<-

A

wolle. Ich will Erfolg haben, um jeden Preis."

Doch wenn er oben" dachte und Erfolg, Kleine Bilder aus Abessinien

"

so

meinte er nichts als dies: nämlich Ge I d. Mit Geld allein waren jene Genüsse zu erkaufen, die er früher gar nicht als solche empfunden hatte, sondern selbstverständlich. Kultiviertes Wohnen, erlesenes Essen, ein Leben in Sorg­Tosigkeit, gepflegter Eleganz. Junge Mädchen, die immer aussahen, als seien sie gerade einem parfümierten Bad entstiegen, duftend, gelockt, mit zartbemalten Wangen . Gesellschaf= ten, erleuchtete Hotelhallen, Drinks, raffiniert gemixt von Barkeepern mit geladten Nägeln. Tanzen zu einer süßen und lässigen Melodie. Nie denken müssen an das Morgen. Aufwachen unter seidener Daunendecke. Herr Holt, der Masseur ist da. Darf er hereinkommen?" Um dies wieder hören, fühlen und haben zu fön­nen, wollte Stefan, der junge Mann, den Kampf mit dem Leben aufnehmen. Auf irgend eine Weise mußte es gelingen...

Vorläufig gelang es jedoch keineswegs. Zuerst versuchte Stefan Holt sein Glück als Eintänzer. Noch war der Frack tadellos, dem Tetzten Modeschrei gemäß geschnitten. Noch entsprachen Wäsche, Schuhe und Krawatten den Anforderungen jener eleganten Müßiggänger, die sich ,, obere Zehntausend" nennen. Stefan dachte ungefähr so: sicher begegnete er in seiner neuen Rolle irgendeinem reichen Mäd­chen, die früher so heftig mit ihm geflirtet hatten. Er wollte sie dazu bringen, sich in ihn zu verlieben und ihn zu heiraten. Die Eltern würden Holt sicher höchst ungern, aber schließ= lich doch als Schwiegersohn aufnehmen. Dann war alle Not ein Ende. Stefan Holt hatte sich jedoch gründlich geirrt. Der Eintänzer war nicht mehr der Sohn des Fabrikanten. Die jungen Mädchen grüßten ihn fern und fühl, manche taten, als hätten sie ihn nie gesehen. Stefan, nachdem er die Hotels der großen Städte und Kurorte in den verschiedensten Ländern abgegrast hatte, fehrte enttäuscht nach Prag zurück. Die Einnahmen waren gering getvesen. Was blieb, reichte nicht zur Erneue­rung der inzwischen stark reduzierten Garde­robe. Mit dem Eintänzerberuf hatte es also ein Ende.

Von Josef Wechsberg.

Eine einzige Bahn fährt von Djibouti , die Verwandten für ihn bezahlen. Dieser wahr­dem heißesten Ort der Erde " auf das fühle haft salomonische Spruch befriedigt beide Par abessinische Hochplateau, das Paradies der Gold- teien: der Gläubiger erspart sich langwierige sucher, Kaffeeplantageure und Tigerjäger. Mit Rechts- und Erekutions formalitäten( von denen dieser Bahn hat es seine Bewandtnis. Es gibt unsere Gläubiger etwas erzählen können!) und wohl einen Fahrplan, aber er wird nicht einge- der Schuldner ist in seiner persönlichen Ehre halten. Man hat beispielsweise erfahren, daß der nicht verletzt. Denn wenn man die Abessinier nächste Zug Dienstag früh abgehen soll. Wenn zu zweit" aneinandergefesselt in den Straßen man zur gegebenen Zeit auf den Bahnhof kommt, trifft, weiß man natürlich fast nie, welcher von erfährt man zur unangenehmen Ueberraschung, beiden der Verurteilte ist. Und man fragt sich daß der Bug schon weg ist. Wahrscheinlich hat nachdenklich, ob es unter ähnlichen Umständen ein Erporteur das Zugspersonal bestochen. Oder heute in Europa noch Menschen gäbe, die frei der Lokomotivführer hat es so eilig gehabt, in herumlaufen dürften... seinen Heimatsort, der irgendwo auf der Strecke liegt zu kommen. Es kann aber auch etwas ande­res geschehen, daß man plötzlich mitten in der Nacht in Djibouti aus dem Bett gejagt wird. Was ist geschehen? Schnell, Herr, die Eisen­bahn nach Addis- Abeba geht ab." ,, Ja, aber sie sollte doch erst in zwei Tagen fahren?" Man hat es sich überlegt. Das erstemal wundert man sich darüber", sagte mir ein Franzose in Dii bouti ,,, aber bei 45 Grad im Schatten vergißt

man das Wundern."

"

"

Was an der Tatsache nichts ändert, daß diese Eisenbahn einen ungeheuren strategischen Wert hat, auf den in allen abessinischen Staats­berträgen angespielt wird.

In Addis- Abeba stehen an manchen Stra Benecken erregte Menschengruppen und blicken gespannt auf einen Mann in ihrer Mitte, der eindrucksvoll auf sie einspricht und dabei gesti­fuliert wie ein Filmheld. Politische Demonstra­tionen als Ausdruck der unruhigen Zeiten? Nein, nur ein permanentes Schnellgericht. Der Wort­führer und Filmheld ist Richter, erste, zweite und letzte Instanz für alle Streitfälle. Wenn nun ein Abessinier seine Schulden nicht bezahlt

--

-

Den Abessiniern ist auch sonst bei der Lösung wichtiger Probleme eine gewisse Origi nalität nicht abzusprechen. Bei den Gallas einem triegerisch veranlagten Stamm, der bes sonders unter der Uebervölkerung zu leiden hat

darf nur ein Kind haben, wenn er, gewisser­gab es noch vor Jahren ein Gesetz: ein Galla maßen als Aequivalent zuvor einen feindlichen Stammesangehörigen umgebracht h..t. Europäer , die lange Zeit in Abessinien gereist sind, konn

ten sich von dem Bestehen dieser barbarischen Sitte überzeugen. Als besonderes Glück wurde empfunden, wenn ein naher Verwandter starb. Dann ersparte man sich den zur Geburtenbe­willigung nötigen Totschlag.

Die abessinischen Kaiser leiten den Urs sprung ihrer Dynastie von der Königin Saba und dem König Salomon ab. Die Legende er­zählt, daß sie sich nicht auf irgendeine Weise der heiligen Gefeßestafeln bemächtigt hätten.

-

Als der berühmte französische Schriftsteller Hugues Le Roux einst der Gast des Kaisers Menelik war jenes Kaisers, der die Italiener 1896 bei Adua schlug fragte er ihn halb im Scherz, ob er ihm die heiligen Reliquien zeigen fönnte.

-

sogar in Addis- Abeba foll so was vorkom men, so schleppt ihn der Gläubiger einfach vor ,, Nein", erwiderte der Kaiser ernst, so­den Freiluft- Kadi. Die Verhandlung ist bald zu lange es einen Kaiser gibt, darf niemand die Ende, und das Urteil immer das gleiche: Der Tafeln sehen. Und es wird noch viele Jahrhun­Beklagte wird durch eine Handfefsel an den Kläderte einen Kaiser geben!" ger festgefettet und muß so lange für ihn Fron leisten, bis er seine Schuld abgearbeitet hat oder

Vielleicht werden schon die nächsten Wochen darüber entscheiden.

-

Der Mensch muß vor allem essen. Deshalb konnten die Leute wenige Tage später einen jungen Mann sehen, der an belebter Straßenecke mit Temperament und Feuer Lotterie- Lose aus­rief. Immer ran, meine Herrschaften, immer finnlos nach. ,, Die Juden sind daran schuld, daß, schlau. Ließ sich nur Geld daraus schlagen, ließ ran, hier weht der Wind, hier lächelt das Glück. wir nichts verdienen. Nur die Juden."- ,, Halt sich nur Erfolg damit machen dann war ihm Jedes Los ein Treffer. Niete ausgeschlossen. Du den Schnabel. Wir leben auch von ihnen", alles recht. füße blonde Kleine, tomm mal her..." meinte ein anderer. Stefan griff ihn hizig an. Junger Mann", rief einer aus der Menge ,,, du Redete Blödsinn, hastig, dumm, ohne Ueber­hast ja eine göttliche Schnauze. Warum wirst du legung. Aber redete. Der Strom der Worte nicht Politiker? Du könntest alle besoffen versiegte ihm nie. Chauffeure hatten sich um die quatschen." Stefan lächelte geschmeichelt. Dies Streitenden gesammelt. Lachten. Jemand sagte: Lob eines schlichten Mannes aus dem Volke tat ,, Der Kerl kann reden wie'n Abgeordneter." Ein ihm sichtlich wohl. anderer Klopfte ihm auf die Schulter. ,, Junge, Henlein ist ja gar nichts gegen dich." Das war die zweite Gelegenheit, bei der man Stefan Holt den Weg zur Politik wies.

Nachdem die Sache mit den Lotterie- Losen nicht mehr 30g, ging Stefan Holt als Vertreter für Staubsauger von Tür zu Tür. Seine hübsche Erscheinung blendete die Dienstmädchen, mit sei­ner Redegewandtheit wickelte er die ,, Gnädigen" ein. Doch war der materielle Gewinn recht färg­Tich. Wozu hatte man einstmals als Fabrikant Holts zukünftiger Erbe chauffieren gelernt? Jest steuerte Stefan ein Tari. Fuhr Liebespärchen durch die Nacht und müde Bummler, des Tags Fremde, eilige Geschäftsleute, Frauen zu Ren­

Auch als Fremdenführer betätigte sich unser junger Mann. Den Rest Bildung benubend, um die Sehenswürdigkeiten Prags mit schönen Wor­ten zu beschreiben. Auch hier wurde seine red­nerische Begabung staunend beachtet. Denn stun­denlang konnte Stefan sprechen, unaufhörlich, trotzdem seine Gedanken ganz wo anders waren. Gleichsam automatisch flossen Worte nichts als

Kurze Zeit darauf trat der junge Mann auf einen Kneipgefährten zu, sagte stolz: ,, Ich habe genug vom Fremdenführer. Jetzt werde ich Politiker." Der lachte. Wie willst du das an­fangen?" ,, Der Anfang ist schon gemacht. Da sich, dieses Inserat habe ich aufgegeben." Der andere nahm das Zeitungsblatt, las:

-

" Junger Mann, rednerisch außerordent­lich begabt, gute Erscheinung, gewandtes Auf­treten, wünscht die politische Laufbahn einzus schlagen. Wer verhilft ihm dazu? Offerten er­beten unter Chiffre Partei egal"... heißt, zur Geschäftspolitik der Reaktion. Und er So aber fam Stefan Holt zur Politik. Das wurde ein großer Mann seiner Zeit.

11

dez- vous, die auf ihrem ehebrecherischen Gang Worte über seine Lippen. Von Politik indes hatte Jeder Parteigenosse

nicht gesehen werden wollten. Schlecht gingen er keine Ahnung, interessierte sich auch nicht dennoch die Geschäfte. Wer es vermeiden kann, fährt heutzutage nicht Auto. Schimpfend stand Stefan mit seinem Tari am Halteplak. Irgend­wo hatte er es aufgeschnappt, plapperte es

dafür. Er schimpfte, weil es ihm schlecht ging, auf rechts und links und auf die Mitte. Aber er schimpfte wirksam, man hörte ihm amüsiert au. Und diese Wirksamkeit beobachtete Stefan Holt

liest das parteiblatt!