BUNTE WELT
Nr. 50
Unterhaltungsbeilage
GBP weiß alles!
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Sie faßen in einer Kleinen Kneipe von St. Denis. Pariser Vorstadt. Proletarier Viertel. Draußen die spätherbstliche Nacht. Verklingendes Geräusch der letzten Busse" und verirrter Taris. Auftauchen und Verschwinden billiger Mädchen. Mit nahm sie das Dunkel. Gröhlen eines Betrunkenen. Schimpfen, Lachen. Das blizende Licht zahlloser Bogenlampen, bun ter elektrischer Reklamen fehlte ihr. Dies war
Bon Grete Livius
und lebhaft- Klugen Augen ,,, sind ohne Sinn. Was wir brauchen, ist kein Jammern. Es muß ein Weg aus der Krise gefunden werden. Darauf kommt es an. Daß wir Arbeit kriegen, anständigen Lohn." Er redete bedächtig, nur seine Hände spielten unruhig mit dem Fuß des Glases.
,, Sehr richtig, sehr richtig", meinte Emile Langelier, aber wir warten nun schon sehr
1935
die Beitungen? Dann wär das keine Uebera raschung für euch."
,, Legen wir zusammen", rief Langelier bes geistert.., Hier ist mein Franc. Ich werde zwar dafür morgen mittag Kohldampf schieben müssen, aber einmal mehr, einmal weniger, das spielt keine Rolle. Hauptsache, wir erfahren etwas.. Der Spötter" zwinkerte mit den Augen Busset zu. Doch jagte er laut und wichtig:
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den großen Avenuen und Boulevards vorbehal- lange. Die Regierung verspricht uns, diese oder auch ich stifte für diesen ernſten Zweck meinen
jene Maßnahme werde Besserung bringen. Möglich, daß die Regierung diese Absicht hat, nur
es gelingt ihr nicht. Ich verstehe, wenn unser Freund Michel die Geduld verliert, und ich bewundere dich, Busset, daß du sie noch immer auf
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Anteil. Das ist mir ausnahmsweise mein pera sönlicher Spaß wert." ,, Auch ich, auch ich", ers
Nacht. Hier glimmte sie trüb. Schlechtgepflasterte Straßen, nur vereinzelte Laternen, in großen Abständen auftauchend. Die Lokale, nicht ein ladend zum Besuche und zum Verweilen. Troß bringst." Langelier war der andere Reparatur- am meisten Talent. Der ,, Spötter" erklärte sich
dem waren sie ziemlich voll. Die Uhr zeigte elf Sie saßen, die Fünf, schon seit zwei Stun den hier. Tranken sparsam. Vor ihnen stand erst der zweite Apéritif, gemischt aus südfranzösischem Wein und Sodawasser. Es kostete wenige Sous. Doch auch das Wenige erscheint dem noch biel, der nichts besitzt. Die Fünf hier hatten
nichts. Sie waren bei Citroën gewesen, Zwei als gelernte Autoschlosser, die übrigen drei in den Reparaturwerkstätten. Einer nach dem anderen war im Laufe der Zeit entlassen worden. Die Krise... Citroën schränkte die Produktion ein, da der Abjazz stockte, sowohl im Inals auch im Ausland. Die Herren von Citroën
änderten deswegen nicht ihre Lebensweise. Ihre
schloffer. Er lebte, seit er die Arbeit verloren hatte, allein in Paris . Seine Frau war mit den drei Kindern vorläufig zu ihren Eltern gezogen, die in der Touraine eine kleine Landwirtschaft führten. So ging es etwas leichter.
im Bett? Die Kinder werden groß, und du er
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flärten Jean Michel, Paul Buffet und Henri Ferrand. ,, Doch wer ruft bei der SVP an?" Natürlich Albert", meinte Busset. ,, Er hat dazu bereit. Er ging zum Wirt und überbrachte ihm die eingesammelten fünf Francs. Dann versuch
ten alle, neben Leblanc in der Telephonzelle
Platz zu finden. Es war unmöglich. Michel und Ferrand mußten draußen bleiben. Dafür vera sprach ihnen Langelier, den Türspalt etwas offen zu halten. Natürlich nur so weit, als es Leblanc beim Telephonieren nicht störte. Dieser drehte bereits auf der Scheibe des Automaten die duns kel leuchtenden Buchstaben: SVP!
,, Nun, Langelier, du hast wahrhaftig feinen Grund, mit deinem Schicksal zufrieden zu ſein." Der Vierte redete, Henri Ferrand. Oder ist das ein Leben? Die Frau nachts nicht Tebst das nicht? Ihr Aufwachsen?" Der Fünfte, Albert Leblanc, sie nannten ihn den ,, Spötter": neuen Informationsbüro des Pariser Haupts Jacqueline Renard, Telephonistin in dem Dafür tröstet ihn die dicke Louise. Paß nur telephonamtes, hatte soeben den Nachtdienst ans gut auf, Langelier. Auch wenn sie's umsonst tut, getreten. Jacqueline ivar ein hübsches, energisches Frauen trugen nach wie vor die teuren und kost- so kann es dich immer noch genug kosten. Zu- Mädchen von sechsundzwanzig Jahren. Ihrer mindest ein paar Wochen im Spital." baren Toiletten einer Jeanne Lanvin und eines bie Schnauze." Leblanc lachie. Lehnte sich mit Halt Energie verdankte sie es, daß man sie trotz dieSchiaperelli, berühmte Modeschöpfer von Paris . dem Stuhl zurück, streckte die Beine vor, ver- ihrer Organisation ernannt hatte. Jacqueline ser großen Jugend zur Gewerkschaftsvertreterin Sie reisten auch nach wie vor zum Wintersport schränkte die Arme hinterm Kopf. Ach, ihr! Renard arbeitete auch auf dem neuen Posten im oder an südliche Gestade, gaben ihre Gesellschaf- Reiner von euch hat eine Idee. Da fißt ihr nun Informationsbüro der SVP mit gewohnter Umten und Bälle, erschienen in den Logen der Grand Opéra oder zum Tee im Rib, lebten und klönt. Ich geb euch einen Rat. Wenn ihr sicht und Tüchtigkeit. Heute war sie allerdings ein wenig müde. Die Woche ging zu Ende. Eine weiterhin im Wohlstand und sehr angenehm. ganze Woche Nachtdienst, das strengt an. Sie wünschte sich von Herzer für heute einen ruhigen Dienst und wenig Neugierige. Doch ihr Wunsch ging nicht in Erfüllung. Kaum saß sie am Schalter, so begann es:
Die Lasten trugen wie immer die Arbeiter. Jene, welche noch im Betrieb standen so gut wie die, die man hinaussette. Den einen fürzte man die Löhne, die anderen zwang man, unfreiwillig zu feiern. Die Fünf hier sehnten sich nach Arbeit wie ihre nach Millionen zählenden Leidensgefährten auf der ganzen Welt. Jean Michel, der eine der beiden Autoschlosser, setzte jezt mit heftigem Ruck das Glas auf den flecigen Holztisch. Es war leer. Michel wischte sich den Mund.., Diable, ich hab dieses Leben satt. So geht es nun schon seit Monaten. Stempeln und auf Arbeit warten. Die Frau jammert, die Kinder werden immer blasser. Geht man einmal in der Woche seinen Apéritif trinken, erhebt sich Geſchrei. Diable, man möchte lieber in der Hölle schmoren." Michel war ein großer, starker, braunhäutiger Mann. Er neigte zu unüberleg ten Temperamentsausbrüchen, denen keinerlei
Konsequenzen folgten. Die Freunde wußten das.
Man nahm Michel nicht sehr ernst.
,, Deine Klagen", es sprach einer aus der Reparaturwerkstätte, der Arbeiter Paul Busset, schmächtig, blaß, mit wirrem, schivarzem Haar
einen Weg aus der Kerise wissen wollt, warum ruft ihr da nicht bei der SVP an? Dort ist man verpflichtet, jede Frage zu beantworten. Auch wenn sie noch so verrückt ist. Es kostet allerdings fünf Francs... Ziemlich viel für uns arme Schlucker."
blick die Mark?" ,, Mademoiselle, wie hoch steht im Augen- ,, Eine Sekunde, Monsieur, ich verbinde mit der zuständigen Abteilung."
eigentlich die Löcher in den Schweizer Käse ges ,, Hören Sie, auf welche Weise werden bohrt?" ,, Un moment. Ich rufe den Spezia listen."
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,, Chèrie, können Sie mir verraten, wer
eigentlich die Feuerkreuzler mit Waffen belie
fert?"
Jacqueline hätte die Antwort selbst
Die Vier fragten fast auf einmal: ,, SVP? was ist denn das? Davon haben wir noch nie clivas gehört." Leblanc, der„ Spötter", betrachtete seine Freunde mit listigem Blick, das eine Auge leicht zugefniffen. Das wißt ihr nicht? Schämt euch. Schon tagelang berichten die Zeitungen immerzu davon. Die Pariser sind geradezu aus dem Häuschen. SVP bedeutet nichts anderes als die Anfangsbuchstaben von s'il vous plait.( Bitte.) Die SVP ist die neueste Schöpfung unserer Pariser Hauptpost. Dort wird auf jede Frage, die einer stellt, Aniwort erteilt. Tag und Nacht. Ein ganzer Stab von Spezialisten ist zu diesem Zived engagiert ,, Mon enfant, muß man auch Briefe an ,, Ich verbinde, arbeitet unter der Devise„ SVP weiß alles und einen Augenblick." worden. Das Informationsbüro der Hauptpost das Finanzamt frankieren?"- ,, Ich kann alles". Es kostet, wie gesagt, fünf Francs. Sie werden mit der Telephonrechnung an jedem Monatsende einkassiert. Hab ich alles aus dem „ Paris midi". Warum lest ihr nicht ordentlich
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geben können. Doch verbot dies ihr Amt.., Ich berbinde, warten Sie, Litte."