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zonen worden war, riß ab und blieb ihm-wi- scheu den Fingern noch mit einer Fadenspur wie eine verwelkte Blüte. Jeniks Hoffnungen brachen mit einem Schlag zusammen. Die Tränen traten ihm in Üie Augen und das Weinen in die Kehle. Er war unermeßlich unglücklich; denn er sah darin die Strafe dafür, daß er«inen fremden Knopf für sein Glück genommen hatte. Er schluchzte soviel, haß der Rauchfang­kehrer, sich Nlndrehtc und zu ihm trat. '.Was ist dir geschehen. Junge?", frug er. Seine Stimme war ebenso rein, wie der Rauch­fangkehrer verrußt war. : Aber Jentk jammerte heftig und hielt in der beschmutzten Hand den Knopf. Hat dir jemand etlvas gemacht oder hast du etwas verloren?" Die Hand des Rauchfangkehrers fuhr Jeuik über den Kopf wie eine warme Welle. Ich habe einen Knopf genommen", brachte er heraus. Ich wollte ein Schloß und eine Pome­ranze. Deshalb habe ich gestern einen Knopf ge- nominen." Und begann wiederum zu weinen. Und wem gehörst du?" Jentk wußte nicht, wem er gehört. Er ge­hörte niemanden, obgleich es dem Menschen so gut tut, wenn er jemandem gehören kann. Der Rauchfangkehrer nahm den verwein­ten Jenik bei der Hand und führte ihn mit sich. Seine Hand war schwarz und voll von Ruß, aber Jenik verwandelte sich unter ihr in em reuiges Lamm. Der Rauchfangkehrer führte Jentk in ein kleines Haus gerade in das gleiche, in dem gestern das Mädchen verschwunden war. Mutter und Lido ich bringe euch einen Jungen, der weint, weil ex ein Schloß und eine Pomeranze haben wollte." Ich weine nicht deshalb", sagte Jemk, sondern deshalb, weil ich einen Knopf genom­men habe."/ Ein Schloß und eine Pomeranze können wir dir nicht geben", sagte die Frau des Rauch­fangkehrers,.aber wir geben dir ein Miitag- effen.". Und sie gaben ihm,.Sie setzten ihn zum Tisch Und nötigten ihm einen.vollen. Teller Suppe auf. Auf det einen.Seite saß der Herr Rauchfangkeh­ rer schon rein und getvaschen, auf der ande­ren Seite seine Frau und gegenüber Lida, die gestern den Knopf verloren hatte. Sie stellten an ihn gute und freundliche Fragen und Jenik antwortete. Zeit seines Lebens hatte er nicht soviel erzählt wic damals. Alles erzählte er, wie er allein ist, wie er das Glück wollte, wies er den Knopf suchte und wie alles ausgefallen.ist,. Der Herr Rauchfangkehrer und seine Frau lachten. Lida schaute auf ihn mit ernsten und verwunderten Augen und die Suppe rauchte und roch wie der Weihrauch der Kirche. Du gefällst mir. Junge", sagte schließlich der Rauchfangkehrer,.und wenn du willst, kannst du bei uns bleiben und ich lehre dich Rauchfangkehrer. Ohnehin. ist es Lida allein traurig." Seine Frau nickt« mit dem Kopfe und Lida blitzte es in den Augen. Jenik nickte freudig und seine große Freude verbarg er hinter einem großen Stück Fleisch,, damit fie ihm nicht ent­läuft. Denn da ging das Essen nicht in den Magen, sondern gerade ins Herz. Jenik lernte Rauchfangkehrer. Rauchfangkehrer sein, heißt die Leute glücklich machen. Aber dem Rauchfangkehrer kann das Glück nicht durch einen Knopf begeg­nen. Weil er das Glück trägt, kann er davor nichts nehmen..'

Aber Jenik merkte nicht, daß er von dieser Gnade ausgeschlossen ist, und er war glücklich, auch wenn er wußte, daß er selbst als Rauch­fangkehrer sich nicht beim Knopf packen kann vor einem anderen Rauchfangkehrer, um sich d». Erfüllung dessen zu wünschen, was er sich er­sehnt. Er kroch über hohe Dächer um den Hiimncl herum und ließ sich durch die Kamine zu den Verschtvärzten Feuerstätten. Die Leute hatten ihn gern, tveil er die Kamine zu reinigen ver­stand, so daß die Speisen, die man unter ihnen kochte, den reinsten Kanarienvögeln glichen. Er bereitete der Sonne und der Luft den Weg zum menschlichen Feuer. Das ist> eine gute Arbeit.. Die Zeit rann dahin wie das Wa'ser und Jenik wuchs wie aus dem Wasser. Der Herr Rauchfangkehrer war mit ihm zufrieden, die

Frau hatte ihn gerne und Lida? Ach, di» hatte ihm schon längst verziehen; nicht nur das, daß er ihr einmal einen Knopf genommen hatte, sondern auch das» daß er sich sie genommen hatte. Damals war schon Lida wie eine Birke emporgewachsen und Jenik war wie eine Buche. Wenn ihr ihm einmal begegnet, erkennt ihr ihn leicht. Er sieht aus wie jeder andere Rauch­fangkehrer, aber er hat die Taschen voller Knöpfe und gibt fie jedem, dem sie auf dem Rocke fehlen, denn er will das Glück nicht nur den einen bringen und den anderen nicht. Rauchfangkehrer sein, heißt, die Menschen glücklich machen, die Kitöpfe haben. Bis alle Menschen Knöpfe haben werden werden alle glücklich sein. (Deutsch von Bruno Schwab.)

Die Hirten von Tres Casas

Das Dorf Tres Casas liegt im Tal des Jücar, in der Provinz Albacete , da, lvo die bergige Landschaft Murcia und die weite Ebene der Manch«, Don Quijotes Heimat, zusammen­stoßen. Ueber die Hügel am Jücar zogen die drei Hirten Vicente,- Pablo und Domingo mit ihrer Herde. Es, waren die Schafe von sechs Gemeinden, aber die Hirten - stammten nur aus zweien: Pablo und Domingo waren in Tres Casas zu Hause, einem Flecken bei Alatoz; Vicente war aus Zapatal, das jenseits des Flusses am Abhang der Sierra Marte lag. In der Bewachung der vierhundert Schafe wurden sie von zwei- dürren, zähen, grauen Hunden unterstützt, die wie- Wölfe aussahen und sich Fremden gegenüber auch so benahmen. Die Schafe weideten, verstreut, das spärliche Gras dar fast baumlosen, von der Sonne überglühten Hügel ab; langsam, beinahe feierlich schob sich das wollige Heer über die Berghänge, die Flanken der Höhenzüge entlang, in Seiten­täler und Schluchten einbiegend, Kämme über­schreitend und jenseits niedersteigend. Kam der Abend, lagerten sich die Tiere, von den wolf­artigen Hunden zu dichtgedrängter Masse zu­sammengetrieben, zu einem geschlossenen Fleck mit unregelmäßigem Rand; von ferne sah es aus, als sei der Hügel mit gelblichtveißem Aus­satz bewuchert, in dem braunschwarze Schorf­flecken krustejen. Die drei Schäfer ruhten, in ihre Mäntel gewickelt, auf der Erde wie ihre Tiere. Die Hunde schliefen am Rande des Lagers einen wachsamen Schlaf; jede Unruhe in der Herde ließ sie den Kopf hochwerfen und scharf hinauswittern, ab und zu erhob sich der eine oder andere und umschlich lautlos, mit gesenktem Kopf, lauernd das Lager. Oft war die Herde tagsüber über Hunderte von Quadratmetern zerstreut; das Gras wuchs nicht in Wiesen; die Schafe mußten die in Spalten und Rinnt», in kleinen Mulden und auf Felsabsätzen wuchernden Büschel Stück für Stück aufstöbern. Die Hirten sahen oft tagelang nichts voneinander. Es. kam vor, daß ein Teil der Herde mit dem einen der Schäfer weit ent­fernt vom Haupttrupp lagerte, da, wo er eben zurückgeblieben oder wohin er schon borausge- wandert war. An einem Sommertag des Jahres 1824 befand sich der Vortrupp der Herde im Abstieg nach einem kleinen Tal, auf besten Grund von ferne das gelbliche Grün einer kleinen Wiese leuchtete- Dort mußte auch Master sein. Die Tiere witterten es und hielten sich bei den spär­lichen, rauhen Berggräsern nicht lange, auf; sie wanderten rasch bergab: es war, als rutsche, ein helles Stück Erde zu Tal.

Durch die weidenden Schafe stieg ein Mann herauf. Es war«in junger Bursche mit spa­nischem Gesichtsoval und mädchenhaft schönen Zügen. Als er bei dem Schäfer angelangt war, grüßte er lächelnd:Buenos tardeS, amigo". Dann griff er in die Tasche, brachte eine Hand­voll Tabak zum Vorschein und bot dem Hirten an, bevor er sich eine Zigarette drehte. Als die ersten Züge geraucht waren, erkundigte sich der Fremde höflich nach der Zahl der Schafe, nach dem Zustand der Weid«, nach dem Ergehen des Schäfers. Dann schickte er fich zum- Gehen an, fragte aber nebenbei:Wie weit habe ich's noch bis nach Zapatal?"Welches Zapatal? Viel­leicht in der Sierra Marti?"Ja", sagte der Junge lächelnd,gerade dorthin will ich". Der Hirte, Bicent«, erklärte es ihm genau, auf eine Weise und unter Angabe von Merkmalen und Zeitfchätzungen, womit kein Städter etwas hätte anfangen können, die aber dem jungen Bauern ohne weiteres verständlich waren; denn er sagte nickend:MuchlsimaS graciS, compadrel" und verabschiedete sich. Schon war er einige Meter bergauf gestiegen, da rief ihm Vicente noch nach: Und wen willst du denn in Zapatal sehen?" Ich muß eine Bestellung machen bei Vicente Sotelo."Dann spar den Weg; das bin ich." Als der Großteil der Herde auf der Höhe des Berges erschien, sah Pablo Llano gerade noch Vicente mit einem anderen über die kleine Wiese im Talgrund gehen und dem Jücar zu­wandern. So behauptete er wenigstens zuerst vor der Polizei. Vicente kehrte nicht zurück. Die Schäfer trieben ihre Herd« weiter. Im September kamen sie, nachdem sie den Jücar überschritten hatten, an den Hang der Sierra Marte. Eines Tages kamen Leute aus Zapatal vorbei. Sie kannten die Herde und die Hirten und fragten nach Vicente. Die Schäfer sagten, er sei fort­gegangen und nicht wiedergekommen.. Acht Tage später kamen zwei Guardias den Berg herauf. Als ihre schwarzen Läckhüte, die Gewehrläuf« und das gelbe Lederzeug auf­tauchten, sagte Domingo:Caramba, die suchen Wohl wieder so einen armen Teufel, der dem Gutsherrn eins in die Freffe gegeben hat." Pablo war noch unanständiger und jagte Caracho! Wenn sie sich nur das Genick brä­chen!" Er spuckte aus. Sie taten, als sähe» sie die Gendarmen nicht. Kein Spanier, der auf sich hält, spricht mit einem Mitglied der Guardia Cicil, wenn es nicht sein muß. Ans Haß nicht, und aus Furcht nicht. Aber die Guardias kümmerten sich nicht um die Nichtachtung. Sie traten auf die beiden