BUNTE WEIT Nr. 7 UaterteltBapMIIasa 1M7 Gewitter unter der Erde (Schluß) Zu einer Walke der schwarzes Staubes, in dec er donnerte, brauste, ratterte und zischte, zerteilte sich die Kolonne und ging, die kampf- müde» Gruppe» ablösend, mit mörderischem Schnellfeuer der Lustdruckhämmer gkjze» die Ungetüme Wand vor,.die sich mit Gefauche und Geknirsche wehrte, ihre Kohle herzugeben. Allenthalben sperrte sie große und kleine Rachen auf. deren gasiger Hauch die Gesichter der Angreifer schwärzte und ihre Grupenlarnpen blaurot färbten. Peter zwängte sich'mit der Pickhacke in eine schmale, feindselige Kluft und entriß ihr verbissen die settglä uzende Kohle. Einmal spiel ihn der Schlund mit einer Ladung wertlosem Geröll aus. Er lag da, wie erschlagen. Joseph sprang nicht herbei. Er bohrte unter ihm in einer Nische am Fundament der Wand. Dar Geknatter seines Bohrers verhallte. Mit angespannten Sinne» belauerte er den Freund. Peter begann sich aufzuraffen. Er preßte eine Weile seine Knie gegen den Mund und ging dann, indem er auf seine schmerzenden Hände spuckte, mit Ingrimm wieder an die Arbeit. Und unter seinem Stammplatz begann Josephs Bohrer wieder zu knattern, die Wand zu unterhöhlen. damit sie berste und Peter begrabe. Oftmals schwieg der Bohrer. so daß es sich auhörte. als zögerte er. den Plan auszuführen... Die schwarze Wolle wurde dichter. Jetzt sahen die Menschen im Schein der unterirdische» Lichter aus. wie die Gestalte» der Schatten... ES stürmte. Dar Getöse der Bentilawren wurde zum Geheul. Die Wolle blieb schwarz. ES wurde schwül. Au manchen Stelle» schwitzten die Wände. Die Hauer trieften, als regne es Schweiß. Und unaufhörlich rutschte die eroberte Kohle, die mächtig lärmte, von blechernen Rinnen in die Wagen auf dem Geleise. Ei» Gaul stand angeschirrt vor dem Lastzug und wartete schlafend auf seine Fuhre. Da zuckte ein Blitz in die Wolle. Die Erde ruckte. Die Erde zersprang. Es donnerte, krachte und wetterleuchtete dazwischen. Alles zitterte, alles bebte. Und dann war es auf ein- nial vorüber. Und statt des Lärmes der Kohle und des Geknatters wurde das Jammern. Stöhnen und Schreien der Verschütteten laut. Und er wurde wieder stille, ganz stille, als sei alles za Ende und alles verendet. Doch mitte» in dem Dunst der Finsternis wachte ei» einsames unterirdisches Licht... Es war kurz nach Mitternacht . Das Städtchen schlief. Das Gewitter, das gegen Abend heraufzog. war Engst vorüber. Kein Wind wehte mehr. Und der Himmel war voller Sterne. Wanda schrieb in ihrer Kammer einen reumütigen Brief an Peter, in dem sie wiederholt beteuerte, sie könne wegen des Kummers, den sie ihm gestern zufügte, keine Ruhe finden. Heimlich rückten die Zeiger der Uhr auf die zwölfte Stunde. Kein Zittern, kein Beben wurde im Städtchen bemerkt. Rnhig gingen die Uhren weiter. Roch krähte kein Hahn. Noch kEffte kein Hund. Noch schwiege» die Sirenen. Die Sülle unter der Erde hielt an. Richt einmal die Ratten wagten sich zu mucksen. Kein Geräusch und keine Hoffnung regten sich mehr. ES blieb Nacht. Die Welt schien zerstört, verwüstet und. ausgestorben zu sein. Nur sieben Mein» der Kolonne lebten. Sie waren von der Wucht der Detonation in den Bereich der einzigen noch brennenden Lampe geschmissen worden. Der Steiger, dem sie gehörte, lag neben ihr, entseell von einem Fetzen Wand. Die lleberlebeuden kauerten im Banne des Schreckens. Sie kauerten so starr, als sei ihnen das Herz und der Verstand stehen geblieben. Jeder bangte, wenn er sich bewege, beginne das Gewitter von neuem. Jeder fürchtete, in das Grauen zu blicken. Dean das Bewußtsein, lebend 120 Meter tief unter der Erde in einem Massengrab zu stecken, Ehmte ihre Sinne. Sie hatte» das Gesicht der Erde zugewandt. Einige bedeckten es mit den Händen. Keiner wußte, ob der an«re noch lebe. Da hüstelte einer. Die Fin»> sternis war heiß und stank nach Schwefel. Alle räusperten, leise, zaghaft. Und er raschelte. Ein Vollbärtiger fragte halblaut:„Wer lebt hier noch?" Niemand antwortete. Er stteß seinen Nebemnann. den toten Steiger au und sagte zu ihm in schlecht verhaltener Verzweiflung: „Macht» doch nicht schlimmer als es istl Sonst wird man verrückt!" Da kam es ihm vor, als weine irgendwo ein Man» wie ei» Kind. Er richtete sich auf die Knie und horchte mit offenem Mund hin. Plötzlich schrie aus ihm das Entsetzen:.Lebt hier noch einer?" Aich da erst gewahrte er, daß sich zwischen den Gestalten, die im Umkreis der Totenlampe herumlagen, die Ueberlebenden, statt zu antworten, erhoben hatten. Entgeistert stierte er sie an. Unb da entfielen ihm die Worte:„Santa Maria...“ Und alle murmelten:„Erbarme dich unser...' Altersrentner Einstmals rührten sie emsig die Hände, stark war des Lebens ouSholender Schwung. Sie schaffte»»och rüstig und waren jung, spürten nichts»am Berloder» der Brände. Sie«aßen sich am tägliche» Werke, kein Wagnis war ihre« Wolle» zu groß. Sie baute» sich träumend ihr Wolkeufchloß mit deS Glaubens steilftrebcnder Stärke. Ihr Tn» ist fetzt behutsam uud müde, ihr saltigeS Haupt gebeugt und gebleicht. Run sie den Berg der Eatfamm« erreicht, lechze» die welle» Lippe«»ach Güte. Zitternd streiche«»om Zahlbrett die Hände de« Altcrssald ei» mit stammelndem Mund. Ost taumelnd, fast wie auf schwankendem Grund, Pilger« sie heim in ihre»ier Wände. Manche auch sieht man gemeinsam schreiten, zuwelle« bleibe» sie schweratmend stehn. Die Blicke weit ins Bergaaaene geh«,— sie reden»wa schönen, alte« Zetten. Julia? Z e r s a h tz. Der Klmnste, der breitschultrig war und O-Deine hatte, ging an dieLampeund hob sie hoch, um zu zeigen, wer nochlebe. Peter und Joseph sahen sich. Sie schauten voneinander weg. Edier flüsterte:«Wir müssen.ung eile», hier rauszukommen, bevor die Lust schlecht wird!" Joseph riß die Lampe an sich und schrie auf die Uncherstehenden ein:„Schaufeln und Pickhacken herbei! Los, los!" Er ging mtt dem Licht voran- Hinter ihm em» stand eia wortloses Handgemenge um die erste Schaufel, die einer in den Trümmern fand. Peter stand abseits. Er trauerte, nicht um sich, solcher» um Wanda. Jetzt, da er sich verlöre» wußte und glaubte, daß sie ihn nicht mehr liebe, lag ihm nichts mehr an seiner Rettung, an seinem Leben, an der Del». Joseph stapfte weiter und keuchte in einem- fort:„Den Stollen sucht, Kameradenl Unsere» Stollen..." Da schrie der Lollbärtige, der ihm vorausgeellt war:.Hier! Hierher!" Sie hasteten hin und sahen im Scheine deS Lichtes einen Haufe» Geröll, aus dem sich der Kops deS Gauls reckte. Peter neigte sich zu dem Tier und flüsterte ihm ins Ohr:»Felix, armer Kerl..." Die anderen, die ihm zu- schauten, bekreuzigte» sich. Im Hintergrund begann die Wand zu tropfe», schnell, leist, unaufhörlich. ES hörte sich an, als besagte ihnen daS Getrapst, daß ihre letzte Stunde nahe sei... Joseph eiferte:„LoL, los! Hier ist der Stollen! Der Gaul stand immer mtt dem Halfter in der Richtung zum.Schacht!" Und sie spuckten in ihre Hände uud begänne» i» Haft, den Schutt, der de» Ausweg verstopfte, zurück in das Grab zu werfen. Jeder arbeitete, bis er umsank. Keiner sprach. Manchmal wühlte nur einer, oder zwei, während die anderen im Schlaf oder in der Ohwnocht lagen. Sie gerieten tiefer in de» Berg , immer tiefer. Und dst Lampe erlosch. Die Arbeitsstätte hinter ihnen war nun samt allem, was sich darin befand, mtt dem Geröll, da» de» Stollen vermauerte, zugeschaufelt. Und sie befände» sich in einem andere» Grab, in einem zweiten, das eng und nieder war. Manchmal schrie einer der Erschöpften, getroffen vom Gestein, das irgendwer aus dem verzweifelten Drange, sich auszugraben, zurückwarf. Manchmal schrien zwei oder alle, erschreckt von dem Schrei. Dan» schaufelten sie Wetter, und sie kamen ins dritte Grab, ins vierte, üiS fünfte...„Lust!" jammerte einer.„Wasser!" röchelte ein anderer. Sie rasteten. Und sie lauschten und schmatzten; und der kalte Schweiß biß an ihren Auge» Plötzlich raschelte es. Sie hielten den Atem an, als hätte» sie das Rahen der BergungS- kolonne vernommen. Und in der Stille lallte einer, der sich sterbend auf der schwarzen Gries streckte, ganz müde:„Die Kohle ist heilig! Amen!..." Da fing der Bollbärnge an, unruhig zu werden. Er jammerte:„Anitooriet mir! So antwortet doch..." Peter fragte: „Was fit denn?" Da winselte er:„Meä: Schlüssel! Mein Haustürschlüffel! Ich lann ibn nicht finden! ES ist so duickel! Mach doch mal einer Lichi!" Sie verhielten sich ganz st le.
Ausgabe
17 (13.2.1937) 7
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten