Die Jahre
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Man hat fo Tage, die fo grau und hager, Nichts ändert fich und alles ist ein Sumpf, Die Morgen, die einst glänzten, wurden magerDu faßt dich an die Stirn, die alt und dumpf. Man fügt sich blöd und müd in's Schlimmste brein, Und fagt vertrottelt:..' 8 ist halt so auf Erden: Es gibt nicht immer Wein und Sonnenschein- Nur bös: daß aus den Tagen Jahre werden! J. Haringer.
Verſuch gemacht, es wieder abzuschaffen, aber nun gab es wirklich ernsthafte Unruhen, und 1938 wurde zum ersten Mal nach dem neuen Gesetz gewählt.
Ein Jahr später fand jener denkwürdige Butschversuch statt, an dem sich jeder Andorraner mit Entrüstung erinnert. Boris Stofsyreff, ein russischer Emigrant, tauchte plötzlich in Andorra auf, rief sich selbst zum König Boris I. aus, ließ an ,, fein Volt" gerichtete Manifeste druden und zog ins Regierungsgebäude ein. Aber der Butsch des Russen, der auf der Ueberraschungstaftik aufgebaut war, erschien den andorranischen Bauern doch etwas zu frech. Ihr Präsident, der Syndic general Pere Torres- ein fluger alter Bauer aus dem Dorf Encamp - marschierte mit den sieben Polizisten, über die Andorra in flusive d- Polizeipräsidenten" verfügt, auf
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und verhaftete den Eindringling, der in ein spanisches Gefängnis abgeschoben wurde. Die französischen Soldaten, die bereits an der Grenze standen- Andorra hat keine eigene Armee, nur die Familienväter besißen je eine Flinte wurden wieder nach Hause geschickt. Ein zweiter Kronprätendent lebt in Perpignan : ein biederer Töpfermeister, der seine Ahnenlinie bis auf das Jahr 800 zurückleitet und behauptet, feine Dynastie habe einst in Andorra geherrscht. Man lacht über ihn und läßt ihn nicht über die Grenze. Noch gilt ja die Charta von 805, wohl verwahrt im alten Dokumentenschrank des Rate faals in der Casa del Valle, zu dem es sieben Schlösser gibt, die im Besitz der sieben Räte aus den Hauptorten von Andorra sind; dieses ..Staatsarchiv" fann nur mit diesen sieben Schlüsseln gleichzeitig geöffnet werden.
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Der Sprung
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Welliges Dedland, von Staubbededter, den Handlungen unseres Volfes im verstärkten weißer Landstraße durchschnitten. Wenige Fel- Ausmaße wiederfinde. der. Selten ein Baum an der Straße, der kargen Schatten spendet und Schuß vor der glühenBir liefen lachend durch den maigrünen den Sonne. Schwerbepadt, müde und vom Durst Wald, ztvei Burschen und zwei Mädel. Die Erde gequält trotte ich dahin. Jeder Schritt wirbelt duftete schwer und berauschend. Es war ein eine Wolfe weißen Staubes auf, der fich in Frühjahr, wie herb und wunderbar wir in dider Schicht auf die schweren Schuhe legt und unferen fiebzehn Lebensjahren nie eines erlebt in die Kleider und Atemwege dringt. Nir hatten. Freudig und erregt pulfte das Blut durch gends ein Haus, ein Bach oder eine Quelle. Die unsere Körper. Mit neuen Augen blidten wir Füße schlürfen über die Straße wie von einem in die Welt und schauten oder ahnten zum Ihrivert angetrieben; jedes Gefühl ist ihnen erstenmal die Entschleierung des Geheimnisses berlorengegangen. ., Leben".
Endlich ein Geräusch: ein schwerer Lafter rattert heran, löst sich als schwarzer Kern aus der weißen Staubwolte. Plöbliche Freude wallt aber in mir auf: der Wagen kann mich der trost losen Umgebung entführen. Ich muß auffpringen, der Kasten fährt nicht allzuschnell. Schon ist er neben mir, ießt muß ich zu laufen beginnen, wenn der Sprung gelingen foll. Keine Sekunde ist zu verlieren. Los!
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Da meldet sich in mir eine andere Stimme: Das darfst du nicht tun! Aufspringen ist verboten! Man wird dich herunterwerfen!" Vor mir aber liegt der endlose Marsch durch die öde Wüstenei. Mache ich nur ein paar Sprünge, dann kann ich den eisenbeschlagenen Rand des Laderaumes erreichen und mich hinaufziehen. Wohin ich dann auch fahre: nur vorwärts!
Nun sehe ich das Ende des Wagens, noch fann ich es erreichen, wenn ich losstürze und ſpringe. Staubfontänen springen auf. Der Körper strafft sich zur bevorstehenden Anstrengung. Hast du die Erlaubnis dazu?" fragt der ängstliche, pedantische Teil meines Wesens. Nun trennen uns schon sechs oder acht Meter.. ,, Es ist schon zu spät", behauptet der Feigling in mir. Noch zwei Sekunden jezt hat er recht: E3 ist zu spät. Die Staubwolfe verdeckt den Wagen. Ich laufe weiter in müdem Trapp.
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Mehr folcher Bilder ruhen in meinem Gedächtnis; zuweilen wachen sie auf und stei gen in das Bewußtsein hinauf, dann schäme ich mich meiner Schwäche und mangelnden Tattraft, der Eigenschaften, die ich nur allzuoft in
Sicher iſt es, daß nach der Entscheidung im Anekdoten
um Saint- Pierre
Bernardin de Saint- Pierre , der Dichter von Paul und Virginia", hat in einem langen, unsteten Leben die verschiedensten Wandlungen Frankreichs im achtzehnten Jahrhundert miterlebt und ist erst 1814 gestorben. Er sah das erste Königreich, die Revolution, das Zeitalter Nader wichtige Vorläufer der Romantik, nicht nu poleons und wieder die Bourbonen. So hat er, Romane geschrieben, in denen er Rousseaus Lehre fruchtbar zu machen verstand, sondern auch auf immerwährenden Wanderungen viel gesehen, mehr aber erlebt.
nur
spanischen Bürgerkrieg in Andorra wichtige Veränderungen vor sich gehen werden. Das große Elektrizitätswerk ist in Betrieb und sucht Abnehmer für seinen Strom. Das Spiel der Zu seinem 200. Geburtstage am 19. Jänner 1937 Großmächte und des Großkapitala um den Bauernstaat ist erst am Anfang, die neue Zeit ist nun auch für Andorra angebrochen, Spaniens zufünftiges Schicksal wird hier in den letzten Ausläufern spürbar sein. Vielleicht wird man fogar die Haupteinnahmsquellen der Staatsfassa ivechseln müssen bisher tvar es der. Briefmarkenverkauf. Andorra hat zivar feine eigene Post, aber eigene Marken, die natürlich von Sammlern sehr begehrt sind, und von denen möglichst oft Nendrude hergestellt werden. Das Tustigste sind die beiden Postgebäude auf dem Htplatz von Andorra la Vieja , links daz französische, rechts das spanische- beide Postverwaltungen betreiben gemeinsam oder vielmehr in Konkurrenz die andorranische Post und verkaufen beide die Andorramarken. Durch einen Staatsvertrag sollte nun die Postverwaltung ganz..n Spanien übergehen, aber daraus ist durch die letzten Ereignisse noch nichts geworden. Man wartet also ab in Andorra und genießt die Stille der Bergtäler, dieser Insel im Blutmeer der Pyrenäenbalbinsel.
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Boote, die ein Mann vermietete. Bom Ruhes Rastplatz am fleinen See. Am Ufer lagen plak weg liefen die Drei zum Ufer, spielten dort mit Kiefeln, stiegen plöblich in einen Kahn und fuhren auf den See hinaus. Ich rannte zum Wasser und rief, da kamen sie näher heran und Todten„ Spring doch rüber! Spring rein!"
Drei Meter Wasserfläche trennten uns, Sie fuhren längst des Ufers und ich lief immer nebenher. Wenn ich zu kurz sprang, würden sie mich noch mehr verhöhnen, als sie es jetzt schon taten. Ein Mädel lachte mich aus:„ Hast du Angst vor dem Waffer?" Die Kluft wurde breis ter. Jetzt hätte ich vielelicht noch den Boots= rand erreichen können. Vielleicht hätte ich aber durch meinen Anprall die andern über Bord geworfen. Wie ein Narr rannte ich das Ufer ents lang. Da wendeten die Mädel mit findlichem Trok das Boot und fuhren auf den See hinaus.
Ahoi, erste Liebe! Ahoi, frühlingsfrohes Hoffen! Fast weinend vor But lief ich in den Wald und krallte meine Hände in das Moos.
So endete dieser Tag. Die Welt war falsch und elend. Nie mehr ging ich mit den Dreien. Sie vermißten mich nicht. Das Mädel- mein Mädelfand einen andern, noch im felben Mai Wo ist es jetzt? Borbei, verpaßt, vorbei...
Und so berfäumen wir das halbe Leben: Täglich stellt es uns vor neue Aufgaben. Los. springe, bezwinge fie! Oft trennt uns nur ein schmaler Spalt von dem ersehnten Ziel, da fehlt
Ein abgeriffener Dichter fam eines Tages zu Saint- Pierre und wollte von ihm etwas Geld leihen. Ich habe nichts," fagte Saint
zu
Bierre, aber vielleicht gehen Sie einmal zn Victor Hugo , der hat Geld." Bu Victor Hugo ?" antwortete der Hilfsbedürftige, der hat mich ja zu Ihnen geschickt. Ich bin ihm nämlich die Miete schuldig, er ist mein Hauss wirt!"
Saint- Pierre erzählte: Ein wahres, echtes Gefühl sehe man so selten, daß er oft auf der Straße stehen bleibe, wenn dort ein Hund cinen Knochen abnage. ,, Am meisten interessiert
mich dieses Schauſpiel, so fügte er hinzu, wenn ich gerade von Versailles oder Fontaineblau komme."( Dort nämlich, wo der Hof reſi
dierte!)
C
sagte:„ Hier also arbeitet der hohe Herr...?"
Eines Tages hatte Saint- Pierre auf einer Getreu der rousseauschen Lehre war Saint- Reise die Erlaubnis bekommen, die Privats Pierre für ein natürliches Leben. Als man räume des Königs von Spanien zu besichtigen. eines Tages davon sprach, daß die Sterblichkeit vor seinem Schreibtisch blieb er stehen und in den Hoffreisen ein so erschreckendes Maß angenommen hatte, erklärte er, den Grund zu wissen. Ich kann Ihnen ganz genau fagen, woran die Leute sterben," meinte er, die eine Hälfte stirbt an den Diners, die andere an den Soupers."
„ Was.. arbeitet?" rief der Hofs beamte ,,, was ist das für eine Unverschämtheit! Das ist ja eine Majestätsbeleidigung!" Und Saint- Pierre hatte Mühe zu beweisen, daß Arbeit auch für einen König feine Schande fei..