BUNTE WELT

Nr. 31

Unterhaltungsbeilage

1935

Achtung! Kriegsgefahr! Kauft Semmeln!

Meister Cibulka, mit Vornamen Ludvik, wohnte in einem Dorf in der Nähe Prags  . Er hatte eine Bäderei. Der Laden befand sich im Erdgeschoß des Einfamilien- Häuschens, das Cibulka   mit Frau und Tochter teilte. Rings­herum war ein Garten, es gab Dinge darin, beren Anblick Herz und Sinne erfreute. Große

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Von Ernst Robert

tung anbringen. Schließlich stürzte er sich in mere", noch größere Unkosten: der Maler mußte die ganze Bäderei frisch weißen. Num glänzte und duftete alles in untadeliger Frische. Appetitlich geordnet lag die Ware, durch stärkeren Hefe­aujas vergrößert, bereit, den bereit, den Besizer zu wechseln.

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,, Achtung! Achtung! Hier spricht ein Wohl täter der Menschheit.

" Das Schaufellied". Die Frau des Dorfarztes schließt entzückt die Augen. Läßt den halbfertig gestrickten Jumper in den Schoß sin fen. Denkt: ,, Als ich noch jung war. Sieht sich auf dem Tanzstunden- Kränzchen im blaß­blauen Voilekleid, Heckenröschen, am jungfräus lichen Busen und im Haar. Damals war der bunte Bauernblumen, Stiefmütterchen- Beete, Meister Cibulka sagte sich: jetzt muß es Vlasta noch Student. Hatte noch keinen Bauch Rosenstöcke, dazwischen kleine Gemüsefelber, bir gelingen, die verlorene Sundschaft wieder zu und sandte ihr Gedichte. Glühwürmchen, Obststräucher, Aepfel-, Birnen- und Pflaumen- gewinnen. Er wollte es partout nicht glauben, Glühwürmchen flimmre" doch, was ist das? bäume. Das Haus war aus rotem Backstein was ihm ein Arbeitsloser im Dorf, ehemals, Ein unangenehmes Krachen im Apparat. Stört erbaut, mit glänzendem Schieferdach. Kurzum als er noch verdiente, guter Kunde, erklärt die törichte Melodie. Uebertönt sie. Laut und das Ganze ein Jbyll, bestimmt, um Men hatte: ,, E3 liegt nicht an Ihnen, Cibulka  , wenn deutlich vernimmt die Frau Doktor eine männe schen ohne große Ansprüche an das Leben und Sie schlechte Geschäfte machen, wenn Sie ver- lich- fräftige Stimme: die weite Welt dort draußen restlos zu beglük minderten Absatz haben. Es liegt einzig und ken. Frau Martha Cibulka, Mitte der Dreißig, allein an der verringerten Kauffraft. Hätte ich blühte kräftig und stattlich, die zehnjährige wieder Arbeit, so wollte ich schon feine Kar­Mařenka lärmte ebenso laut wie fröhlich und toffeln fressen. Dann fäme meine Frau zu gesund durch Haus nebst Garten, mur Meister Ihnen und könnte wie früher backen und kochen Cibulka   war von fener mageren Ausgedört nach Herzenslust." ,, Ach was", dachte der heit, hatte jene bleiche, ungesunde Hautfarbe, Bäckermeister bei sich ,,, das ist' n Roter. Am wie sie Beschäftigung in großer Hiße mit sich 1. Mai demonstriert er stets mit. Die Noten bringt. Dennoch war Cibulka   ein flinker, fin- müssen immer hetzen. Was der sagt, glaub ich biger Mann, dessen Augen stets listig blingelten, nicht." und der außer seiner Arbeit am Backofen nur noch eine Leidenschaft tannte: das Basteln. Als Kleiner Junge hatte er sich bereits damit beschäf­tigt und der Mann konnte es noch immer nicht Tassen. Er bestätigte hierdurch die Behauptung eines Klugen, daß Männer zwischen zehn und siebzig Jahren sich wenig zu verändern pflegen.

Dennoch herrschte seit einigen Wochen ge­drückte Stimmung in der sonst so lebenslustigen Familie. Der Grund? Die Krise! Sie machte auch vor der Bäckerei des Meisters Cibulka  nicht halt. Immer weniger kauften die Bewoh ner des Dorfes Brot und Semmeln, feines weißes Mehl, um daraus Buchteln und Knödel gu baden. Sie stillten ihren Hunger soweit fie ihn überhaupt noch stillen konnten an billigeren Lebensmitteln, so z. B. an Kartof  feln. Im traditionellen Land der Buchteln und Knödel mußte Bädermeister Ludvik Cibulka fich das Gehirn zermartern, wie er sein gutes Backwert, sein unübertreffliches Mehl an den Mann, bzw. an die Frau bringen könne. Dies verursachte nicht geringes Ropfzerbrechen. Cibulka   fand die Ordnung der Welt, seiner Welt des Einfamilienhauses, des idyllischen Gartens, bedroht. Etwas mußte da nicht stim­men. Am Ende trug er, Meister Cibulka, selbst die Schuld daran? Verstand es nicht mehr, seine Waren auf angenehme Art zu präsentieren, den Leuten geschickt den Mund wässrig zu machen?

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Trotzdem behielt der Arbeitslose recht. Der frisch geweißte Laden, die neue strahlende Be­Teuchtung, die gefälligere Auslage die grö ßeren Strudel, dies alles zog nicht. Still blieb das Geschäft, und mehr und mehr ver­finsterte sich die Miene Cibulkas. Er begann, seine schlechte Laune an der Frau auszulassen. Es gab Streit und Aerger. Die zehnjährige Mařenka hörte den Zank der Eltern. Auch sie begann unter der getrübten häuslichen Atmosphäre zu leiden. Die Idylle schvand.

Doch Meister Cibulka war zäh. Stammte von Bauern ab, die das Leben daran gewöhnt hatte, gegen Widerstände, wie sie sich ihnen in Wind und Wetter und allerlei Landplagen boten, zu kämpfen. So kam es, daß der Bäcker weiter fann. Auf Abhilfe. Und wieder fuhr er nach Prag  . Kam spät am Abend zurück, bepadt mit den verschiedensten Kartons und Kästen. Trug diese, als Frau und Tochter längst schlie­fen, auf den Boden des Hauses. Lud sie dort ab, rieb sich die Hände, freudig, und stärker als sonst funkelte das liftige Blinzeln in seinen Augen.

Nachmittagsstille herrscht in dem kleinen Dorf. Schräge Sonnenstrahlen gleiten über die Felder, werfen rötliche Schatten auf die Land­straße, die widerhallt von dem müden, schiveren Schritt heimkehrender Arbeiter. Bienengefumm, Geruch von Blumen und Honig, die heiße Mat­tigkeit des Sommers über den Gärten, in denen die Früchte reifen. Satte, träge friedliche Land­schaft.

Ludvik Cibulka fuhr nach Prag  , ging durch die Straßen, die großen, hellen, durch ihre Auslagen blendenden, musterte mit seinen listi  - Aus den geöffneten Fenstern mancher Häus gen Aeuglein aufmerksam, was er sah. Kehrte ser dringt Radio. Sogenannte ,, leichte Sommer­am Abend in das stille Dorf zurück. Versuchte Musik". Auf verkrampfte Weise wird versucht, am nächsten Tag zu verwerten, was er flug mit Tönen die ,, gute alte Zeit" wieder hervor­beobachtet hatte. Zuerst ordnete er die Auslage zuzaubern. Da geh ich ins Kasino hin, wo so in neuer, gefälliger Weise. Ließ durch den viel süße Mädels drin" Die Damen vom Monteur im Ort eine hellerstrahlende Beleuch- Maxim" ,,, Glühwürmchen, Glühwürmchen flim

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Hört auf seine Warnung! Kriegsgefahr droht!

Der Kluge Mann, die fluge Frau baut vor. Das erste, was steigt, sind die Preise für Lebensmittel!

Und was braucht der tschechoslowakische Bürger am notwendigsten?

könnt.

Das Mehl für die Knödeln und Buchten. Darum fauft heute noch, was ihr kaufen

Vielleicht ist es morgen schon zu spät..!

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Die Frau des Landarztes wurde käsebleich. Warf den Jumper so hastig zu Boden, daß alle Nadeln herausflogen und die mühevolle Arbeit verwirrten. Stürzte ins Sprechzimmer ihres Mannes taum, daß sie anklopfte erzählte aufgeregt, was soeben durch das Radio verkündet worden sei. Der Herr Doktor pinselte gerade dem Schlächter des Dorfes die von vielem Biertrins ten aufgeraubte Kehle. Der Pinsel fiel ihm aus der Hand, die Arbeit war erst halb getan. Doch auch der Schlächter sprang von seinem Marter­stuhl auf ivas, zum Teufel, scherte ihm jetzt der Hals eifrig beriet man. Doktors bes schlossen, ihr Dienstmädchen Katinta sofort zum Bäckermeister zu schicken, sie sollte Vorräte kaus fen was das Beug hielt. Auch der Schlächter lief. balbgepinselt, wie er war, heim. Gab zu Haus den gleichen Auftrag. Katinka kam zurück, er­zählte, beim Cibulka   ständen die Leute Schlange", darunter die Frau Gemeindevors steher selbst, da ihr Mädchen gerade bei der Wäsche sei. Panik herrsche im Dorf. Alles risse sich um Mehl. Der Cibulka   habe zu tun wie noch nie.

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Aergerlich trat der Gendarm Havliček an die wild- gestikulierenden, erregt- sprechenden Menschen heran, die vor dem Laden des Bäcker= meisters Kopf an Kopf warteten. Fragte, was Los sei. Man erzählte ihm von der Radio- Mel­bung. Das könne doch nicht stimmen, meinte Gendarm Hacliček, diese Nachricht beruhe sicher auf einem Irrtum. Aber die Dorfbewohner nah­men seine Beschwichtigungen mit bäuerlichem Mißtrauen auf. Die Kriegsfurcht der Zeit, die in jedem von uns steckt, hatte sie in diesem Augenblick ganz und gar ergriffen. Amtliche