3—Jische Freundschaft. Sie glich dem BündnisFausts mit Mephisto.Ein Diener meldete, daß gedeckt sei.gleichzeitig hörte man den hellsilbernen Gong«schlag durch den Garten tönen. Hailsham goßAch nochmals mit eau»de-Cologne getränktesWasser über die Hände, Dann ging er in denSpeisesaal hinunter. Die Herren dinierten allein. Lady Barnett war in London, beschäftigtMit Vorbereitungen zu ihrer Reise an die See.Drotzdem ließ sich es Hailsham nicht nehmen,das Tischgebet zu sprechen. In jenem gediegenen salbungsvollen Ton, um den der Lord seinen geistlichen Angelfreund so sehr beneidete.»Unser« nächste Uussichtsratssitzung werden Siedurch ein Gebet einleiten, Yes, Hochwürden?"Natürlich hatte es Barnett nicht ernst gemeint.Der Erzbischof hingegen fand die Idee begeifernd..„Es wird.einen vorzüglichen EindruckMachen."—„Ich fürchte.—. das Gegenteil.Gin neuer Grund für die Roten, um uns an--ugreifen".-7.„Sie irren, Mylord. Der kleinePlann glaubt noch an die große Kirche. Wenner das in den„Times" liest—„ErzbischofHailsham segnet BickerS Armstrong"— soNimmt er seine ganzen Ersparnisse und legt siezumindest in einer Rüstungsindustrie an.Wer aber an uns verdienen will, darf uns nichtpiehr bekämpfen. So werden wir eins, mit demBolle".—„Am Ende hat der schlaue FuchsNicht unrecht", überlegte Lord Barnett.„Bontac Geistlichkeit kann man doch noch immer et-kvas zulernen. Und ich habe mich stets für einenAlten geschickten Gauner gehalten."Sie waren beide Stockengländer und verdichteten daher trotz der Hitze nicht auf ihrenBraten, aus dessen noch rosigem Fleisch derHaft troff. Er war mit zarten Gemüsen undfarbenfrohen Salaten umkränzt, und— um«ine Mäßigkeit in allen leiblichen Dingen zukennzeichnen— lieh sich Hailsham den goldenen Mosel mit Mineralwasser aus Vichy milchen.„Auf Ihr Wohl, Hochwürden."—„AufHaß Ihre, Lord Barnett". Zum Nachtisch aßenft- riesige rote Erdbeeren in Cröme VFsigny.Dann zündeten sie sich Zigarren an. SchwarzeBrasil. Tranken zwischendurch, kleine Schluck«Nehmend, starkgesüßten Mocca.Lord Barnett sah mit elegisch-verträum-1cm Ausdruck— er war so angenehm gesät-tigt— aus dem Fenster, in die endlose grüneLandschaft seines Gartens.„Schöne Karrierehaben Sie hinter sich, Hochwürden. Wenn manso bedenkt. Sie sind der beste Beweis dafür, daßmich in unserem englischen Vaterlande jederden Marschallstab im Tornister trägt. Schlechter Vergleich übrigens. Sie kämpfen ja dochfür den Frieden, nicht wahr? Sollten es we-ftigstens..." Erzbischof Hailsham streckte sich.Der Teufel fing schon wieder an. Der Teufelwar satt. Nun wollt« er spielen.„Man kannGott im Krieg und im Frieden dienen." Erließ das Pathos fort.„In der Tat, ich habeHott eine hübsche Karriere zu verdanken."—»Gott?"—:„Gewiß. Menschen sind nur seineWerkzeuge."—„Wie leicht sich doch die Kirchealles macht. Ich glaube fast, ich, ein schlichterIndustrieller der Waffenfabrikation, ringemanchmal schwerer mit den Problemen."—,>Sie spotten schon wieder". Der Erzbischofbrachte cs in diesem Augenblick nicht übersHerz, seinem Freund ernstlich zu zürnen. Nachsolchem Diner! Hailsham lehnte sich in denKlubsessel zurück. Sie waren inzwischen gemächlich vom Speisesaal in das RauchzimmerLord Barnetts hinüber spaziert.„Ich fing an als kleiner Vikar in Manchester. Damals waren dse Arbeiter mein»Freunde. Ich besaß eben immer sehr vielIdealismus"— geflissentlich blickt, Hailshaman seinem Freund vorbei—„und ich wollteden Armen helfen. Ich flehte sie bei meinenPredigten in der Kirche an, von ihren gottlosensozialistischen Ideen zu lasten und an dirmenschliche Güt« zu glauben. Eigentlich hat daSWort.„Volksgemeinschaft" gar nicht Herr Hitler erfunden, sondern ich. Zumindest so ähnlichsagte ich es schon damals. Ich erklärte:„MeineSchäflein, die Menschen werden zur Einsichtkommen, sie werden euch von ihrem Ucberflußgeben. Ihr müßt nur Geduld üben. Der Herrwill es so. Sein Lohn wird euch im Jenseitszuteil." Lord Barneft blinzelte fröhlich:„Siehingegen- empfingen ihn- bereits auf dieserErde."-7-„Das.war eben Gottes Wille. Gottes Wille ließ es geschehen, daß die Konservativen Englands dem jungen armen Geistlichen in Manchester Beachtung schenkten, dermitten im aufrührerischen Industriegebiet denGeist des Herrn verkündete und gegen die Gotr-losigkejt der Sozialisten kühn und energischauftrat. Eines Tages hieß es, ich sei ihr Mann.Und man versetzte mich nach London, nach West«end. Jahre darauf wurde ich Erzbischof derpresbyterianischen Kirche"—„Und einer derHauptaktionäre von Vickers Armstrong."—„Das ist eine Sach« für sich",—„Natürlich",beeilte sich Lord Barnett zu versichern. Erwußte, was sich einem Gast gegenüber gehört.„Denken Sie noch manchmal", meinteBarnett, jetzt wieder lächelnd, während er sichdi, ausgegangene Brasil von neuem ünzün-dete,„an Ihre ehemaligen Freunde, die Arbeiter von Manchester?"—„Wie könnte es anders sein", entgegnete Erzbischof Haflsham geradezu feurig,„ich bete unentwegt für ihr Seelenheil." ,—„Trotzdem geht es ihnen, unteruns, noch ziemlich schlecht. Was sagen Sie dazu?"—„Sie müssen eben Geduld üben."—„Und auf die imaginäre Volksgemeinschaftwarten?"—„Ich wüßte keinen.anderen Ausweg."— Barnett sprach langsam, spöttisch.„Ich schon. Wenn ich statt englischer Lord undAufsichtsratsmitglied von Vickers ArmstrongArbeiter in Manchester wäre, und die Prophezeiungen des Geistlichen Hailsham hätten sichnoch immer nicht erfüllt, ich wüßte schon, wasich täte."—„Und was?" Lord Barnett lachtekurz auf.„Es soll schon manchmal aus einemPfaffen ein Revolutionär geloorden sein. Wiegeschichtliche Beispiele lehren, Zwar ist das beiIhnen nicht zu befürchten. Trotzdem werde ichmich hüten, Ihnen meine ketzerischen Theorienzu verraten. Bleiben Sie nur hübsch in Wcst-cnd, arbeiten Sie für die Tories und verdienen Sie qn dem kommenden Krieg. In solcher Form sind mir die Diener Gottes alleinsympathisch. Auf diese Weise leisten sie unsauch die wertvollsten Dienste. OHne die Kirche— was wären wir da. Wir brauchen dieKirche wie's Salz."—„Ich dürfte Ihre Reden nicht dulden", wandte Erzbischof Hailshamein.„Aber, Hochwürden", der Lord klopfte demGeistlichen freundlich auf die Schulter,„eshört uns ja niemand zu. Nach außen hin, damachen wir die Sache ganz anders. Biel geschickter. Wären wir plump, man hätte unSschon längst, uns allen beiden, das Handwerkgelegt. Aber so..." Barnett gähnte leicht.„Verzeihen Sie, aber ich bin ehrlich gesagt, einbißchen müde. Verfl... Pardon, scheußlich heißheute. Mach einen Vorschlag: legen wir unsschlafen. Den Nachmittagskaffee laß ich Ihnenhinaufschicken. Nach Sonnenuntergang treffenwir uns am Angelplatz. John kann uns daSAbendbrot dorthin bringen. Eisgekühlte Bowle,ein paar Krebse, bißchen Spargel, kaltes Geflügel und Früchte, einverstanden^ ErzbischofHailsham nickte. In diesem Punkt verstand ersich mit seinem Freunde immer. Denn LordBarnett war nicht nur ein König im Reich derRüstungsindustrie. Er war auch der König derGourmets.John hatte di« Reste der Abendmahlzeitzusammengepackt. Nun ging er fort, den stroh-geflochtenen Korb in der rechten Hand, denKöpf leicht zur Seite geneigt. Seine Silhouette hob sich scharf vom Hintergrund des Flusses ab, über dem soeben der Mond aufgegangen war. Ein sanfter runder, meerkühlerMond, mit mattem bläulichen Silberlicht.„Jetztwerden die Hecht« beißen", flüsterte Lord Barnett seinem Freund z«.„Jetzt sind sie liebestoll und daher unzurechnungsfähig. Jetzt gehensie uns auf den Leim, haste was kannste."Schon zuckte es an seiner Angel. Es war keinHecht, der angrbiffen hatte, sondern ein Barsch.Ein großer Fisch.„Bei Gott", jubelte der Lordverhalten,„einer der kräftigsten Burschen, dieich j« gefangen. Was sagen Sie dazu, lieberHailsham?" Barnett fühlte sich so aufgekratzt,daß er daS offizielle.„Hochwürden^ beiseiteließ. Der Erzbischof gratulierte dem Lord mitgepreßter Stimm«,.aus der man mühelos leisen Neid hörte. Hier war es mit HailshamSchristlicher Nächstenliebe ganz und gar zu Ende,Bei den Barschen und Hechten— da gab tßkein Pardon. Endlich zuckte eS auch an seinemKöder. Ein Hecht. Nicht zu vergleichen mit demBarsch. Doch immerhin recht stattlich: Konntesich ebenfalls sehen lassen. Die Stimmung deSErzbischofs besserte sich. Schweigend saßen sieso. Fast drei Stunden. Es war Mitternacht,als sie die Angelschnüre endgültig«inzogen.Leiser Wind glitt über die silbernglitzernd«Themse. Lord Barnett geniert« sich nicht.Streifte die Kleider herunter, stieg in das lau«Master. Kam nach erfrischendem Bad zurück,warf sich so, wie ihn Gott geschaffen— undweshalb sollte ihn da sein Stellvertreter indieser Gestalt nicht sehen?— auf eine Decke,die John vorsorglich mitgebracht hatte, insGras..„Schön, die Nacht, was?"— Hailshamnickte. Immerhin konnte er ein Gähnen nurschwer unterdrücken.„Müde?"—„Etwas. Ichkann Hitze schlecht vertragen. Morgen habe icheinen arbeitsreichen Tag vor mir."—„Was?"—„Verschiedenes. Unter anderem auch Sonntags-Predigt."—„Wissen Sie schon daSThema?"—„Noch nicht. Ich laste mich inspirieren. Vom Augenblick. Aber irgendetwasschwebt mir jetzt schon vor. Bon der Seele,Lord Barnett. Von der unsterblichen Seele."„Das ist gut. DaS ist immer gut. Man muhdie Leute von den Bedürfnissen des Leibes ablenken. Seele, das ist so einer jener schönen,unverbindlichen Begriffe. Und Sie, Hailsham,wie halten Sie es mit der Seele?"— DerGeistliche versuchte, auch in Gegenwart einesNackten seine Würde zu bewahren.„Ich glaub«an ihre Unsterblichkeit!" Barnett kicherte leise.Der Nachtwind nahm das Geräusch auf, truges weiter.„Aber der Leib, Hailsham, nichtwahr, darf bei Ihnen auch nicht zu kurz kommen. Wozu sonst die Rüstungsaktien, das Hausin Westend, die Freude an Wein und gutemEsten, am Angeln und an sonstigen irdischenGenüssen?" Der Erzbischof betrachtete das Spielder kleinen funkelnden Wellen.„Für beides,Lord Barnett"— er hatte jetzt wieder di«Walze des Salbungsvollen aufgezogen,„muhman sorgen. Für Leib und Seele".— DerLord kicherte noch boshafter als vorher.„Wenigstens was die eigene Person betrifft,nicht wahr?" Erzbischof Hailsham hielt es fürgeraten, auf diese Frag« keine Antwort zugeben.