— 2— nahm nichts, klopfte die Patienten ab nnd fagte, 1 pe sollten in die Stadt ink Spital gehen. Richt einmal rin Rezept wollt' er verschreiben. Den Havränek hat er vom Keuchhusten kuriert. Rach seiner Promotion saßen wir bei BrejLka beim Doktorschmaus. Herr Brejska kannte ihn, Hans war bei ihm lieb Kind, nirgends in Prag kriegte er genug, aber dort gaben st« ihm ein Abendessen wie zu Hause. So konnte sich Herr Brejska gar nicht genug tun, um und überhaupt allen beim Festmahl zu gratulieren, er führte persönlich die Aufsicht und jedesmal, wenn er aus» und einging, lachte er die Frauen an «nd warf ihnen eine Kußhand zu. Damit haben wir nachher Hansens Kusinen und überhaupt die Mädels in unserem Dorfe sehr geärgert; wenn wir sie trafen, küßten wir unsere eigene Hand «nd schmatzten dabei. Bei der Promotion sagte der Herr Pro- feffor zu Hansens Mutter, Hans sei eine Kapazität und sein Lieblingsassistent und werd« Dozent werden. Ein halbes Jahr später brach der Krieg aus. Den Hans nahmen sie, versteht sich, gleich mit allen zehn Fingern. So einen konnten sie bei Gott brauchen. Er zog die Offiziersuniform an, wurde zum Assistenten gemacht und fuhr nach Serbien ab. Das halbe Dorf gab ihm zum Bahnhof das Geleit. Wie es dort unten gewesen ist und wie es ihm ergangen ist— weiß ich bis heute nicht. Hans kam nach einem halben Jahr auf Urlaub, wollte nichts davon reden, er sagte nur, die Unseren hätten Hals über Kopf aus Belgrad fort muffen, er habe bei den Magyaren gedient «nd seine ganze Bagage verloren. Er war nur noch die Hälfte von dem früheren Hans, furchtbar war er abgefallen und schimpfte wie ein Rohrspatz. Er schmiß den ganzen Krempel hin, mitsamt der Doktorei,«nd holte seine Leinenhosen hervor; die ersten Tage aß er nicht, ging in Hemd imd Pantoffeln, trieb sich an den Feldrainen herum, wollte mit keinem Menschen sprechen und bat die Mutter, ihm in den Leinenhosen einen Keil herauszuschneiden, weil alles von ihm herunterfiel. Dann ah er wieder, half bei der Arbeit, lernt« abends deutsch, zog eine neue Saite auf feine Baßgeige auf— und war wieder der Alte. Er hat sich eigens gewogen und nach vierzehn Tagen hat ihm die Mutter den herausgeschnittenen Keil wieder eingesetzt. Ich wurde bei der zweiten Affentierung glatt genommen und wurde demselben Regiment zugeteilt wie Hans. Als er das, so um die Mittagszeit, erfuhr, kam er zu uns gelaufen und sagte: „Franzel— das ist nichts— nur keine Bange nicht— sei ohne Sorge— einmal hin, einmal her." Er fuhr eigens zum Kommando und setzte «S durch, daß ich sein Putzfleck wurde. Nachher waren wir in Przcmysl, in Tarno- pol, Sandromir, standen in den Septemberkämpfen bei Wicyn, zogen zweimal über die Karpathen nach Ungarn und der Bukowina und wieder zurück— halt wie die Treiberhunde im Rübenfeld. Hans schnitt, verband, fluchte, schimpfte, so oft ein großer Schub kam. Eine Zeitlang kurierte er die Pferde der Dragoner. Es ging uns gut, es ging uns schlecht, je nachdem, und wenn es am schlimmsten war, pflegte Hans zu sagen:„Franzel. das ist nichts, weißt du— einmal hin, einmal her." Wir lagen vor den Zelten und sangen: „Grüne, grüne Wälder",„Schaffners Andulka" und Hansens Lirblingslied:„Bin Magister im Seminar". Am meisten sangen wir, wenn unS bang zumute war oder wenn uns jemand auSgeschimpft hatte,'s war ja auch schwer, sich zu verständigen, ich konnte gar nicht deutsch, Hans nicht viel, er kauderwelschte wie es ging. In Stryj besuchte er di« Offiziersmeffe und abonnierte sich auf drei Portionen. Man nannte ihn dort Lord Beefsteak. Einmal nahm ihn der Hauptmann in der Meffe beiseite und sagte ihm irgendeine Gemeinheit. Hans war außer sich. Er werde ihnen alles hinschmeißen, es wachse ihm schon zum Halse heraus, fluchte er, und ging nicht mehr unter jene Kumpane. Aber— wie ihn dann sein Prager Pro« feffor als Assistenten für seine Operationen anforderte— Donnerwetter, hat da der HanS einen Luftsprung gemacht! Die Maroden flennten, am meisten di« Tschechen, sie baten ihn um Gottestoillen sie mitzunehmen, aber ob Polen , Serben, Deutsche oder Magyaren, alle jammerten, so gerne hatten sie den Hans, denn er tat den Maroden alles Erdenklich« zuliebe, er sagte, das arme Volk kann nichts für all das Unglück und was jeder für eine Sprache spricht, ist einerlei, wir sind lauter arme Kerle, und darum war er mit allen gut Kamerad, es waren doch lauter kleine Landwirte und er unterhielt sich am liebsten über die Wirtschaft. Mit jedem war er auf du und du, zu jedem sagte er.Franzel", ob er sich mit ihm verständigen konnte oder nicht: „Franzel, nur nicht jammern...!" „Franzel, hübsch ftillhalten«.. schnipp, schnipp.,. na also!" „Franzel, hast Frau und Kinder, hast ein Mädel zu Hause— Sakra, halt still, Kerl. Wir sind schon fertig, Franzel!" Und gleich rief er wieder den Sanitätern zu:„Den nächsten Franzel her!" Mochte es ein Rumäne oder ein Zigeuner sein, und war ihm vielleicht das Bein oder gar der halb« Kopf weggeschossen, sowie Hans zu ihm Franzel" sagte, lachte er den Doktor an und der Doktor, der Hans, ihn, und ging der arme Teufel vielleicht gleich darauf in Abraham ein, so glaub' ich doch, daß der rumänische Franzel leichtern Herzens dieses Jammertal verlassen hat. Am Tag unserer Abfahrt stemmte ich mit dem Hackenstiel«ine Kiste auf dem Wagen auf und zog mir einen Bruch zu. Halt— ein Malheur! Auf dem Weg zur Bahn konnte ich eS nicht mitansehen, wie Hans zwei Rucksäcke, drei Koffer, Decken, Mäntel schleppte, na, wie ein Putzfleck, während ich mit leeren Händen neben ihm herging wie«in Offizier. Immer wieder wollt' ich ihm mit Gewalt die Bagage aus der Hand winden, ich hab' ihn so gebeten, daß ich aus einer gelten Kuh hält' ein Kalb herauskitzeln können, in Lemberg haben wir auf dem Bahnhof gerauft, ich konnte die Schande nicht länger ertragen, aber er lieh di« Koffer nicht los und schrie: „Franta, ich kann dir nicht eine herunterhauen, aber wenn du nicht aufhörst, geb ich dir einen Fußtritt, daß du geradewegs ins Jenseits fliegst." Es war im Grunde zum Lachen, aber mir hat's das Herz abgedrückt, als ich in Krakau im Hotel aufwachte und sah, daß Hans schon angekleidet war und mit der Reisbürst« mein« Ba- gantschen scheuerte. (Schluß folgt.) Sir Henry Ervings berühmtester Fall Die Tarnkappe der Diplomaten— Geheimsprache«, die nicht geheimznhalte« find Der Leiter des im Kriege berühmten Zimmers Nr. 40 in der britifthen Admiralität, Sir Henry Ewing, der„Sherlock Holmes des Krieges", starb kürzlich achtzigjährig in Cambridge . Ganz England kannte den 80jährigen Schotten, der während des Krieges die Leitung des berühmten Zimmers Nr. 40 im Gebäude der britischen Admiralität innehatt«. In diesem geheimnisvollen Zimmer beschäftigt« sich ein ganzer Stab von Spezialisten mit der Entzifferung aufgefangener Geheimmeldungen des Feindes. Sir Henry Ewing wurde zu Beginn des Krieges von Lord Balsmir auf diesen wichtigen Posten berufen. Bereits einige Tage nach Kriegsausbruch überreichte Sir Henry Oliver, der Chef des Marine-Nachrichtendienstes, Sir Ewing mehrere Nadiotelegramme, die von niemandem entziffert werden konnten. Sir Ewing schloß sich ein, rauchte nach^ seinem eigenen Bericht ein« Unzahl von Zigarren und entzifferte endlich die Meldung. Chef des Zimmers Nr. 40 Nach dieser Leistung erhielt er den Auftrag, das Zimmer Nr. 40 zu organisieren. Di« Zahl seiner Mitarbeiter betrug 50. Getvöhnlich gingen über 2000. Meldungen im Laufe von 24 Stunden ein. Jeden Tag wurde die Zahl der deutschen U-Boote, die sich auf Fahrt befanden, registriert sowie die Zcchl der Boote, die in ihrem Hafen nicht eingetroffen waren. Als nach Kriegsende das Material des Zimmers Rr. 40 mit den offiziellen deutschen Angaben verglichen wurde, stellte sich heraus, daß Sir Henry Swings Leute nur ein„U-Boot"„verpaßt" hatten. Als einen der kompliziertesten Fälle bezeichnete Ewing di« Sache mit einem Kamm, den man einer verdächtigen Dame abgenommen hatte. Auffallend war die Tatsache, daß ein langer Seidenfaden um die Zähne des Kammes geschlungen war. Sir Ewing stellte-fest, daß die Entfernung zwischen den Zähnen einen bestimmten Buchstaben be- deutet. Durch die Entzifferung der Geheimmeldung am Kamm gelang es, eine Gruppe von englischen Seeleuten zu verhaften, die im Dienste des deutschen Marinestabes standen. Im Jahre 1016 wechselt« der deutsche Generalstab täglich di« Chiffre. Die Mitarbeiter Sir Ewingz waren aber so gedrillt, daß sie auch die neuen chiffrierten Telegramme wie ein« Zeitung lasen. Berufsmäßig« Rätsellöser Das Chiffre-System hat längst aufgehört, ein unfehlbares Mittel zur Geheimhaltung von Gedanken, Vorschlägen, Aktionen, Anweisungen nnd sonstigen Formen des Meinungsaustausches zwischen Diplomaten zu sein. Im Gegenteil: die
Ausgabe
15 (25.5.1935) 21
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