Menschen im Hotel vor

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500 Jahren Hahnes folgende Unterſchrift: Wenn der

Ein kulturgeschichtlicher Streifzug von Rudolf Steiner

Reisen ist heute ein Begriff geworden, mit dem sich die Vorstellung von Annehmlichkeit und Vergnügen verbindet. Dienst am Kunden" ein Schlagwort, das so recht zeigt, wie die Auf­fassung im Verkehr der Menschen untereinander sich geändert hat, wobei das sowohl auf das ge= schäftl he wie das gesellschaftliche Leben zutrifft. Treffen wir heute im Geschäftsleben im allge= meinen auf Verbindlichkeit und Entgegenkom­men, so trifft das in erhöhtem Maße auf die Behandlung zu, die der Reisende erfährt.

Aber diese Selbstverständlichkeit, diese Konzilianz hat eine frühere Epoche nicht ge­

tannt.

Unter den vielen Zeugnissen und Dokumen­ten, die uns Bericht geben über das gesellschaft­liche Leben einer vergangenen Zeit, ist der be­rühmte Brief des Erasmus von Rotterdam, des großen Humaniſten und Philosophen, zweifellos das interessanteste und aufschlußreichste. Dieser

davon, wie es mit der Gastlichkeit im Europa des 15. Jahrhunderts bestellt getvesen ist.

Als feststehendes Gebot der damaligen Zeit galt es, daß die Wirte den Reisenden gegenüber fich der größten Zurüdhaltung zu befleißigen hatten. Es war ihnen verboten, ihr Haus anzu­preisen, den Fremden anzuloden uſtv. Aber laffen wir den Erasmus selbst zu Worte kom­

men:

Kommt einer an, so grüßt ihn nie­mand. Es soll nicht aussehen, als ob sie zu viel nach den Gästen fragten. Man kann sich die Lunge aus dem Halfe schreien, ehe jemand hört. Nach endlosem Warten öffnet sich endlich eine Für und eine unwirsche Stimme fragt nach dei­nem Begehr. ,, Gibt es ein Nachtquartier? Ein gnädiges Niden ist die Antwort. Die Frage nach dem Stall wird mit einer Handbewegung bes antwortet. Man muß sein Pferd ſelbſt hinfüh­ren, für Streu und Futter forgen, der Knecht rührt keine Hand. So wie du bist, wie du gehst und steht, mit deinen schmutzigen Stiefeln, den naffen Kleidern und deinem Mantelsad betrittst du die allgemeine Wirtsstube. Hier kannst du deine Stiefel ausziehen, dein Hemd wechseln, deine Kleider trodnen. Die andern genieren sich nicht. Da wäscht sich einer, dort lauft sich einer, ein andrer fämmt sich, Waschwasser steht bereit, ein großes Beden zur allgemeinen Benüßung. Aber es ist so schmutzig, daß man es selber waschen möchte. Die Wirtzstube ist voll von Menschen verschiedenster Art: Da bemerkst du Handelsleute, Schiffer, Schüler, Fuhrleute, Weiber und Kinder, alles drängt sich durch­

einander.

In so einem Hotel mußte eben jeder ab­steigen, gleichgültig, ob er ein Landstreicher oder ein geistlicher Herr war, der sich sonst von sei­nen Dienern in der Sänfte tragen ließ. Bot ihm nicht zufällig ein Kloster oder eine Burg Gaft­freundschaft, so mußte er mit der Herberge vor­lieb nehmen. In einem Züricher Beschluß aus dieser Zeit heißt es sogar: Daß es einem Bür­ger wohl erlaubt sei, einem fremden guten Freund in seinem Hauſe Gastfreundschaft zu ge­währen, daß er ihn aber nicht gastfrei halten türfe." Angesichts der Verschiedenheit der Gäste gab es nicht selten Streitereien, die oft zu Raufereien mit tödlichem Ausgang aus arteten. Die Behörde hatte darüber ihre be­stimmten Ansichten fie bekämpfte solche Aus­wüchse energisch wie eine Verordnung aus dem Jahre 1341 besagt:

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..Jeglicher Wirt, wenn der Gast in sein Haus kommt, soll ihn heißen, sein Messer vor ihn zu legen. Tut er's nicht, soll er ihm weder zu essen noch zu trinken geben."

Aber lassen wir Erasmus weiter von seinen Eindrücken berichten:

,, Kommst du nachmittags um bier an, wirst du vor abends acht oder neun nichts zu essen haben. Denn es wird erst angerichtet, wenn die Wirtstube voll mit Gästen ist, damit nicht die ewige Lauferei sei. Jezt taucht der dienstbare Geist auf und zählt die Schar der Gäfte. Ueber die groben Holztische breitet er reine Segel tücher, dann setzt sich alles in bunter Reihe. Reich und arm, Herr und Knecht, hier gibt es keinen Unterschied der Stände, immer acht fizen an einem Tisch. Der Bedienstete bringt die höl­zernen Teller und Löffel und einen gläfernen Krug mit Wasser, dazu einen Laib Brot. Es

eine das Mahl angerichtet Die Schüsseln werden mit großem Gepränge aufgetragen. Erst gibt es eine Brotsuppe, dann Gefochtes mit allerhand Gewürztem, einen Hirsebrei und zuletzt einen Braten. Wenn alle gespeist haben, erscheint der Wirt und erkundigt fich, wer noch Hunger habe. Wein wird gebracht und Käse. Und dann ſaufen alle, was das Beug hält.

Spielleute und Galler treten auf und forgen für Kurzweil. Das dauert bis in die tiefe Nacht. Endlich erscheint der dienstbare Geist wieder und präsentiert die Rechnung: Eine große Schiefertafel, auf der so viele Kreise eingezeichnet sind, als Gäste vorhanden. In jedem Kreis steht, was der einzelne für die Speisen und an Nachtgeld zu zahlen hat. Alle berappen und der Bedienstete zählt nach, ob es stimmt."

Hahn träht, gebe ich meinen Wein auf Borg".

Aber laffen wir Erasmus zu Ende ers zählen: Möchte einer zu Bett sehen, nach dem Essen, weil er sehr müde ist, so heißt es, du mußt warten, bis die ganze Gesellschaft fich hinlegt. Dann wird jedem fein Bett zugewie fet, aber außer diesem Bett gibt es nichts." Erasmus vermißt ein Faulbettlein, einen Waschtisch uſf. Meistens schlafen alle zusams men in einer Stube, eine Trennung der Ges fellschaft fennt man nicht. Die Laten find zuletzt vor sechs Monaten gewaschen, bemerkt der kritische Erasmus und der Graf von Gleichen läßt sich über dieses hema feinem Sohn gegenüber folgendermaßen aus:

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Legst du dich an einem fremden Ort zu Bett, so sollst du an den Leintüchern zu Häup­ten und zu Füßen ein Eſelsohr machen. Wenn es steif bleibt, ist es ein Zeichen dafür, daß die Tücher rein find. Sind sie es nicht, so follſt du die Hosen anbehalien, denn in solchen Betten Hätte fann man die Pestilenz bekommen." S Erasmus, der scharfe und gut beobachtende 400

Urteil über das Hotelleben" anders ausges fallen. Aus der gleichen Herberge, in der er damals übernachtet hat, ist ein ftattliches Hauz geworden, groß wie eine Burg, geräumig wie ein Schloß mit steilem Dach und schönem Gie­bel. Betritt man das ftattliche Gehöft, ſo fällt der Blick auf riesige Scheunen und Stallungen. In der großen Gaststube steht ein schöner Kachelofen, an den Wänden hängen prachtvolle Kupferstiche und die grünen und bunten Busen­scheuerte Ahorntische und bequeme Armſeſſel, scheiben glänzen im Sonnenschein. Blankges mit braunem Leder überzogen, laden den Gast zum Verweilen ein. Mägde wirtſchaften in dem und führen ihn in die freundlichen und sauber weiträumigen Haus, betreuen den Fremden ausgestatteten Zimmer. Draußen aber, am Zor, halten mächtige schmiedeeiserne Arme das Wirtshausschild, auf dem in schönen Buch Erasmus. staben gemalt zu lesen steht: Herberge zum

damals hat es Rechpreller gegeben. Seit dem Diese Vorsicht war am Blake, denn schon Jahre 1521 existierte in Deutschland eine Wirtshausverordnung", die bestimmte Preise für Koſt und Logis vorschrieb. So foſtete ein Gaststätten in Paris Mahl mit Fisch und Fleisch zwei Groschen, ein

Nachtfutter" einen Groschen. Aus einer topo= graphischen Beschreibung zu Beginn des 17. Jahrhunderts kann man ersehen, wie es z. B. mit dem Hotelwesen in Berlin bestellt gewesen ist. Da werden aufgezählt: 19 Gasthäuser ersten und 17 Gasthäuser zweiten und dritten Ranges. In den ersten wird für ein Logis von vier Bimmern im ersten oder zweiten Stod ein Thaler pro Tag gerechnet, für eine Stube im dritten Stod zehn Groschen. Ein Mittagessen mit fünf Gängen stellte sich auf sechzehn Gro­schen, eine Flasche Bordeaur fostete zehn Gro­schen, für Champagner wurde ein Thaler und sechzehn Groschen verlangt. Für Kaffee mußte man vier, für Tee zwei Groschen bezahlen. In einem Hotel zweiten Ranges wurden für Logi acht und für ein Mittagessen sechs Groschen ges nommen, Für Passanten, die eintehren wollten, gab es nur die Bierbrauereien und die Bein­kneipen. Alles Genossene mußte vorher be­zahlt werden. Konnte einer nicht sofort be­zahlen, so mußte er die Schuld binnen 24 Stunden begleichen, denn sie durfte nicht ver­zinst werden. Kredit auf Essen und Trinken wurde nicht gewährt. Das war internationaler Brauch. Poor credit is dead"( der Kredit ist tot) stand über dem Schanktisch eines englischen Birtes zu lesen, und in Rom , in einer Osteria, fand sich unter dem Bild eines trähenden

Trotz der Berühmtheit der französischen Küche und der Fülle der Pariser Gaststätten iſt es für den wenig begüterten Fremden nicht leicht, einen geeigneten Mittagstisch zu finden. Die Preise sind sehr verschieden. Während man in Vorstadtlokalen schon ein Menü- oft mit

Wein

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für 6 bis 7 Francs bekommt( cin Franc= ungefähr 1.30), kann der Unein­gelveihte im Zentrum 12 bis 15 Francz ohne Getränke bezahlen. Serviette und Brot werden erira berechnet. Manchmal sogar mit 6 Francs. Da eine Suppe allein ſchon mit 3 Francs bes rechnet wird und eine Tagesplatte 6 bis 7 Francs kostet, verläßt man mit leeren Taschen und wenig gefülltem Magen das Restaurant.

farte mit schön klingenden Gerichten und sucht Der Kundige verzichtet auf eine Speises einen kleineren Mittagstisch in der Borstadt auf. wo auch der Pariser Arbeiter seine Hauptmahl­zeit einnimmt, denn am Effen pflegt er weit weniger als an der Wohnung zu sparen. Zwei besonders interessante Gaststätten billigſter Art lernte ich im Studentenviertel Quartier Latin " kennen: Ein chinesisches und ein ruffis sches Restaurant.

Im chinesischen Restaurant: Wir betreten einen großen, hellen Eßraum mit fleinen Tischen. Jeder Tisch ist mit einem Papiertische tuch bededt. Der Kellner bringt einen Eßnapf nach Wunsch Bestecke oder Stäbchen

und

Den getrum