BUNTE WELT
r. 24
Unterhaltungsbeilage
Die schöne Helena
Im Hafenviertel von Athen lag die Kneipe des Gastwirtes Orchomenos . Matrosen, Arbeiter, Wasserträger und Melonenverfäufer waren feine Stammfunden. In Orchomenos Kneipe
stant es nach Kümmel , Zwiebel, Knoblauch und
Alkohol. Trotzdem beschloß Jack Diamond, auch
hier einzutreten, wie er schon vorher viele andere
Gastwirtschaften des Hafens besucht hatte. Er war müde vom Herumlaufen und Suchen. Vom Suchen und Herumlaufen. Schließlich ist es kein leichter Beruf, Manager von internationalen Schönheitskonkurrensen au sein.
Grizze von Hilbe Busch
,, Tot." Helena sagte es unsentimental. Es flang höflich und sachlich. Dem Fremden zeigte man nicht sein Herz.
Jezt schien es Jack Diamond geraten, auf das Biel loszusteuern.„ Wissen Sie, daß Sie
sehr schön sind, Helena?"
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„ Ja."
Ihre
Antwort verblüffte ihn. Helena lachte, als sie die Wirkung sah. Einfach meinte sie:„ Viele sagen es mir. Die Matrosen und die Wasserträger. Die hab ich schon davon? Nichts." Hafenarbeiter und die Melonenverkäufer. Was ., Sie könnten Jack Diamond
aber etwas davon haben
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Jack Diamond wußte, daß die Schönheit holte zu seinem großen Treffer aus. Ruhm, leine Klassenunterschiede fennt. Daß sie überall Geld, Glanz, Erfolge."., Wieso? Die Gäste, blüht. Und so trieb er sich auf der ganzen Welt die bei uns verfehren, fönnen mir nichts von alle in den Stadtteilen des Reichtums und des dem verschaffen. Und ich komme fast nie herElends, der großen wie der kleinen Bourgeoisie aus." Jad Diamond fühlte sich beinahe wie ein und in den Wohnvierteln des Proletariats Bauberer aus dem Märchen als er nun Helena herum. Immer suchend das schöne menschliche zu erzählen begann, wer er sei und was er mit Gesicht, die vollkommene menschliche Gestalt.
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ihr vorhabe.
Die nächste Schönheitskonkurrenz, die Jack
In der schlecht gelüfteten Kneipe des grie- Diamond zum Amüsement einiger hundert chischen Gastwirtes war es dunkel. Robe Holz- Snobs und reicher Müßiggänger zu managen tische. Fettflecke darauf. Jack Diamond wäre am hatte, fand in Cannes an der französischen liebsten auf der Stelle wieder davongelaufen. Riviera statt. Alle europäischen Länder verDoch draußen stach die Sonne grell über dem frachteten ihre hübschesten Mädchen dorthin. Im Hafen. Er konnte nicht mehr weiter. Um diese Angesichts von Meer und blauem Himmel wurde Beit war Diamond der einzige Gast. Die eine Siebzehnjährige zur Schönheitskönigin er Stammfundschaft kam erst später. Nach der wählt. Man nannte sie ,, Miz Europa". Mig Arbeit. Es dauerte ein paar Minuten, ehe ihn Europa hieß in Wirklichkeit Helena Orchomenos, eine Stimme fragte, was er wünsche. Diamond und ganz Cannes redete eine Zeitlang von nichts sah träge geradeaus. Bestellte in französischer anderem als von der zarten, schlanken Griechin Sprache einen halben Liter hellen leichtgefüßten mit dem klassischen Profil und der vollkommenen Samoswein. In gar nicht schlechtem Französisch Gestalt.„ Die schöne Helena" war das Gespräch antwortete jene Stimme es war die einer des Tages. Die schöne Helena" wurde für alle Frau er solle sofort bedient werden. Jetzt Wochenschau gefilmt, von allen in und blickte Jack Diamond auf. Ueberrascht starrte er ausländischen Reportern interviewvt. Ihr in das Gesicht, das sich ihm bot, leicht beschattet Bild brachte jede Zeitschrift, jedes Blatt von der Dunkelheit des Raumes. Dies war dez Tages. ,, Miß Europa, die schöne zum Donnerwetter noch mal dies war ja das Helena" schrien Camelots die Pariser Bouleschönste Gesicht, das der Manager Jack Diamond bards entlang, durch Londons City , über New seit langer Zeit gesehen hatte. Er riß sich zu- Yorks Wallstreet , am Berliner Kurfürstendamm sammen. Nur nicht gleich aufs Ganze. Man und auf dem Prager Wenzelsplay. Der Pulsmußte behutsam borgehen. schlag der Welt stockte sekundenlang. Man vergaß einen Augenblick die Börse und den Krieg, Arbeitslosigkeit und Hunger. Da war ein junges Gesicht, süß und herb zugleich, mit dunklem Haar und dunklen Augen, einem weichen vollen finnenfreudigen Mund. Niemand konnte es ohne Begeisterung sehen. Aber dann kam das andere wieder, der Alltag und die Sorgen. Fort aus der Menschheit Erinnerung war die schöne Helena. Das große Halloh hatte ein Ende. Der Eintagsruhm. Helena tehrte nach Athen zurück, wo sie noch die Ehre hatte, der Gattin des Ministerpräsidenten vorgestellt zu werden. Dann gab es nichts mehr. Nichts als heimzugehen in die alte Kneipe, die nach Kümmel , Zwiebel und Knob lauch roch. Jack Diamond fümmerte sich nicht mehr um sie. Er hatte längst andere Dinge im Kopf.
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Das Mädchen, schmal, zart und jung ,, höchstens siebzehn", tarierte Diamond brachte ihm den Wein. ,, Wollen Sie nicht mit trinfen?" Sie lächelte, zögerte. Ich trinte sonst nicht."- ,, Machen Sie heute eine Ausnahme." Ohne Ziererei holte sie ein Glas setzte sich.
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,, Wie heißen Sie?"„ Helena. Helena Orchomenos. Meinem Vater gehört dies hier". sie machte eine Bewegung, die das Zimmer umSpannte. Wie alt sind Sie?"„ Siebzehn". Gut geraten, dachte Diamond. Er bot ihr eine Bigarette. Helena dankte. Lehnte ab. Auch vom Wein nippte sie nur. Hingegen musterte sie mit ihren großen glänzenden Augen neugierig den Fremden. Sie sprechen recht gut französisch", setzte Diamond die Unterhaltung fort.„ Ich kann auch etwas englisch und italienisch. Das lernt sich so von selbst. Zu uns kommen sie aus allen Das war alles? Helena hatte sich so vieles Ländern. Ich habe die vielen Sprachen von erträumt. Eine Laufbahn als Filmstar, ein Kindheit an gehört."- ,, Wo ist Ihre Mutter?" Bühnenengagement, zumindest aber den Hei
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1935
ratsantrag eines reichen Mannes. Nichts davon hatte sich erfüllt. Immerhin war sie bekannt genug geivorden, um Begierde zu entfachen. Mit der schönen Helena" wollten die jungen und die alten Lebemänner von Athen alle gern einmal geschlafen haben. Darum bemühte man sich. nicht um ihren Besitz fürs Leben. Sondern nur um den für eine Nacht. Für die eine Nacht. Helena taumelte von Umarmung zu Umarmung. stets hoffend, einer von den vielen würde bei ihr bleiben. Doch keiner blieb. Und in dem verzwei felten Bemühen hinaufzukommen, fam sie im mer mehr herunter. Als ihre Schönheit kein Gelb
mehr brachte, als jeder Mann von Athen Helena kannte, das Geheimnis ihrer Nacktheit, den Bauber ihrer Hingabe, warf der alte Orchomenos sie hinaus. Nunmehr war diese Tochter nur noch eine peinliche Belastung. Unter Mitnahme der letzten Tageskasse verschwand die schöne Helena aus Griechenland und fuhr nach Paris .
Sie stand auf dem Bahnhof St. Lazare , Hundert Franken in der Tasche, einen nicht allzu großen Koffer in der Hand und überlegte, was sie beginnen sollte. Paris mußte doch die richtige Stadt für sie sein, für eine Frau, der die Welt den Namen„ die schöne Helena" geschenkt hatte. Sie dachte nach. Es fiel ihr ein, daß es besonders die französischen Boulevard- Blätter gewesen waren, bie seinerzeit ihr Bild am größten gee bracht, die Interviews mit ihr an auffallendster Stelle veröffentlicht hatten. Da gab es einen Reporter: Monsieur Salmon. Helena erinnerte sich genau an ihn. Ein flinker, kleiner Junge mit flattrigen nervösen Händen, unruhigen fun felnd- schwarzen Augen. Er hatte sich als Vertre ter des Paris midi" vorgestellt und in beson ders wißig- lebhafter Art originell und amüsant geredet. Er brachte auch als erster seinen Bee richt mit der Schlagerzeile:„ Die schöne Helena Miß Europa". Helena winkte einem Tagt. In die Redaktion des„ Paris midi".
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Abfassen einer pikanten Glosse für den lokalen Monsieur Salmon war gerade mit dem Teil seines Blattes beschäftigt sich vor, meine Damen, der Modediktator der ..stellen Sie Welt, Monsieur Poiret schlägt als dernier cri" vor: oben nichts, unten nichts, vorne nichts, hinten nichts, und dazwischen etwas Taft, leicht gerafft" als ihm der Redaktionssekretär mel dete, die schöne Helena" wünsche Monsieur Salmon zu sprechen. Augenblick, dachte Salmon und rieb sich die Stirn; Paris , trojanischer Krieg, verflucht, wie war doch das noch, schon lange her, als ich in die Schule ging, man wird alt", und schließlich glaubte er, eine arme Irre habe sich in die Redaktion des Paris midi" verirrt. Wo ein Verrückter ist, fommt er zu mir", stellte der Journalist Salmon verärgert, halb amüsiert fest. Und dann rief er den RedaktionsSekretär Besoin telephonisch in sein Zimmer. ,, Besoin, wie sieht sie aus? Alte Schachtel wahrscheinlich, hein?" Besoin schüttelte den Kopf. Er hatte bereits graues Haar und verfügte über eine anerzogene Würde. Man ist nicht umsonst
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