BUNTE WELT

Nr. 6

neuen

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Unterhaltungsbeilage

Der Tunnel im Schnee

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Ents

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Von E. D. Penzinger( Wien )

chen mehr als die Hälfte des Bataillons durch Schneestürme verloren. Jeder einzelne von uns hatte schon den Hauch des, weißen Todes" verspürt....

Menschen

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In einigen Tagen sind wir wieder im gewohnten Trott. Der Italiener gibt uns Ruh und wir ihm. Wir haben beide einen ge­meinsamen größeren Widersacher: den Hoch­gebirgswinter. Aber**** Schüßen- und Laufe alle Wege, alle liegen nun in Schneetunnels, und die Stürme, die darüber hinwegrafen, können uns nicht mehr viel an­haben. Wir kommen in eine erzwungene Ruhe, faft Behaglichkeit, wenn es auch bloß ein Begetieren ist. Wir rasten... Wer rastet

Anfang Feber. Schneidend kalter Morgen Der Schnee flirrt und singt, fast hört sichs wie eine Melodie an. Ohne Rhythmus zivar, ohne Harmonie- bloß müde Marschtritte: Wir Stapfen die steile Bergstraße von Caldonazzo Und nun gehts wieder hinauf. Ohne über Thiesa hinan. Dieselbe, die wir sechs Rucksack, ohne Munition. Beides wird mit Wochen früher zu Tale humpelten, um nach den tela Drahtseilbahn und Schlitten befördert. Patastrophalen Schneestürmen in eine wohlver- Unsere Kräfte werden geschont für einen even­biente Retablierung zu kommen. Statt der er- tuellen Stampf mit dem weißen Element. Drei hofften Retablierung ein Wort, das für Tagesmärsche sind vorgesehen, im Sommer jeden Frontsoldaten den Inbegriff aller Wün- find es höchstens sieben Stunden. Wir brau­sche und allen Hoffens bar wurden wir in chen vier Tage. Einen müssen wir in einem Levico für eine Kaiserparade gedrillt. Endlich Lager abwarten, da taasvorher eine unge­die ersehnte Entlausung, Einwaggonierung.. Fahrt ins Hinterland? Im Gegenteil, in einen Trainfolonne von acht Schlitten liegt unter heure Lawine die Kempelstraße verlegte. Eine Frontabschnitt: Nach Mori ihr begraben. Zur Not freigemacht, gehts mit täuschung, Wut, zerschellte Freude, ein Trüm- äußeriter Vorsicht über das Schnees und Leis merfeld der schönsten Hoffnungen im Hirn. chenfeld. Hoffentlich sind alle Tiere und Wieder einmal betrogen... Doch nein. Denn über die wir da drüberstampfen allmählich wurde uns dieser Frontabschnitt lie- müssen, tot. Sie sind die Qualen los! Für ber als die schönste Retablierung. Die Stellung die ist der Krieg zu Ende.... war für uns ein Unifum: Sie war nämlich gar nicht besetzt. Die Schüßengräben Lagen ganz nahe am Rande des Städtchens, liefen quer durch den Friedhof, um sich dann stüßpunkt­artig an einem sehr steilen Hang fortzusetzen. Im Vorterrain machten dichte, mit Starkstrom geladene Drahthindernisse jedes Herankommen unmöglich. Und die Stadt selbst wurde, ob­wohl schon arg mitgenommen, von der italieni­schen Artillerie sichtlich geschont. Vier, fünf Schüsse täglich waren das Maximum und dien ten mehr der Mahnung, daß ja doch Krieg sei, als der Zerstörung. Unsere Posten saßen ganz gemütlich hinter den geschlossenen Holzläden in Zimmern der oberen Stocktverke irgendeines Hauses oder lugten von einem Dachfenster aus feindwärts. Die Straße, der Plaz, selbst jedes fleine Gäßchen waren mit den zahlreich vor­handenen Strohmatten, auf denen in Frie­denszeiten die Seidenraupe ihr freßlustiges, furzes Dasein verlebten, überspannt. Unter diesem Plafond" war man zwar nicht vor Ge­schoßwirkungen sicher, aber die neugierigen italienischen Flieger hatten kein Einsehen". Wir konnten uns also selbst am hellichten Tage frei bewegen. Unsere Quartiere waren einige zu Bettenmuseen umgewandelte Weinkeller. So ge­nossen wir nicht nur den begehrten Lurus rich­tiger Betten, sondern viele hatten sich denselben durch ein requiriertes Nachtkastel noch ver­mehrt. Nachts natürlich elektrisches Licht. Und da es strenge verboten war, ohne Montur zu schlafen, taten wir dieses selbstverständlich mit Vorliebe..... All dies zwanzig Schritte hinter dem Schüßengraben. Unsere Küchen­dragoner konnten ganz risikolos auch einmal richtig Frontluft atmen. Drei Wochen waren wir in diesem Abschnitt, und die Verluste be­trugen zivei Verwundete. Außerdem fehlte hier unser ärgster Feind der letzten Wochen gänzlich: Der Schnee. Kein Wunder, daß wir sehr schiver Abschied nahmen und den Marsch­befehl verfluchten, der uns wieder auf die Höhen der Sieben Gemeinden dirigierte. Hat­ten wir doch dort oben in knappen zwei Wo­

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1936

rostet! Das mag sich irgendein Undulde famer zur Sorge gemacht haben und erfand die Schnelltunnelunternehmungen". Das waren Ueberfälle auf die feindlichen Schüßen gräben, die unter dem Schnee erfolgten. Auch wir erhielten anfangs März den Befehl zu einem solchen Angriff. Denn unser 500-600 Meter breites Niemandsland war infolge sei­ner gleichmäßigen, fast fünfmetrigen Schnees höhe ein ausgezeichnetes Terrain für ein solches Experiment. Wir hatten nun wieder Arbeit. Unser Hiersein bekam wieder friegerischen Bwed. So bohrten wir uns durch den Schnee vorwärts... tagelang, wochenlang.

Vor dem linken Flügel unserer Grabens linie lag eine riesige Mulde. Am feindwärtss gelegenen Hang derselben hatten wir einen vorgeschobenen Stützpunkt, der jetzt durch einen Schneetunnel mit der Hauptstellung verbunden war. Dieser Stützpunkt führte den bezeichnen­den Namen Villa" und hatte auch schon manchmal den Besitzer gewechselt. Von dieser Billa wurden zivei breite Stollen im Schnee vorgetrieben. Nach etwa dreihundert Meter Länge wurde nach links und rechts ein durchs laufender Quergang von beiläufig zweihundert Meter gegraben. Von diesem wurden nun vier, wieder je zweihundert Meter lange, senkrecht zur italienischen Front laufende Gänge ges schaufelt. Das waren die Sturmgassen für den beabsichtigten Ueberfall. Die herausgeschafften Schneemassen fanden Platz in der erwähnten

Die Dolomiten im Schnee

Ein prächtiges und charakteristisches Bild der winterlichen Dolomiten in der Nähe von Cortina . Nach den jüngsten Berichten beträgt die Schneehöhe dort 40 cm. Die günstige Lage ermöglicht in diesem Gelände die Ausübung des Schneesports oft bis über Ostern hinaus, auch in diesen Höhen tobte von 1915 bis 1918 der Krieg.