Daneben fleißig sein. Sprachen, Partien ein­zustudieren, immer neue Partien. Hatte es wirklich einmal so etwas gegeben? Leben in Kleiner südmährischen Stadt, schweres, hartes, oft verfluchtes Leben, unter Hunger und Frost? Berhärmte Gesichter, ausgehölt vom Leiden des proletarischen Daseins? Dann: das Hotel Zum Bären" mit dem schmachtenden Wirts­sohn? Und einen jungen Buchdrucker namens Friz, der schwarzes Haar und schwarze Augen hatte und einen Mund, von dessen Küssen man trunken wurde? Seht, wie sie geht! Schuhe aus weichem, zartglänzendem Leder, schmiegen fich an ihre Füße, die nicht klein sind, aber herr­lich geformt mit dem hohen Spann, dem an­schließenden schlanken und doch vollen Beinen. Belze und Seide bedecken den jungen, üppigen Körper. Das Gesicht rosig, die Nase darin schmal, gerade, die Augen blizend im Hochmut der triumphierenden Jugend, der Mund hell­cot, die Lippen leicht geöffnet, das Lächeln süß, lockend und ein wenig gefünftelt.

Seht, wie die Welt sie aufnimmt! Die Welt der Großen, Mächtigen und Reichen. Nies mand denkt daran, ihr die proletarische Her­funft vorzuwerfen. Liebling der Götter! Martha Mariza! Begnadete und gefeierte Sän­Jerin. Neben Geld, Brillanten und Perlen gibt es künstlerische Erfolge, gesellschaftliche Stel­Lung, als ihresgleichen wird sie betrachtet von den Großen, Mächtigen und Reichen dieser Erde

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und nur von ihnen glaubt sie sich verstanden. Nur die würdigen, so meint die Sängerin Martha Mariza, ihr Künstlertum. Abscheu

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es geschicht selten

überkommt sie, wenn sie zurückdenkt an das Milieu, aus dem sie emporgestiegen ist. Wien bleibt nicht die ein­zige Stätte ihrer Triumphe. Berlin ruft, die Königliche Oper Unter den Linden, die Große Oper von Paris , Covent Garden in London , New Yorks Metropolitain Opera, Chicago, Mel­ bourne , jedes Land, jeder Erdteil.

Liebe? Dazu haben wir keine Zeit. Wir müssen arbeiten und das Hochgefühl der künft­lerischen Macht auskosten. Wir brauchen das Fieber, wir brauchen die Reklame, wir brauchen Erfolg und nochmals Erfolg, wir brauchen ihn wie ein füßes, bitteres, unentbehrliches Gift. Liebe? Nein. Aber ein klangvoller Name, das tann nie etwas schaden. Besonders wenn er in Gold gefaßt ist. Martha Mariza findet den österreichischen Baron Geher nicht gerade schön. Kleiner, magerer, vom Hause Habsburg ge­adelter Jud. Schlaue Augen, gierige Hände. In seinen Armen wird man nicht gerade ver­gehen vor Schauern der Seligkeit. Aber man wird Baronin Geher heißen. Den Titel der Kaiserlichen und Königlichen Kammersängerin jonderen Gelegenheiten angesteckt werden auf hat man schon. Dazu viele Orden, die bei be­den glitzernden Seiden über der üppigen, straf­fen Brust. Frau Kammersängerin Baronin Geyer... Das imponiert der Martha Marika, ihrem im Grunde noch immer fleinbürgerlichen Gemüt, in seinen Wünschen jetzt nur höher ver­stiegen. Ueberdimensionale Plüschmöbelträume sind es in Wahrheit noch immer...

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Gestaltung können wir es nicht leugnen. Wenn| Recht, wie es jenen gefällt, die aus den Fesseln wir Isolde" fingen, so sterben wir den Lie- einer müdgelebten Ehe streben. Hier wird auch bestod" als leidendes, wissendes Weib, und als Martha Maribas Ehe mit dem österreichischen Tosca" sind wir jetzt viel, viel mehr als eine Baron Geyer geschieden. Und bald erfährt die schönsingende, schön anzusehende Gestalt. Wir Oeffentlichkeit von der Sängerin zweiter Heirat. sind Qual und Glut, tir kennen die Tiefen und Bit Bill Cofeh heißt der Glückliche, ein Büch­Untiefen der Leidenschaft, Brunst und Inbrunst, senfleisch- Fabrikant aus Chicago. Schmerz und Entsagen. Wir wissen das alles nicht durch unsere Ehe mit dem kleinen, mageren Herrn Baron Geher. Wir haben in diesem Punkt auch nichts von ihm erwartet.

Sie hatte keinen Grund, sich um Politik zu fümmern, die Sängerin Martha Mariza. Zwar tat es ihr leid, daß der Titel Baronin" jetzt weniger galt als das Gold, in das er gefaßt war. Und die Armen, die sie nicht bewundern kamen, weil sie es nicht konnten, verachtete sie noch im mer. Stand mehr denn je auf seiten der Reichen, Großen und Mächtigen. Bewies solche Gesin­nung oft spontan, oft im Kleinen. Zum Bei­spiel: in ihrer zweiten Heimatstadt, in Wien an der Donau, hatte es Händel gegeben. Zwischen Jugendlichen der Rechten und Linken. Sozial­demokraten waren auf Vaterländische losge­gangen. Die Jungens von links hieben eine gute Faust. Zerbeulten den Vaterländischen nebst Rücken und benachbarten Körperteilen ihre Trommel, mit der sie ausgezogen waren zu inferlischen und Schnedderengtengs. Die Meri­falen erhoben in ihren Blättern ein großes Ge­schrei. Martha Mariza las davon nach einer glücklichen Nacht, die sie gutgelaunt hatte er wachen lassen. Sofort sandte sie der Vaterläns dischen Jugend telegraphisch Geld zum Ankauf einer neuen Trommel. Damit offen befundend, wem ihr Herz gehörte. Sonst war sie nicht ge­rade großzügig. Hielt eher das Geld zusammen, schon fnickrig- ältlich angehaucht. färbtem Blond, künstlich gestraffter Haut und geknetetem Leib alterte sie ja doch allmählich.

Hinter ge

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Noch ruht sie nicht auf Lorbeeren und Dollars. Noch treibt es Martha Marita über die Erde, der Drang, zu singen, zu gestalten ist noch immer mächtig. Bit Bill Cofeh kann es sich leisten, seine Gattin auf einer Europas Tournee zu begleiten. Die Geschäfte gehen ohne ihn, gehen von selbst. Die beiden kommen auch nach Wien. Jene Stadt an der Donau, die Martha Marika so heiß liebt. Heißer als jede andere. Stadt der ersten, großen, füßen Triumphe, wie könnte ich dich je aus meinem Herzen reißen? Es ist auch die Stadt, in der ein gewiffer Baron Geyer lebt. Kleiner, magerer, von der habsburgischen Monarchie geadelter Jud. Jetzt sehr katholisch. Und einflußreicher denn je.

nung

Martha Mariba, noch nicht in ihrer Woh in jeder anderen Stadt genügen

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Hotels, aber in Wien muß eine Wohnung auf sie warten, heimisch, traulich, mit herrlich gemütlichem Kitsch ruft sofort den Inten danten der Staatsoper an. Ich will übers morgen die Tosca" singen, hören Sie? Nein, nein. Weder Elisabeth" noch Isolde. Nur

Tosca".

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Was weißt du, dummer Lüms. mel", denkt die Sängerin Martha Mariza nach­her, wo ich es gelernt habe, die Tosca" zu fingen? Damals in dem kleinen Badeort an der Adria, und er war ein Fischerjunge und sechzehn Jahre alt, unter uns, ich schon an die vierzig und er hatte Zähne wie Schnee."

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auftretender Beamter.

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Frau Kammer­

sängerin, es tut mir leid. Um die wenig anges bin ich selbst hier. Sehr fatal, sehr beinlich. nehme Botschaft in bester Form zu verkünden, Doch leider nicht zu ändern. Die allerchriftlichste Regierung hat dem Druck des Kardinalfürsts bischofs und aller Frommen im Lande nachaeben und gut, Sie dürfen nicht auftreten." müssen." Jeßt, weniger ölig, nüchtern: Kurz

Am nächsten Morgen wird der Intendant Schrieb der Bruder aus Brünn, dort Kell- der Wiener Staatsoper gemeldet. Er kommt ner im Roß" und jetzt ohne Stellung. Schrieb felbst, um mir zu sagen, daß ich die Tosca" an die berühmte Schwester, bat um Hilfe. Essingen foll", frohlockt die Mariza zu ihrem Gats famen- 200 Stronen. Unlustig angewiesen. ten, dem Büchsenfleischfabrikanten. Der Inten Grämlich. Was fümmerte sie das Pack, das da dant ist ein forrekt gekleideter, weltmännisch noch lebte und um sie kroch? Es galt, die Mil­lionen zusammenzuhalten, zu mehren und in der Fülle zu haben, wenn das Gespenst des Alters einmal unerbittlich da war. Noch nicht, noch nicht. Noch triumphierte sie überall. Und da war der Büchsenfleischfabrikant aus Chicago, Bit Bill Cofch, nicht mehr ganz jung, aber un­gezählte Dollarmillionen reich, der sie mit Herz und Dollars einfangen wollte als legitime Gattin. Pit Bill Cofey, Hafen der Zukunft. Man sang noch, so lange es ging, dann zog man sich in Frieden zurück, ausruhend vom Ruhm, von der Leidenschaft, auf den Dollar­millillonen. Dollars waren besser als Schil­neu auf nüchterner Sachlichkeit gegründeten linge. Ein Corned- Beaf- Fabrikant in dieser Welt sicherer als der Baroninnen- Titel roman­tischer Vorkriegsjahre. Es galt, mit der Zeit Schritt zu halten. Martha Mariza hatte nie­mals Hemmungen gekannt, wenn sie ein Ziel erreichen wollte. So bat sie den kleinen mageren Herrn in Wien, ihren Gatten, den Baron Geyer, in die Scheidung zu willigen.

Es geschah das Unerwartete. Der Kleine Herr in Wien wollte nicht. Er hing, weiß der Teufel warum, an seiner schönen, berühmten, treulosen Frau. Martha Mariza zog die breit gewölbten Brauen zusammen. Man würde sich zu helfen wissen. Wer vermag sich nicht zu helfen, wenn er Millionen hat und verbündet ist mit den Mächtigen, Großen und Reichen die­

aroße, berühmte Sängerin. Sie ist erstarrt. Der Intendant reibt sich die Hände. Scheußlich, scheußlich. Frau Kammersängerin", er spricht vorgebeugt, leise, mit geschmeidigem Lächeln,

Warum?" Sie kann nichts weiter fragen, die

nicht trennen. Sie verstehen", noch leiser, noch man steht hier wieder auf dem Standmunkt: Was Gott zusammenfügt, das darf der Mensch geschmeidiger, der Herr Baron Geher..."

Trotzdem der Intendant das letzte nur noch geflüstert hat, Mr. Pitt Bill Cofey, schlauem, geriebenem Fuchs, ist dennoch kein Wort ent­gangen. Gemütlich: Was kostet es, wenn meine Frau doch auftritt, gegen den Willen des Kars dinalfürstbischofs und gegen die Intrigen ihres ersten Mannes?" Entrüstet der andere: Ich Well", bitte Sie, hier geht es um Moral!" wie lindes Säufeln flingt Mr. Cofeys Stimme, um Moral? Das ist besonders teuer..." Der Intendant geht. Wolfen überlegener Abscheu umhüllen ihn.

Kriege kommen, Kaiser- und Königreiche vergehen, Diktaturen werden aufgerichtet, Re­publiken und neue Staaten. Uns macht das nichts. Wir singen weiter, die anderen feiern uns auch, wir sind und bleiben die berühmte, die begnadete, die geniale Sängerin. Reifer sind wir inzwischen geworden. Weppiger. Wir ver­suchen, die Jahre zu überlisten, denn wir kön­Ein Büchsenfleischfabrikant aus Chicago nen unseren Körper mit allen Wundermitteln ser Erde? denkt nach. Wem hast du damals die Trommel der Neuzeit pflegen, die die Jugend erhalten. In Kalifornien gibt es das sogenannte geschickt?"" Dem Vorsitzenden der Vater­Aber in der Stimme, in der schauspielerischen Scheidungsparadies Miami. Hier spricht man ländischen Jugend, dem Fürsten Sternberg­I