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Freunde und Feinde durch seinen Lerchenge fang aus blauer Himmelhöhe zu überraschen. Er starb nur 36 Jahre alt, alt genug, um seine Dichtkunst nicht zu überleben, wie es manchem alternden Dichter zum Verhängnis wird. Seine Ideen überlebten aber ihn. Die Osloer Jugend ist von seinem Geiste geprägt. Größte Lebensfreude und zugleich ein starker kämpferischer Geist.
Wenn im Zwielicht der Dämmerstunde die nordische Nacht sich über den Karl Johan herniederſenkt, beginnen an allen Straßeneden, auch vor dem Universitätsgebäude, die abendlichen Ansammlungen der Osloer Jugend. Stumm stehen die lebensgroßen Statuen zweier Gelehrten, die zugleich große Publizisten waren, an der Univerſitätsfront: Der Historiker Munch und der Philosoph Schweingaard. Sie wundern sich wohl im Stillen, daß der diskutierenden bürgerlichen Jugend sich, was zu ihrer Zeit nicht der Fall war, auch die jungen Arbeiter gesellen. Diejenigen, die Arbeit haben und auch solche, die arbeitslos find. Manche von ihnen sehen müde und refigniert aus, die anderen nehmen aber den regften Anteil an den Debatten, die an jedem Edchen des Karl ohanns entstehen.
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hen, und stilvoll und bescheiden promenieren die munteren und lebensfrohen jungen Deloer Mädchen von Gruppe zu Gruppe, hier lächelnd und ihre männlichen Freunde. begrüßend, dort sich den Gruppen anschließend und sich an der Diskussion beteiligend. Auf dem Fahrdamm aber reiten jeden Abend zwei Bolizisten auf und ab: Vom Bahnhof in die Tiefe der tonfaven Straße am" Grand" und
aus der Tiefe in die Höhe bis etwa zum Schloßpart. Sie reiten auf und ab, fie haben nichts zu tun, und nur die Vorschrift läßt sie nicht vor Langweile gähnen. Müde ziehen sie sich in die Polizeikaserne zurüð, nachdem gegen 1 Uhr nachts der leßte eifrige Bolemist, sei es ein Student oder ein Arbeiter, die in der Welt einzig dastehende politische Straße Oslos verlassen hat. M. S.
Parsifal in der A.G.
Von Reinhold Werner
Auf Fräulein Osterheinrichs Schreibtisch schrillte das Telephon. Sie hatte keine Zeit, den Hörer abzunehmen, denn fie mußte im Retordtempo den eiligen Brief an die Universitas schreiben. Die Taſten ſchnurrten aufs Papier wie Perlen von einer Schnur.
Fräulein Quartsch, die Privatsekretärin, schnellte mit der rechten Hand nach dem Hörer, ohne aber dabei die linke aus dem Kartothet: fasten zu nehmen, in dem sie aufgeregt herumfribbelte. Herr Rabe wischte sich den Schweiß ab und wühlte raschelnd in einem Schnellhefter.
Der Fremde geht an den Gruppen vorht an den Gr bei und bleibt an dieser oder jener Ede stehen. ,, Hallo! Wer?" rief Fräulein Quartsch ins Er hört zu und lauscht,- feiner nimmt es Telephon. ,, Wer? Nein, kommt nicht in Frage! ihm übel, weil die diskutierende Jugend nichts Herr Generaldirektor ist in einer Konferens! zu verbergen hat. Die Verfassung garantiert Nein, Herr Wams hat Sizung! Nein! Hert jedem Bürger die volle Meinungsfreiheit. Zu Kneß iſt zur Rückſprache! Es iſt dringend, wenn ihr gesellt sich auch der starke Meinungswille, Sie? Dann rufen Sie nächste Woche zwiſchen ein prägnanter Charakterzug des norwegischen elf und zwölf noch einmal an! Vorher ausVoltes. Was ist auch da zu vertuscheln? Die geschlossen! Ich sage doch: ausgeschlossen!" jeßige Arbeiterregierung ist eine Minoritätsregierung wie soll sie gestärkt werden? Man sagt: Durch die Agitation, durch die Zat, durch die Organiſation. Durchaus legale Mittel. Die politischen Feinde der Arbeiterregierung sind noch mächtig genug und lauern darauf, um sie im Parlamente zu stürzen. Wie kämpft man dagegen? Der eine sagt: Durch die Aufklärung, der andere: Durch die Beseitigung der noch bestehenden bürgerlichen Privilegien, der dritte: Durch opfernde Taten. Durchaus Kampfmethoden im Rahmen der Verfassung.
,, Würden Sie diesen Brief gelegentlich Herrn Ried geben, bitte!“ ſagt er.
..Wird sofort erledigt!" ruft Fräulein Osterheinrich und springt wie von der Tarans tel gestochen auf.„ Sobald Herr Generaldirek tor aus der Konferenz kommt, wird es ers ledigt!"
,, Es eilt gar nicht", sagt Parsifal nnd geht geruhsam wieder hinaus.
Einen Augenblid ist es totenstill im Zims mer. Fräulein Oſterheinrich starrt den Brief an, einen Brief in einem gewöhnlichen weißen Umschlag.
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,, Es eilt nicht?" fragt Herr Rabe nervö¾. Beigen Sie mal! An den General... Fräulein Quarksch ist auch herangekommen und betrachtet mit scheuen Augen den wunderbaren Brief.
Die Tür vom Nebenzimmer fliegt auf. ..Bootäh!" brüllt Herr Döbel. Aber als er die drei stehen sieht, tritt er näher:..Was ist denn? Ein Brief? Nicht eilig? Ausges schloffen! Bootäh! Bootäh!"
Inzwischen hatte Herr Rabe angefangen, auf seinem Apparat zu sprechen. Er trommelte mit der Faust auf die Gabel: Machen Sie Herr Rabe schüttelt den Kopf. Nicht mich nicht wahnsinnig, ich habe es eilig, ver- cilig? Gar nicht eilig? Ausgeschloffen. Wir binden Sie mich!" müssen ihn sofort. Schnell, Fräulein Herr Döbel reißt die Tür vom Neben-| Quarzsch, ſchnell, ſchnell, los! Es iſt eilia!“ zimmer auf und brüllt: ,, Bottäh! Bootäh!" Eine Fräulein Quarzich springt zu ihrem Rohrpofitapsel saust in den Korb neben Fräu- Schreibtisch und nimmt den Hörer ab.„ Bitte, lein Osterheinrich. Der Bote kommt ins Zim- Konferenzzimmer!" mer geschossen. Herr Döbel wirft die Arme in die Luft:„ Eilig, brandeilig zu Herrn Schulz!" und schmeißt die Tür wieder zu Fräulein Quartsch eifert in den Apparat:„ Sofort ein dringendes Gespräch!" Ein junger Mann stürzt ins Zimmer und wirft Herrn Rabe einen Stape! Durchschläge auf den Tisch. Fräulein Osterheinrichs Maschine flingelt wie eine Trambahr.
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..Könnte bitte Herr Generaldirektor Ried mal an den Avparat... Die Quarkſch iſt ganz außer Atem. Ja, es ist sehr eilig. Here Generaldirektor? Herr Generaldirektor, hier ist ein Brief für Sie abgegeben worden bon einem Herrn- ja. Er sagt, es eilt gar nicht. Ja, zu Fräulein Osterheinrich."
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,, Was hat er gesagt? Es ist nicht eilig? Fräulein Quartsch ruft ins Telephon: Ausgeschlossen! Ich komme sofort hinunter!" ,, Verzeihen Sie, meine Herren," sagt er Kommt nicht in Frage! Die Herren find die ganze Woche besetzt!" Herr Rabe schiebt ihr zu den anderen im Konferenzzimmer. Wir hastig die vielen Durchschläge zu: Borweg. müssen die Besprechung leider vertagen. Ich Muß sofort wieder rauf. Lauter Eilsachen!" habe da eine ganz eilige Sache, verzeiben Sie, Mit einem Sab holt Fräulein Osterheinrich den es ist furchtbar dringend und eilt fehr!" jungen Mann an der Tür ein und stopft ihm den Brief an die Universitas in die Hand. Es iſt eilig!" japst sie. Und Herr Döbel reißt schon wieder die Tür auf und brüllt:„ Bootäh!
Bildet der Faschismus eine Gefahr für Norwegen ? Kaum hat ein Student an der Grandcafé- Ede diese Frage gestellt, hat sich eine lebhafte Gruppe um ihn gebildet. Da geht es lebhafter zu. Denn die Faschistengruppe ,, National Samling" schidt gerne ihre Debatteure auf den Karl Johan. Die bür gerlich demokratische Jugend und die Arbeiterjugend bilden die große Majorität, aber der Gegner hat die Redefreiheit. Man diskutiert mit ihm, man sucht ihn zu überzeugen. Auf Einwände hat man rasche Antworten. Die Demofratie wird mit sachlichen Beweisen vertei digt. Wirtschaftliche Auseinandersetzungen gelten als fair, wer aber das Wort„ Diftatur" oder gar Antisemitismus“ gebraucht, ist nicht mehr der Polemik wert. Die Gruppe fällt auseinander und bildet andere Gruppen. Fräulein Osterheinrich läßt die Finger auf Da geht es friedlich zu, wenn auch die Tagesfragen brennender Art sind. Genügen die Maßnahmen der Regierung, um die soziale Fürsorge zu sichern? Soll auch in Norwegen eine Volksfront gebildet werden aus Elementen, die nicht reif genug sind, um auf einer Parlamentsbank zusammen zu ſizen?... Ez waren nur nationale, norwegische Belange, denen ich stundenlang auf den Karl Johan Tauschen durfte. Fragen internationaler Art werden gern, gar mit Willen vermieden.
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Bootäh!"
So geht es zu in dieser A. G.
die Tasten trommeln, Herr Döbel reißt die Tür auf und schmeißt sie wieder zu, Fräulein Quartsch klemmt sich das Telephon zwischen Bade und Schulter, wühlt links in der Kartothet und macht rechts Haken in einer Liste, die Boten poltern hin und her, Herr Rabe rauft sich die Haare und telephoniert mit Köln .
In diesem Augenblid, Schlag 13 1hr 11, tritt Parsifal ins Zimmer.
Er sieht aus wie all und jeder und hält einen fleinen Hut in der Hand. - Er lächelt mild und fröhlich und hat eine leise, freundliche
Diese Debattiergruppen sind keine Anzeichen einer Revolution oder kommender Unru- Stimme.
Der Generaldirektor flikt zum Fahrstuh!, fährt runter, sauſt in sein Vorzimmer. Da stehen sie noch immer ganz verdonnert um den seltsamen Brief, der nicht eilt.
,, Wo ist der Brief? Der Generaldirektor ringt nach Luft.
Er reißt den Brief auf, daß der Umschlag in Feßen geht. Er fangt an zu lesen. Dann wischt er sich die Augen, als habe er einen Bauberiput gesehen, er tann es gar nicht fanſen und liest noch einmal langsam und laut:„ Verehrter Herr Nied, ich hätte Sie gern einmal in einer Angelegenheit gesprochen Meine Adresse ist bis auf weiteres die obige. Die Sache eilt gar nicht. Der Generaldirektor schüttelt ungläubig den Kopf.
,, Ein Geisteskranker!" schreit der Generaldirektor empört, rennt aus dem Zimmer, wirft fich ins Auto und fährt mit 90 Kilometer nach Hause, um sein Mittagessen hinunterzuschlingen.
Dom
da nsriousdimine