ergriff die Depesche, hielt sie mit wür­diger Miene in respektvollem Abstand und las laut:.- Soeben Inserat gelesen stop erbitte vor­läufig Ablehnung jeglichen Angebots stop habe folgenden Vorschlag stop treten Sie ein für Brechung der' Zinsknechtschaft stop garantiert amüsanter Spleen stop ganz England lacht und Sie werden Diktator. GoetbelS." Die drei Aktenbeherrscher bestiegen rin Autotaxi, welches sich anscheinend aus dem tech­nischen Museum in die innere Stadt   verirrt hatte, und landeten in verhältnismäßig kurzer Zeit, gerüttelt und geschüttelt, bei der reizen­den Einfamilienvilla Dr. Braunstingls in der Sternwartestraße. Eine entzückende Brünette mit etwas dunk­lem Teint in der vollen Weiblichkeit von 80 Jähren stand im Garten und winkte erfreut: Na das ist aber nett, daß sich die Herren ein­mal anschauen lassen, ich habe schon in der Mit­tags-Zeitung gelesen, Ihr habt's wieder einen neuen Minister; so was muß ich immer mit meinem Esten büßen, aber bitte nur weiter zu konnnen, Si« werden schon einen Mordshunger haben. Nur mache ich die Herren gleich auf­merksam, wir haben nur«in ganz einfaches wienerisches Mittagmahl, denn auf so hohen Be­such war ich nicht gefaßt."Aber gnädige Frau," sagte Brunner, ,Lhr« Küche ist doch be­rühmt und gerade das gefällt mir,, daß Sie in der Kost die deutsche Einfachheit lieben." Dr. Lieblich lächelte.Aha," meint Brunner,der rote" Praktikant grinst schon wieder, wenn der was vom Deutschtum hört; wissen Sie, er ist nämlich etwas international angehaucht." Politisch Lied, ein garstig Lied, Herr Sekte« rär," unterbrach Frau Grete Braunstingl, wäh­rend man im Speisezimmer anlangte. Es war tatsächlich ein echt wienerisches Mittagmahl: Zuerst eine Leberknödelsuvpe, dann ein Riesenbeinfleisch mit Heurigen und Gurkensalat und als Piece de resistance ein meterlanger Apfelstrudel. Die Gäste waren be­geistert.Ja," sagt Dr. Braunstingl,meine Gretl laßt sich'S nicht nehmen, selber zu kochen, die Köchin ärgert sich damisch darüber."Jetzt weiß ich, warum es mir gar so geschmeckt hat," schmeichelte der Schwerenöter Dr. Lieblich. Nun zog man sich in das Herrenzimmer zurück, versank in die weichen Klubsessel, das pikante Stubenmädchen, welches mit Dr. Lieb­lich verstohlene Blicke wechselte, servierte Mokka und Liköre, die Herren zündeten sich Zigarren, Frau Grete eine Zigarette an und man erholt« sich von dem einfachen, aber reichlichen Mahle, Da sicht man wieder," unterbrach Brun« ner die feierliche Still«,die tüchtige deutsche Hausfrau, noch dazu eine waschechte Wienerin! Ja, so was muß angeboren sein."Wer geh'nS Kollege," widersprach Dr. Lieblich,jeder Mensch paßt sich seiner Umgebung an, man braucht gerade kein geborener Wiener   sein und kann doch wienerisch fühlen und handeln." Brunner kam in Saft:Nein, mein Lieber, auf die Rasse kommt es an."Nun und was ist's mit dem Neger-Portier, der nach Wien   zu­ständig ist und den Krieg bei den Deutsch­meistern mitgemacht hat; ist das vielleicht kein Wiener  ?"Na, das ist doch unglaublich," schrie Brunner,so eine Zumutung, ein Neger," aber meine Herren, Sie werden doch.nicht streiten," beschwichtigte Dr. Braunstingl« Herr Hofrat entscheiden Sie," meinte Dr. Lieblich.Ich werde mich hüten," erwiderte der Hofrat,aber paffen's auf, meine Herren, ich erzähle Ihnen eine Geschichte, die auf diesen Diskurs patzt."Bravo, Herr Hofrat," riesen beide. Dr. Braunstingl lehnte sich in seinen Fauteuil zurück und begann:Es war vor unge­fähr 17 Jahren, ich war Attache bei der oster« reichisch-ungarischen Gesandtschaft in Kalkutta,  " hier erhob sich Frau Grete:Entschuldigen di« Herren, ich habe mit dem Gärtner etwas Wich­tiges zu besprechen" und begab sich, in den Garten. Ich war damals jung und lebenslustig," fuhr der Hofrat   fort,es hat kein Nachtlokal in Kalkutta   gegeben, welches ich nicht gekannt habe, mit den berühmten indischen Bajaderen war ich immer gut Freund, hasardiert hab' ich auch im Klub, kurz, ich habe halt gelebt, wie man eben mit 28 Jahren lebt. Da fahr' ich ein­mal mit meinem Wagen durch das Eingebore­nenviertel und sehe, wie ein langer Inder aus ein halbnacktes Mädl von ungefähr 14 Jahren mit der Peitsche loshaut. Ich reiße ihm di« Peitsche aus der Hand-und sage in seiner Sprache, die ich ein wenig gekannt habe,Du Hund, was schlägst Du denn das Kind," wor­auf er sagte:Sahib, dieses Mädchen gehört in die Kaste der Paria. Ihre Eltern sind ge­storben und jetzt ist sie meine Magd. Da sie eS mir nicht recht machte, schlug ich sie, gehört sie doch zur niedrigsten Kaste". Das arm« Mädl hat geweint und ge­schluchzt, trotz ihrer Fetzen und den schmutzigen Füßen hat man doch gesehen, daß es ein fescher Kerl ist; kurz, ich sage zu dem Inder:Die­ses Mädchen geht mit mir". Er protestierte: Rein, Sahib, sie gehört mir, mißer Du wür­dest sie kaufen." Ich habe den Kerl den Inhalt meister Brieftasche, es werden gegen 1000 MtMWMMMtMtMMeMWMMMCMCttMMMWMMtMMM«« Das Mädchen ans der letzten Kaste Eine merkwürdige Geschichte Von Georg Sende.