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mehr als bekömmlich zugesprochen hatte, drehte man sich zu der rasch improvisierten Geigen und Flötenmusik einer durch den Lärm herbei­gelodten Bigeunerbande, in wiegendem Wal­Bertoft, in den furzen Rhythmen amerikanischer Plodetänze oder auch, und dies war ein Höhe punft für die teilnehmenden Bulgaren, Hand in Hand gefaßt, in dem raschen Schwunge eines flawischen Rundtanzes.

Erst zu einer sehr späten Stunde trennte man sich. Franz Werther hatte es nicht weit 3. dem Hause seines Gastgebers, aber die ange­regte Stimmung, in der er sich befand, und vielleicht auch ein dunkles, nach Tanz und Al­kohol doppelt starkes ungewisses Verlangen nach irgendeinem Abenteuer trieb ihn dazu, einige Kameraden noch ein Stück auf ihrem Heimweg über die Wardarbrücke hinüber zu begleiten. Es mußte sehr spät gewesen sein, als er sich von ihnen trennte, die tags so, belebten Gassen waren ganz menschenleer, und um so mehr wunderte er sich, als er auf dem Rückweg kurz vor der Brücke plötzlich einer Frau begegnete, die irgend wie schen und doch offenbar in zweideutiger Absicht mit einer kleinen schwarzen Kaße auf dem Arm in jenem langsamen und suchenden Schritte einherging, der Absichten vermuten läßt und Anknüpfungen erleichtert. Als er mit einigen raschen Schritten auf sie zu fam, staunte

er.

Sie hatte ein schmales, blasses Geficht, dessen Blässe noch durch die etwas ungeschickt und offenbar ungeübt angemalten roten Lippen unterstrichen wurde. Die Augen waren blau, weich und schwermütig, das Haar blond und zu einem dichten Knoten geschürzt. Die etwas rundliche und dabei doch feine Nase, die scharf hervortretenden Backenknechen, alles das ließ vermuten, daß sie eine Slawin war, die nicht dem eigentlichen mazedonischen Milieu ent­stammte. Franz sprach sie an. Sie blieb etwas verschämt, aber doch bejahend stehen. Sie wies die paar Brocken seiner bulgarischen Umgangs sprache in einem von österreichischen Atzent ge­tragenen einwandfreien Deutsch zurück. Sie können mit mir deutsch sprechen, ich kenne Ihre Muttersprache gut." Franz Werther staunte. Wie kommt das, haben Sie sie in so furzer Zeit hier erlernt?"" nein, aber woher ich deutsch kann, das wird Sie ja wohl kaum inter­effieren." O doch", beharrte Franz. Ich bin eine Serbin. Ich habe als junges Mädchen in Belgrad eine österreichische Schule besucht."

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zierliche Gestalt und ihr einfaches schwarzes halten." Er ging auf das Brot zu, es war wie Kleid ließ die Formen start hervortreten. Der fein Symbol. Der Laib des Brotes lag lang Trieb in ihm siegte. Er mochte sie nicht von sich und prall hingestreckt, der Teig quoll unter der weisen. Wohnen Sie hier in der Nähe?" war Kruste weich und begehrlich hervor. Er brauchte seine Antwort. Nur wenige Schritte weit." bloß sein Messer zu nehmen und hineinzuschnei Indes sie miteinander sprachen, waren sie schon den, dann brach es saftig auseinander. unmerklich in einer Seitengasse angelangt und zögerte einen Augenblick, da war die Grammo­machten vor einem kleinen, sauberen Hause phonplatte abgeschnurrt, er lief rasch zu dem halt, das wie alle Gebäude in Skoplje unter Apparat, griff wahllos nach den wenigen Plat­den Kriegsjahren Schaden genommen hatte, aber ten und legte eine andere auf. Eine feurige doch erkennen ließ, daß darin früher ein gewis- Marschmusik begann. Es war die Warscha fer bescheidener Wohlstand, vielleicht der eines wjanka. kleinen Beamten geherrscht haben mußte. Die Serbin zog aus ihrer zerschrammten Handtasche einen schweren Schlüssel und schloß die Tür auf, die fnarrend nachgab. Gleich am Eingang des Raumes stand ein Leuchter, den sie entzündete, und in dessen ungewissen Halblicht Franz die färglichen Reste einer europäischen Einrichtung in Gestalt eines abgenutzten Sofas, eines Tisches und weniger Stühle erkannte. In der Nähe einer anderen Tür, die in ein weiteres Bimmer führen mochte, stand auf einem Schemel ein altes, etwas verbogenes Grammophon mit einem großen Schalltrichter, wie er früher üblich war.

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Sie haben die Warschawjanka?". Ja. sagte die Frau, von früher her. Mein Mann hat sie so geliebt, er ist eigentlich Russe gewesen. Wo Er mußte vor der Zarentnute fliehen." ist er jetzt?" Irgendwo im serbischen Heer. Er kam nach dem Balkankrieg mit mir hierher als Lehrer. Dann mußte er fort, und ich blieb zurüd. Zuerst gab ich einige Sprachstunden, aber dann ging das auch nicht mehr. Und jetzt, jeßt..." Indem öffnete sich die Tür, zwei fleine flachsblonde Jungen, die offenbar von den lauten Klängen der Warschawjanka geweckt worden waren, schauten neugierig und schlaf­trunken durch den Spalt. Sie sahen nicht recht, Die Serbin sette sich. Bitte, nehmen Sie was vor sich ging, sie saben im Grunde nur Play." Franz gehorchte der Aufforderung noch eines: neben dem Leuchter das frische, glän­nicht, sondern legte auf den Tisch neben die zende, knusprige Brot. Und ihre kleinen Stimmi­Kerze, das große braune Kommißbrot. Dann chen ließen auch den, der die Sprache nicht vers ging er, um irgendwie einen Anlaß zu haben, stand, ahnen, worum sie die Mutter baten. die Situation zu lockern, auf das Grammophon Franz ahnte noch mehr. Er verstand jetzt, wes­zu. O, Sie haben ein Grammophon? Spielt halb diese Frau in ihrer höchsten Verzweiflung es noch? Haben Sie auch Platten?" Indes jah unter dem Schuße der Nacht diesen Weg gegan er schon, daß neben dem Grammophon in einem gen war. Sein Begehren verflog. Er fah Winkel einige Platten Tagen. Er griff eine nichts, als den unsäglichen Jammer, die tiefe wahllos heraus und setzte sie auf. Das Gram- Erniedrigung und den Abgrund des mensch mophon spielte krächzend, aber doch deutlich die lichen Leids." Nehmen Sie das Brot, ich habe Serenade von Toselli. Die Musik ließ in ihm feine Zeit, ich komme ein andermal wieder." wieder alle Wünsche und Begehrungen wach Sie schaute ihn fast verständnislos an. Dann werden. Er trat an den Tisch zurück und sah entspannten sich plötzlich ihre Züge, zwei schwere die Frau sich gegenüber. Sie saß auf dem Tränen standen zwischen den Augenlidern, müh Sofa, er hatte den Eindruck: sie sucht sich be- felig erhob sie sich, ging stumm mit an die Tür gehrlich zu machen, aber sie ist irgendwie scheu und sagte zum Abschied nichts, als ein Wort, das und unglücklich. Das ließ ihm von neuem in ihm nachklang, als er raschen Schritts durch zögern. Plötzlich kam er auf eine ungeschickte die Gassen heimkehrte; sie sagte: Kamerad." Ausflucht. Wollen wir etwas essen?" schlug Auf dem Tisch lag im Schein des verglim er bor. Ich habe nichts da, aber brechen Sie menden Lichts das große runde, knusprige Brot, doch von dem Brot ab, ich würde schon mit- I ungebrochen.

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Franz wunderte sich, ein Straßenmädchen, das Die internationale Freundschaftswoche

die höhere Schule in Belgrad besucht hat? Selt­sames Abenteuer in der späten Stunde dieser mazedonischen Stadt. Kann ich Sie vielleicht begleiten?" Plötzlich freilich besann er sich: sie wird Geld von mir haben wollen, und ich habe nichts bei mir. Er sah sie mit einem furzen Seitenblick an und wußte nicht recht, wie er sich ihr verständlich machen sollte. Ich gehe gern mit Ihnen mit", sagte er plößlich mit der un­gehobelten Gradheit eines Menschen, der am Schliff und Politur gekommen ist. Aber ich habe nichts für Sie bei mir." doch", ent­gegnete sie, und wies auf seinen Brotbeutel, den er gewohnheitsgemäß bei sich trug, und in dem ein großes frisches, knuspriges Kommiwbrot stedte. Ein Kamerad hatte es ihm auf dem Heimweg gegeben, als er darüber flagte, er habe es bei seiner Ankunft versäumt, sich bei dem Verpflegsdienst seine morgige Brotration aushändigen zu lassen. Mit einem scheuen und begehrlichen Blick fuhr die Serbin fort: Nur das Brot möchte ich von Ihnen haben, nur etwas Brot:" Haben Sie Hunger?" entfuhr es ihm. Nicht ich, aber ich brauche das Brot dringend, sogar sehr dringend. Sonst hätten Sie mich nicht so spät hier angetroffen." Franz war etwas beklommen zu Mute. Sollte er ihr nicht einfach das Brot geben und weitergehen? Aber dann sah er sie wieder an, sie hatte eine

Von Max Winter( Los Angeles)

Amerika erfreut sich seit Jahren einer in Europa so gut wie gar nicht bekannten kulturellen Einrichtung. Die dritte Maiwoche ist an allen Schulen der Vereinigten Staaten der Pflege internationaler Freundschaft gewidmet. Inner­halb dieser Woche muß jede Schule des weiten großen Reichs mit den Kindern ein Fest veran­stalten, das der Pflege internationaler Freund schaft dient.

Dieses Fest entsprang dem großen Pro­gramm, die Gegenwarts- und Zukunftsbürger der Vereinigten Staaten zu erziehen. Wird ein Europäer von gestern in den frohen Zauber sol­cher Festlichkeiten hineingezogen, so drängt sich ihm unwillkürlich der Vergleich mit den europäi­ schen Völkerkäfig auf, in dem ein Volt gegen das andere um elender Herrschaftsgier willen gehezt wird, in dem alle zittern müssen, von einem Tag zum andern, ob nicht irgend ein Verantwor­tungsloser, irgend ein Machtbesoffener zum Werkzeug der Raubgier wird, in dem die In­fassen des Käfigs von einem Tag zum andern fürchten müssen, daß der Sohn, der Gatte, der Vater am nächsten Tag marschieren muß, um den Nachbarn zu töten oder von ihm getötet zu werden, obgleich beide besten Willens find,

miteinander Frieden zu halten.

Wie anders Amerika! Da ist Ost mit West nicht verfeindet oder mit den Mittelstaaten, die Mitte will nicht Krieg gegen West oder Ost, der Süden rüstet nicht gegen den Norden, er gibt den Kindern nicht Alpinistöcke als Ehrenzeichen, daß sie Zukunftssoldaten sind für den Zug über die Alpen, Ehrenzeichen, gewissermaßen in Bors schuß. Gewiß, auch Amerika hat in Ost und West eine andere Welt, der Norden des Missis= sippi schaut andere Menschen als der Süden des Stroms; gewiß lebt im heißen Arizona oder im Süden Kaliforniens ein anderes Volk als in Nord- Dakota oder an den großen Seen im Norden Mittelamerikas einem sind sie alle gleich: Allen Staaten ist dieselbe kulturelle Linie vorgezeichnet und sie alle halten sie ein, so gut sie es nur vermögen. Ja, ein edler Wetteifer, dem andern darin zu­vorzukommen, ist oft zu beobachten. Die erziehe­rische Beeinflussung von jung und alt von Staats wegen gibt dieser kulturellen Linie Rich­lung.

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aber in

Eines Tages flingelt das Telephon. Die Stimme einer Schweizer Frau: ,, Wollen Sie nicht für mich am 18. Mai zu den Kindern einer Schule über internationale Freundschaft spre­