Sonst trampeln Ihnen die draußen den Fußboden durch die dummen Tiere."

Der Statist schminkte sich, zog den Rod des Toten an.

Zwei Bühnenarbeiter drückten dem Komiker die Augen zu und schlossen schweigend die Tür feiner Garderobe.

Der Inspizient trat vor dem Vorhang.

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,, Herr X. ist von einem heftigen Unwohl­sein befallen worden und außerstande, feine Rolle durchzuführen. Herr V. springt für ihn ein und bittet um Ihre gütige Nachsicht."

Es wurde dunkel im Saal, Ruhe trat ein. Der Vorhang wurde aufgezogen, das Spiel ging weiter.

Der Tod im Schacht

Westlich von Lens, im franzöſiſchen De­partement Pas- de- Calais , wenige Kilometer von der kleinen, Bahnstation von Billy- Montigny entfernt, ragen die Schlote der Kohlenminen von Tourières in die Luft. Ueber vierzehn Schächte wölben sich die eisernen Wespennester der Fördertürme und bliden starr auf die kahle, ausgedörrte Erde herab, wo die schwarze Kohle herrscht, wo die Bäume nicht grün, sondern von Kohlenstaub dunkel sind, und die Chauſſeen nicht weiß, sondern schwarz.

Am 10. März 1906 fuhren mit der ersten Schicht 1800 Arbeiter in die Schächte ein. Es war fünf Uhr morgens. Auch in den Bureau­ſtuben regte sich bereits das Leben, die Lohn­listen wurden bereitgelegt, denn es war Sams= tag und in den kleinen Häuschen der umliegen den Dörfer bürſteten die Frauen die Sonn­tagskleider ihrer Männer, die in die schwarzen Schächte eingefahren waren. Denn morgen sollte ein Sonntag sein, der Tag des Herrn und der Ruhe.

Um halb fieben Uhr früh ertönte plößlich ein knall, ein recht schwacher, den man in den Räumen der Ingenieure- kaum hörte. Trotzdem hoben die Ingenieure die Köpfe. Denn sie wuß­ten, daß es im Schacht 3 seit vielen Tagen brannte. Sie wußten, daß bereits die Holzver­

Tag für Tag gingen die Bergungsarbeiten weiter. Tag für Tag kam es bei dem Vorbei­marsch der Angehörigen vor den offenen Sär­gen zu herzzerreißenden Szenen. Selbst die Soldaten, die die Särge bewachten, brachen in Schluchzen aus. Es gab Frauen, die noch am dritten und vierten Tage nach dem Unglück aus­harrten und fest daran glaubten, ihre Männer tönnten in irgendeinem abgeschlossenen Winkel der verschütteten Gruben noch am Leben sein. Um diese Zeit gab es noch gewiß Hunderte von Menschen, die tief unten, von Licht und. Luft abgeschlossen, um das Leben rangen. Francis eindringen konnte, erfüllten bereits giftige Gase Laure, einer der größten französischen Spe= die Schächte und halb erſtidt wurden die Ret- zialisten für Grubenfragen, behauptete, daß tungsmannschaften wieder hinaufbefördert. Die sicherlich noch viele von den verschütteten Arbei­französischen Minen besaßen damals noch keine tern am Leben seien und forderte weit ener­Schußhelme und Sauerstoffvorrichtungen und gischere Betreibung der Rettungsarbeiten. Die um die Mittagsstunde war es schon gewiß, daß Ingenieure glaubten ihm aber nicht. Sie gaben unten noch 1219 Menschen mit dem Tode die Verschütteten preis und beschränkten sich rangen. darauf, das Feuer zu bekämpfen und Leichen zu bergen. Erft viel später stellte es sich heraus, daß Laure recht hatte und daß man bei einer ener­gischen Betreibung der Arbeiten noch viele hätte retten können.

Die nicht in dem Feuer verkohlten, nicht von den giftigen Gasen erstickten, waren dem Hungeriode preisgegeben.

schluchzend vor den Eingängen und warteten auf Zweitausend Frauen und Kinder standen ihre Männer, Brüder und Väter, die nicht mehr kommen sollten. Ein Ingenieur tam aus dem Schacht 3 heraus und rief weinend: Sie leben noch! Sie leben! Sie haben gegen die Wasser­leitung geklopft und wir haben es gehört!" Sie lebten wirklich noch. Aber eine Rettung war nicht

möglich.

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Das war das Entsetzliche an dieser Kata­strophe man wußte, daß dort unten noch Hunderte von Menschen, lebten und mit dem Tode kämpften, man stand aber ratlos da.

Zwei Tage lang arbeiteten die französischen Rettungsmannschaften, aber sie konnten kaum etwas ausrichien, da sie mangels genügender

Von einer Wiederaufnahme der Arbeit konnte ſelbſtverſtändlich keine Rede sein. Im Gegenteil in den benachbarten Gruben traten die Arbeiter in den Streit und das höchst ungeschickte Auftreten der Bergwerksgeſellſchaf= ten trug nur zu einer wesentlichen Verschärfung der Lage bei, so daß am 20. März die Zahl

der Streitenden bereits achts

zigtausend betrug.

Am 28. März, also achtzehn Tage nach der Katastrophe von Courrières wurden in einer verschütteten Galerie des Schachtes 3 vier zehn Bergleute lebendig aufs gefunden. So erfreulich die Tatsache an sich war, so schwer wurden die Folgen. Die Ankla gen gegen die Ingenieure der

ber=

schalungen vom Feuer ergriffen waren, aber sie Schutzvorrichtungen nicht in die von giftigen dichteten sich zu einem Sturm efelliflar,

hatten geglaubt, daß keine Gefahr vorhanden ſei und deshalb haben sie die Belegschaft ein­fahren lassen. Behn Minuten später hörte man einen zweiten Knall, einen viel schärferen und ganz knapp darauf einen dritten. Jest stürzten die Ingenieure hinaus, an ihrer Spike Herr Leon, der Chefingenieur der Minen von Pas­de- Calais. Als sie die ersten Schächte erreichten, begegneten sie Männern, das Gesicht von Koh Tenstaub schwarz und von Blut rot. ihre Hände zitterten, in ihren Augen saß das Grauen und fie schrien, nein, sie brüllten, und heulten: Le grisou!"

Es war aber kein schlagendes Wetter. Nein. Das Feuer, das die Ingenieure dadurch be­kämpfen wollten, daß sie ihm die Auswege und Luftzufuhren verstopft hatten, rächte sich. Es haben sich Risse gebildet, die vom Feuer zer­fressenen Holzverschalungen gaben nach und stürzten ein. Auf Hunderte von Metern waren die unterirdischen Gänge der Schächte, dreihun­dertfünfzig Meter tief im Bauch der Erde ein­gestürzt und hatte die Arbeiter eingeschlossen.

Achtzehnhundert Menschen waren am Mor­gen dieses Tages in die Schächte eingefahren, sechshundert von ihnen wurden bis zu den Mit­tagsstunden hinaufbefördert. Die übrigen zwölf­hundert waren unten, versperrt hinter den Mauern des eingestürzten Erdreichs. Man wußte, daß sie unten waren, daß sie dem Er­stickungstod, dem Verhungern preisgegeben waren, und man wußte, daß man sie nicht wird retten können. Hunderte von Metern dick waren die Erdreichmassen, die sie in ihrer tödlichen Umflammerung hielten.

Gafen erfüllten Schächte eindringen konnten. Sie arbeiteten nur daran, die Eingänge zu den verschütteten Schächten wieder freizulegen.

Da traf am 12. März in Courrières eine aus 18 Männern beſtehende deutsche Rettungs­mannschaft ein. Diese Mannschaft, die mit Schutzhelmen und Sauerstoffapparaten ausge­rüstet war, vollführte in den nächsten Tagen wahre Wundertaten an Aufopferung und Hel­denmut, und die ganze Welt zollte ihr das höchste Lob und die höchste Anerkennung. Kaum von der Bahn gestiegen, ließen sich die Deut­ schen sofort zum Oberingenieur führen und stie­gen sogleich in die verschütteten Schächte ab. Um elf Uhr abends ließ sich die erste Gruppe ab­lösen. Die zweite arbeitete ununterbrochen bis zum Morgengrauen weiter. Es war eine grauen­hafte Arbeit. Auf Schritt und Tritt trafen sie auf verkohlte Leichen, die schon in Verwesung übergegangen waren und die sie mit Kalt überschütten mußten. Pferdeleichen versperrten ihren Weg, mühselig mußten ſie erſt Schutt und Erdreich forträumen, nur ganz langsam, meter­weise kamen sie vorwärts, Bis Mitternacht hat­ten sie zwanzig Leichen geborgen. Es war eis­falt draußen, in großen Floden fiel der Schnee und im Schneetreiben warteten draußen vor den Eingängen Hunderte von Frauen auf die Leiche des Vaters, des Sohnes oder des Gatten. Bis Mittag des nächsten Tages waren die Deutschen achthundert Meter weit vorgedrungen. Bei jedem Schritt trafen sie auf eine neue Leiche. In allen möglichen Stellungen lagen die Leichen der Un­glücklichen da, mit zusammengekrümmten Glie­dern oder aufrecht gegen die Grubenwände ge­Iehnt. Die meisten waren erstickt...

Man machte sich an die Rettungsarbeiten. Immer und immer wieder versuchte man, in Am Mittag wurden die ersten Leichen be­die verschütteten Schächte einzudringen, aber graben. Der Bischof verlas eine Depesche des bergebens. Wo man einige hundert Meter weit| Papstes.

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daß Laure recht hatte, als er vor zwei Wochen noch behauptet hatte, daß in den verschütteten Schächten noch viele Arbeiter am Leben sein müssen. Die vierzehn Bergleute, die achtzehn schreckliche Tage lang verschüttet waren, konnten ihre Reitung einer ganzen Kette von glücklichen Zufällen verdanken. Sie befanden sich im Augenblick des Einsturzes in einer abgelegenen Galerie und wurden nicht verschüttet. Sie bahn­ten sich mühevoll den Weg in die Richtung, wo sie eine Ausgangsmöglichkeit vermuteten. Sie hatten weder Licht, noch Werkzeug, die Lampen waren ausgegangen, sie arbeiteten nur mit ihren Haden, stolperten über die Leichen ihrer Kameraden, aimeten die verpestete Luft, hun­gerten drei Tage lang da trafen sie zu ihrem Glück auf einen unterirdischen Pferdestall, wo sie Rüben, Heu und Hafer vorfanden. Aus die­sen Vorräten nährten sie sich. Sie hatten auch etwas Wasser vorgefunden und offenbar drang durch irgendeine Spalte auch frische Luft in den Stall hinein. So blieben sie am Leben. Ihr Führer, der achtunddreißigjährige Henri Némy, wurde der Held von Courrières . Als man die bierzehn ans Tageslicht brachte, stiegen sie müh­selig, taumelnd aus dem Förderkorb und hielten die Hände vor den Augen, da sie achtzehn Tage lang kein Licht gesehen haben. Das Licht des fahlen Morgens blendete sie, als ob sie in die Sonne gesehen hätten. Sie waren sehr erschöpft, aber vollkommen geistesklar. Man bettete sie auf Stroh und gab ihnen Milch. Sie wollten immer essen und sprachen beängstigend viel, so daß ihnen die Aerzte das Sprechen verbieten muß ten. Während der ganzen Zeit glaubten sie, wie fie erzählten, fest daran, daß man sie retten würde, und unterhielten sich damit, was man mit ihnen wohl anfangen würde, wenn sie wie­der oben erscheinen. Zu den seltsamsten Episoden