3- Erzengel Gabriels Erd-Reportage Sin« Pfingst-Nroteske von Pierre In der Kanzlei für auswärtige Angelegenheiten, Himmelsblock 6, schrillte ungeduldig die Glocke. PetruS , glattrasiert und im Smoking— er war soeben von einem kleinen feuchtfröhlichen Bummel durch das himmlische Vergnügungsviertel»Zur heiteren Hölle" zurückgekehrt— gähnte laut und verdrießlich, knurrte etwas, was sehr verdächtig nach«Götz von Berlichin- gen" klang und nahm den Hörer ab. „Hier PetruS—" sagte er mit dumpfer, etwas bierheiserer Stimme,„wer lärmt denn da so icherflüffig in den Vorpfingstfrieden hinein?!"„Ah," sagt« cr nach einer Weile besänftigter,„aber das konnte ich schließlich nicht wissen—. Wie bitte? Aber natürlich schlecht. Auch ohne den legendären Bollbart wird man schließlich nicht jünger. Im Mr« ist die Heizung schon wieder einmal kaputt I Das ist kein Maiioetter, sondern ein Sauwetter—. Mit himmlischem Verlaub zu sagen! Den Gabriel, Exzellenz? Der wird sich wieder mal sein Flammenschwert aufpolieren. Ander« Sorgen hat er ja nicht, der Fatzke. Ist ja auch schließlich langweilig, ohne Ende ein Paradies zu bewachen, das so wenig frequentiert wird. WaS sagen Sie, Exzellenz, ich bin ein Zyniker? Das kommt eben daher, daß die auf der Erd« mich in ihren langweiligen Witzblättern so oft veräppelt haben! Da nimmt man schließlich den Zungenschlag an, Exzellenz. Was haben Sie denn wieder für «in Plänchen?... So? Ich rate ab! Ich rate bringend ab!! Der alte Moses wäre jüngst bei einem solchen famosen irdischen ErkundigungS- ritt fast in«in Konzentrationslager gekommen. Der Mann ist doch— wie heißt das komische ZeugS nur—„Nichtarier"! Und der Gabriel ist wohl auch nicht ganz koscher—*—. Ha, ha ha.... Wenn Sie wenigstens warten würden, bis uns der Goebbels hier oben beehrt. Der sicht doch immerhin noch repräsentativ auS—1 Wie meinen—? Dem Gabriel sieht man es gar nicht so an, daß... Na, die haben ja einen Riecher dafür. Andere Sorgen haben sie ja nicht, Exzellenz. Und selbst wenn Ihr Herr Sohn" Da brach der liebe Gott das Gespräch ab. Und PetruS strich sich ein wenig verwirrt über jene Stellen, wo früher der legendäre Vollbart geprangt hatte.... G Die Aepsts des guten Petrus drang nicht durch. Exzellenz schickte«neu Eilboten in den Borgarten des Paradieses, wo Gabriel, um sich die endlose Zeit zu vertreiben, abwechselnd mit Murmeln spielt« und sich das Flammenschwert polierte. Er war, in Anbetracht der Verhältnisse, schon recht kindlich geworden und hatte außer Murmelspiel und Schwertpolieren nur noch ein Jutereffe: daS Läsen von Kreuzworträtseln. AIS ihn der Eilbote erreichte, rief e» freudig:„Endlich einmal ein« Abwechslung. Mir ist das Paradies schon zur wahren Hölle geworden!" Riefs, legte sein Flammenschwert auf Eis, schüttelte der bewußten biblischen Schlange di« Hand, aß die andere Hälfte deS Apfels der seligen Eva, um die Geschichte endlich zu einem happy end zu führen, und pafte seinen, Koffer. Um Gabriels Mission flüchtig zu umreißen: Gr sollte einmal gründlich und objektiv recherchieren, wie weit die AuSgießung des Heiligen Geistes auf der Erde gediehen war... Zuerst ging er, der Reiseroute gemäß, di« ihm der malitiös lächelnd« Petrus aufgestellt hatte, nach Berlin . Als er mit dem himmelischen Fern-D-Zug auf dem„Stettiner Bahnhof" eingetroffen war und. aus der Bahnhofshalle auf den Stettiner Platz trat, wollte er sich bei einem jüngeren Individuum, dessen Brust zahlreiche rätselhafte Embleme zierten, die dem nichts, ahnenden Gabriel wie ausgerutschte und ver» bogene Kreuze erschienen, nach der„Reichs, kanzlei" erkundigten. Petrus hatte ihm geraten, einen gewissen Adonis Zwitschler. oder so ähn. lich zu besuchen. Der Mann nenne sich Reichskonkursverwalter und habe stets die nachweisbar besten Informationen auf Lager. „Grüß Gott!" sagt« Gabriel freundlich und zog höflich seinen Zylinderhut,„könnten Sie mir nicht...." „Gar nichts kann ich dir——* sage« das dekorierte Individuum,„du Saujud'l Heil Hitler heißt es bei uns, verstanden!" „Aber erlauben Sie mal," protestierte Gabriel verwirrt,„ich bin doch k«in Arzt. Mein Name ist Gabriel. Sie wissen doch, Gabriel! Und ich wollte mich nur nach der Ausgießung des Heiligen Geistes erkundigen..." „Da müssen Sie den Rundfunk anstellen und unseren Göring hören" sagte das Individuum grinsend und schlug Gabriel in kameradschaftlicher Weise einen Backenzahn auS. Gabriel ließ sich indessen nicht entmutigen, ging in ein Restaurant mst> bestellt«, da er ein heftiges himmlisches Rühren im Magen ver- spürte,«in autarke? Schweinsschnitzel. Mit „Sauce a la Judenblut" stand auf der Speisekarte. Der Kellner, der die Bestellung ohne Anstand entgegengenommen hatte, kam nach einiger Zeit wieder und sagte, wobei er Gabriel mit giftigen Blicken maß: „Wie kommen Sie dazu. Sie frecher Jude, Schweinsschnitzel zu bestellen—? Das ist ein heimtückischer Angriff auf Staat und Negierung, für d«n Sie eigentlich vor ein Sondergericht gehörten. Esten Sie rituell und, wie'S" Ihnen zukommt, Scholetl" Worauf er ihm den Stuhl unter dem Sihteil wegzog, zuerst den Koffer und dann Gabriel selbst auf die Straße warf. „Ich verstehe von all dem keinen Deut.." dachte Gabriel, als er, ungesättigt und auch sonst ein wenig lädiert, auf der Straße stand, „der Petrus hat mir anscheinend eine falsche Tour aufgeschrieben. Oder sollt« das der heilige Geist von heute sein?! Jedenfalls muß ich auf jeden Fall den Konkursverwalter sprechen. Um es kurz zu machen. Der Konkursverwalter'selbst war nicht zu erreichen. Er war so heiser, daß er keinerlei Besuch empfangen konnte. Auch schien er vollauf damit beschäftigt, seine Tantiemen für das obligatorische Bolks-Lesebuch„Mein Kampf " einzustreichen, das ungel-.sen, bei Lebensgefahr in keinem deutschen Haushalt fehlen durfte. Aber ein gewisser Goebbels erNpfing ihn. Reichsschwindelminister von Beruf, wie er sich selbst lächelnd vorstellte. Gabriel sah chn und bekam einen Schreck. „Drei Stunden wird er mir jüdische Witze erzählen," dachte er besorgt, und ich kenn' sie doch schon alle. In- und auswendig! Wo wir doch soviel alttestamentarische Frequenz haben..." Aber der gewiffe Goebbels erzählte keine Witze und sagte nur„Heil Hitler", wobei er die Hand hob, als ob er Gabriel schlagen wollte. „Werden Sie nicht gewalttätig—" meint« Gabriel und trat einen Schritt zurück,„ich wollte mich nur nach der Ausgießung des Heiligen Geistes erkundigen" „So, so," rief Goebbels und grinste heftig, „alles im Tot! Wird ausgegosten nach allen Regeln der Konzentrationslagerkunst..» Unsere Aufrüstung ist eine sprechende Demonstration für die festen Wurzeln, die der Heilig« Geist bei uns geschlagen hat! Wenn Sie Her mann Göring sprechen hören, werden Si« mich verstehen. Bei uns ist der Heilige Geist zu Hause. Garantiert! Im Columbiahaus wie in Dachau . Und besonders heimisch ist er in Nürnberg . Bei meinem Freunde Streicher—. Manchmal wird er versehentlich„auf der Flucht er sch osten. Aber das macht nichts—. Das sind kleine Schönheitsfehler!" DaS war der Anfang... Gabriel folgte der ihm von Petrus au;o gezeichneten Reiseroute. Exakt und pedantisch, ohne etwas auszulassen'— I Er war in Abestinien, wo er die Ausgießung des Heiligen Geistes an der Quell« studieren konnte, er erlebte sie am Gran Chaco , er studierte ihn, als Frommer unter From» men, an den Mauern der-Wiener Gemeindebauten. an denen noch gewiffe Erinnerungen an die Tage des Februar 1934 wahrzunehmen waren.... Er besprach ihn ausführlich mit Fachleuten— auf einem Bankett der Rüstungsindustriellen in Tokio —. Kurz nach Pfingsten kehrte er in den Himmel zurück. Reich an Erfahrungen und mit einem langjährigen Vertrag in der Tasche. Betreffend Lieferungen«ineS neuartigen Tys. von Maschinengewehren. Gold Bon Arnold Weiß-Rüthel Der Maler Lionardo da Vinci saß in sei» nem Arbeitszimmer und schrieb. Einer seiner Schüler, der schwarzborstige Giulio kam herein und sagte„Messer, der fromme Bruder Alfonso möchte dich besuchen... I" „Laß ihn herein!" entgegnete Lionardo , ohne den krächzenden Lauf der Feder über das Papier zu unterbrechen; als Alfonso emtrat, schrieb der Meister gerade seinen Satz zu Ende, machte einen Punkt und legte die Feder aus den Tisch. „Ihr werdet Euch wundern, mich hier zu sehen, Messer", flüsterte Alfonso, der vor Jahren einmal ein schlimmes Halsleiden gehabt hatte und seit dieser Zeit nicht mehr laut sprechen konnte. „Gar nicht!" sagte der Maler, denn er wunderte sich über nichts mehr.„Nehmt Platz!" Alfonso nahtll Platz. Als er saß, lächelte er den Meister freundlich an und ftagte teilnehmend:„Wie geht eS Euch immer? Man hört jetzt wenig von Euch; so sehr habt Ihr Euch in die Werkstatt verkrochen. Immer fleißig, immer schaffend, immer wachsam. Seid Ihr für Neuigkeiten zu haben, Mei«
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15 (8.6.1935) 23
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