2 Für sie gibt es keine Zuschauer mehr. Hin­ter ihrem Rücken gibt es keine Menschen mehr im Saale. Sie steht ganz allein vor dieser für alle Ewigkeit geschlossenen Tür. Man kann nur mit dem Kopf an sie schlagen und sich verzwei­felt in die Hände beißen, um den Schmerz über das lebendig Begrabensein zu betäuben. Und ein einziger Gedanke durchzuckt die Gehirne Vieser hunderte Menschen, die im Saale sitzen: Sich auf diese Tür zu stürzen, denn so vielen kräftigen Arbeiterschultern würde nicht nur die Tür, sondern auch die steinerne Mauer nicht widerstehen können. Da plötzlich erbebt etwas im Gesicht diese? kleinen, gequälten Weibes. Ihr Blick fällt aus das Pult mit dem Kreuz darauf. Dieser rote Stoff ist das Sinnbild ihres Blutes, welches vielleicht morgen, vielleicht heute schon fließen wird. Ihre Augen öffnen fich weit, voll stum­men, wortlosen Schreckens; eine religiöse Re­gung macht diesem Schrecken Platz die Er­gebenheit. Mit vorgestreckten Armen, mit über die bleichen Wangen rinnenden Tränen kriecht sie auf den Knien zum Pult wie ein zer­knittertes Nichts. Aber plötzlich richtet sie ihr Haupt empor, als wäre sie durch irgend einen Gedanken über­rascht; unverwandt schaut sie auf das Pult, auf das Kreuz, richtet sich auf, geht hin und mit einer Neugierde, als erwache, in ihr jetzt eine neue Erkenntnis, betrachtet sie diese Dinge, betastet sie und fährt sich dann mit den Händen über die Augen, als wolle sie sich von irgend­einer Hypnose befreien. Plötzlich stutzt sie und lauscht aufmerksam irgendwelchen Tönen, die von. jenseits der Bühne kommen. Sie fährt auf. Das Kreuz noch in der Hand festhaltend, wendet sie sich der Tür zu. Die Töne hinter der Bühne kommen näher und näher, sie erkennt jetzt deutlich den Revolutionsmarsch und hört laufende Schritte Von hunderten von Füßen.Sieg!" Ihre Augen fliegen von der Tür zum Fenster und im Nu verwandelt'sich ihr Gesicht. Eine auflodernde übermenschliche Freude be­leuchtet es und die Menschen im Saale, ohne sh dessen bewußt zu werden, widerspiegeln dieses Lächeln des Sieges und der' Freude. Man hat keine winzige, unglückliche Sklavin mehr vor sich; sie streckt sich, wächst empor, ihre Augen werden groß und strahlend und in einer plötzlichen Anwandlung zerbricht sie ge­räuschvoll das Kreuz an ihrem Knie, stampft mit den Füßen darauf und vom Pult das rote Tuch herunterreißend, stürzt sie sich damit wie mir einer Siegesfahne durch die jetzt vor ihr sich öffnende Tür den von draußen kommenden Schritten entgegen... Im Saale kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr, die Leute schreien, klappern mit den Stühlen, winken ihr mit den Händen zu. Und sie, wieder eine kleine, hilflose Frau ge­worden, tritt auf die Bühne, streckt wie ein Kind die Arme aus mit einer Gebärde, als wolle sie ihre Seele restlos diesen Menschen hingeben, verneigt sich und lächelt mit einem stillen, klären Lächeln. Die Vorstellung ist zu Ende. Sie wischt sich im Ankleideraum di« Schminke vom Gesicht, schließt ihr Köfferchen, nimmt die 10 Rubel Honorar in Empfang und geht fort. Kommt nach Hause, öffnet ihr Zimmer. Ein großes, altertümliches Bett, zwei Ahnenbilder in Ge- neralSuniform, ein Tisch mit einer Kaffeekanne darauf bilden di« Einrichtung. Jetzt kann sie schon wieder Kaviar mit Brot essen, Kaffee mit Milch trinken. Es ist schon spät. Sie kleidet sich aus und stellt sich mit den kleinen, nackten Füßen auf den Teppich vor dem Bett und betet lange und inbrünstig vor dem Kruzifix, das über dem Kopfende hängt. Die dünnen Fingerchen sind fest zusanimengefaltet, pressen sich auf der Stirn und sich am Boden niederlassend, liegt sie lange wie ein Klümpchen dort. Sie bittet den Allmächtigen, er möge sie verstehen und ihr vergeben, denn alles das war ja nur für die Bühne. Ihm aber bleibt sie ge­nau so ergeben wie früher mit ihrer ganzen Seele. Aber Zahnpulver statt Puder zu benützen, das kann sie nicht mehr. (Uebertragen von RechaKatz.) Gründe für Ehescheidungen Eine amtliche Statistik (MTP.) New York . In Washington besteht ein Institut, dessen Angestellte vom Staate dafür bezahlt werden, daß sie das soziale Leben der USA erforschen. Im Mittelpunkt der Fragen, die die Beamten zu prüfen haben, steht die Ehe und die Eheschei­dung; eine Statistik, die alljährlich einmal her­ausgegeben wird, faßt die Gründe zusammen, aus denen die einzelnen Ehen zerbrachen. Aus dem trockenen Zahlenmaterial, das den statisti­schen Niederschlag Tausender von Ehetragödien und Hunderter von Ehekomödien bildet, fallen besonders jeneGründe" ins Auge, die zumeist alsmental cruelty" zusammengefaßt, im ein­zelnen doch so unwahrscheinlich"und originell sind, daß es sich lohnt, einige Muster von nicht musterhaften Ehen herauszunehmen. U. a. tvur- den geschieden: Drei Paare.. weil die Männer sich ohne stichhältigen Grund geweigert hatten, das Bridge-Spiel zu lernen(Verschulden der Männer). 86 Paare, die sich über die z-> tvählenden Taufnamen des neugeborenen Babys nicht hat­ten einigen können(beiderseitiges Verschulden). Ein Paar, wo die Frau fich geweigert hatte, ein Luxus-Auto statt ihres alten Ford« Wagens als Geschenk vom Manne anzunehmen; wodurch der Kredit des Mannes untergraben wurde(Verschulden der Frau). IS Paar«, bei denen einer de Ehegatten vomKalorien- und Vitamin-Wahn" befallen war und versucht hatte, dem anderen Teil die eigenen medizinischen Prinzipien mit Gewalt beizubringen(17 Fälle Verschulden der Frau). 30 Paare, weil die Frau fich die Nägel zu auffällig lackiert oder den Mund inunpassen- der Weise" angemalt hatte(Verschulden der Frauen). 1022 Fälle Trunksucht(meist des Mannes Verschulden). 84 Fälle Tabakmißbrauch(je 17 Schul­dige). Ein Paar, bei dem der Mann infolge von drei hintereinaNderfolgenden Zwillings - bzw. Drillingsgeburten der Frau in Schulden geraten war(Verschulden des Mannes). SS Paare, bei denen die Frau fich nicht um den Mann kümmerte, sondern tanzte(meist Ver­schulden deS Mannes!). Zwei Paare, weil der Mann dadurch Kon­fliktstoff in die Ehe brachte, daß er seinen Kin­dern die Spielsachen fortnahm, um selbst damit zu spielen(Verschulden deS ManneS). Zwölf Ehen wegen Meinungsverschieden­heiten üser die Brauchbarkeit deS Hauspersonals (sämtlich Verschulden des Mannes). Sechs Paare, weil die Frauen selbst zu­gaben, ihre Hunde mehr als ihre Männer zu lieben(Verschulden der Frauen). 112 Paare wegen Meinungsverschiedenhei­ten über Barttracht des ManneS(Verschulden geteilt). 589 Paare wegenungebührlicher Worte" underniedrigender Behandlung"(sämtliche Verschulden deS ManneS; beliebtester und leich­tester Scheidungsgrund). Dazu kommen noch Geiz, Verschwendungs­sucht und sämtliche menschlichen Charakter­schwächen als Schridungsgründe.- Wenn das Auto eine Stadt baut C. C. Los Angeles ist mit seinem weltbe­kannten Bezirk Hollywood eine werdende Stadt- Jn der Fläche ist sie die größte Stadt Amerikas , größer selbst als New Dork mit, seinen 8 Mil­lionen Einwohnern, obgleich es mit den 70 Städten zusammen, mit denen es verbunden ist, nur 1% Millionen Einwohner hat. Die Stadt wächst von Tag zu Tag. Ununterbrochen sind die Stadt» und die Grafschaftsverwaltung da­hinter/ Gelände zu erschließen, mitten in der Stadt, in der Umgebung der Oeltürme, die oft auch in schon sehr belebten Stadtteilen plötzlich vor dem Blick auftauchen; aber noch mehr ist dieses Werden im Außengelände zu beobachten. In den Hügeln von Hollywood , die auf zaube­risch verschwiegenen Pfaden den einsamen Berg­steiger oft in Gegenden versetzen, die es mit jeder Alpenlandschaft an landschaftlichem Reiz aufnehmen, in diesen Hügeln sind ununter­brochen Pioniere am Werk, das Land baureif zu machen, d. h. Straßen zu bauen und in ihren Bauch gleich Waffer-, Gas- und elek­trische Leitungen zu versenken und an ihrem Rand die Straßenlaternen aufzustellen. Das reizt die Bautätigkeit an und di« Stadt wächst, nicht nur Häusern und Bewoh­nern, mit diesen ai «h an Steuerkraft, an Be­deutung. Ein« kluge vorausschauende Politik. An solchen Straßen werden die Häuser oft wie Rester über den Abgrund gebaut. Alle dies« Straßen in die Hügel werden zunächst nur zweispurig gebaut, zwei Autobreiten. Kein Bürgersteig. Wozu auch? Die Fußgänger find eine verschwindende Minderheit. Oft stößt man als einsamer Wanderer erst nach 5 oder 10 Minuten auf das nächste Haus. Die Haus­hunde haben sich dem schon angepaßt. Das noch so lärmende Auw schreckt sie nicht auf, aber den Wanderer bellen sie an. Er ist für sie di« völlig unbekannte Erscheinung. Auch die vier­spurigen Hauptstraßen haben keine Seitenwege für Fußgeher. Im flachen Stadtgeländ«, das sich von den Hügeln bis zur See erstreckt, werden auch die schmälsten Straßen von Haus aus vierspurig angelegt, die meisten in sechs Autobreiten, alle großen Verkehrsadern aber, wenn sie heute auch noch durch Wüsten oder Oelgeliinde führen, ach^spurig. In Los Angeles kommt auf je anderthalb Einwohner ein Auto. Vor der Universität stehen täglich so viele AutoS der Lehrer und Studenten, daß ein Statistiker ihren Wert mit 8 Millionen Dollar errechnen konnte. Solcher rasender Entwicklung eines modernen Ver­kehrsmittels muß ein« Stadwerwaltung natür­lich Rechnung tragen. Darum spart Los Angeles mit dem Platz für Fußgänger und es ist freigebig mit dem Platz für die Auws, und morgen vielleicht wird sie eher für Flugplätze als für Bürgersteige Vorsorgen. Der Mensch auf Rädern öder gar der geklügelte braucht keine Bürgersteige.