— 4
Besuch in den Slums
Eine Fürsorgerin des„London Care Comitee" schildert ihren Besuch im berüchtigten Elendsviertel von London , genannt „Slums ". Es ist Nachmittag. Ich mache mich auf den Weg zu John Fisher . Er wohnt bei London Bridge , einem der furchtbarsten„Slums" von London . Es hat am Tage vorher geregnet, und ich versinke in dem Schmutz, der die Strasten bedeckt— sie sehen aus, als ob fie nie gereinigt würden— und sich aus Kot und Abfällen aller Art zusammensetzt. Rechts und links sind hohe Zinshäuser. Vielleicht sind sie nicht einmal so hoch, aber wenn man an ihnen hinaufsieht, sehen sie aus, als würden sie nie«in Ende nehmen. Sie find wie dunkle, bösartige Gespenster, man hat Angst vor ihnen, aber vor allem sind eS die lichtlosen Fenster, die mir hie ärgste Furcht einflösten. Selbst am Hellen Wittag herrscht hier Dämmerung. ES fällt einem schwer, sich vorzustellen, dast in dieser Gegend auch Sonne sein kann. Hier ist nichts als Rust voji den naheliegenden Fabriken und den Zügen, die fast ununterbrochen vorbeifahren und deren Lärm an den Nerven reistt. Endlich bin ich vor dem„Hau »" des Mr. Fisher. Ein kleiner Bub steht davor, nennt sich auf meine Frage Jimmy Fisher und wird gesprächig, als ich ihm sage, ich sei gekommen, um seine Mutter zu besuchen. Dann führt er mich hinein. Drinnen ist eS so finster, dast ich mich anstrengen must, irgend etwas zu sehen. Aber Jimmy kennt sich aus. Ich folge ihm und kann kaum Luft schöpfen—, der Geruch benimmt einem den Atem. Die Treppe scheint endlos. In kalten, finsteren Gängen stehen unwahrscheinlich schmutzige, zum gröstten Teil rachitische Kinder herum und starren mich an. Jimmy gibt mir di« Hand und endlich öffnet er eine der vielen Türen, hinter denen man Lärm und Kindergeschrei hört.„Komm herein," sagte er. Das Zimmer ist ziemlich grost und hat zwei Fenster, durch die aber fast kein Licht kommt, weil die zerbrochenen Scheiben zum• gröstten keil durch Fetzen ersetzt sind. In der Ritte stehen ein Tisch und drei Sessel, rechts in der Ecke ein ziemlich breites Bett, auf dem Boden davor liegen einige zerrißene Decken, Kleider, Wäschestücke, die offenbar die Schlafgelegenheit für einen Teil der Familie darstellen. Dann ist noch«in Kasten da, eine Komode, ein Herd, das ist alles. Ueber dem Bett hängt ein Kruzifix. Außerdem befinden sich noch MistreS und Mr. Fisher, desien Bater und vier Kinder in dem Raum. Mr. Fisher fitzt auf einem der Sessel und scheint mich überhaupt nicht zu bemerken. Er hält den Kopf in die Hände gestützt und stiert ausdruckslos vor sich hin. Auf dem Bett hockt ein neunjähriger Bub mit einem Tuch um den Kopf, LeSlie, wegen dem ich ge« kommen bin. Er hat einen glasigen Ausdruck in den Augen und lallt unartikulierte Laute vor sich hin. Dann ist noch ein ungefähr vierzehn» jähriges Mädchen da, die Aelteste. Sie ist sehr Mager, und ein strenger Zug verhästlicht ihr altes Gesicht. Beim Femter sitzt ein Greis, Mr. FisherS Bater. Er ist ganz klein und zerdrückt, ansterdem ist er blind. Mrs. Fisher tritt auf mich zu; an den Händen hält fie je«inen Buben, beide im Alter von drei bis vier Jahren. Sie ist grost und sehr knochig, ihre Gestalt scheint, ausgeleert, blutlos. Das Gesicht must früher schön gewesen sein, besonders di« Augen strahlen noch und
haben lange, dichte Wimpern. Um den schmalen Mund liegt ein Zug von Härte, der durch zwei tiefe Falten noch verstärkt wird. Wenn Mrs. Fisher spricht, scheint sie die dünnen bläulichen Lippen kaum zu bewegen. Das Haar ist grau, unordentlich nach- rückwärts gekämmt und schlecht geschnitten. Sie mustert mich mißtrauisch von oben bis unten, dann fragt sie unfreundlich:„Was wünschen Sie?"' Ich überlege, was ich sagen soll, und antwort« schließlich mit einem Blick auf LeSlie, ich sei gekommen, nnch nach seinem Befinden zu erkundigen, ich hätte gehört, er sei krank. MrS. Fisher entgegnete kurz:„Er ist vollkommen in Ordnung." Ich frage, was eigentlich mit LeSlie loS ist. Mrs. Fisher antwortet unwillig:„Ach, er hat Zahnweh." Jimmy, der die ganze Zeit neben mir gestanden ist, ruft auf:„LeSlie, komm her, die Frau will dich sehen." Das Kind hebt einen Augenblick horchend den Kopf, lästt ihn aber gleich wieder sinken. Mrs. Fisher wird ärgerlich:„Komm her, LeSlie!" LeSlie bleibt ruhig hocken, er macht den Eindruck, als wäre er taub. Das vierzehnjährige Mädchen, sie heißt June, mischt sich ein:„Last ihn in Ruh. Mammi, er ist betrunken." Ich erschrecke:„Betrunken?" Mrs. Fisher nickt wie zu etwas Selbstverständlichem:„Ja, wir haben kein Geld für den Zahnarzt, so geben wir ihm Brandy. Das ist ganz recht, er ha» dann gar kein« Schmerzen mehr." Ich mache ein paar Schritte auf das Kind zu:„Leslie!" Er rührt sich nicht. Dann öffne ich ihm den Mund. Die rechte Seite ist so verschwollen, daß man fast überhaupt nichts sieht, außerdem ist da» Zahnfleisch vollkommen vereitert. Während ich langsam den Tee trinke, den sie mir aufgedrängt hat, erzählt mir Mr». Fisher aus ihrem Leben, das wie ein Roman klingt: Sie brennt mit sechzehn Jahren, von irgend jemand verführt, von daheim durch. Dann wird sie Tanzgirl und, um ihre Erspar« Nisse gebracht, heiratet sie schließlich auS Verzweiflung den Arbeitslosen John Fisher . ES
■ Heiteres|
Kompliment.„Finden Sie nicht, daß mir mein jüngster Sohn sehr ähnlich sieht?"— „O ja— aber bei einem Jungen s<yadet da» nicht." Auf dem Fundbüro.„Ich habe meine Legitimation verloren. Sie lautet auf den Namen Peter Müller!"—„Die ist gefunden worden! Können Sie sich legitimieren?" Junge Eh«.„Rate mal, Ernst, toas es heute mittag zu essen gibt!"—.Liebste, laß mich erst versuchen, dann werde ich dir sagen, ob ich e- raten kann!" Aus dem Ball. Junger Mann:„Sie find zu müde zum Tanzen, mein Fräulein? Wollen wir denn lieber ein wenig plaudern?"—„Ach nein, so müde bin ich nicht." Die Ungläubige. Er:„Jonas kann sich gratulieren, daß er nicht mit dir verheiratet war."— Sie:„Wieso?"— Er:„Du hättest ihn nie und nimmer geglaubt, dast er drei Tage und drei Rächte nicht nach Hause kam, weil ihn ein Walfisch verschluckt hatte." Gespräch. /.Ach, Frau Müller, keine Schmerzen der Welt find mit Zahnschmerzen zu vergleichen!"—„So, dann haben Sie wohl noch keine Kinder bekommen, Herr Schulze!"
scheint ihr selbst unklar zu sein, wie fie bisher gelebt hat, ebenso, wie es chr unklar ist, wie sie weiter leben wird. Ihr Mann war, bis auf wenig« Wochen, die ganzen fünfzehn Jahre ihrer Ehe arbeitslos. Er bezieht zwar Unter« stützung, aber die reicht natürlich kaum für da» Allernotwendigste. Einen Augenblick lang schweigen wir all«. Die Frau hat das Ganze mit müder, monotoner Stimme erzählt, es klingt, al» hätte sie alles schon hundertmal gesagt. Um über die Verlegenheit-Paus« hinwegzukommen, biete ich Mister Fisher, der auSsieht, als hätte er über« Haupt nicht» gehört, eine Zigarette an. Ee blickt erstaunt auf, al» bemerke er mich erst jetzt, dann nimmt er sich eine und murmel» undeutlich:„Danke Fräulein!" Ich will ihm Feuer geben, aber er wehrt ab; er hebt sie sich auf. Dann sinkt er wieder in feine frühere Teilnahmslosigkeit zurück. Ich verabschiede mich von Mrs. Fisher. Sie sagte:„Es war nett von Ihnen, dast Sie zu uns gekommen find, aber«» hilft nichts. Ich versuche, noch einmal auf LeSIi» zurückzukommen, aber sie schüttelt abtveisend den Kopf. Dann befiehlt sio June, mich hinunterzubringen. j
•••••••••••••••
Schach-Ecke Geleitet von Wenzel Scharoch, Drakowa Nr. U Post Modlan bei Teplltz-Schönau. SCHACHAUFGABE Nr. 253. Von F. Ntvejame. Barcelona .
Weiß: Khl. Dh8. TeS. e7. Lgl, Sa3, Bb2, ei.(•)
Matt la iwel Zfiiei!
Lösungen rind bla längstens 14 Tage nach Erscheinen der Aufgabe an den Leiter dieser Spalte einzusenden. LökHflKvat sn Nr. 25t: Ld3—ei!
Richtige Lösungen sandten nachfolgende Genossen ein: Schöffel Anton. Schöbritz: Beutel Wilhelm. Arnsdorf b. Tetschen ; Dlnnebier Emil« Tet-schen; Habt Erwin, Chimiak Teodor. Loh« mittler Hans, sämtlich Nestersitz; Tepper Frans« Karlsbad ; Brodkorb Josef. Jägerndorf ; Eichler Emil u. Jakl An ton. Teplitz ; TrlHech Gustav« Wlsterschan; Walter Ludwig u. Robek Frans» Kwltkau: Ulbert Rudolf. Prosedltz; Hyna Josef. Hostomitz.
Aua den Sektionen.
Am Sonntag, dem 22. September, wurde in Rosawitz das Retourspiel Rosawitz gegen Nester« sitz ausgetragen. Es gelang den Heimischen, sich für die in Nestersitz erhaltene Niederlage zu revanchieren. Die Nestensltzer Genossen, welche 11 Mann stark angetreten waren, mußten sich nach schönem Spiel mit 4:7 Punkten als geschlagen bekennen. Das Ergebnis beweist, dal auch Rbäawltz zu kämpfen versteht. • Eine kombinierte Wisterschaner Mannschaft spielte gegen die neugegründete„Schachecke** Neu-Modlan und spielte an S Brettern mit 2»^:2H Punkten. Leider sind infolge schlechter Witterung nur 5 Genossen aus Wlsterschan erschienen.