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1935
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WisUKWWWUUllllll Seele Von Grete Livius
Erzbischof Hailsham sah am Ufer der Themse , kurz hinter Maidenhead , und angelte. Erzbischof Hailsham, Oberhaupt der englischen presbyterianischen Kirche, war ein leidenschast» kicher Angler. Er hatte sogar ein Buch versaht, d S hieß:„Angeln im Mondschein".— Die Sonne brannte, ungemildert von der Kühle deS FlusseS. Hailsham wischte sich den Schweih von der Stirn. Sein Nachbar, nur ein Stück von ihm entfernt fitzend, lachte.„Wir haben heute kein Glück, Hochwürden. Gut, dah wir beide nicht allein vom Erwerb des Fischfanges leben." Hailsham runzelte die Stirn. Er liebte kein« Witzeleien über seinen geistlichen Beruf. Wo nur die Barsche und Hecht« heute blieben? Grämlich sagte er:„Gott hat bisher geholfen, «r wird auch weiter helfen." Der Nachbar lacht, noch dröhnender. Es war ein wohlgenährter Mann mit Glatze und rötlichen Wangen.„Sie haben gut Hallelujah fingen, Hochwürden. Mein Geschäft hängt von den Menschen ab und nicht von Gott . Kommt nicht bald irgendwo ein Krieg, dann wird eS mit unseren Aktien bald so gehen wie hier mit den Hechten. Keiner beiht mehr an." Erzbischof; Hailsham änderte seine Miene nicht, sondern beobachtete aufmerksam daS Ende der Angelschnur. Bewegte sich nicht dort etwas?„Lord Barnett, Sie machen schlechte Witze. Im übrigen, ist daS Ihr Ernst?" Lord Barnett lieh die Angelschnur los— war ja doch schon egal— und verschränkte die rundlichen Hände über den Knien. Er sah recht unenglisch auS.„Natürlich ist das mein Ernst. Rüsten, rüsten, rüsten, bis in alle Ewigkeit, das hat keinen Zweck. Die Bomben müssen mal platzen, die Kanonen müssen mal loSgehen. Beten Sie tüchtig, Hochwürden, damit Gott Einsehen hat. England braucht ja nicht gerade den Anfang zu machen. Eine kleine Verwicklung auf dem Balkan oder in irgendwelchen exotischen Ländern, die noch für die Zivilisation gewonnen werden müffen, genügt voll und ganz."— ,^Lord Barnett, ich will diese frivolen Worte nicht gehört haben. Auherdem, Ihre Angelspitze taucht inS Wasser." Barnett zog lässig an der Schnur. Die Themse floh blaugrün, in kleinen glucksenden Wellen, überstreut mit den Goldfunken der Sonne. Erzbischof Hailsham seufzte.„Fes, Yes, eS ist wahrlich ein seltsam Ding mit der menschlichen Seele. Als Erzbischof habe ich die Pflicht, Gott um ewigen Frieden zu bitten. Aber..."—„... als Besitzer von Vickers Armstrong und Iynperial Chemical Aktien muh ich anderer Ansicht sein", ergänzte Lord Barnett hohnvoll deS Geistlichen abgebrochenen Satz. Hailsham warf dem Angelnachbar einen schrägen kühlen Blick zu.„Sie wiffen, Lord Barnett, dah S i e mir diese Aktien sozusagen, «in wenig,— aufgedrängt hckben."—„Natürlich, natürlich", versicherte der unenglischrundliche Mann.„Bei wem kann die Rüstungsindustrie ihre Aktien in brfferen Händen wis
sen als bei einem Mann Gottes?"— Erzbischof Hailsham erklärte mit dumpfen, feierlichen Pathos:„Seine Ratschlüffe sind uner- forschlichl"„Ich bin ganz Ihrer Meinung", versicherte Lord Barnett mit der Höflichkeit deS geborenen Gentleman. Sie angelten weiter. Vielmehr taten sie so, all ob. In Wirklichkeit hing jeder von ihnen seinen Gedanken nach. Er hat eS gut, dachte Lord Barnett. Er lebt ruhevoll in seiner Villa in Westend, hat eine gar nicht so unüble Frau. ! nette Kinder, und daS bißchen Predigen, du lieber Himmel, was ist das schon. DaS schüttelt man doch aus dem Aermel. Käme ich noch einmal auf die Welt, so wünschte ich mir, Erzbischof Hailsham zu sein. Unsereiner dagegen: ewig diese Aufsichtsratssitzungen. Immer der Streit mit den Aktionären um die Dividend«. Dann diese gottverfluchte Linke im Parlament. Da halten sie einem alles Mögliche vor. Wenn sie mild« sind, nennen sie uns zumindest Betrüger.(Richt mit Unrecht.) Denn all die Diners und Soupers. Rur wegen des Geschäfts Hailsham kann immer den lieben Gott vorschützen, wenn er seine Ruhe haben will. Dabei verdient er mindestens soviel wie ich. Hailsham: da fitzt er. Fett und sicher. Wie angenehm ist für ihn daS Dasein. Ohn« Heuchelei kann er sich«Den irdischen Genüssen hin- geben. Gewiß, seine Frau ist häßlicher als die meine. Dafür betrügt er sie auch nach Herzenslust. Vicker» Armstrong kontrolliert di« Rüstungsindustrie der ganzen Welt. Welche: Gelegenheiten für ein AufsichtSratsmitglied, auswärtige Sitzungen und Konferenzen vor- znschützen, wenn man bummeln will. Heut amüsiert er sich in Paris und eine Woche später in New Nork. In London hält er soviel' Revue-GirlS aus, wie er eben noch vertragen kann. Und dazwischen verdient er. Verdient, verdient. Was sind meine paar armseligen Aktien dagegen. Und immerzu muh ich zittern, dah di«— Verzeihung, Herr, aber ich kann nicht anders— gottverfluchte Linke mir dahinter kommt und höhnisch die Diskrepanz zwischen meinem Beruf und meinem privaten Leben, zwischen Schein und Sein, anprangert. Da hat erst neulich so ein Roter, der eS irgendwie aus den Archiven der Bolschewiken herauSgeschnüffelt hat, in aller Oeffentlichkeit erklärt:„In den Verwaltungsräten der Vickers Armstrong und ihren sämtlichen angegliederten Konzernen sitzen 4 Herzöge und MarguiS, 60 Grafen und Barone, 20 KnightS, 5 Parlamentarier, 21 Offiziere, 6 Journalisten und ein bemerkenswert hoher Pro- zentfatz von Geistlichen. Die allermeisten Aktien hat sogar der Ehrenvor
sitzende der Freien Kirchenrats im Osgoldcroß- Distrikt in Aorkshire. Nebenbei Abgeordneter der Tories, tritt er in jeder Debatte deS Parlaments dafür ein, daß die Regierung mehr Geld für Waffen und Schiffe bewilligen soll« Um die äffenliche Meinung Englands zu beruhigen, hat sich ein„Königlicher AuSschuh zu« Untersuchung über die englische Rüstungsindustrie" gebildet. Peng! Was steht heute bereits schon fest? Der Vorsitzende dieser Untersuchungskommission, Sir John Eldon-BankeS besitzt nicht mehr und nicht weniger als Ivvll Vorzugs- und 76S einfache Aktien von Imperial Chemical. Und da soll man den Leuten vom Himmelreich erzählen? Wenn man sich selbst in solcher irdischen Patsche befindet? Ja, der Barnett, der Barnett l Bei dem bedarfS keiner Heimlichtuerei. Der erklärt in alle« Oeffentlichkeit: ich bm's, ich hab'S, und ihr könnt mich alle. Wer doch dar auch sage« dürste.— Wieder seufzte Erzbischof Hailsham tief. Lord Barnett warf ärgerlich die Angelrute hin.„Hol mich der Teufel, Pardon Hoch« würden. Aber ich hab' genug. Die verdammte« Biester. Kommksi Sie, gehen wir Mittag esse« und ein Rickerchen machen. Abends können wir unser Glück nochmals versuchen. Wenn di« Sonne fort. Oder müssen Sie nach London ?" Hailsham schüttelte den Kopf.„Rein, meins Frau und meine Kinder sind auf dem Land«. ES genügt, wenn ich morgen in die Stadt fahre. UebrigenS kann ich mich auch nach de« Angeln für meine Sonntag-Predigt vorbereite». Die Wirkung der Natur auf den Geist ist eins recht erhebende."—„Famos, Hochwürden. Sie sind nie ein Spielverderber. Und wie schön St« alles immer ausdrücken können."— Lord Barnett klopfte dem Erzbischof mit kleinem ironisch^.! Lächeln auf die Schulter.„Warum hat Gott mir nicht gegeben, zu reden so wie Sie? ES wäre dann viel leichter Geschäfte zu machen. Ihre Art wirft bedingslos vertrauenerweckend." Hailsham bemühte sich schwach, entrüstet zu tun. Doch blieb eS bei dem Versuch« Schließlich, vor Barnett war eS ja auch nicht mehr nötig. Immerhin— der Erzbischof Hailsham hätte gern jedem, aber auch jedem als Stellvertreter Gottes auf Erden Respekt eingeflößt. Daß eS ihm in diesem einen Fall nicht gelang, war der schmerzlich-verwundbare Punkt seiner Seele. Die Cottage-Villa des Lord Barnett lag nur wenige Schritte vom Themse -Ufer entfernt. Der Weg dorthin führte durch eine von Lindenbäumen beschattete Allee. Am Tor schlugen die Hunde an, als sie ihren Herrn kommen härten. Barnett und Hailsham gingen jeder auf ihr Zimmer, um sich vor dem Essen zu waschen und umzufteiden. Hailsham war hier zu Hause. Er haßte Barnett mitunter, dennoch war dieser sei« einziger Freund. Es war eine teuf«