BUNTE WELT
Nr. 43
Unterhaltungsbeilage
Der Maler Jvan Stočić hatte sich lange in den Bergen und Dörfern herumgetrieben und langte gerade in dem Küstenstädtchen an. Wenn ich sage ,, er langte an", so ist dieser Ausdruck nicht ganz präzis, denn er kam nicht angefahren, wie man vielleicht denken könnte, sondern seine jungen Beine hatten ihn dorthin getragen. Das wäre freilich noch zu ertragen geivesen, aber das Schlimme war: sein Ränzel war leer und seine Taschen warteten schon acht volle Tage auf ein paar zerbrochene Groschen.. Unterwegs hatte er sich von Feigen, Weintrauben und guten Worten genährt... Ließ ihn das Glück eine brave Bauersfrau treffen, dann hatte er solange zärtliche Blicke und Liebes worte spielen lassen und sie seiner glühenden Buneigung versichert, bis ihm die Frau, um Liebe mit Liebe zu vergelten, ein Gläschen Wein oder Schnaps oder häufiger noch eine Scheibe Brot oder ein Stück Kuchen spendiert hatte.
So hatte er sich also halbwegs gesund und satt bis zur Stadt durchgeschlagen. Aber wohin nun? Geld hatte er nicht, bis zu seinem Heimatsort war es zu Fuß noch weit zu laufen, und die Seereise war zwar gar nicht weit, aber teuer, und der Schiffsmann wollte Geld dafür
haben.
Was tut man also? Soweit bist du gekommen, und nun läufst du mit dem Kopf gegen die Wand, sagte sich Stočić und setzte sich mit seinem leeren Rängel auf eine nahe Treppenstufe, um sich von dem anstrengenden Wege etivas auszuruhen.
Er sann nach, wie man den Teufel betrügen könnte, ohne den lieben Gott zu versuchen. Er hatte im Leben schon allerlei angestellt, um oben zu schwimmen. Wenn nur der Magen nicht wäre! Aber nun fangen die Gedärme wieder an zu singen, und dieses Lied stimmt melancholisch wie die Saiten unterm Fiedelbogen, die das Herz traurig bewegen.
Laß dich nicht unterkriegen! Halte noch dieses Mal die Räder in Bewegung, es wird schon alles gut ausgehen, sagte er vor sich hin und suchte im Geiste angestrengt nach einer rettenden Idee.
Wenn der Mund essen will, muß der Verstand ihm helfen. Ein bißchen Verstand und ein bißchen Arme, und wenn die Arme versagen, können die Beine helfen. Du kennst sie und weißt, wie sie laufen und springen können. Wie oft haben sie dich vor der väterlichen Rute gerettet und später vor noch schlimmeren und
bitteren Ruten.
Er erinnert sich, wie ihm die Bauern einmal nachstellten, weil er sich das Ränzel gefüllt hatte. Sie dachten, er hätte ihnen ihren Wein stiebist, und liefen hinter ihm her. Hei, wenn ihm da nicht Flügel an den Füßen wuchsen, dann wehe seinem Rücken! Sie hatten Stöcke fast so stark wie Armknochen und noch jetzt geht es ihm durch und durch, wenn er daran denkt.
Halt, du Hundesohn! hatten sie gerufen, und es war ihm schummrig vor den Augen geworden von dem Geschrei und noch mehr von dem Staub, den die Füße aufwirbelten.
Halt! Ja, die haben gut ,, Halt" rufen: soll man stehen bleiben, wenn sie einem auf den Fersen sind? Soll man sich umdrehen, wenn man weiß, daß man seinem Rächer in Auge schauen wird? Nur den Weg sieht man vor sich und die Beine greifen aus, als wollten sie so schnell wie möglich ans Ende der Welt gelangen. Aber wenn ich damals kein Vogel geworden bin, werde ichs niemals mehr werden, so schloß Stočić seine Selbstbetrachtungen und betrachtete mit dankbarem Blick seine Beine.
Ihr meine Retter und Ernährer! Er hätte sie am liebsten umarmt, aber da blizzte ihm im selben Moment eine rettende Idee auf.
Es fällt ihm ein, wie ihn einmal in einer Stadt seine Kunst geholfen hat. Nicht das Malen, gottbehüte, sondern das Imitieren von Tierstimmen. Am Ende hatte er geblökt wie ein Schaf, aber das hatte wenig genügt. Dann war er darauf verfallen, einen echten leiblichen Ejel nachzumachen. Er hatte so durchdringend und laut geschrien, daß die ganze Straße zusam mengelaufen war. Eine Nachtigall hätte keine größere Sensation verursacht. Die Leute hatten mit offenem Munde dabeigestanden und als er seinen Gesang beendet hatte, waren sie herangekommen, um sich durch Anfassen zu überzeugen, daß dies ein Mensch und kein Esel sei.
Einer war ihm in seiner Begeisterung fast um den Hals gefallen und hatte ihn vor versammeltem Volke zum Könige aller Esel" ausgerufen( wobei er Gott zum Zeugen anrief, daß er die Wahrheit sage.) Dann waren sie ihm noch nachgelaufen, hatten ihn angegloßt wie ein | Weltwunder, und als er ins Wirtshaus ging, wäre es fast zu Erzessen gekommen. Jeder überbot sich, ihn mit Wein, Rafi, Braten und sonstigen Genüssen für Mund und Kehle zu be
wirten. Als er sich schließlich vollgegessen und getrunken hatte und der Magen ihn schon drückte, hatte er seinen Wohltätern zugesprochen, daß sie sich ordentlich in die Haare gerieten,
1935
Stočić wollte sich nicht wiederholen und so beschloß er, diesmal als Schwein aufzutreten und so das nüßlichste und nahrhafteste vierbeinige Säugetier zu kopieren.
Aber wie? Da tam ihm wie ein Blitz fol gender geniale Einfall:
"
Dicht neben ihm lag ein Schäferhund in der Sonne und schlief. Skočič stürzte sich wie ein Raubvogel auf ihn, steckte ihm einen Lappen in den Mund und ehe sich der Hund versah, saß er im Ränzel des Malers.„ Es ist doch alles ganz gleich, seinem Schicksal entgeht man nicht; das einemal hilft der liebe Gott und das anderemal hilft so ein Heide von Hund und das noch heidnischere Schwein", tröstete sich Skočič.
Er schnallte das Ränzel wieder um und machte sich auf den Weg zum Marktplatz der Stadt. Dicht dabei war auch der Basar, und nun wollen wir sehen, wer schlauer ist, er oder die Stadtbürger.
Geschäfte zu machen oder besser gesagt: den Jung und alt war zusammengeströmt, um anderen zu betrügen. Stočić trug den Hund in seinem Nänzel und dachte die ganze Zeit an seinen neuen Streich. Plößlich, mitten in die größte Stille, scholl ein Gequiet, bald lauter, bald leiser, als wenn
ein Schweinchen am
Spieße stedt. Das hat Stočić lange geübt und Quieten auch nicht aufhörte, als die Leute sich er hatte es so gut heraus, daß er mit dem nach ihm umsahen. Sogar mit geschlossenem Munde konnte er quieten, und zwar besser und anhaltender als ein richtiges Schweinchen.
Los, nun wollen wir handeln, Leute, rief Stočič mit dröhnender Stimme: Wer einen Hunderter gibt, soll Schwein und Ränzel haben.
Und er bog nach der anderen Seite ein, als ginge ihn die ganze Sache gar nichts an, worauf wieder das Grunzen und Gequiet des gefangenen Tieres von neuem losging.
losgehen lassen, erscholl von allen Seiten der Als hätte man mehrere Flinten zugleich
Ruf:
Hier! Hier!
Aber der Maler tat so, als höre er nicht.
aber als der erste Becher unter den Tisch fiel Er ging weiter, ohne auf die Zurufe und Anund der erste Faustschlag flatschte, war er spur- gebote zu achten, und reizte die Händler durch los verschwunden. Vergeblich suchte man ihn immer neues Quieken und Grunzen... Er nach der Schlacht. Selbst unter dem Tisch fand dachte sich: das Ränzel ist gut verschnürt, und man ihn nicht, und die Recken, die sich ihre das Hundetier hat vor Schreck die Stimme verzerschlagenen Köpfe befühlten, waren voll Verwunderung über sein plöbliches Verschwinden. loren. Auch der Lappen hat geholfen! Noch ein Lange stritten sie hin und her, ergingen sich in Weilchen, und alles ist wie es sein soll. Vermutungen und Erklärungen, bis schließlich der Klügste von ihnen dem Raten ein Ende machte und das geheimnisvolle Rätsel löste. Er tippte sich zum Beichen seiner Klugheit auf die Stirn und verkündete mit lauter Stimme,( daß jeder es hören konnte), daß niemand anders als Er, der König der Esel, an ihrem Streite schuld sei, und daß Er wahrhaft der König sei, und sie selbst nicht nur Esel, sondern richtige, ganz rich tige Erzesel gewesen wären.
Die aufgeregten Händler sammelten sich um ihn, bestürmten ihn wütend wegen seiner Unbekümmertheit und hätten ihm fast den Ranzen weggerissen, wenn er ihn nicht mit allen Kräften festgehalten hätte... Ehe er sichs versah, hatten ihm drei, vier Leute einen Hunderter in die Hand gedrückt.
Mir gehört das Schwein, mir gehört das Schwein, gröhlten sie und suchten sich gegen seitig mit den Ellenbogen wegzudrängen.