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Die Gründung von Sankt-   Petersburg

Von Kurt   Kersten

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Ein Kapitel aus der Biographie ,, Peter| Westen, nach   Europa geöffnet, und toenn es der Große, Von den Ursachen und vom mitten im Kriege geschah, dessen Entscheidung Wesen historischer Größe", die   deutsch im noch nicht gefallen war, hies es, daß Peter ent­Querido- Verlag   Amsterdam erschien und schlossen war, diesen Fleck Erde Sumpf und französisch im Verlag Albin Michel- Paris Morast nie wieder aus der Hand zu geben. erscheinen wird. Das Raubnest", von dem Gustav   Adolf einst gesprochen hatte, sollte russisch bleiben.   Gott hatte wider den   Schweden entschieden, der  Russe sprang über den Bach", und der Ladoga­see war keine Grenze mehr.

Im Frühjahr 1703 belagerte Peter die Seefeste Nyenschanz am Einfluß der   Newa in den Finnischen Meerbusen, ein altes Bollwert, das seit hundert Jahren schwedischer Besitz war und mitten in Sümpfen lag. Zum ersten Male traten fleine russische Kriegsschiffe in Aktion, blockierten die Feste von der Seeseite her, und nach fünftägigem Bombardement ergab sich die Besatzung. Es war am 1. Mai 1703. Sechzehn Tage später ließ Peter in der Nähe von Nyen­schanz auf einer Insel, die den Namen Luft­insel" trug, eine Feste aus Holz errichten und taufte sie auf den Namen seines Schutzheiligen Santt Petersburg.

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In den Sümpfen der Newamündung, am äußersten Ende des Finnischen   Meerbusens, be­fahl Peter den Bau der Stadt, die er in den Rang der neuen Hauptstadt des Reiches er­heben wollte. In   Ingermanland, unweit der  finnischen Grenze, zwischen Ladogasee und Meer, an den Grenzen des Landes in einem Gebiet, das nur mit dem Schwert in der Hand verteidigt werden konnte, und dessen Besitz erst der siegreiche Krieg zu garantieren vermochte, strategisch schwer zu verteidigen, als Hafen ungünstig gelegen, gründete Peter die neue Hauptstadt, allen Feinden, innen und außen zum Trop.

Die Gründung der neuen Hauptstadt war eine Kriegserklärung an alle Gegner im Lande, die mit der Expansionspolitik des Hans delskapitals und seinem großen Eroberungs­programm nicht einverstanden waren; sie war die Preisgabe   Moskaus als Zentrum aller reaktionären und oppositionellen Kräfte, aber fie manifestierte auch den Anspruch des Zaren, im Westen als vollgültiger Partner anerkannt au werden. Hier wurde das Fenster nach dem

Die Gründung erregte Abschen und Ge­lächter. Als Karl den Fall von Nyenschanz und die Gründung der neuen Feste erfuhr, erklärte er den Warnern lachend: Bald nehmen wir uns die Burg wieder!" Und als Peter die fremden Handelsgesellschaften zwingen wollte, mit ihren Schiffen nicht mehr in   Archangelsk, sondern in   Petersburg einzulaufen, weigerten sie sich lange, denn die Fahrt durch den Meer­busen war gefährlich; Sandbänke, Nebel und undichte Tiefen erschwerten die Fahrt; die Ver­sicherungssummen waren fast unerträglich hoch"; der Hafen war im Winter nicht eisfrei und die neue Stadt litt an Ueberschwemmun­gen. Das feuchte Klima berhinderte längeres Lagern der Waren, und Hanf mußte weiter über   Archangelsk exportiert werden.

Im Morast und Sumpf wurde die Stadt auf Peters Befehl erbaut. Aus allen Teilen des weiten Reiches wurden Arbeiter und Bauern nach dem fremden Norden zwangsweise ent­fandt, um die Stadt zu erbauen, für die Beter sich   Amsterdam zum Vorbild gewählt hatte. wohl zweihunderttausend Menschen gingen in den Sümpfen Jugermanlands elend an Hunger, Kälte und Fieber zugrunde. Die schuldlos De portierten arbeiteten in einem unfruchtbaren Gelände, ohne Weg und Steg, ohne Unterkunft und Verpflegung. Nichts war bedacht. Monate­lang hatten die Arbeiter kein Brot zu essen, und später begingen die Verpflegungsbeamten Riesenbetrügereien. Man hatte nicht einmal Handwerkszeug und Materialien vorgesehen.

Rätsel der   Osterinsel reich in Besitz zu nehmen. In den Wirren der

südamerikanischen Bürgerkriege fiel sie dann an  Chile, das sie behielt, ohne sich freilich sonder lich für sie zu interessieren.

1872 besuchte Pierre   Loti die Osterinsel und schrieb in sein Reisetagebuch: Rapa-   Nui bedeutet mir allein schon durch seinen Wort­flang: Traurigkeit, Wildheit, Nacht... Ein treffsicheres Urteil; die   Osterinsel ist wirklich alles andere als ein Südsee- Paradies.

Am Ostersonntag 1772 entdeckte der hol­ländische Seefahrer Roggebeen im östlichen Teil des Pazifit, mehr als 4000 kilometer von der chilenischen Küste, mehr als 1000 Kilometer von den östlichen   polynesischen Inselgruppen der Südsee entfernt, ein einsames, seltsames Eiland. Es war eine große Insel von rund 120 Quadratkilometer Bodenfläche, mit aus gesprochen kontinentalem Charakter und meh reren erloschenen Bulkanen. Roggebeen fand noch andere Merkwürdigkeiten. Da waren große fteinerne Denkmäler, steinerne Tafeln mit un­bekannten Inschriften, verfallene Paläste. Da graphischen Trocadero- Museums, Dr. Paul

gab es natürliches Glas, aber keine Bäume. Da fiel häufig Regen, aber es gab trotzdem weder Teiche noch Bäche; die Erde sog das Wasser auf wie ein großer Schwamm. Und da gab es schließlich noch einige hundert Einge­borene, die eine unverständliche Sprache rede­ten und auch sonst mit den Polynesiern nicht biel Aehnlichkeit hatten. Roggebeen registrierte das alles, hißte die holländische Flagge und fuhr dann weiter. Vorher hatte er der Insel, die in der Sprache ihrer Eingeborenen ,, Rapa-   Nui" hieß, den Namen   Osterinsel" gegeben.

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Die holländische Flagge wehte nur einige Jahre über Rapa-   Nui. Dann kam der Eng­länder Cook. Ihm folgte der   französische See­held La Péronse, um die Osterinsel für Frank:

Erst im März 1934 gelang es einer fran­zösisch- belgischen Forschungsexpedition, in die Geheimnisse der seltsamen Insel ettvas Licht zu bringen. Der Direktor des Pariser ethno­

Rivey, nahm persönlich an ihr teil.

Heute ist man sich darüber einig, daß die steinernen Riesenstatuen, die oft bis zu 40 Meter hoch sind und eine überraschende Aehn­lichkeit mit den Denkmälern der alten Aegypter und Kongovölker aufweisen, keine indianischen oder polynesischen Gößenbilder, sondern Ahnen­figuren einer untergegangenen Menschenrasse sind. Die   Osterinsel ist offensichtlich der letzte Rest eines im Laufe der Jahrtausende vom Meere verschlungenen Kontinennts, der in der Legende ihrer Eingeborenen Waihu genannt wird. Die Hieroglyphen auf den Steintafeln wiederum ähneln auffallend den noch unent sifferten Vor- Sanskrit- Inschriften, die 1932 von dem ungarischen Gelehrten Gevesy im Tal des   Indus entdeckt wurden.

In ihren Rockschößen, ja mit den Händen truts gen die Deportierten die Erde für den Bau der Feste und Häuser herbei. Unfundig, schlecht unterwiesen, nicht erfahren im Bau und Trockenlegen der Sümpfe und   Moore schindeten sich Kirgisen, Tataren, Baschkiren, Kosaken, Kalmüden, Russen zu Tode, starben an Ruhr, Skorbut, verhungerten oder erfroren. Die Leie chen wurden nachts ins Moor geworfen. Wies biele Flüche belasteten die Niederlassung! Wies viele Opfer verschlangen die Sümpfe! Wie schrie es aus Unzähligen zum Himmel über diese verfluchte Stadt in Feindesland!

In weitem Umkreis lag feine menschliche Siedlung; es war ein dünnbevölkertes und auf weite Strecken hin sogar unbewohntes Nie mandsland. Die schwedischen Bollwerke hatten hier gelegen wie die spanischen, englischen und  französischen Forts in den Kolonialländern. Als   Kronstadt erbaut wurde, ließ Peter mitten im Winter die Fundamente unter dem Eise ers richten. Die Peter- Paulsfeste foftete einer unbeschreiblichen Menge Volks das Leben", sie starben wie die Fliegen und wurden vers scharrt".

Als die Stadt erbaut war, wollte sie nies mand bewohnen; da erzwang Peter die Nies derlassung; der Adel von   Moskau und viele Bürger wurden genötigt, ihren Wohnsitz mife zugeben, mußten nach   Petersburg übersiedeln, sich dort Häuser bauen und durften die Stadt nicht wieder verlassen. Die   Deportierten ers hielten Befeht, sich auf dem großen Friedhof, der Stätte. ihrer Knechtschaft, anzusiedeln. Durch Erlasse wurden später in den Gouvernes ments Familien zur Niederlassung angefordert, und Nichtbefolgung des Stellungsbefehles wurde schwer geahndet. Kein Stand, der nicht die neue Stadt und ihren Namen, der nicht eine mal ein russischer Name war, verflucht hätte.

Es war ein Einfall von barbarischer Größe; die Gründung war ein Zeichen, daß in  Rußland eine neue Aera angebrochen war. Das Meer, die Herrschaft an der   Ostsee waren der Wunschtraum der Zaren seit Jahrhunderten. Die ganze Vergangenheit des Reiches war mit diesem Traum verbunden, und   Menschikow

Offenbar waren die Bewohner von Waihu ein kühnes Seefahrervolt, dessen Schiffe weit übers Meer bis   Asien vordrangen und auch mit Indern, Aegyptern und Phöniziern in Berüh rung famen. Darauf deuten nicht nur die Ruinen eines riesigen Palastes im Stil von Angfor hin, dessen Bau von der Ueberlieferung dem mächtigen Waihu- König Hotu Matura zus geschrieben wird, sondern auch ausgegrabene Schiffstrümmer mit funstvollen steinernen Bugs und Heckkonstruktionen, die von der Riesen­flotte des Inseleroberers Tu- Koiu, Des Wikings von Waihu" herrühren sollen...

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Insel, deren 400 polynesische Einwohner sich notdürftig von Fischfang, spärlichem Getreide bau und noch spärlicherer Schiveine wicht er­

Seit vier Jahren hat die geheimnisvolle

nähren, zwei neue Bewohner aufzuweisen. Der des Krieges Kommandant des Krenze: s Dress  deutsche Marineoffizier Hugo Weber, während den", und seine Gattin Hanni Stade, eine  Deutsch- Chilenin aus Santiago, haben bier eine neue Heimat gefunden. Ein Paradies haben sie fich für ihr Robinson- Dasein freilich nicht auss gesucht, aber gerade die Armut und völlige Weltentlegenheit ihrer von feiner Dampferlinie berührten Insel bieten ihnen vielleicht den sichersten Schutz vor unliebsamen Enttäuschun gen, wie sie vor zwei Jahren den Einsiedlern der Galapagos-   Inseln beschieden wurden...

Pierre de Briffacque.